| Titel: | Ueber die Ulmine (Ulm-Säure) und über die Azulm-Säure. Aus einer Inaugural-Dissertation vor der Faculté des Sciences, von Hrn. Polydor Boullay. | 
| Fundstelle: | Band 37, Jahrgang 1830, Nr. XIII., S. 24 | 
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                        XIII.
                        Ueber die Ulmine (Ulm-Saͤure) und
                           uͤber die Azulm-Saͤure. Aus einer Inaugural-Dissertation vor
                           der Faculté des Sciences, von Hrn. Polydor Boullay.Diese Abhandlung verdient die Aufmerksamkeit nicht bloß der Gerber,
                                 Faͤrber, Bleicher, Eisengießer, sondern auch aller Landwirthe, die die
                                 Natur des Duͤngers genauer kennen lernen wollen. A. d. R.
                           
                        Aus dem Journal de Pharmacie. April 1830. S.
                              165.
                        Boullay, uͤber die Ulmine und
                           Azulm-Saͤure.
                        
                     
                        
                           Die Ulmine, (Ulmstoff, Ulm-Saͤure), deren Geschichte bisher nur sehr
                              unvollkommen behandelt wurde, und die, selbst dort, wo man sie oͤfters
                              wahrnahm, selten mit ihrem wahren Namen bezeichnet wurde, scheint die Aufmerksamkeit
                              der Chemiker nicht in demjenigen Grade angezogen zu haben, welchen das Studium
                              derselben bei dem hohen Interesse verdient, das sie gewaͤhrt. Die Wichtigkeit der Rolle, die sie in
                              der gesammten Natur spielt, ergibt sich aus den zahllosen Verhaͤltnissen,
                              unter welchen sie entsteht; aus den Folgen, welche durch die taͤgliche und
                              ununterbrochene Umwandlung einer Menge Pflanzenstoffe in Ulmine, vorzuͤglich
                              des Holzes, unter den verschiedensten Einfluͤssen hervortreten; aus ihrer
                              Gegenwart in der Pflanzenerde, im Duͤnger, im Safte der Pflanzen etc. Die
                              Ulmine scheint wirklich eine der koͤstlichsten Duͤngerarten zu seyn,
                              die man kennt: man koͤnnte sagen, daß sie allein der wahre Duͤnger
                              ist. Wir finden sie in ungeheueren Lagern theils in der Umber-Erde, theils in
                              der sogenannten Laub- oder Pflanzen- und Heide-Erde (terreau et terre de bruyère), theils endlich noch
                              in den Torflagern. Dem Torfe, d.h., der Ulmine, hat Holland die Vortrefflichkeit
                              seiner Producte des Aker- und Gartenbaues zu verdanken.
                           Die lehrreichen Thatsachen, die man bisher uͤber die Geschichte der Ulmine
                              kennen lernte, blieben in einer großen Anzahl von Abhandlungen zerstreut, und man
                              darf sagen vergraben und vergessen. Es fehlte ein gemeinschaftliches Band, das alle
                              einzelnen Erscheinungen, die sie darbietet, in lichtvoller Ordnung an einander
                              reiht: es ist also keine unnuͤze Arbeit, wenn man es unternimmt, alle bisher
                              uͤber diesen Gegenstand bekannt gewordenen Thatsachen zu sammeln und in
                              gehoͤrigem Lichte darzustellen. Ich versuche daher, auf der einen Seite, alle
                              verschiedenen und unter verschiedenen Benennungen vorkommenden Producte, die mir
                              einerlei mir dem Ulmstoffe zu seyn schienen, unter ihrem wahren Namen, als Ulmine, zusammenzustellen; die Unterschiede aufzustellen,
                              durch welche sich dieselben von einigen anderen Producten, mit welchen man sie
                              verwechselte, unterscheiden, und endlich noch die neuen Verhaͤltnisse
                              anzugeben, unter welchen sie sich bildet, nebst der Analyse derselben und ihrer
                              salzigen Verbindungen. Die Ulmine bildet mit gewissen hierzu faͤhigen
                              Grundlagen wirklich wahre Salze, indem sie die Alkalien saͤttigt, und
                              deßwegen aͤnderte ich auch ihren alten Namen in Ulm-Saͤure um.
                           
                        
                           Ulm-Saͤure in den Producten der Ausschwizungen
                                 der Ulme.
                           Die HHrn. Vauquelin und Braconnot sind unter allen Chemikern, welche die Ulmine untersuchten, die
                              einzigen, die die wahre Natur derselben kannten, und wenn Hr. Vauquelin das Verdienst hat, sie in den Ausschwizungen eines
                              Geschwuͤres der Ulme zu entdeken,Annal. de Chim. T. XXI. p. 44. A. d. O. zu bezeichnen und zu benennen, so hat Hr. Braconnot das nicht minder wichtige Verdienst, sie kuͤnstlich zu
                              erzeugen.
                           
                        
                           
                           Kuͤnstliche Ulm-Saͤure.
                           Hr. Braconnot lehrte uns,Ann. d. Chim. et de Phys. T. XII. p. 191. daß, wenn man Holzstoff mit gleichem Gewichte kaustischem Kali in einem
                              Tiegel hizt, und die Mischung umruͤhrt, ein Zeitpunkt eintritt, wo die ganze
                              Menge der angewendeten Saͤgespaͤne sich erweicht, und beinahe
                              augenbliklich sich aufloͤst, wobei ein bedeutendes Aufblaͤhen Statt
                              hat. Wenn man nun den Tiegel vom Feuer zieht, und Wasser in denselben gießt, so
                              loͤst sich diese Masse auf, und es bleibt nur ein unbedeutender
                              Ruͤkstand zuruͤk. Man erhaͤlt eine braune Fluͤssigkeit,
                              aus welcher Saͤuren einen sehr haͤufigen braunen Niederschlag
                              abscheiden, der, getroknet, dem Gagath gleicht, und der, mit einem Worte, alle
                              Eigenschaften der Ulm-Saͤure besizt.
                           
                        
                           Ulm-Saͤure im Ruße.
                           Die Eigenschaften der Ulm-Saͤure hat Hr. Braconnot in der angefuͤhrten Abhandlung beschrieben. Sie finden
                              sich auch in einer anderen Abhandlung desselben Verfassers, in welcher derselbe uns
                              lehrt, daß sie haͤufig im Ruße vorhanden sind.
                           
                        
                           Eigenschaften der Ulm-Saͤure.
                           Die Ulm-Saͤure ist im trokenen Zustande schwarz und sehr zerbrechlich.
                              Ihr Bruch ist glasig und glaͤnzt wie Gagath. Sie hat wenig Geschmak und
                              keinen Geruch, ist im Wasser unaufloͤsbar, im Alkohol hingegen und in
                              concentrirter Schwefelsaͤure hoͤchst aufloͤsbar. Mit
                              Beihuͤlfe der Waͤrme loͤst sie sich in Essigsaͤure auf.
                              Das Wasser scheidet sie aus allen diesen Aufloͤsungsmitteln ab. Ihre wahren
                              Aufloͤsungsmittel sind aber Potasche, Soda und Ammonium, welche sie bis zur
                              vollkommenen Beseitigung aller ihrer alkalischen Eigenschaften saͤttigt. Die
                              Fluͤssigkeit bekommt eine bedeutende Consistenz, und schaͤumt, wenn
                              man sie schuͤttelt. Die Saͤuren schlagen die Ulm-Saͤure
                              in Form eines flokigen Pulvers von braunroͤthlicher Farbe aus derselben
                              nieder: dieses Pulver ist in kaltem Wasser unaufloͤsbar, in warmem etwas
                              aufloͤsbar, wenn dieses Wasser gewasserstofft ist, und faͤrbt dann das
                              blaue Tournesolpapier roͤthlich. Die erdigen und metallischen Salze und das
                              Kalkwasser erzeugen gleichfalls Niederschlaͤge in derselben, auf welche wir
                              weiter unten zuruͤk kommen werden,Hr. Braconnot fuͤgt hier noch bei, daß die
                                    Ulm-Saͤure auch durch eine Aufloͤsung von Kochsalz
                                    niedergeschlagen wird. Ich muß hier bemerken, daß die metallischen und
                                    erdigen Salze das ulmsaure Kali auf eine doppelte Weise zersezen; daß, aber
                                    der Niederschlag dieses Salzes durch Sodium Chloruͤr oder Kochsalz,
                                    obschon er wirklich Statt hat, nur dem Umstande allein zuzuschreiben ist,
                                    daß ulmsaures Kali in einer concentrirten Salzaufloͤsung
                                    unaufloͤsbar ist. Wenn man die Kochsalzaufloͤsung mit einer
                                    gehoͤrigen Menge Wassers verduͤnnt,so hat kein
                                    Niederschlag mehr Statt. Diese Erscheinung hat Analogie mit jener, die bei
                                    dem Eisencyanuͤr Statt hat, das unter dem Namen aufloͤsbares
                                    Berlinerblau bekannt ist, welches kein fremdes Salz irgend einer Art
                                    enthaͤlt. und die daruͤber stehende Fluͤssigkeit wird dann ganz farbenlos.
                              Ulm-Saͤure, der Flamme einer Kerze ausgesezt, blaͤht sich etwas
                              auf, und brennt mit einer Flamme. Destillirt gibt sie die bei Zersezung
                              vegetabilischer Koͤrper gewoͤhnlichen Producte.
                           
