| Titel: | Beschreibung eines einfachen und dauerhaften Instrumentes zum Nivelliren und anderem geodätischen Gebrauche, von D. Carl August Dietrich, Pastor zu Hohenlohe bei Leipzig. | 
| Autor: | D. Dietrich | 
| Fundstelle: | Band 35, Jahrgang 1830, Nr. XCVIII., S. 411 | 
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                        XCVIII.
                        Beschreibung eines einfachen und dauerhaften
                           Instrumentes zum Nivelliren und anderem geodaͤtischen Gebrauche, von D. Carl August Dietrich, Pastor zu
                           Hohenlohe bei Leipzig.
                        Mit einer Abbildung auf Tab. IX.
                        Dietrich, Instrumentes zum Nivelliren und anderem
                           geodaͤtischen Gebrauche.
                        
                     
                        
                           A. Beschreibung des Instruments:
                           Das Princip, auf welchem die Construction desselben gegruͤndet ist, besteht in
                              dem katoptrischen Lehrsaze, daß ein Planspiegel die Bilder seiner
                              Gegenstaͤnde unter eben dem Winkel zuruͤkwirft, unter welchem er sie
                              empfaͤngt – (daß der Einfallswinkel dem Reflexionswinkel gleich
                              ist.)
                           Sein Bau kann verschiedene Formen und Abaͤnderungen zulassen; ich werde von
                              den ersteren hier nur diejenige beschreiben, nach welcher ich das meinige entworfen
                              und gebaut habe.
                           Es bestehet dasselbe aus einem, von festem Holze verfertigten Kaͤstchen von 7
                              Zoll Laͤnge, (als der gewoͤhnlichen Weite des natuͤrlichen
                              Sehens) von 3 1/2 Zoll vorderer Breite und 3 Zoll Tiefe. Die Bestimmung der
                              Groͤße und Gestalt desselben ist nicht unbedingt nochwendig. –
                              Nothwendig aber und mit großer Genauigkeit zu construiren sind folgende Dinge:
                           1) eine gerade Linie, auf beiden Breiten des Kaͤstchens, entlang desselben und
                              genau in der Mitte mit der Schiene gezogen. Siehe Fig. 3., welche eine
                              Vorderseite des Instruments darstellt, d, e.
                           2) mit dieser Linie parallel zwei andere zu ihren Seiten und in voͤllig
                              gleichen Entfernungen von derselben, f, g, h, i.
                           
