| Titel: | Beschreibung eines Dampf-Filatoriums zum Abwinden der Seidencocons, errichtet zu Comercolly in Bengalen, von R. Richardson, Esqu., wohnhaft daselbst. Nach Zeichnungen von Capitän J. Somerville, Executions-Officier der öffentlichen Arbeiten. | 
| Fundstelle: | Band 37, Jahrgang 1830, Nr. LXII., S. 251 | 
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                        LXII.
                        Beschreibung eines Dampf-Filatoriums zum
                           Abwinden der Seidencocons, errichtet zu Comercolly in Bengalen, von R. Richardson, Esqu., wohnhaft
                           daselbst. Nach Zeichnungen von Capitaͤn J. Somerville, Executions-Officier der
                           oͤffentlichen Arbeiten.
                        Aus dem Mechanics's Magazine. N. 354. 22.
                              Mai.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              V.Wir theilen unseren Lesern diesen Aufsaz mit, nicht als ob wir mit dem Hrn.
                                 Verfasser glaubten, „dem europaͤischen Publicum dadurch eine
                                    neue Erfindung“ bekannt zu machen; denn außer England weiß man
                                 nur zu wohl, daß in Oberitalien und in einigen Gegenden des suͤdlichen
                                 Frankreichs Dampf-Filatorien schon seit mehreren Jahren im Gange sind;
                                 sondern um unsere Leser auf die Zukunft aufmerksam zu machen, die die
                                 Seidenmanufakturen erwartet, wenn die ostindische Compagnie mit Huͤlfe
                                 der Italiaͤner und Franzosen, die sie in ihre Dienste nahm, die
                                 Filatorien in Ostindien verbessert haben wird: denn bisher war es allein das
                                 mangelhafte Verfahren bei dem Abwinden, was die ostindische Seide in ihrem
                                 Werthe herabdruͤkte. Von uns im suͤdlichen Deutschland wird die
                                 Seidenzucht in Italien und Frankreich wohl nichts zu besorgen haben; wohl aber
                                 von den Englaͤndern in Ostindien, von den Russen in den neueroberten
                                 Provinzen Persiens, die bald ihren eigenen Bedarf mit der herrlichen persischen
                                 Seide deken und Europa mit derselben uͤberschwemmen werden, und von den
                                 Nordamerikanern, die sich jezt allen Fleißes auf die Seidencultur verlegen. Auch
                                 in Preußen macht die Seidencultur große Fortschritte. Wir sind zu faul und zu
                                 unwissend und zu halbwissend, als daß wir je den Franzosen und
                                 Italiaͤnern mit unserer Seidenzucht gefaͤhrlich werden
                                 koͤnnten. Der lezte, ausgezeichnet harte, Winter hat uns neuerdings
                                 belehrt, wie gut der Maulbeerbaum selbst einem Froste von – 25° R.
                                 zu widerstehen vermag. Und welchen Vortheil haben wir von dieser Lehre
                                 geschoͤpft? Daß wir Baͤume die seit mehr denn 50 Jahren allen
                                 Einfluͤssen unseres Klima's trozten, und die selbst nach dem Winter vom
                                 J. 1829/30 herrlich wieder ausschlugen, auf eine schaͤndliche Weise
                                 niederhauten. Dieß geschah in einer Entfernung von nur 9 Meilen von der
                                 Hauptstadt, in einer Stadt, die mehr als jede andere zum Seidenbaue gelegen ist,
                                 und in welcher auch vor 50 Jahren schon die damalige Regierung einen sogenannten
                                 Seidengarten anlegen ließ. Waͤhrend man in einigen Blaͤttern
                                 unsere neuen Maulbeerbaumanlagen preist, muß man in anderen die Dummheit
                                 zuͤchtigen, mit welcher man alte Saamenbaͤume, die bereits an das
                                 Klima gewohnt sind, und deren Saame weit besser gedeihen wuͤrde, als
                                 jener den man frisch aus Italien kommen laͤßt, niederhaut. Bei dem Volke
                                 ist unbesiegbare Faulheit, absichtlich unterhaltene und jaͤhrlich
                                 vermehrte Unwissenheit und Dummheit, ein unuͤbersteigliches Hinderniß,
                                 und bei den Gebildeteren sind es Vorurtheile. Selbst die Besseren in Bayern sind
                                 der Meinung, daß Seidenzucht in Bayern nie von wahrem Nuzen seyn wird. Erst