                        
                           Ulm-Saͤure in Laub- oder
                                 Pflanzen-Erde, im Torfe.
                           Hr. Braconnot hat schon in seiner ersten AbhandlungAnnal. d. Chim. et d. Phys. T. XII. p. 195. A. d. O. gezeigt, daß Ulmine in mehreren alten Producten des Pflanzenreiches
                              vorkommt. Er betrachtet denjenigen aufloͤsbaren Theil gewisser Pflanzenerden,
                              den man fuͤr Extractivstoff hielt, als eine Mischung von Ulmine und Ammonium.
                              Er fand Ulmine auch in einer Abart der erdigen Braunkohle: der Torf lieferte ihm
                              aber dieselbe am haͤufigsten.
                           Die alten Chemiker haben in mehr, denn einem Falle, die Gegenwart der
                              Ulm-Saͤure geahnet; sie haben aber die Natur derselben
                              gaͤnzlich verkannt, und schlossen aus dem Umstande, daß sie mit Potasche
                              aufloͤslich ist, daß die Kohle unter gewissen physischen
                              Verhaͤltnissen auch in Alkali aufloͤsbar waͤre.
                           Dieß hat Lowitz zuerst behauptet,Annal. d. Chim. VI. p. 15. A. d. O.und nach ihm Hassenfratz
                              Annal. d. Chim. XIV. p. 55. A. d. O. in einem Aufsaze uͤber die Ernaͤhrung der
                              Gewaͤchse.
                           Nach diesem lezteren ist das Wasser, welches die Duͤngerhaufen durchdringt,
                              und aus denselben ausfließt, von der Kohle gefaͤrbt, welche in demselben,
                              aufgeloͤst ist oder schwebt: denn man erhaͤlt dieselbe durch
                              Abdampfung dieses Wassers.
                           Eben dieß ist der Fall bei der Aschenlauge, welche von der Kohle, die in ihr
                              aufgeloͤst ist, braun gefaͤrbt wird.
                           Je mehr der Duͤnger das Wasser faͤrbt, desto staͤrker werden die
                              Pflanzen, die in demselben wachsen.
                           Faules Holz bringt aͤhnliche Wirkungen hervor.
                           Man sieht, daß Hassenfratz hierdurch die Kraft anzeigte,
                              mit welcher Ulm-Saͤure als Duͤnger wirkt, obschon er sich
                              uͤber die Natur derselben taͤuschte, was um so auffallender ist, als
                              schon zur Zeit, wo Lowitz die Aufloͤsbarkeit der
                              Kohle in der Potasche bereits verkuͤndete, Berthollet aufmerksam machte, daß der braune Faͤrbestoff im
                              Hanf- und Lein-Garne Eigenschaften besizt, welche jenen der Kohle sehr
                              aͤhnlich sind. Sie kommen in der That jenen der Ulm-Saͤure sehr
                              gleich.Annal. d. Chim. VI. p. 212. u. s. A. d. O.
                              
                           
                        
                           
                           Ulm-Saͤure ist der Faͤrbestoff im rohen
                                 Garne.
                           „Wenn man, „sagt dieser gelehrte Chemiker,“ rohes
                                 Garn mit einer alkalischen Lauge heiß behandelt, so faͤrbt es dieselbe
                                 braun, saͤttigt die alkalischen Eigenschaften derselben, und benimmt
                                 derselben ihre Aezbarkeit.“ Diese Fluͤssigkeit bietet in ihren
                              Ruͤkwirkungen alle Erscheinungen der ulmsauren Potasche dar, und man kann,
                              mittelst einer Saͤure, die Ulm-Saͤure aus derselben
                              abscheiden.
                           Der beruͤhmte Berthollet vermuthete schon damals
                              eine Analogie zwischen diesem Faͤrbestoffe und jenem, der sich in der Rinde
                              der Baͤume findet, so wie auch uͤberhaupt zwischen den Wirkungen der
                              Schwefel- und Salpeter-Saͤure oder des Chlores auf die
                              organischen Stoffe: er sagt aber nirgendwo, daß er diese Thatsachen wiederholt
                              gepruͤft haͤtte.
                           
                        
                           Ulm-Saͤure durch Einwirkung der
                                 Schwefelsaͤure auf Pflanzenstoffe erzeugt.
                           Hr. Braconnot
                              Annal. d. Chim. et de Phys. T. XII. p. 172. A. d. O. nahm Berthollet's Idee auf, und erwies, daß
                              concentrirte Schwefelsaͤure das Holz nicht, wie man allgemein glaubt,
                              verkohlt, sondern daß es dasselbe in einen braunen Faͤrbestoff verwandelt,
                              der in Wasser unaufloͤsbar ist, und in alkalischen Aufloͤsungen sich
                              aufloͤst. Saͤgespaͤne auf diese Weise behandelt, schienen ihm
                              in demselben Zustande, in welchem sich das Holz befindet, das einige Jahre
                              uͤber der Luft und der Feuchtigkeit ausgesezt ist, und in der That wird das
                              Holz beinahe gaͤnzlich in Ulm-Saͤure verwandelt.
                           Proust hat schon bemerkt, daß der kohlenstoffartige
                              Stoff, welcher sich waͤhrend der Bildung des Schwefelaͤthers
                              ausscheidet, und den man fuͤr Kohle hielt, sich in Alkohol aufloͤste,
                              und, wenn man ihn destillirte, gewasserstoffte Producte liefert, welche denjenigen
                              aͤhnlich sind, die das Holz unker gleichen Umstaͤnden liefert.
                           
                        
                           Ulm-Saͤure in den Producten der Destillation des
                                 Holzes.
                           Die Ulm-Saͤure scheint auch in den Producten der Destillation des
                              Holzes, und ohne Zweifel auch vieler anderer organischen Stoffe, vorhanden zu seyn.
                              Man kann sich hiervon uͤberzeugen, wenn man das interessante Detail studirt,
                              welches Hr. Collin
                              Annal. d. Chim. et de Phys. T. XII. p. 205. A. d. O. in der Analyse dieser Producte bekannt machte.
                           Die Gegenwart der Ulm-Saͤure in den Producten der Destillation des
                              	Holzes macht es begreiflich, wie die Menge der Kohle, welche
                              	 man dadurch erhaͤlt, weit unter derjenigen bleibt, welche die Theorie angibt, und nach der Art, wie die Operation geleitet
                              wird, so wie auch nach der Temperatur, verschieden seyn muß.
                           
                        
                           
                              Ulm‐Saͤure in den Braͤnden und im Schießpulver.
                              
                           Ich habe mich uͤberzeugt, daß Ulm‐Saͤure auch in den Braͤnden (fumerons) vorhanden ist, d.h. in der sogenannten Bouchet's Kohle (charbon du Bouchet), deren man sich seit einiger Zeit zur Bereitung des Schießpulvers bedient.
                           Die detonirenden Eigenschaften dieses Pulvers, welche weit ausgezeichneter sind, als an dem bisher gebraͤuchlichen Pulver,
                              ruͤhren offenbar von der Ulmine her, welche die Kohle in einem Zustande von mehr allgemeiner Vertheilung haͤlt, und bei ihrer
                              Zersezung eine bedeutende Menge Wasserdampf erzeugt.
                           Man kann auch Ulm‐Saͤure durch Einwirkung der Saͤuren oder Basen auf verschiedene Arten von Zuker erzeugen. Ich muß hier bei
                              diesen Einwirkungen etwas verweilen, indem sie mir nicht ohne Interesse zu seyn scheinen.
                           Schwefel‐Saͤure wirkt in concentrirtem Zustande sehr maͤchtig auf den Zuker. Dieser wird sehr bald davon braun oder verkohlt
                              sich; man kann jedoch, wenn man den gehoͤrigen Augenblik trifft, eine geringe Menge Ulm‐Saͤure aus demselben erhalten. Mit
                              concentriner Hydrochlor‐Saͤure konnte ich nicht dazu gelangen, indem die Wirkung zu heftig ist; mittelst schwacher Hydrochlor‐Saͤure
                              aber und mit Beihuͤlfe von Waͤrme erhielt ich aus dem Zuker eine bedeutende Menge einer braͤunlichen Masse, die ganz der Ulm‐Saͤure
                              aͤhnlich war. Wenn man eine Aufloͤsung von Rohrzuker mittelst schwacher Schwefel‐Saͤure kalt behandelt, und die Mischung sich
                              selbst uͤberlaͤßt, so wird dieser Rohrzuker im Verlaufe einiger Zeit gaͤnzlich in Traubenzuker verwandelt. Dieses neue Product
                              wird dann durch concentrirte Schwefel‐Saͤure nicht mehr veraͤndert. Man kann den Traubenzuker, oder die Mannite wirklich mit
                              concentrirter Schwefel‐Saͤure abreiben, ohne daß sie dadurch irgend eine Veraͤnderung erlitte. Wenn man die Saͤure saͤttigt,
                              so erhaͤlt man diese Koͤrper wieder in ihrem urspruͤnglichen Zustande.
                           Wenn man aber den Traubenzuker aufgeloͤst mit alkalischen Basen warm behandelt, so faͤrbt er sich, alsogleich immer mehr und
                              mehr, und gibt eine braune Fluͤssigkeit, aus welcher Saͤuren ein flokiges Pulver niederschlagen, welches braun ist und Ulm‐Saͤure
                              zu seyn scheint.
                           Der Rohrzuker faͤrbt sich unter gleichen Umstanden nicht, und scheint keine Veraͤnderungen zu erleiden, selbst wenn man ihn
                              mehrere Stunden lang der Einwirkung alkalischer Basen aussezt. Die entgegengesezten Einwirkungen derselben Mittel auf diese zwei
                              verschiedenen Arten von Zuker scheinen mir insofern sonderbar, als sie offenbar beweisen, daß zwischen diesen Producten wesentlichere
                              Unterschiede in der Zusammensezung derselben Statt haben, als nach dem Umstande, daß nur ein Atom Wasser mehr oder weniger
                              vorhanden ist. Statt haben sollten. Folgende Thatsache, welche Hr. de Saussure mir in einem Aufsaze uͤber die Gaͤhrung der Staͤrke lieferte,Annal. d. Chim. et de Phys. T. XI. p. 379.A. d. O. scheint mir an die Wirkungen der Basen auf den Traubenzuker sich anzuschließen.
                           Nachdem die Producte durch Wasser, Alkohol und schwache Schwefel‐Saͤure ausgezogen wurden, bietet die unaufloͤsbare Masse
                              nach ihrem Austroknen undurchsichtige weiße gebrechliche Kluͤmpchen dar. Sie loͤst sich mit Beihuͤlfe einer geringen Waͤrme
                              leicht in einer schwachen Potascheufloͤsung auf, und bildet eine braune sehr fluͤssige Aufloͤsung, die nicht die klebrige
                              und gallertartige Consistenz besizt, welche den alkalischen Aufloͤsungen der Staͤrke eigen ist. Verduͤnnte Schwefel‐Saͤure
                              schlaͤgt ein verbrennliches, leichtes, gelbes Pulver nieder, das nach dem Austroknen eine schwarze, glaͤnzende, dem Gagathe
                              aͤhnliche Masse bildet. Der vegetabilische Stoff, dem diese Staͤrkmasse am naͤchsten kommt, ist, nach Hrn. de Saussure, das Holz oder der Holzfaserstoff. Er nannte sie Staͤrkmehl‐Holzfaserstoff (ligneux amilacé.)
                           Wirkt die Potasche hier nicht auf den Holzfaserstoff, wie der Traubenzuker, aus welchem sie die Ulm‐Saͤure ausscheidet? Es
                              handelt sich hier, nur noch darum, zu wissen, ob die Einwirkung der schwachen Schwefel‐Saͤure, welche der Potasche vorausging,
                              bei diesen Erscheinungen fuͤr Nichts zu zaͤhlen ist.
                           