                           3) in dem obern Dekel zwei schmale, verjuͤngt zulaufende Oeffnungen, welche in
                              ihren Endpunkten genau auf die Punkte f und h treffen, oder deren Flaͤchen mit den
                              Flaͤchen der zu ihnen gehoͤrigen Linien fg und hi in Eine fallen muͤssen. Sie dienen als Diopter.
                           4) an Statt des untern Bodens ein Kern von einer homogenen Masse und so schwer, daß
                              der Schwerpunkt des ganzen Instruments entweder noch innerhalb desselben oder doch nur wenig uͤber seine Spize
                              faͤllt, Fig.
                                 3. k, l, m.
                           Der Durchschnitt dieses Koͤrpers hat die Form eines rechtwinklichen,
                              gleichschenklichen Dreiekes, welches gleich ist der ganzen Breite des
                              Kaͤstchens. Auf den beiden schiefen Flaͤchen des Kerns (den Katheten
                              des Dreieks) ruhen zwei Planspiegel, welche den Flaͤchen selbst gleich sind,
                              d.h. dieselben deken. Es bedarf keines Metalls fuͤr sie, sondern
                              gewoͤhnliches nur sehr glattes und reines Glas taugt schon – weil, wie
                              sich weiter unten ergeben wird, sich beim Gebrauche des Instruments die falsche
                              Spiegelung leicht wahrnehmen laͤßt.
                           Diese Spiegel koͤnnen durch ein Paar kleine, von unten durch den Kern gehende
                              Stellschrauben ein wenig bewegt werden, wenn naͤmlich dabei ein Charnier ist.
                              Durch diese Vorrichtung wird das Instrument justirt. Sie ist jedoch nicht
                              nothwendig, wenn 1) der Kern sehr genau gearbeitet ist und 2) die obern und untern
                              Flaͤchen der Spiegel voͤllig parallel sind. In diesem Falle
                              koͤnnen leztere durch einen zarten Kitt auf dem Kerne gleich fuͤr
                              immer befestigt werden, wodurch das Instrument viel sicherer und dauerhafter
                              wird.
                           5) die beiden andern Seitenwaͤnde des Kaͤstchens duͤrfen nicht
                              durch die ganze Laͤnge desselben gehen, sondern sind in der Hoͤhe der
                              Spize des Kernes von unten abgeschnitten, damit durch den Raum SS Licht auf die Spiegel treffen
                              koͤnne.
                           6) genau in der mittlern Linie, und etwa 1 Zoll von oben herab, ist durch beide Boden
                              ein Loch gebohrt, s. Fig. 3. m; aber mit großer Vorsicht, –
                              daß dasselbe nicht etwa auf einer Seite hoͤher oder tiefer sey. Die
                              Groͤße desselben ist willkuͤrlich, und richtet sich nach der weiter
                              unten zu beschreibenden Handhabe. Die Waͤnde dieses Lochs muͤssen
                              moͤglichst glatt gearbeitet seyn.
                           7) etwas tiefer sind in die beiden Linien fg und
                              hi, zwei zarte Oeffnungen gestochen r, s, welchen zwei andere, ihnen aͤhnliche, in
                              der entgegengesezten Seite genau gegenuͤberstehen. Durch diese Loͤcher
                              werden Faͤden gezogen und diese gehoͤrig angespannt.
                           Zulezt ist noch eine Handhabe noͤthig, um das Instrument bei dem Gebrauche in
                              seiner erforderlichen Stellung zu halten. Sie ist in Fig. 4. abgebildet und es
                              bedarf keiner weitlaͤuͤftigen Beschreibung derselben, da bei ihrer
                              Verfertigung weiter nichts zu beruͤksichtigen ist. Nur erwaͤhnt werde,
                              daß der Drath, aus welchem ihr Arm p bestehet, in die
                              Loͤcher r, s des Kaͤstchens weder zu
                              streng noch zu lax eingehen muͤsse.
                           
                        
                           