                                 neulich hat ein sehr geistreicher Schriftsteller Bayern's, dessen Werk*) man
                                 fuͤr alle Finanz- und Ministerial-Raͤthe mit
                                 goldenen Buchstaben auf Pergament sollte druken lassen, S. 45. behauptet,
                                 „daß Maulbeerbaͤume und Seidenwuͤrmerzucht eine
                                    unnuͤze Spielerei ist;“
                                 „noch weiß man,“ sagt er, „zu Lyon und
                                    Spitalfields nichts von bayer'scher Seide.“ Wenn unser Landvolk
                                 nur auf jener Stufe von Cultur stuͤnde, auf welcher der Bauer in Japan
                                 und in der großen chinesischen Tatarei noch heute zu Tage steht, weil
                                 man ihn dort nicht durch Miethlinge eines fremden Reiches um seinen gesunden
                                 Menschenverstand bringen ließ; wenn wir nur zehn Jahre lange mit Anzucht und
                                 Anpflanzung von Maulbeerbaͤumen standhaft fortfuͤhren; wenn wir
                                 dann einigen Seidenwinderinnen aus Piemont, und einigen Seidenmuͤllern
                                 aus dem suͤdlichen Frankreich und Oberitalien nur die Haͤlfte
                                 jener Jahrgehalte geben wuͤrden, die man an einige halbgelehrte
                                 Maͤnner, an einige vormalige Volksthuͤmler und an einige
                                 Bruͤderchen des hohen T. Vereines wegwerfen sieht; so wuͤrde
                                 Bayern sehr bald eine Seide erzeugen, die nicht nur zu Lyon und Spitalfields
                                 bekannt, sondern die daselbst gesucht seyn wuͤrde, weil sie in eben dem
                                 Verhaͤltnisse besser seyn wuͤrde als die suͤdliche, als die
                                 noͤrdliche chinesische und japanesische Seide besser ist als die
                                 suͤdliche. Es ist nicht, die Schuld der Natur, sondern der Menschen, wenn
                                 der Bauer in Bayern in Zwillich, Statt in Seide geht. A. d. Ue.*) Einige Worte uͤber Handel und Industrie in Deutschland, mit besonderer
                                       Ruͤksicht auf Bayern. 3. Muͤnchen 1830.
                           
                        Richardson, uͤber das Abwinden der Seidencocons.
                        
                     
                        
                           Das Insect, welches uns die Seide liefert, spinnt diesen kostbaren Stoff in einem
                              Faden, welcher, wie die meisten Leser wissen werden, in kleine Baͤllchen (Cocons, Cocoons) gewunden ist. Das Erste, was mit diesem
                              Stoffe geschehen muß, wenn er zu unserem Bedarfe verarbeitet werden soll, ist, daß
                              man diese Baͤllchen abwindet. Dieser Faden ist so fein, daß man aus einem
                              einzigen Baͤllchen (Cocon), welches die Raupe
                              spann, mehr als 30,000 engl. Fuß10,000 Yards. Ein Yard ist 3 engl. Fuß. Die indischen Cocons scheinen also
                                    viel groͤßer zu seyn, als die europaͤischen. A. d. Ue. desselben ohne alles Abreißen abgewunden hat. Die mittlere
                              Durchschnittslaͤnge des Fadens, welchen die Cocons liefern, betraͤgt
                              indessen nur 750 Yards (2250 engl. Fuß), und zuweilen nicht mehr, als 250 Yards (750
                              engl. Fuß). Der Faden, den die Raupe spann, kann, er mag nun feiner oder
                              groͤber seyn, so wie er ist, nicht verarbeitet werden.Er wird aber einst noch so verarbeitet werden, wenn die Weberkunst jenen Grad
                                    von Vollendung erreicht haben wird, welcher bei den heutigen Fortschritten
                                    der Mechanik moͤglich ist; wenn man Weberstuͤhle haben wird,
                                    die kaum so viele Quentchen wiegen, als die gegenwaͤrtigen Pfunde,
                                    Weberstuͤhle, die man vor sich auf den Tisch hinstellt und dreht, wie
                                    man jezt den Voͤgeln auf den Orgelbauern vorpfeift. Der einzelne
                                    Seidenfaden ist nicht so bruͤchig als man glaubt, und erhaͤlt,
                                    durch duͤnne Kautschukaufloͤsung in Aether gezogen, eine
                                    Staͤrke, uͤber die man erstaunen wird, wenn man sie versucht.