                        
                           
                              Ulm‐Saͤure unterscheidet sich von den Producten der Veraͤnderung der Extracte und der Gallaͤpfel‐Saͤure durch oxygenirte Koͤrper.
                              
                           Man muß die Ulm‐Saͤure von einem Koͤrper unterscheiden, welcher die vorzuͤglichsten Eigenschaften derselben zu besizen scheint;
                              naͤmlich von demjenigen, welcher durch Einwirkung der Luft oder oxygenirter Koͤrper auf Pflanzenextracte und auf Gallaͤpfel‐Saͤure
                              entsteht. Man weiß, daß die Extracte unter solchen Umstaͤnden im Allgemeinen unvollkommen aufloͤsbar werden. Der roͤthliche
                              Niederschlag, welcher sich bildet, kann in Alkalien aufgeloͤst werden, und gibt eine braune Fluͤssigkeit, die aber mehr in's
                              Rothe sticht, als die alkalische Aufloͤsung der Ulm‐Saͤure. Eben dieß gilt auch von dem Nieder‐
                              			
                              schlage, welchen die
                              Saͤuren in einer alkalischen Aufloͤsung bilden, und der von der
                              Ulm-Saͤure durch seine Unaufloͤsbarkeit in Alkohol wesentlich
                              verschieden ist.
                           Wenn man mehrere Pflanzenextracte, z.B., das der Gerberlohe, mit einer kleinen Menge
                              Salpeter-Saͤure behandelt, so fuͤhrt man sie auf denselben
                              Zustand zuruͤk, d.h., man macht sie in Wasser und Alkohol
                              unaufloͤsbar, und aufloͤsbar in Alkalien.
                           Der Koͤrper, welcher sich unter diesem Verhaͤltnisse bildet, ist ohne
                              Zweifel derjenige, welcher in den meisten Faͤllen die
                              Gallaͤpfel-Saͤure und den Gerbestoff zu begleiten, oder selbst
                              aus der Veraͤnderung derselben hervorzutreten scheint.
                           Ich glaube einen Augenblik bei diesem Gegenstande verweilen und an das erinnern zu
                              muͤssen, was man bereits uͤber dieses neue Product weiß, welches Doͤbereiner mit der Ulm-Saͤure, wie
                              wir weiter unten sehen werden, verwechselt zu haben scheint: denn, nach meiner
                              Ansicht, ist sie nicht einerlei mit demselben.
                           Die Arbeiten vieler Chemiker beweisen, daß die oxygenirten Stoffe, daß die Luft
                              selbst den Gerbestoff und die Gallaͤpfel-Saͤure maͤchtig
                              veraͤndern. Diese Wirkung zeigt sich deutlich durch die braune Farbe, welche
                              sie denselben mittheilen.
                           So geht, nach Berzelius,***Annal. d. Chim. et de Phys. T. XXXVII. p. 385. A. d. O. der Gerbestoff, ein Koͤrper, welcher, wenn er troken ist, weiß und
                              durchscheinend ist, wenn er feucht wird, leicht in den Zustand eines
                              Extractivstoffes uͤber, einer braunen und im Wasser unaufloͤsbaren
                              Masse.
                           Auch Hr. Bartholdi lehrt uns,Annal. d. Chim. T. XII. p. 294. A. d. O. daß alle Koͤrper, welche den Sauerstoff leicht an die
                              Gallaͤpfel-Saͤure abtreten, die leicht reducirbaren Oxyde, wie
                              z.B. jene des Queksilbers, die Farbe desselben in Braun verwandeln, und daß bei
                              diesen Operationen die Saͤure, indem sie sich verkohlt, Faͤrbestoff
                              bildet.
                           Hr. Chevreul sagt uns noch, daß gallaͤpfelsaure
                              Verbindungen nur insofern bestehen koͤnnen, als sie dem Einflusse der Luft
                              entzogen werden; daß sonst der Sauerstoff eingesogen und die
                              Gallaͤpfel-Saͤure zerstoͤrt wird. Die
                              gallaͤpfelsaure Verbindung wird gruͤn werden, wenn sie alkalisch, und
                              roth, wenn sie sauer ist. Spaͤter hat Hr. Doͤbereiner
                              Annal. d. Chim. et de Phys. T. XXIV. 345. A. d.
                                    O. einen Aufsaz uͤber die Veraͤnderungen mitgetheilt, welche das
                              gallaͤpfelsaure Ammonium erleidet, wenn es der Beruͤhrung der Luft
                              ausgesezt ist, in welchem er annimmt, daß dieses Salz in den Zustand eines ulmsauren
                              Ammoniums uͤbergeht, und er hat daraus die Zusammensezung der
                              Ulm-Saͤure abgeleitet.
                           Wenn das neue in dem Versuche des Hrn. Doͤbereiner
                              erzeugte Compositum,
                              welches einerlei mit jenem seyn muß, das aus der gewoͤhnlichen
                              Veraͤnderung der Gallaͤpfel-Saͤure und ihrer
                              Verbindungen durch oxygenirte Stoffe entsteht, nicht Ulm-Saͤure ist,
                              so kann es nur wenig von derselben verschieden seyn, indem beide so viele
                              Eigenschaften mit einander gemein haben. Ulm-Saͤure, Gerbestoff und
                              Gallaͤpfel-Saͤure muͤssen demnach eine sehr
                              aͤhnliche Zusammensezung darbieten. Diese Koͤrper begleiten sich
                              ferner bestaͤndig, und scheinen unter aͤhnlichen Umstaͤnden
                              sich zu erzeugen und vorhanden zu seyn. Analyse war also durchaus nothwendig, um
                              diese nahe Aehnlichkeit zu erweisen. Man wird sehen, daß sie dieselbe
                              bestaͤtigt, ohne daß sie uͤbrigens mit den von Doͤbereiner vorausgesagten Resultaten stimmt.
                           Ich habe die Ulm-Saͤure, sowohl rein als in Verbindung mit metallischen
                              Basen, oͤfters analysirt. Die Resultate waren in beiden Faͤllen so
                              ziemlich dieselben: d.h., die Ulm-Saͤure verliert kein Wasser, wenn
                              sie sich mit Oxyden verbindet.Zwei Analysen gaben mir einen kleinen Ueberschuß von Wasserstoff, der mir
                                    aber so schwach schien, daß ich ihn vernachlaͤssigen zu
                                    muͤssen glaubte, A. d. O.
                              
                           Es gehoͤrt viele Vorsicht dazu, um zur genauen Bestimmung des Kohlenstoffes zu
                              gelangen, welchen dieser Koͤrper enthaͤlt. Wenn man die
                              Ulm-Saͤure nicht lang mit Kupferoxyd abgerieben hat, und wenn man das
                              Feuer nicht noch lange Zeit unterhaͤlt, nachdem das Gas bereits
                              aufgehoͤrt zu haben scheint sich zu entwikeln, so greift man die lezten
                              Theile von Kohlenstoff nicht an; und so sorgfaͤltig ich auch meine Versuche
                              einleitete, so hatte ich doch immer Ursache mich vor dieser Quelle von
                              Irrthuͤmern zu huͤten. Das Verfahren, welches ich befolgte, weicht
                              sehr wenig von demjenigen ab, welches Hr. Proust (Annal. d. Chim. et Phys. T. XXXVI. p. 366.) beschrieben hat.
                           Ich fand, daß die Ulm-Saͤure aus
                           
                              
                                 Kohlenstoff
                                   56,7,
                                 
                              
                                 Wasser
                                   43,3.
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 100,0. besteht.
                                 
                              
                           Hr. Berzelius gab als Bestandtheile der trokenen
                              Gallaͤpfel-Saͤure, d.h. verbunden mit Bleioxyd, folgende Zahlen
                              an: 
                           
                              
                                 Kohlenstoff
                                   57,08
                                 
                              
                                 Wasser
                                   42,92
                                 
                              
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00.
                                 
                              
                           Diese Resultate lassen sich in Volumen durch folgende Formel ausdruͤken:
                           H⁶ C⁶ O³C = 75,33.
                              