                              B. Gebrauch des Instruments:
                              
                           Der Gebrauch beim Nivelliren ist dessen Hauptbestimmung. Man stekt die Spize der
                              Handhabe durch die beiden Loͤcher oo so,
                              daß sie an der andern Seite etwa 1 oder 1 1/2 Zoll hervorragt; nimmt den Griff nur
                              leicht in die Hand, so daß des Kaͤstchens Gewicht, vermoͤgend ist
                              dieselbe zu drehen. Wenn nun diese Handhabe so gehalten wird, daß ihr Drath eine von
                              der horizontalen Lage nicht merklich abweichende Richtung hat, so wird das
                              Kaͤstchen vertical haͤngen. Die hervorgehende Spize der Handhabe wird
                              nun an einen mit der andern Hand moͤglichst senkrecht gehaltenen und auf den
                              Boden festgedruͤkten Maßstab angehalten. Ist das Instrument nun in dieser
                              Stellung, so visirt man durch einen der Diopter und man wird seitwaͤrts
                              liegende Gegenstaͤnde erbliken, von denen einer durch den Faden gedekt ist.
                              Sieht man nun, das Instrument in derselben Lage erhaltend, in den zweiten Diopter,
                              so zeigen sich in dem andern Spiegel ebenfalls Gegenstaͤnde. Wenn nun Alles
                              gut aptirt ist, so liegen diese, welche von beiden Faͤden gedekt werden,
                              einander à niveau und zugleich auch denjenigen
                              Punkten auf den Spiegeln, auf welche ihr Bild einfaͤllt; und man hat daher
                              sogleich drei Punkte nivellirt. Da die Erklaͤrung dieser Erscheinung so gar
                              leicht ist, so enthalte ich mich hier derselben und bemerke nur, daß man sicherer
                              operirt, wenn man den Standort des Instruments wo moͤglich mitten zwischen
                              den beiden zu nivellirenden Punkten waͤhlt, weil dadurch die kleine
                              Unrichtigkeit, welche aus der Brechung der horizontal einfallenden Lichtstrahlen
                              entsteht, gehoben wird und sich compensirt.
                           Dreht man den moͤglichst in verticaler Richtung erhaltenen Maßstab herum,
                              waͤhrend die Spize der Handhabe und mit ihr das immer in gleicher Lage
                              gehaltene Instrument ebenfalls gewendet wird, so kann man einen ganzen Kreis von
                              Gegenstaͤnden um sich her in wenigen Minuten nivelliren.
                           Ein anderer Gebrauch des Instruments ist bei Bestimmung kleiner, nicht uͤber
                              einige Fuße betragender Hoͤhen, zu denen man nicht kommen und deren
                              Entfernung man nicht wohl messen kann; vorausgesezt daß diese Entfernung nicht groß
                              ist.
                           An Statt einer allgemeinen Beschreibung des hiebei noͤthigen Verfahrens stehe
                              der Kuͤrze wegen hier ein Beispiel einer Aufgabe: Es
                                 soll aus dem Fenster eines Hauses die Hoͤhe des mittleren Rahmens eines
                                 Fensters in einem gegenuͤberstehenden Hause, uͤber der
                                 Hoͤhe eines Rahmens im erstern Gebaͤude gemessen werden: man halte das
                              Instrument an den leztern Rahmen und zugleich auch an den Maßstab; bestimme nach
                              lezterm die Hoͤhe uͤber den Fußboden und richte nun den einen Spiegel
                              auf jenes (das gegenuͤberstehende) Fenster; ziehe dann das an den Maßstab
                              angehaltene Instrument an demselben so lange auf- oder niederwaͤrts,
                              bis jener Rahmen im Spiegel erscheint und von dem Faden gedekt wird. Die nun
                              abermals gemessene Hoͤhe des Instruments uͤber dem Fußboden zeigt,
                              verglichen mit der ersteren, den Hoͤhenunterschied beider Rahmen, ohne daß
                              man eine trigonometrische Berechnung noͤthig hat, noch sich von dem einzigen Standpunkte zu entfernen braucht.
                           Noch laͤßt dieses Instrument bei Ausmessung einer planen, oder etwas
                              unregelmaͤßigen Flaͤche eine erleichternde Anwendung zu, bei welcher
                              jedoch ein Stativ noͤthig wird.
                           Wenn eine zu messende Flaͤche in Paralleltrapeze getheilt werden soll, so ist
                              es bekanntlich nothwendig, auf bestimmte Punkte der sogenannten Normallinie
                              Perpendikel zu faͤllen. Will man das Instrument zu lezterm Zweke gebrauchen,
                              so muß es erst auf einer seiner Vorderseiten oben mit einem kleinen Diopter und
                              unten mit einer zarten Spize (welche den Faden vertritt) versehen werden. Beide
                              Dinge muͤssen auf der Mittlern Linie des Kaͤstchens stehen, so daß
                              leztere mit der Spize und der Oeffnung des Diopters in Einer Flaͤche liegt.
                              Nun stellt man sich mit dem Stativ auf einen bestimmten Punkt der bereits
                              abgestekten und gemessenen Normallinie, auf welchem die Perpendikel gefaͤllt
                              werden sollen, richtet das Instrument so, daß dessen Diopter, Spize und das
