| Titel: | Wohlriechende Talgkerzen, die wie Wachskerzen aussehen. | 
| Fundstelle: | Band 35, Jahrgang 1830, Nr. XC., S. 374 | 
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                        XC.
                        Wohlriechende Talgkerzen, die wie Wachskerzen
                           aussehen.
                        Ueber Wohlriechende Talgkerzen.
                        
                     
                        
                           Das Repertory of
                                    Patent-Inventions gibt in seinem neuesten Februar-Hefte S.
                                    119. das alte franzoͤsische Patent des Hrn.
                              Lorraine auf
                              Talgkerzen, die wie Wachskerzen aussehen, und gut riechen.
                           Wenn es befremdend ist, daß man in England diese Verbesserung an den Talglichtern
                              bisher nicht kannte, so koͤnnen wir uns in Deutschland damit troͤsten,
                              wenn wir in mancher, eben nicht kleinen, Stadt fuͤr theueres Geld mit
                              schmierigen uͤbelriechenden Kerzen versehen werden. Kerzen gießen bei Hause
                              und bei Hause Seife sieden war vor vierzig Jahren wohl noch ziemlich die Sitte
                              deutscher Hausfrauen und der aͤlteren Toͤchter in guten und reichen
                              Buͤrgershaͤusern: heute zu Tage muß der Hausvater seiner theuren
                              Haͤlfte Savonette de Paris kommen lassen, wenn er
                              nicht selbst ohne Seife durchgewaschen werden will.
                           Es gibt indessen hie und da eine gute Hausfrau, die lieber ihr Haus beleuchtet, als
                              daß sie selbst als neues Licht in Gesellschaften und auf Baͤllen strahlen
                              wollte, und fuͤr diese uͤbersezen wir nachstehende Anleitung des Hrn.
                              Lorraine, schoͤne und wohlriechende Kerzen zu
                              bereiten. Vielleicht daß auch hier und da ein sogenannter Seifensieder sich
                              uͤber den Handwerks-Schlendrian wegsezt, und, dieser Anleitung
                              folgend, bessere Kerzen zum Kaufe liefert.
                           
                              „Die gewoͤhnlichen Talgkerzen sind schmierig, ohne Glanz, haben
                                 keinen Klang und laufen bekanntlich, zumal im Sommer, gern ab und stinken.
                                 Diesen Nachtheilen laͤßt sich großen Theils dadurch abhelfen, daß man den
                                 ausgelassenen und in Kuchen gegossenen Talg (das Unschlitt) in eine eigene
                                 maͤßig warme Stube stellt, und in derselben gaͤhren laͤßt.
                                 Der Talg troͤpfelt oder schwizt an eine oͤhlichte
                                 Fluͤssigkeit aus, die man mit einem alten Lappen oder Schwamme
                                 wegwischt.“
                              
                           
                              „Um den Talg von den ihn durchziehenden fleischigen und faserigen Theilen
                                 zu reinigen, wird er zuerst zerschnitten, dann in mehreren Wassern gewaschen,
                                 und dann mit einer gehoͤrigen Menge roͤmischen Alaun gesotten. Der
                                 Alaun scheidet sich bald ab und zerstoͤrt die fremdartigen Theile, so daß
                                 man dadurch reinen schoͤnen Talg erhaͤlt, der sich lange Zeit
                                 uͤber unverdorben aufbewahren laͤßt. Den zerlassenen Talg
                                 laͤßt man in Kufen laufen, die mit Rosmarin-, Thymian- oder
                                 Lavendel-Wasser gefuͤllt sind, und ruͤhrt das Wasser und
                                 den Talg mit einem Spatel fleißig um, damit beide sich gehoͤrig unter einander
                                 mengen.Es ist nicht noͤthig, daß man bei uns, wo diese Kraͤuter
                                       weit schwaͤcheren und minder angenehmen Geruch haben, als im
                                       suͤdlichen Frankreich, zu solchen theuren und doch schwach
                                       riechenden Wassern seine Zuflucht nimmt. Etwas Benzoe, Cascarille,
                                       Berliner-Rauch oder irgend eine harzige, wohlriechende
                                       Rauch-Composition mit Weingeist uͤbergossen in einer gut
                                       gestoͤpselten Flasche einige Tage lang aufbewahrt, oͤfters
                                       aufgeruͤttelt, und dann mit Wasser, welches davon milchicht
                                       werden wird, dem Talge auf obige Weise zugesezt, wird den Kerzen auf
                                       eine wohlfeilere Weise einen noch angenehmeren und feineren Geruch
                                       geben. Es wird besser seyn, wenn man diesen Parfuͤm erst bei der
                                       lezten Reinigung zusezt, damit nicht so viel von dem Riechstoffe
                                       verloren geht. A. d. Ue. Nach acht und vierzig Stunden scheidet man das Fett von dem Wasser durch
                                 ein Wasserbad: das Wasser verduͤnstet, und die riechenden Theile bleiben
                                 in dem Fette zuraͤt, welches dann zur vollkommenen Reinigung wieder
                                 geschmolzen und abgeschaͤumt wird, bis kein Wasser und nichts
                                 Fremdartiges mehr zuruͤkbleibt. Man erkennt dieß an dem klaren Zustande
                                 des Talges, der dann einen reinen weißen Schaum gibt. Wenn man noch ein Mal
                                 Alaun zusezt, wird der Talg noch reiner.“
                              
                           
                              „Ehe man die Kerzen gießt, bereitet man sich eine Mischung aus Wachs und
                                 Wallrath (Spermacet) fuͤr die Dochte. Da
                                 diese Mischung haͤrter ist, als der Talg, so werden die Kerzen dann
                                 weniger ablaufen, werden fester, dauern laͤnger und fordern weniger
                                 Puzen. In dem Augenblike, wo man den reinen geschmolzenen Talg vom Feuer nimmt,
                                 sezt man etwas arabischen Gummi in Wasser aufgeloͤst dem Talge zu, und
                                 auch etwas weniges Wachs und Alaun. Alles dieß wird in den Talg gut
                                 eingeruͤhrt, und, nachdem derselbe sich gehoͤrig gesezt hat, und
                                 bis auf einen gewissen Grad erkaltet ist, wird er in die Model gegossen. In dem
                                 Maße, als der Talg in den Modeln stokt und erkaltet, ziehen sich die fremden
                                 Stoffe in demselben nach seiner Oberflaͤche, sezen sich auf dieser fest,
                                 und bilden so eine Art Ueberzug, der sich wie Wachs anfuͤhlt. Auch dieser
                                 Ueberzug schuͤzt die Kerzen gegen das Ablaufen, und macht, daß man sie
                                 mit der Hand angreifen und selbst reiben kann, ohne daß man sich die Finger
                                 beschmiert, die dann auch keinen anderen Geruch bekommen, als von dem zugesezten
                                 Riechstoffe.“
                              
                           
                              „Das Lezte, was nun noch zu geschehen hat, um dem Ablaufen vorzubeugen,
                                 und die Kerzen noch fester zu machen, besteht darin, daß man schwachen
                                 Handschuhmacher-Leim mit Gummi und Alaun kocht, und damit mittelst eines
                                 Pinsels die ganze Kerze uͤberzieht. Ueber Nacht ist dieser Leim troken,
                                 und die Kerze kann des anderen Tages gebraucht werden.
                              
                           
                              „Kerzen, die auf diese Weise verfertigt wurden, brennen hell, sind durchscheinend,
                                 klingend, und dauern laͤnger, als andere. Sie fuͤhlen sich wie
                                 Wachskerzen an, und haben die Farbe von reinem Wachs.“