                           Diese sonderbare Annaͤherung scheint zur Annahme geneigt zu machen, daß
                              Ulm-Saͤure und Gallaͤpfel-Saͤure nur durch
                              Krystallisationswasser verschieden sind: ein Unterschied, der jedoch in den
                              Eigenschaften derselben eine bedeutende Verschiedenheit hervorbringen wuͤrde.
                              Um diese Thatsache zu pruͤfen, wollte ich krystallisirte
                              Gallaͤpfel-Saͤure mit concentrirter
                              Schwefel-Saͤure behandeln, in der Hoffnung, sie auf
                              Ulm-Saͤure zuruͤkzufuͤhren. Kalt schien mir keine
                              Einwirkung Statt zu haben, oder hoͤchstens schien sie sich auf
                              Aufloͤsung einer geringen Menge Gallaͤpfel-Saͤure zu
                              beschraͤnken. So wie man aber die Temperatur etwas erhob, ergab sich eine
                              schoͤne purpurrothe Aufloͤsung, und es entwikelte sich saures
                              schwefeligsaures Gas. Die Fluͤssigkeit wurde von Wasser getruͤbt, wie
                              die schwefelsaure Aufloͤsung der Ulm-Saͤure; der mehr
                              veilchenfarbige Bodensaz aber hatte nicht alle Eigenschaften derselben. Er war
                              unaufloͤsbar in Alkohol, loͤste sich aber im Gegentheile in Potasche
                              auf, faͤrbte die Fluͤssigkeit purpurroth, und naͤherte sich
                              sehr dem Producte, von welchem ich oben gesprochen habe. Es ist, nach diesen
                              Thatsachen und nach der Analyse der Ulm-Saͤure, wahrscheinlich, daß
                              die Gallaͤpfel-Saͤure und das gallaͤpfelsaure Ammonium,
                              der Luft ausgesezt, sich nicht in Ulm-Saͤure und ulmsaures Ammonium
                              verwandeln, wie Hr. Doͤbereiner angenommen hat,
                              sondern in ein ganz eigenes Product, welches eine neue Untersuchung fordert, und
                              welches weniger Wasserstoff enthalten muß, als
                              Gallaͤpfel-Saͤure und Ulm-Saͤure.
                           Um die Ulm-Saͤure analysiren und ihre
                              Saͤttigungsfaͤhigkeit bestimmen zu koͤnnen, mußte ich
                              unaufloͤsbare ulmsaure Verbindungen bereiten.
                           Ich bediente mich Anfangs des ulmsauren Ammoniums, uͤberzeugte mich aber bald,
                              daß die durch dieses Salz in Blei- und Silber-Aufloͤsungen
                              gebildeten Niederschlaͤge nur insofern unaufloͤsbar waren, als das
                              Ammonium im Ueberschusse vorhanden war, und ein basisches Salz sich bildete;
                              waͤhrend, wenn das ulmsaure Ammonium dadurch bereitet wurde, daß man Ammonium
                              mit Ulm-Saͤure saͤttigte, diese Aufloͤsung wohl auch
                              noch salpetersaures neutrales Silber niederschlug, wenn dieses sich im Ueberschusse
                              befand; wo aber der durch das Filtrum abgeschiedene Niederschlag sich in reinem
                              Wasser aufloͤste, wann die salzige Fluͤssigkeit, in deren Schoße er
                              sich erzeugt, abgeflossen war.
                           Wenn man neuerdings eine Salzaufloͤsung zusezt, so wird dieser Niederschlag
                              wieder unaufloͤsbar. Es bildet sich wahrscheinlich in diesem Falle ein
                              ulmsaures Ammonium und Silber.
                           Ich ging dann zur ulmsauren Potasche uͤber, welche ich warm aus reiner
                              Potasche und uͤberschuͤssiger Ulm-Saͤure bereitete. Die
                              Aufloͤsung wurde waͤhrend zwoͤlf Stunden auf
                              uͤberschuͤssiger Ulm-Saͤure gegen die Luft geschuͤzt
                              gehalten. Sie schwelte nicht mehr alkalisch, aber etwas bitter.
                           Mit neutralem salpetersaurem Silber gab die ulmsaure Potasche einen sehr
                              schoͤnen kastanienbraunrothen Niederschlag. Der Niederschlag, oͤfters
                              warm ausgewaschen, gab Anfangs farbenlose Mutterlaugen; als ich ihn aber troknete,
                              fing er an ihnen eine roͤthliche Farbe mitzutheilen. Neuerdings
                              ausgefuͤßt, hat dieses Salz die Abfuͤßwasser nicht mehr
                              gefaͤrbt. Durch Abtroknung theilte sich das ulmsaure Silber in kleine ekige
                              Bruchstuͤke, die einen Stich in's Kupferfarbene hatten: es sah aus wie grob
                              gepulverter Schwefelkies.
                           Die durch salpetersaures Blei und schwefelsaures Kupfer in einer Aufloͤsung
                              von ulmsaurer Potasche gebildeten Niederschlaͤge hatten eine weit mehr
                              schwarze Schattirung.
                           Das ulmsaure Kupfer wurde, ehe es vollkommen ausgewaschen war, getroknet. Man wusch
                              es gaͤnzlich aus, nachdem es gepuͤlvert wurde. Alle diese Salze
                              wurden, nachdem sie sorgfaͤltig ausgewaschen und bei 120° am
                              hundertgradigen Thermometer im leeren Raume uͤber
                              Schwefel-Saͤure getroknet waren, durch Ausgluͤhen
                              analysirt.
                           Die ulmsauren Metalle entzuͤnden sich bei einer Temperatur, die noch weit
                              unter der Rothgluͤhhize steht. Die Verbrennung pflanzt sich dann fort, und
                              hoͤrt von sich selbst auf; man muß jedoch dabei ihre Oberflaͤchen
                              immer sorgfaͤltig erneuern.
                           Man fand das ulmsaure Silber bestehen
                           
                              
                                 
                                 nach der Analyse:
                                 nach der Berechnung:
                                 
                              
                                 aus Ulm-Saͤure
                                   71,43
                                   71,85
                                 
                              
                                 Silberoxyd
                                   28,57
                                   28,15
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 100,00
                                 
                              
                                 Das ulmsaure Blei aus
                                    Ulm-Saͤure
                                   73,14
                                   72,5
                                 
                              
                                 Bleioxyd
                                   26,86
                                   27,5
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,00
                                 100,00.
                                 
                              
                           Das Gewicht des Atomes Ulm-Saͤure, nach Resultaten berechnet, welche
                              ziemlich genau mit einander zu stimmen scheinen, waͤre 3682,34, da die Formel
                              folgende ist:
                           H²⁸ C²⁸ O¹⁴.C = 75,33.A. d. O.
                              
                           Die Analyse des ulmsauren Kupfers entfernt sich aber etwas von den vorausgegangenen,
                              und verdient vielleicht mehr Zutrauen. Ich glaube wirklich, daß die
                              Absuͤßwasser des ulmsauren Silbers und Bleies etwas Ulm-Saͤure
                              mit sich weggefuͤhrt haben, weil sie anfingen sich zu faͤrben: ein
                              Umstand, der bei dem ulmsauren Kupfer nicht Statt haben konnte, welches, ehe es
                              vollkommen ausgewaschen wurde, getroknet worden ist.
                           Nach der mit demselben vorgenommenen Analyse besteht es
                           
                              
                                 aus
                                 Ulm-Saͤure
                                   89,5;
                                 nach der Berechnung:
                                   88,9
                                 
                              
                                 
                                 Kupferoxyd
                                   10,5;
                                 
                                   11,1
                                 
                              
                                 
                                 
                                 –––––
                                 
                                 –––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 100,0
                                 
                                 100,0.
                                 
                              
                           Das Gewicht des Atomes Ulm-Saͤure wird also 3945,44, und seine
                              Formel:
                           H³º C³º O¹⁵.
                           Man sieht noch uͤberdieß, daß diese Zahlen ein reineres Verhaͤltniß
                              herstellen, naͤmlich: 1 : 5 zwischen dem Atom
                              Gallaͤpfel-Saͤure und dem Atom Ulm-Saͤure. Sie
                              scheinen mir also angenommen werden zu muͤssen.
                           Die schwache Saͤttigungsfaͤhigkeit der Ulm-Saͤure ist
                              eine Thatsache, die alle Beruͤksichtigung verdient, indem sie begreiflich
                              macht, wie eine große Menge dieses kostbaren Duͤngers mittelst einer
                              aͤußerst geringen Menge alkalischer oder Ammonium haltiger Basis, die aus der
                              Zersezung thierischer Stoffe hervorgeht, den Pflanzen, die er naͤhren soll,
                              mitgetheilt werden kann.
                           Die erdigen ulmsauren Verbindungen, vorzuͤglich die kalkerdigen, scheinen
                              nicht durchaus unaufloͤsbar zu seyn, und sind uͤberdieß noch
                              faͤhig sich lange Zeit uͤber in einem solchen Zustande von Schwebung
                              zu erhalten, daß man sie fuͤr aufgeloͤst annehmen sollte. Sie
                              koͤnnen also auch kraͤftig zu dem großen Phaͤnomene der
                              Ernaͤhrung der Gewaͤchse beitragen, und zwar auf eine um so sicherere
                              Weise, als sie nicht so leicht, wie die alkalischen ulmsauren Verbindungen, von dem
                              Regenwasser weggewaschen werden.
                           Diese Thatsache kann uns nun mit Leichtigkeit zur Erklaͤrung dienen, wie Kalk
                              Torfgruͤnde fruchtbar macht. Diese alkalische Base kann, in diesem Falle, auf
                              zweierlei Art wirken: sie kann sich entweder mit der Ulm-Saͤure
                              verbinden, und diese aus den Stoffen ausscheiden, die sie gefesselt halten, oder sie
                              kann eine Entwikelung des Ammoniums beguͤnstigen, die zu demselben Zweke
                              fuͤhrt.
                           