                                    Man wird Damenkleider weben, die in einer Tabaksdose Plaz haben, und dieß
                                    gewiß noch ehe 40 Jahre herum sind. Die Neuschateler Uhrenmacher werden
                                    diese Weberstuͤhle verfertigen, und die Lyoner und Maylaͤnder
                                    werden darauf weben. A. d. Ue. Man bringt die Faden mehrerer solcher Cocons an einander, und haspelt sie
                              zugleich von denselben ab, so daß waͤhrend dieses Abhaspelns oder Abwindens
                              aus diesen mehreren Faden ein einziger starker und glatter Faden gesponnen wird. Ehe
                              der Faden auf diese Weise von den Cocons abgewunden werden kann, muͤssen
                              leztere auf kurze Zeit in heißes Wasser getaucht werden, damit man sie mittelst
                              eines Ruͤtchens (das gewoͤhnlich aus Reißstroh zusammengebunden wird)
                              von den lokeren Faden befreien kann, in welche sie in ihrem rohen Zustande
                              eingehuͤllt sind, und um den Gummi, von welchem sie durchdrungen sind,
                              hinlaͤnglich zu erweichen, um sie leicht von dem Cocon ablaufen zu machen. Ja
                              die Cocons muͤssen sogar waͤhrend des ganzen Abhaspelns in heißem
                              Wasser bleiben, indem die Faden nothwendig waͤhrend dieser Arbeit weich
                              erhalten und gegen das Ankleben geschuͤzt werden muͤssen.Der Hr. Verfasser scheint nicht zu wissen, daß man in Spanien auch in kaltem
                                    Wasser die Seide von den Cocons abwindet. Der Bulletin d. l. Société d'Encouragement und aus
                                    diesem unser Polytechn. Journal hat
                                    hieruͤber umstaͤndliche Nachricht gegeben. A. d. U. Eine mit Loͤchern versehene Stange wird quer uͤber den oberen
                              Theil des Bekens gelegt, in welchem das heiße Wasser enthalten ist; die Faden werden
                              durch das eine, oder durch das andere dieser Loͤcher durchgezogen, und
                              mittelst einer Schiene oder Leiste auf den Haspel und die mit demselben verbundene
                              Spinnmaschine gebracht.Dieses Verfahren scheint nicht das gewoͤhnliche europaͤische;
                                    wenn es lezteres seyn sollte, so waͤre der Hr. Verfasser nicht
                                    gehoͤrig unterrichtet. A. d. Ue. Neben dem Beken mit dem heißen Wasser muß man auch noch ein anderes Beken
                              mit kaltem Wasser bei der Hand haben, in welchem die Person, die das Abwinden
                              besorgt, sich gelegentlich ihre Finger abkuͤhlen kann, und wodurch auch die
                              Temperatur der Stange mittelst Aufsprizens von kaltem Wasser vermindert werden kann,
                              wenn die Stange zu heiß wird. Um einen guten Faden zu erhalten, muͤssen beide
                              Extreme der Temperatur vermieden werden; wenn zu heiß gearbeitet wird,
                              erhaͤlt der Faden keinen Koͤrper und keinen Glanz, und wenn zu kalt
                              gearbeitet wird, verbinden die Enden der Faden sich nicht gehoͤrig, und der
                              Faden wird zu rauh und ungleich. Um desto sicherer eine immer gleichfoͤrmige
                              Temperatur des Wassers zu unterhalten, heizt man die Beken gewoͤhnlich mit
                              Holzkohlen, wobei man auch den Rauch verhuͤtet, der fuͤr die Farbe der
                              Seide nachtheilig werden koͤnnte.