                              signalisirte, Endpunkt der Normallinie in eine Linie fallen. Blikt man nun in die
                              Spiegeldiopter, so zeigen sich die Gegenstaͤnde, welche seitwaͤrts und
                              zwar von dem Standpunkte aus, unter 90° mit der Normallinie liegen. Das
                              Uebrige ist jedem Feldmesser bekannt.
                           ––––––––
                           Nun noch in ein paar Worten die Gruͤnde, welche mich bestimmten dieß kleine
                              Instrument zu empfehlen. Sie sind
                           1) die Kleinheit und Tragbarkeit desselben. Man kann es in der Roktasche bei sich
                              fuͤhren und ohne unnoͤthiges und laͤstiges Aufsehen zu erregen,
                              ganz unbemerkt auf einem Spaziergange damit operiren.
                           2) seine Dauerhaftigkeit. Sind die Spiegel gleich fest
                              gemacht, und (was allerdings besser ist) nicht mit
                              Stellschrauben versehen, so ist kein einziger Theil an dem Instrumente beweglich
                              oder verschiebbar; daher kann man versichert seyn, daß es nicht durch einen Fall
                              oder Stoß seine Brauchbarkeit verloren habe.
                           Welche Verlegenheit fuͤr den Geometer, wenn sein Instrument, das vielleicht
                              sehr complicirt und mit vielen Stellschrauben und dergl. versehen ist, durch unvorsichtige
                              Behandlung oder durch einen Zufall außer Gebrauch gesezt oder doch in seiner
                              Zuverlaͤssigkeit verdaͤchtig gemacht wird, und er sich in einer Gegend
                              befindet, wo es ihm unmoͤglich ist, dasselbe repariren oder untersuchen zu
                              lassen!
                           3) die Wohlfeilheit desselben. Da diese schon aus seiner
                              Einfachheit hervorgeht und gleich beim ersten Anblike einleuchtet, so bedarf es
                              daruͤber keiner weiteren Eroͤrterung. Nicht jeder Geometer ist
                              oͤkonomisch so situirt, daß er fuͤr ein
                              Nivellirinstrument 50 oder mehrere Thaler hingeben kann. (Dasjenige, welches Hogrewe angegeben hat, kostet uͤber 200
                              Rthlr.)
                           4) seine Anwendbarkeit auf solchen Punkten, wo man kein Stativ stellen und mit andern
                              Instrumenten nicht operiren kann.
                           Das Terrain ist gar sehr verschieden, und nicht selten geschieht es dem praktischen
                              Geometer, daß er die vortheilhaftesten Punkte und Stellungen aufgeben,
                              weitlaͤuftige Umwege machen und complicirte Messungen vornehmen; also Zeit,
                              Muͤhe und Kosten vergroͤßern muß, weil er an den tauglichsten Punkten
                              seine Instrumente nicht stellen kann.
                           Mit meinem Instrumente kann man auf dem schmalsten Stege, auf einem kleinen Kahne,
                              auf einer Leiter, den Aesten eines Baumes und von der kleinsten
                              Fensteroͤffnung aus operiren.
                           ––––––––
                           Das Justiren des Instruments hat keine Schwierigkeiten: wenn es so weit gefertigt
                              ist, daß bloß die Spiegel noch aufgelegt werden muͤssen, so stelle man es auf
                              eine horizontale Flaͤche, und markire seitwaͤrts, (z.B. an einer Wand
                              oder einem Brette) eine Linie, welche ganz genau dieselbe
                              Hoͤhe mit derjenigen hat, auf welche ihr Bild im Spiegel fallen
                              wuͤrde. Der Spiegel wird nun eingelegt und so lange gerichtet, bis das Bild
                              der obigen Linie von dem Faden gedekt erscheint. In dieser Lage wird er sodann durch
                              einen passenden Kitt befestigt. Ist dieser erhaͤrtet, so wird versucht, ob
                              der Spiegel noch die richtige Lage hat.Das Einlegen der Spiegel wird erleichtert, wenn man dasselbe vornimmt, ehe die Seitenwaͤnde an das
                                    Kaͤstchen geleimt sind; aber Diopter und Faden muͤssen bereits
                                    aptirt seyn.
                              
                           
                        
                           
                              Anmerkung:
                              
                           Es ist nicht schlechterdings nothwendig, daß die Spiegel unter 45° mit der
                              Vertical- und Horizontallinie liegen. Unerlaͤßlich nothwendig aber ist
                              es, daß beide auf's Allergenaueste unter Einem Winkel mit jenen Linien liegen.
                              Wollte man dieselben jedoch unter einem andern Winkel anbringen (also den Kern in
                              ein stumpfwinkliches oder spizwinkliches Dreiek arbeiten), so wuͤrde man den
                              großen Vortheil aufgeben, das Instrument in gleicher
                              Hoͤhe mit den zu nivellirenden Punkten zu haben; diese waren
                              zwar beide in gleicher Hoͤhe, aber das Instrument waͤre es nicht mit
                              ihnen, sondern staͤnde bei einem spizwinklichen Kerne
                                 hoͤher und im entgegengesezten Falle tiefer
                                 als sie.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