                        
                           Azulm-Saͤure.
                           Wenn man die zahlreichen Verhaͤltnisse betrachtet, unter welchen die
                              Ulm-Saͤure sich darbietet; wenn man sieht, daß sie eines der
                              gewoͤhnlichen Producte der Zersezung vegetabilischer Stoffe ist, mag diese
                              nun langsam und gleichsam durch sich selbst, oder schnell und in Folge
                              kraͤftig einwirkender Ursachen entstehen; so entsteht ganz natuͤrlich
                              die Frage: ob, unter aͤhnlichen Umstaͤnden, die thierischen
                              Koͤrper nicht ein aͤhnliches Product erzeugen, das man mit derselben
                              vergleichen koͤnnte? Ich glaube diese Frage bejahend beantworten zu
                              koͤnnen.
                           
                           Es gibt wirklich einen stikstoffhaltigen Koͤrper, der, in Hinsicht auf seine
                              physischen und chemischen Eigenschaften, der Ulm-Saͤure sehr
                              aͤhnlich ist, und welcher durch mehr denn eine Gegenwirkung entstehen
                              kann.
                           Ich will ihn zuerst in jener Substanz untersuchen, die mir denselben auf die reinste
                              Weise lieferte, d.h. in jenem kohligen Koͤrper, welcher durch die
                              (sogenannte) freiwillige Zersezung der reinen Wasserstoff-Blausaͤure
                              entsteht.
                           Dieser Koͤrper, den die Chemiker schon seit langer Zeit unterschieden, ist
                              seiner wahren Natur nach noch immer unbekannt geblieben. Proust war, wie ich glaube, der Erste, der ihn angegeben hat.Annal. d. Chim. T. LX. p. 233. A. d. O.
                              
                           Blausaͤure, sagt er, in Wasser aufgeloͤst, und in einem gut
                              gestoͤpselten Gefaͤße aufbewahrt, zersezt sich in demselben von
                              selbst. Sie faͤrbt sich in vier bis fuͤnf Monaten braun, verliert nach
                              und nach ihren Geruch, wird truͤbe, und bildet einen kaffeebraunen
                              Niederschlag, der, nachdem er erhizt wurde, alle Eigenschaften der Kohle darbietet.
                              Durch Destillation erhaͤlt man aus demselben etwas Wasser, Blausaͤure
                              und Ammonium. Die Kohle ist gestikstofft, und hat einen ihrer Grundbestandtheile
                              wieder angenommen, welchen die Saͤure durch ihre Zerstoͤrung
                              verlaͤßt; denn, wenn sie mit kohlensaurer Potasche gehizt wird, so gibt sie
                              eine Lauge, aus welcher man Berlinerblau erzeugen kann. Allein, waͤhrend die
                              Kohle sich ausscheidet und Stikstoff behaͤlt, bildet der groͤßte Theil
                              des lezteren, mit Wasserstoff vereinigt, Ammonium, welches man auch in der gelben
                              Fluͤssigkeit zugleich mit dem Reste der Saͤure findet, welcher der
                              Zersezung entging.
                           Spaͤter hat Hr. Gay-Lussac, in seinem
                              schoͤnen Werke uͤber Wasserstoff-Blausaͤure (sur l'acive hydrocyanique)Annal. d. Chim. T. XCV. P. 158. gezeigt, daß derselbe Koͤrper auch durch die (sogenannte) freiwillige
                              Zersezung der wasserfreien Wasserstoff-Blausaͤure entsteht, und suchte
                              sich die Gegenwirkung zu erklaͤren, durch welche derselbe entstand, und die
                              Bestandtheile, aus welchen derselbe zusammengesezt ist.
                           Ich fuͤhre folgende Stelle aus seinem Werke hier an:
                           
                              „Wenn man diese Saͤure in gut geschlossenen Gefaͤßen
                                 aufbewahrt, so daß auch keine Beruͤhrung mit der Luft Statt haben kann,
                                 so zersezt sie sich zuweilen in weniger denn einer Stunde. Oefters habe ich sie
                                 fuͤnfzehn Tage lang unveraͤndert aufbewahrt; es geschieht aber
                                 selten, daß man sie so lang aufbewahren kann, ohne daß sie Zeichen von Zersezung
                                 darboͤte. Sie faͤngt an eine roͤthlich braune Farbe
                                 anzunehmen, die immer dunkler und dunkler wird, und laͤßt bald eine bedeutende kohlige
                                 Masse zuruͤk, die das Wasser, so wie die Saͤuren, stark
                                 faͤrbt, und einen lebhaften Ammoniumgeruch ausstoͤßt. Wenn die
                                 Flasche, welche die Saͤure enthaͤlt, nicht hermetisch schließt, so
                                 bleibt nur eine trokene kohlige Masse zuruͤk, die das Wasser nicht mehr
                                 faͤrbt.“
                              
                           
                              „Um die Resultate dieser Zersezung genau kennen zu lernen, brachte ich
                                 Blausaͤure in eine von aller Luft vollkommen befreite
                                 Barometerroͤhre, und erwartete, daß die Waͤnde der Roͤhre
                                 sich mit einem kohligen Ueberzuge bekleiden wuͤrden, der sie
                                 undurchsichtig machte. Die Hoͤhe, in welcher das Queksilber stand, war
                                 wenig bedeutend; wenn man aber die Roͤhre neigte, so fuͤllte das
                                 Queksilber dieselbe aus, zum deutlichen Beweise, daß sich keine bleibende
                                 elastische Fluͤssigkeit entwikelte. Nachdem sich die Roͤhre
                                 umstuͤrzte, nahm ich deutlich den Geruch der Blausaͤure gewahr;
                                 das Wasser, welches ich in dieselbe goß, nahm eine stark braune Farbe an;
                                 Potasche und Kalk entwikelten Ammonium aus demselben, und die
                                 Schwefelsaͤure machte den Geruch nach Blausaͤure sehr bemerkbar:
                                 es entwikelte sich aber keine Kohlensaͤure. Hieraus erhellt offenbar, daß
                                 Blausaͤure bei ihrer Zersezung Ammonium entwikelt, welches mit einem
                                 Theile der Saͤure verbunden bleibt. Die kohlenartige Substanz muß
                                 nothwendig gestikstofft werden, indem das Ammonium aus drei Volumen Wasserstoff
                                 und Einem Volumen Stikstoff besteht, waͤhrend in der Blausaͤure
                                 diese beiden Grundstoffe zu gleichen Theilen vorkommen; so daß zwei Drittel
                                 Stikstoff bei der Kohle bleiben und folglich einen gestikstofften Kohlenstoff
                                 (azoture de carbone) bilden
                                 muͤssen.“
                              
                           Die Formel, welche diese Zersezung erlaͤutern kann, ist folgende:
                           4 (HAzC²) = HAzC²
                                  + H ³ Az
                              + C⁶ A z².
                           Seit der Erscheinung der Abhandlung des Hrn. Gay-Lussac hat man das kohlige Product der sogenannten freiwilligen
                              Veraͤnderung der Wasserstoff-Blausaͤure immer als
                              gestikstofften Kohlenstoff betrachtet.
                           Das Studium, welches ich mir aus diesem Koͤrper machte, bewies mir, daß er
                              Wasserstoff enthaͤlt, und daß er, Statt bloß gekohlstoffter Stikstoff zu
                              seyn, der Wasserstoff-Blausaͤure selbst analog, und nur durch die
                              Verhaͤltnisse seiner Elemente von derselben verschieden ist.
                           Er ist, in der That, in Potasche vollkommen aufloͤsbar, und wenn er von dem
                              wasserstoff-blausauren Ammonium, welches er enthaͤlt, befreit wurde,
                              bildet er noch, durch Destillation, wasserstoffhaltige Producte. Ich werde ihn daher
                              mit dem eigenen Namen Azulm-Saͤure (acide azulmique) bezeichnen, wodurch, auf der einen
                              Seite, seine Nachbarschaft mit der Ulm-Saͤure, auf der anderen die
                              Verschiedenheit seiner chemischen Natur angedeutet wird.
                           