                           Wir haben diese allgemeine Darstellung des gegenwaͤrtig gewoͤhnlichen
                              Verfahrens bei dem Abhaspeln der Seide von ihren Cocons vorausgeschikt, damit unsere
                              Leser desto besser den Werth der neueren Verfahrungsmethode einsehen und
                              wuͤrdigen koͤnnen, die wir hier dem europaͤischen Publicum
                              bekannt zu machen das Vergnuͤgen haben. Sie ist das Werk des Hrn. Rob. Richardson, britischen Residenten zu Commercolly in
                              Bengalen, welcher sie uns guͤtig mittheilte, und des Capit. Somerville vom 16ten Regimente: ein neuer Beweis der
                              vielen Vortheile, welche Englands Fleiß und Geschiklichkeit der indischen Industrie
                              gewaͤhrte.Da. wie wir oben bemerkten, Italien und Frankreich schon seit mehreren Jahren
                                    Filatorien besizt, in welchen mit Dampf gearbeitet wird (Vergl. Biblioteca italiana, Bulletin d. l. Soc.
                                       d'Encouragem., unser Polyt. Journ.), so
                                    fragt es sich, ob Hr. Richardson nicht vielmehr
                                    das europaͤische Verfahren nach Indien verpflanzte, Statt daß sein
                                    Verfahren erst aus Indien nach Europa kommen soll. A. d. Ue.
                              
                           Die uns eingesendeten Zeichnungen sind vollkommene Bauplane aller Theile eines
                              Filatoriums (filature, wie Factoreien dieser Art
                              in Indien heißen), dergleichen eines unter Hrn. Richardson's Leitung in Commercolly errichtet wurde,
                              und wo Dampf Statt alles anderen Heizmaterials zur Erwaͤrmung des Wassers in
                              den Beken zum Abwinden der Cocons gebraucht wird. Wir theilen hier nur so viel von
                              diesen Plaͤnen mit, als zur Erklaͤrung der Einrichtung des Filatoriums
                              zu Commercolly nothwendig ist. Sollte Jemand ein Dampf-Filatorium
                              aͤhnlicher Art anzulegen und weitere Belehrung wuͤnschen, so werden
                              wit ihm mit Vergnuͤgen Copien dieser Plaͤne mittheilen.
                           
                        
                           Erklaͤrung der Figuren.Wir verwahren uns auf das Feierlichste gegen jeden Vorwurf, den man unserer
                                    Copie der Zeichnungen machen koͤnnte. Es ist nicht unsere Schuld,
                                    wenn auch nicht ein einziger Buchstabe in der Beschreibung auf die Zeichnung
                                    paßt. Solche Liederlichkeiten werden jezt Sitte bei den englischen
                                    Journalisten. Es emancipirt sich, wie es scheint, nach und nach Alles in
                                    England von der einst daselbst nationalen
                                    Puͤnktlichkeit. A. d. Ue.
                           A, Grundriß, Fig. 9., zeigt die kalten
                              und warmen Wasserbeken, sammt dem Apparate, welcher den Dampf in seiner Vollendung
                              liefert.
                           B, der Dampfapparat, mit der Hauptdampfroͤhre und
                              ihren Nebenroͤhren, abgedekt.
                           C, das Mauerwerk, vollendet und hergerichtet zur
                              Herbeifuͤhrung des kalten Wassers und zur Aufnahme des Dampfapparates.
                           N. B. Es sind hier uͤberall nur zwei oder drei
                              Paar Beken angezeigt. Im Filatorium selbst aber heizt jeder Dampfkessel 100
                              Beken.
                           D, Siz des Kessels, Richtung der Zuͤge etc. Die
                              Ofenthuͤre ist eine eiserne Platte, mit feuerfestem Thone bekleidet.
                           E, der Schornstein, der 40 Fuß hoch uͤber den
                              Boden des Kessels aufgefuͤhrt ist.
                           F, eine Roͤhre mit einem Auslaßhahne aus dem
                              Kessel, zur Reinigung desselben so oft es nothwendig ist.
                           Die punktirten Linien zeigen die Richtung, in welcher die Hauptroͤhre des
                              Apparates fuͤr das kalte Wasser mit ihren Nebenroͤhren unter dem
                              Ziegelpflaster des Bodens und des Apparatmauerwerkes gelegt ist.
                           G, eine Cisterne, welche mittelst einer
                              Nebenroͤhre des Apparates fuͤr das kalte Wasser stets mit kaltem
                              Wasser gefuͤllt wird, und aus welcher mittelst eines selbsttaͤtigen
                              Apparates das Wasser in eine groͤßere Cisterne, H, hinaufgepumpt wird, welche den Kessel mit Wasser versieht.
                           I, Fig. 8. ist ein
                              Durchschnitt des Apparatmauerwerkes fuͤr den Dampfapparat allein.
                           K, ein Durchschnitt fuͤr den Apparat fuͤr
                              das kalte Wasser allein.
                           
                           NN, Abzugscanaͤle fuͤr das schmuzige
                              Wasser.
                           Fig. 10. ist
                              ein Durchschnitt des Kessels durch die Linie AB
                              des Planes Fig.
                                 11.
                           Fig. 12. ist
                              ein Durchschnitt und Fig. 13. ein Grundriß
                              eines Dampfbekens.
                           Fig. 14. ist
                              eine Kugelklappe zur Regulirung des Zuflusses des Wassers aus der Cisterne G, und Fig. 15. ein Durchschnitt
                              derselben.
                           Fig. 16. ist
                              ein Grundriß des Behaͤlters des kalten Wassers, und Fig. 17. ein Durchschnitt
                              desselben nach der Linie AB..
                           Was die weitere Erklaͤrung dieser verschiedenen Figuren betrifft und den Zwek
                              derselben, so bitten wir unsere Leser auf folgendes Schreiben des Hrn. Zornlin zu London verweisen zu duͤrfen, welchem
                              Hrn. Richardson's Plaͤne gleichfalls mitgetheilt
                              wurden, und der, so viel wir wissen, durch seine praktischen Kenntnisse in der
                              Seidenmanufaktur ganz geeignet ist uͤber den Werth derselben zu urtheilen.
                              Nach unserer unmaßgeblichen Meinung sind die Vorrichtungen in diesem
                              Dampf-Filatorium sehr sinnreich ausgedacht und gut berechnet. Hrn. Zornlin spricht von „einer kleinen
                                 Abaͤnderung,“ durch welche Brennmaterial erspart werden
                              koͤnnte, „und von einer kleinen Zugabe, wodurch dieser Apparat auch
                                 zu einer anderen Abart tauglich wuͤrde, welche mit dem Abwinden der Seide
                                 innigst verbunden ist.“
                              Und diese kleine Zugabe ist wohl nichts anderes, als die noͤthige
                                    Vorrichtung, die Puppen in den Cocons mittelst der Dampfhize (nicht aber,
                                    wie es Jemand sehr ungeschikt machte, mittelst des Dampfes selbst) zu
                                    toͤdten. Hr. Zornlin thut wahrhaftig zu
                                    vornehm geheim; doch dieser Mysticismus in Allem ist heute zu Tage an der
                                    Tagesordnung, und daher werden so viele mystificirt. A. d. Ue. Es wuͤrde uns sehr angenehm seyn, wenn Hr. Zornlin uns fuͤr unsere Blaͤtter „seine kleine
                                 Abaͤnderung“ und seine „kleine Zugabe“
                              etwas umstaͤndlicher entwikeln wollte, damit seine Verbesserungen eben so
                              weit in der Welt herum kommen koͤnnten, als dieser Apparat selbst. Unseren
                              zahlreichen Lesern in den Vereinigten StaatenDer Redacteur des Mech. Mag. bemerkt in einer
                                    Anmerkung, daß zu Boston bei den HHrn. Gray und Bowen
                                    regelmaͤßig eine amerikanische Ausgabe des Mechanics' Magazine erscheint, und daß diese Zeitschrift in
                                    Amerika eben den Beifall findet, dessen sie sich in England erfreut. N. Amerika's, wo die Seidenzucht in den lezteren Jahren ein
                              Lieblingsgegenstand geworden ist, und wo das Klima dieselbe so sehr
                              beguͤnstigt, wuͤrde die Erlaͤuterung, um welche wir Hrn.