                           Wenn die reine Wasserstoff-Blausaͤure durch ihre (sogenannte)
                              freiwillige Zersezung wirklich nur Wasserstoff-blausaures Ammonium und
                              Azulm-Saͤure erzeugte, so waͤre es sehr leicht die Composition
                              dieses neuen Productes aufzustellen; man duͤrfte in dieser Hinsicht nur das
                              Gewicht des wasserstoff-blausauren Ammoniums, welches gebildet wurde,
                              bestimmen; d.h., den Verlust, welchen die Mischung durch die Waͤrme des
                              Wasserbades erleidet. Allein, obschon die Analyse, welche ich unten vorlegen werde,
                              es hoͤchst wahrscheinlich macht, daß die reine
                              Wasserstoff-Blausaͤure sich auf diese Weise zersezt, konnte ich mich
                              doch nicht auf die Daten stuͤzen, die mir diese Art von Pruͤfung
                              darbot, indem ich bisher nur mit Producten arbeiten konnte, die ich selbst bereitet
                              habe: auf diesen Umstand werde ich noch ein Mal zuruͤkkommen. Man muß in
                              solchen Faͤllen sich vor allen Gelegenheiten, welche Irrthum veranlassen
                              koͤnnen, huͤten: denn die Producte scheinen nach den verschiedenen
                              Umstaͤnden verschieden, unter welchen sie gebildet wurden.
                           Hr. Gay-Lussac sagt, daß die Materie, welche sich,
                              gesichert gegen alle Einwirkung der Luft, absezt, das Wasser stark faͤrbt,
                              und einen lebhaften Ammoniumgeruch verbreitet, waͤhrend sie, im
                              entgegengesezten Falle, das Wasser nicht mehr faͤrbt.
                           Unter den verschiedenen Arten wasserstoff-blausaurer Kohlen, welche ich mir
                              verschaffte, und welche ich als das Resultat der Zersezung reiner
                              Wasserstoff-Blausaͤure betrachten konnte, war nur eine einzige, welche
                              das Wasser auf eine bedeutende Weise faͤrbte. Die reine
                              Wasserstoff-Blausaͤure, welche dieselbe erzeugte, wurde in einer
                              feuchten Flasche aufbewahrt. Die Masse war teigartig, und entwikelte einen lebhaften
                              Ammoniumgeruch waͤhrend des Abtroknens. Sie war uͤberdieß nur in
                              geringer Menge vorhanden, und in einer ziemlich großen Flasche aufbewahrt. Nachdem
                              sie getroknet war, faͤrbte sie das Wasser nicht mehr auf eine merkliche
                              Weise; bei der Verdampfung der Fluͤssigkeit ließ diese aber etwas weniges von
                              einer salzartigen Masse zuruͤk. Der braune Ruͤkstand loͤste
                              sich, ausgesuͤßt, in Potasche gaͤnzlich auf.
                           Die uͤbrigen verkohlten Producte der Wasserstoff-Blausaͤure
                              boten sich unter der Form einer schwarzen schwammigen Masse dar, deren seidenartiger
                              und beinahe sammtartiger Schiller ohne Zweifel den Krystallen der
                              Wasserstoff-Blausaͤure zuzuschreiben war, die sie enthielten. Wenn man
                              solche Kohlen zerbricht, so theilen sie sich in Blaͤtter, deren Farbe gegen
                              das Licht gehalten roͤthlich braun ist. Sie riechen wie
                              Wasserstoff-blausaures Ammonium, welches man entweder durch die Waͤrme
                              des Wasserbades, oder durch Auswaschen mit Wasser aus denselben abscheiden kann. In
                              lezterem Falle nimmt die Fluͤssigkeit eine lichte roͤthliche Farbe an, welche davon
                              herruͤhrt, daß eine sehr geringe Menge Azulm-Saͤure sich in
                              Ammonium aufloͤst: sie ist uͤberdieß sehr alkalisch, wegen des in ihr
                              enthaltenen wasserstoff-blausauren Ammoniums. Saͤuren erzeugen in
                              dieser Fluͤssigkeit einen leichten Niederschlag, der demjenigen
                              aͤhnlich ist, welcher aus ihrer Einwirkung auf das azulmsaure Ammonium
                              entsteht.
                           Bei der Verdampfung faͤllt die geringe Menge Faͤrbestoff, die
                              aufgeloͤst wurde, zu Boden, ohne Zweifel in Folge der Entwikelung des
                              Ammoniums.
                           
                        
                           Eigenschaften der Azulm-Saͤure.
                           Die auf diese Weise gereinigte Azulm-Saͤure ist in kaltem Wasser nicht
                              aufloͤsbar, und scheint es auch in warmem nicht mehr zu seyn. Alkohol
                              loͤst sie auch nicht auf, weder kalt noch warm.
                           Concentrirte Salpeter-Saͤure loͤst sie kalt auf, und
                              erhaͤlt dadurch die Farbe eines schoͤnen Morgenrothes. Wasser
                              truͤbt diese Aufloͤsung. In alkalischen Basen und in Ammonium ist
                              jedoch diese Saͤure noch weit mehr aufloͤsbar.
                           Die Fluͤssigkeit nimmt eine sehr dunkle Schattirung an, analog der
                              Aufloͤsung des ulmsauren Kali, obschon vielmehr roth. Saͤuren schlagen
                              aus derselben ein rothbraunes, sehr leichtes Pulver nieder, welches, nachdem es
                              getroknet wurde, matt ist, und nur auf eine sehr unvollkommene Weise den Glanz der
                              Ulm-Saͤure darbietet. Seine Farbe naͤhert sich dann mehr der
                              Farbe der chinesischen Tusche. Die metallischen Salze bilden in derselben braune
                              Niederschlaͤge, und entfaͤrben die Fluͤssigkeit vollkommen;
                              durch Hize zersezt sich die Azulm-Saͤure in
                              Wasserstoff-blausaures Ammonium, das sich sublimirt, und wenn man die
                              Temperatur noch mehr erhoͤht, erhaͤlt man ein brennbares Gas, das mit
                              blauer Flamme brennt, und an welchem ich, seinem Geruche nach, Cyanogen zu erkennen
                              glaubte. Der Ruͤkstand ist Kohle.
                           Ich konnte diese Versuche nicht vervielfaͤltigen, indem ich nur wenig von
                              diesem Materials zu meiner Disposition hatte. Ich hoffe wieder darauf
                              zuruͤkkommen zu koͤnnen; es war mir einstweilen vorzugsweise daran
                              gelegen, die Elementar-Composition dieses sonderbaren Productes kennen zu
                              lernen.
                           Ich beschaͤftigte mich vorzuͤglich mit Aufstellung des
                              Verhaͤltnisses des Stikstoffes zum Kohlenstoffe, indem ich besorgte in
                              Irrthum zu gerathen, wenn ich den Wasserstoff bestimmen wuͤrde, da die Menge
                              desselben in diesem Koͤrper sehr gering scheint, und ich auch dachte, daß sie
                              nothwendig aus der Eroͤrterung der uͤbrigen Resultate sich ergeben
                              muͤsse.
                           Ich wiederholte diese Analyse zwei Mal, und bediente mich bei derselben eines Niederschlages,
                              der durch eine Saͤure in einer Aufloͤsung von azulm-saurer
                              Potasche erzeugt und gehoͤrig gereinigt wurde. Ich fand bestaͤndig das
                              Verhaͤltniß wie 2:5 zwischen dem Stikstoffe und dem Kohlenstoffe. Wenn man
                              dieses Verhaͤltniß zugibt, so wie auch die Zersezung der reinen
                              Wasserstoff-Blausaͤure in wasserstoffblausaures Ammonium und in
                              Azulm-Saͤure, so kann man sich diese Phaͤnomene mittelst einer
                              hoͤchst einfachen Formel erklaͤren:
                           6 (HC²AZ) = HC²AZ
                              + H³AZ + H²C¹º
                              AZ⁴.
                           Die Azulm-Saͤure waͤre demnach gebildet aus Einem Theile
                              Wasserstoff (dem Volumen nach), fuͤnf Theilen Kohlenstoff und zwei Theilen
                              Stikstoff, wenn man die dieselbe ausdruͤkende Formel durch 2 theilt; oder, im
                              Gewichte
                           
                              
                                 AZ²
                                 Azot oder Stikstoff
                                   47,64
                                 
                              
                                    C³
                                 Carbone oder Kohlenstoff
                                   50,67
                                 
                              
                                    H
                                    
                                 Hydrogene oder Wasserstoff
                                     1,69
                                 
                              
                                 
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 100,00
                                 
                              
                           Die Zersezung durch das Feuer in wasserstoff-blausaures Ammonium, Cyanogen und
                              Kohle wuͤrde sich leicht auf folgende Weise durch Verdoppelung der ersten
                              Formel erklaͤren lassen:
                           2 (H² C¹º AZ⁴) = HAZC²
                                  + H³AZ + (AZ⁶C¹²)
                              + C⁶.
                           Ich verfolgte die Analogie, die mir zwischen der Ulm-Saͤure und der
                              Azulm-Saͤure Statt zu haben schien, und suchte leztere dadurch wieder
                              herzustellen, daß ich Gallerte mit Potasche erhizte. Zu diesem Ende loͤste
                              ich Gallerte in einer concentrirten Potascheaufloͤsung heiß auf. Nachdem
                              Ammonium sich entwikelt hatte, troknete sich die Masse, ward teigig, blaͤhte
                              sich auf, und fing an sich in dem Maße zu schwaͤrzen, als die Temperatur
                              erhoͤht wurde. Wenn man in dieser Epoche Wasser in den Tiegel gießt, der die
                              Mischung enthaͤlt, so erhaͤlt man eine rothe Fluͤssigkeit, die
                              der vorigen ganz und gar aͤhnlich ist; die sich durch Saͤuren und
                              metallische Salze entfaͤrbt und aͤhnliche Niederschlaͤge gibt,
                              wie jene, welche man unter gleichen Umstaͤnden aus der Aufloͤsung
                              eines azulm-sauren Alkali erhaͤlt.
                           Die Saͤuren entwikeln auch aus der Fluͤssigkeit
                              Wasserstoff-Blausaͤure und Kohlensaͤure. Wenn man die Arbeit
                              fruͤher oder spaͤter unterbricht, so faͤrbt die Masse das
                              Wasser nicht. Im zweiten Falle laͤßt sie einen kohligen Bodensaz, und
                              entwikelt, wie die vorige, durch Einwirkung einer Saͤure,
                              Wasserstoff-Blausaͤure und Kohlensaͤure. Die
                              unausloͤschbare Tinte des Hrn. Braconnot (Annal. de. Chim. and de Phys. 1829)Die aber nicht unausloͤschbar ist, wie ihr Erfinder zeither selbst
                                    bemerkte. Vergl. Polyt. Journ. Bd. XXXIII. S. 195.) A. d. R.scheint eine Verbindung der Elemente der Azulm-Saͤure mit
                              Schwefel und Potasche, eine Art Sulfo-Cyanuͤr zu seyn.
                           
                           Dieser Umstand ist nicht der einzige, unter welchem Azulm-Saͤure sich
                              zu erzeugen scheint. Ich glaube sie geht auch aus der Einwirkung der
                              Salpeter-Saͤure auf Gußeisen hervor, oder auf sehr fein zertheilte
                              Kohle.
                           Hr. Berzelius druͤkt sich in seiner Chemie des
                              Eisens S. 66. uͤber diese Gegenwirkung auf folgende Weise aus:
                           
                              „Nach vollkommener Aufloͤsung des Gußeisens in
                                 Salpeter-Saͤure bleibt ein dunkelbraunes Pulver zuruͤk,
                                 das, in einer geringen Menge, in kochendem Wasser aufloͤsbar ist. Dieses
                                 wird davon gelbbraun gefaͤrbt, und bei dem Erkalten schlaͤgt es
                                 sich aus demselben nieder. In Saͤuren ist dieses Pulver
                                 unaufloͤsbar, in Alkalien hingegen loͤst es sich auf, und bildet
                                 mit denselben eine undurchsichtige, braune, beinahe schwarze
                                 Fluͤssigkeit. Saͤuren schlagen es aus derselben
                                 unveraͤndert nieder. Getroknet und an einem Punkte angezuͤndet
                                 brennt dieses Pulver wie Staͤrkmehl und verwandelt sich in eine
                                 roͤthliche Asche. Mit einem Worte, dieses Pulver hat alle Eigenschaften
                                 desjenigen Koͤrpers, der unter dem Namen Extractivstoff bekannt ist, der
                                 sich in der Pflanzenerde findet, und der einer der lezten Grundstoffe ist, in
                                 welche sich organische in Faͤulniß begriffene Koͤrper
                                 aufloͤsen.“
                              
                           Hr. Berzelius scheint mit dieser Charakteristik die
                              Ulm-Saͤure zu bezeichnen; das Vorkommen dieses Compositums unter
                              aͤhnlichen Umstaͤnden war aber desto merkwuͤrdiger, je
                              schwieriger es war, dasselbe sich zu erklaͤren. Ueberdieß bildete sich der
                              von Hrn. Berzelius beschriebene Koͤrper nur unter
                              dem Einflusse der Salpeter-Saͤure, und nie mit
                              Schwefel-Saͤure oder Hydrochlor-Saͤure: ich hatte also
                              die Idee, daß er stikstoffhaltig seyn koͤnnte. Der Versuch hat meine
                              Vermuthung bestaͤtigt. Das Pulver, welches nach der Behandlung des Gußeisens
                              mit Salpeter-Saͤure uͤbrig bleibt, gibt, gut ausgewaschen und
                              getroknet, durch die Destillation wasserstoff-blausaures Ammonium, dessen
                              alkalische Gegenwirkung mir durch die Veraͤnderung der Farbe eines
                              geroͤtheten Tournesolpapieres, das ich in dem oberen Theile der Roͤhre
                              anbrachte, in welchem ich den Versuch anstellte, deutlich angezeigt wurde. Die
                              Aufloͤsung in den Alkalien war roͤthlich braun, und mehr der
                              Aufloͤsung der Azulm-Saͤure aͤhnlich, deren
                              vorzuͤglichste Kennzeichen sie an sich traͤgt, als der
                              Ulm-Saͤure. Die Saͤuren bildeten in derselben einen
                              Niederschlag, welcher dieselbe Farbe an sich trug.
                           Ich konnte mir bisher noch nicht eine hinlaͤngliche Menge dieses Productes zu
                              einer Analyse verschaffen.
                           Das Detail, welches Hr. Berzelius uͤber diesen
                              Stoff beifuͤgt, welchen ich hier mit der Azulm-Saͤure
                              zusammenwerfe, gewaͤhrt mir die Hoffnung, daß derselbe mir eine Reihe von
                              Zusammensezungen darbieten wird, die den Cyanuͤren, und vielleicht den
                              doppelten Cyanuͤren analog sind; wenigstens muß dieses aus seiner Zusammensezung und
                              aus seinen Eigenschaften so vermuthet werden.
                           „Es ist merkwuͤrdig,“ sagt Hr. Berzelius bei dieser Gelegenheit, „daß, wenn das rohe Gußeisen
                                 Braunstein (Magnesium) enthaͤlt, man beinahe
                                 keine Spur davon in der Aufloͤsung wahrnimmt; der groͤßte Theil
                                 desselben geht als Grundbestandtheil in diesen kuͤnstlichen Pflanzenstoff
                                 uͤber, und kann, nach der Verbrennung desselben, aus dessen Asche
                                 mittelst einer Saͤure als Braunstein dargestellt werden. Es ist offenbar,
                                 daß dieser Grundstoff sich sowohl auf Kosten des in dem rohen Gußeisen
                                 enthaltenen Kohlenstoffes, auf Kosten des Wasserstoffes des Wassers und des
                                 saͤuernden Grundstoffes der Salpeter-Saͤure, als durch
                                 Absorbirung des Braunsteines und der Kieselerde (Magnesium und Silicium) in
                                 denselben unbekannten Verhaͤltnissen bildet, in welchen diese
                                 Koͤrper sich in der organischen Natur darstellen.“
                              
                           Die Erzeugung dieses Koͤrpers, der durch die Wirkung der
                              Salpeter-Saͤure auf die Kohle gestikstofft wird, laͤßt auch
                              glauben, daß ein Compositum dieser Art in den kuͤnstlichen Gerbestoffen
                              vorhanden seyn muß. So, wie sie von Hrn. Karl Hatchet
                              angegeben wurden,Annal. d. Chim. T. LVII. LVIII. A. d. O. sind sie gewoͤhnlich unrein und mit mehr oder minder zahlreichen
                              Producten gemengt, je nachdem man sie aus verschiedenen Koͤrpern bereitet
                              hat.
                           Allein, auf den einfachsten Ausdruk zuruͤkgebracht, so wie es Hr. Buff gethan hat,Annal. d. Chim. et de Phys. T. XXXIX. p. 290. A. d. O. (in einer Abhandlung uͤber die Einwirkung der
                              Salpeter-Saͤure auf den Indigo) ist es eine Verbindung der
                              Salpeter-Saͤure und eines braunen in den Alkalien aufloͤsbaren
                              Koͤrpers, welche man unter dem Namen Indigoharz bezeichnet zu haben scheint.
                              Die Charaktere, welche Hr. Berzelius in seinem Aufsaze
                              uͤber den IndigAnnal. d. Chim. et de Phys. T. XXXVI. p. 310. A. d. O. der braunen Masse zuschreibt, welche in dem im Handel vorkommenden Indig
                              enthalten ist, kommen jenen der Azulm-Saͤure sehr nahe. Man findet sie
                              in der Abhandlung des Hrn. Buff beschrieben. Nach diesem
                              Chemiker ist der kuͤnstliche Gerbestoff, welcher durch die Einwirkung der
                              Salpeter-Saͤure auf den Indigo erzeugt wird, in kaltem Wasser wenig
                              aufloͤsbar; in kochendem Wasser loͤst er sich leichter auf, so wie in
                              Alkohol und in concentrirter Salpeter-Saͤure. Die beiden lezteren
                              Aufloͤsungen werden durch kaltes Wasser gefaͤllt. Die Alkalien
                              loͤsen ihn auf, berauben ihn aber seiner Salpeter-Saͤure; denn
                              wenn man die Aufloͤsung durch eine Saͤure neutralisirt, so hat der
                              Niederschlag nicht mehr das Ansehen des kuͤnstlichen Gerbestoffes, sondern
                              aͤhnelt dem Indigharze.
                           
                           Das Indigharz ist, wenn es rein ist, eine braune, zerreibliche Masse, ohne Geschmak,
                              in Wasser, wie in Alkohol, unaufloͤsbar, und loͤst sich leicht und
                              ohne Veraͤnderung in kaustischen Alkalien auf. Saͤuren schlagen es als
                              eine teigartige Masse nieder. Durch seine Zersezung im Feuer erhaͤlt es den
                              Geruch von gekohlstofftem Stikstoffe. Es loͤst sich in concentrirter
                              Salpeter-Saͤure auf, und faͤrbt diese Morgenroth. Die
                              gehoͤrig verdampfte Fluͤssigkeit bietet alle Eigenschaften des
                              kuͤnstlichen Gerbestoffes dar.
                           Ich versuchte zu pruͤfen, ob die verschiedenen von Hrn. Buff beobachteten Charaktere des Indigharzes sich auch in der
                              Azulm-Saͤure darstellen. Sie loͤste sich gleichfalls kalt in
                              concentrirter Salpeter-Saͤure auf und theilte dieser eine
                              schoͤne Schattirung von Morgenroth mit. Die Aufloͤsung wird von kaltem
                              Wasser gefaͤllt. Langsam und maͤßig abgeraucht, laͤßt sie einen
                              pechartigen Ruͤkstand, der in kaltem Wasser wenig, etwas mehr in heißem
                              aufloͤsbar ist. Die Alkalien loͤsen diesen Ruͤkstand auf, und
                              die Saͤuren bilden in der Fluͤssigkeit einen Niederschlag, welcher
                              demjenigen aͤhnlich ist, den man aus der alkalischen Aufloͤsung der
                              braunen Masse in dem Indigo erhaͤlt. Ich muß hier beifuͤgen, daß ich
                              jedoch diesen Versuch nicht gehoͤrig im Großen anstellen konnte, um eine
                              absolute nahe Aehnlichkeit zwischen diesen beiden Producten aufzustellen.
                           Ich koͤnnte noch mehr als einen Umstand anfuͤhren, unter welchem die
                              Azulm-Saͤure sich zu zeigen scheint. Es mag genuͤgen, um die
                              Wichtigkeit zu begreifen, welche dieser Gegenstand bei seiner Untersuchung
                              darbietet, nur einen Augenblik zu bedenken, daß man gewisser Maßen weder das
                              Cyanogen, noch die Wasserstoff-Blausaͤure und selbst die
                              Cyanuͤre nicht behandeln kann, ohne daß er bei der Behandlung derselben zum
                              Vorscheine kommt, und die Resultate verwikelt, die an und fuͤr sich schon
                              nichts weniger als einfach sind. Man hat bisher auch uͤberhaupt sich keine
                              Rechenschaft von allen jenen Phaͤnomenen geben koͤnnen, die sich z.B.
                              bei der Einwirkung der Alkalien auf das Cyanogen aͤußern, indem die wahre
                              Zusammensezung der Azulm-Saͤure bisher noch unbekannt blieb.
                           Als Beispiel will ich hier nur noch einige von den vielen Ein- und
                              Gegenwirkungen angeben, die zur Entstehung desselben Veranlasung geben.
                           Hr. Gay-Lussac sagt in den Annales de Chimie T. XXV. p. 188.,
                              „daß das durch Destillation von Queksilber-Cyanuͤr
                                 erzeugte Cyanogen einige Hunderttheile Stikstoff enthaͤlt, und daß die
                                 braune Kohle, welche in der Retorte zuruͤkbleibt, gestikstofft
                                 ist.“
                              
                           S. 196. „Daß das Ammoniumgas und das Cyanogen in dem Augenblike auf
                                 einander einzuwirken beginnen, wo man sie mit einander mengt; daß aber mehrere
                                 Stunden nothwendig sind, wenn die Wirkung vollkommen seyn soll. Man bemerkt
                                 Anfangs einen weißen dichten Dampf, der schnell verschwindet. Die Verminderung
                                 des Volumens ist bedeutend, und die Waͤnde der Glasroͤhre, in
                                 welcher man die Mischung macht, werden undurchsichtig und bedeken sich mit einer
                                 braunen dichten Masse. Wenn man 90 Theile Cyanogen und 227 Ammoniumgas nahm, so
                                 verbanden sie sich beinahe in dem Verhaͤltnisse wie 1: 1,5. Diese
                                 Verbindung faͤrbt das Wasser dunkel pomeranzenbraun, loͤst sich
                                 aber darin nur in geringer Menge auf. Die Fluͤssigkeit gibt kein Blau mir
                                 Eisensalzen.“
                              
                           Er sagt ferner: „wenn man den blausauren Dampf mit Wasserstoff gemengt
                                 mittelst des elektrischen Funkens zersezt, und eine ungeheuere Menge
                                 elektrischer Funken durch die Mischung durchziehen laͤßt, so wird nicht
                                 aller Dampf zersezt, und es bildet sich auf der Platinnabewaffnung und auf jenem
                                 Theil der Roͤhre, welchen der Funke durchlaͤuft, ein
                                 bisterfarbener Niederschlag, welcher andeutet, daß sich Kohlenstoff oder eine
                                 sehr gekohlstoffte Verbindung absezte.“
                              
                           Hr. Vauquelin sagtAnnal. d. Chim. et de Phys. T. IX. p. 113. bei Gelegenheit, wo er die Einwirkung des Wassers auf das Cyanogen
                              untersucht: „daß die Aufloͤsung nach einigen Tagen eine gelbe
                                 Schattirung, dann eine braune, annimmt, und zulezt gleichfalls eine braune Masse
                                 fallen laͤßt. Es hat sich uͤberdieß wasserstoff-blausaures,
                                 kohlensaures, und vielleicht auch blausaures Ammonium gebildet.“
                              
                           „Die Alkalien,“ fuͤgt er bei, „bringen in der
                                 Zusammensezung des fluͤssigen Cyanogenes eine schnelle und tief
                                 eingreifende Veraͤnderung hervor, deren Resultate dieselben, wie bei dem
                                 Wasser allein, zu seyn scheinen, nur mit dem Unterschiede, daß einige Resultate
                                 von der Gegenwart des angewendeten Alkali abhaͤngen. Sie erzeugen sich
                                 uͤberdieß noch schnell. Die braune Farbe entwikelt sich ploͤzlich;
                                 es bildet sich aber kein Niederschlag, indem der Koͤrper, welcher diesen
                                 Niederschlag im Wasser erzeugt, im Alkali aufloͤsbar ist. Es entwikelt
                                 sich Ammonium. Die Oxyde, von welchen mehrere als Hydrate angewendet wurden,
                                 gaben analoge Resultate.“
                              
                           
                        
                           Schlußfolge.
                           Die oben in dieser Abhandlung entwikelten Thatsachen scheinen mir, auf nachstehende
                              Schluͤsse zu leiten:
                           1) Die Ulmine, welche Hr. Vauquelin zuerst in den
                              Producten entdekte, welche aus der Ulme ausschwizen, und welche man spaͤter
                              in der Pflanzenerde, in der Umbererde, im Torfe fand, und welche Hr. Braconnot selbst kuͤnstlich erzeugte, findet sich
                              auch noch in dem rohen
                              ungebleichten Garne, in welchem sie den Faͤrbestoff bildet, in den Producten
                              der Destillation des Holzes, in dem Ruße, in den unvollkommen destillirten
                              Pflanzenstoffen, wie z.B. in den Braͤnden, und folglich auch in Bouchet's Schießpulver. Sie ist auch eines der
                              gewoͤhnlichen Producte der Einwirkung der Schwefel-Saͤure oder
                              Hydrochlor-Saͤure auf gewisse Pflanzenstoffe, wie z.B. Holz,
                              Staͤrke, Rohrzuker, Alkohol. Die Einwirkung der Basen auf den Traubenzuker,
                              auf den starkmehlartigen Faserstoff erzeugt sie gleichfalls.
                           2) Die Ulmine, welche nach ihren saͤmmtlichen Eigenschaften, und
                              vorzuͤglich nach ihrer Faͤhigkeit, Basen zu saͤttigen, den
                              Namen Ulm-Saͤure erhalten muß, scheint von
                              jenem Producte verschieden zu seyn, welches von der Einwirkung der Luft oder
                              sauerstoffhaltiger Koͤrper auf Extracte, auf den Gerbestoff, auf die
                              Gallaͤpfel-Saͤure und die gallaͤpfelsauren Verbindungen
                              erzeugt wird, durch seine Farbe und durch seine Aufloͤsbarkeit in Alkohol.
                              Man muß sie also von diesem Koͤrper unterscheiden, mit welchem sie
                              verwechselt geworden zu seyn scheint.
                           3) Die Zusammensezung der Ulm-Saͤure ist dieselbe, die an der trokenen
                              Gallaͤpfel-Saͤure Statt hat, ihre
                              Saͤttigungsfaͤhigkeit ist aber viel schwaͤcher. Die Analyse
                              dieser Salze stellt zwischen ihrem Atomgewichte und jenem der trokenen
                              Gallaͤpfel-Saͤure das Verhaͤltniß wie 5:1 her. Die
                              schwache Saͤttigungsfaͤhigkeit dieser Saͤure, die der beste
                              Duͤnger von der Welt (engrais par excellence) zu
                              seyn scheint, macht es begreiflich, wie sie den Pflanzen mittelst einer sehr
                              geringen Menge alkalischer Basis reichlich als Nahrungsmittel zugefuͤhrt
                              werden kann.
                           4) Ungeachtet der Aehnlichkeit, die in der Zusammensezung der
                              Ulm-Saͤure und der Gallaͤpfel-Saͤure Statt hat,
                              laͤßt sich leztere nicht mittelst Schwefel-Saͤure in
                              Ulm-Saͤure verwandeln. Das Product dieser Ein- und Gegenwirkung
                              scheint, im Gegentheile, analog mit derjenigen, welche aus der Einwirkung
                              oxygenirter Stoffe auf die Gallaͤpfel-Saͤure und auf die
                              Extracte hervorgeht.
                           5) Das kohlige Product, welches aus der (sogenannten) freiwilligen Zersezung der
                              Wasserstoff-Blausaͤure hervorgeht, scheint nicht gestikstoffter
                              Kohlenstoff zu seyn, wofuͤr Hr. Gay-Lussac
                              ihn angenommen hat; sondern vielmehr ein gewasserstofftes Compositum, welches
                              faͤhig ist sich mit salzfaͤhigen Basen zu verbinden, analog mit der
                              Wasserstoff-Blausaͤure selbst.
                           6) Dasselbe Compositum scheint sich auch zu bilden, wenn man thierische
                              Koͤrper Gegenwirkungen aussezt, welche denjenigen analog sind, wodurch
                              Pflanzenkoͤrper in Ulm-Saͤure verwandelt werden: z.B. die
                              Gallerte der Einwirkung der Potasche. Man konnte dasselbe also, nach dieser
                              Analogie, welche sich auch in den chemischen und physischen Eigenschaften dieser
                              beiden Koͤrper wieder findet, mit dem Namen 
                              Azulm-Saͤure bezeichnen, welcher zugleich
                              den Unterschied ihrer chemischen Natur ausdruͤkt.
                           7) Die Azulm-Saͤure entsteht nicht bloß durch die (sogenannte)
                              freiwillige Zersezung der Wasserstoff-Blausaͤure, sondern durch
                              Zersezung des wasserstoff-blausauren Ammoniums, des im Wasser
                              aufgeloͤsten Cyanogenes, durch Einwirkung dieses Gases auf die Basen: mit
                              einem Worte, man findet es uͤberall, wo man sich mit Zusammensezungen des
                              Cyanogenes beschaͤftigt.
                           8) Reine Wasserstoff-Blausaͤure scheint durch ihre (sogenannte)
                              freiwillige Zersezung sich in Wasserstoff-blausaures Ammonium zu verwandeln
                              und in Azulm-Saͤure: ein einfaches Resultat, welches sich leicht durch
                              folgende Formel ausdruͤken laͤßt:
                           6 (HC²AZ) = HC²AZ
                              + H³ AZ... + H²C¹º
                              AZ⁴.
                           Dieses Resultat der Rechnung stimmt vollkommen mit der Analyse der
                              Azulm-Saͤure.
                           9) Die Einwirkung schwacher Salpeter-Saͤure auf Gußeisen, d.h. auf die
                              sehr fein zertheilte Kohle, welche dasselbe enthaͤlt, erzeugt einen
                              gestikstofften Koͤrper, welcher die vorzuͤglichsten Eigenschaften der
                              Azulm-Saͤure darbietet.
                           10) Da die Azulm-Saͤure sich noch uͤberdieß mit concentrirter
                              Salpeter-Saͤure zu verbinden scheint, von welcher sie
                              aufgeloͤst wird, so kann man geneigt seyn zu glauben, das die
                              kuͤnstlichen Gerbestoffe nichts anderes, als eine Verbindung dieses
                              Koͤrpers mit der Salpeter-Saͤure sind, oder daß sie wenigstens
                              ein hoͤchst analoges Product enthalten.