                              Zornlin ersuchten, sehr angenehm seyn.
                           Der Redacteur des Mechanics' Magazine hat obigem Aufsaze
                              folgendes Schreiben des Hrn. J. J. Zornlin jun.
                              beigefuͤgt.
                           
                           Erlauben Sie mir Ihnen folgende Bemerkungen als meine Erlaͤuterungen zu den
                              Zeichnungen, welche Hr. Richardson sandte,
                              naͤmlich zu den Grund- und Aufrissen und Durchschnitten eines
                              Dampf-Filatoriums, welches derselbe zu Commercolly zum Abwinden der Seide von
                              den Cocons errichtete, zu uͤbersenden.
                           In den Zeichnungen, D, E, F, G, H, sind der Kessel, die
                              Zuͤge, der Schornstein, die Cisterne und die Roͤhren zum Speisen des
                              Kessels, die Ofenthuͤre und die Aschengrube dargestellt. Hieruͤber ist
                              nichts Besonderes zu sagen, da hier nur Modificationen einiger der bekam ten
                              Vorrichtungen zur Erzeugung des Dampfes vorkommen.
                           In Verbindung mit dem Kessel, und gestuͤzt von einer 15 Zoll uͤber dem
                              Boden erhobenen Mauer sind Dampfroͤhren horizontal und parallel mit der
                              Laͤnge des Gebaͤudes eingelegt. Von den Hauptroͤhren laufen zu
                              jeder Seite kleinere Nebenroͤhren weg, und fuͤhren in cylindrische
                              Gehaͤuse, welche offene Pfannen einschließen. Der Dampf, welcher in den
                              Hohlraum zwischen den Pfannen und ihren Gehaͤusen gelangt, wird, entweder
                              verdichtet oder als Dampf, durch Roͤhren am Boden der Gehaͤuse in die
                              Abzugscanaͤle fuͤr das schmuzige Wasser geleitet. An den
                              Hauptroͤhren, an den Nebenroͤhren und an den
                              Ausfuͤhrungsroͤhren sind Haͤhne angebracht, durch deren
                              zwekmaͤßige Stellung das Wasser in den Pfannen auf jede zu dieser Arbeit
                              noͤthige Temperatur gebracht und in derselben erhalten werden kann.
                           Ungefaͤhr in gleicher Hoͤhe mit dem Fußboden, und parallel mit den
                              Hauptroͤhren der Dampfleitung, sind die Roͤhren der Wasserleitung in
                              das Mauerwerk eingelegt. Nebenroͤhren, die davon auslaufen, leiten von
                              diesen, schief aufwaͤrts steigend, in kleine Cisternen, die sich in dem an
                              die Pfannen anstoßenden Mauerwerke in gleicher Hoͤhe mit denselben befinden:
                              Eine Cisterne kommt fuͤr jedes Paar Pfannen. Eine Nebenroͤhre leitet
                              auch aus der Hauptroͤhre in die Cisterne, G, um
                              den Kessel mit Wasser zu versehen. Die Hauptroͤhren muͤssen folglich
                              immer so viel Wasser erhalten, daß dieses in den Cisternen immer auf der
                              gehoͤrigen Hoͤhe stehen kann. In den Zeichnungen kommt jedoch
                              hieruͤber nichts vor, außer in Figg. 14 und 15., wo ein
                              Behaͤlter und eine regulirende Kugelklappe skizzirt ist. Die Pfannen sind
                              kugelfoͤrmig, ungefaͤhr 15 Zoll im Durchmesser oben, und 13 Zoll am
                              Boden, welcher flach ist. Ihre Tiefe betraͤgt, nach dem Maßstabe, 4 1/2 Zoll.
                              Oben sind sie mit einem flachen hervorstehenden Rande versehen, der mit einem
                              anderen oben auf den Gehaͤusen correspondirt, und wodurch beide
                              zusammengefuͤgt sind. Die Gehaͤuse sind in das Mauerwerk eingelassen,
                              so daß ihr Rand ungefaͤhr 2 Fuß hoͤher steht, als der Fußboden des
                              Gebaͤudes.
                           
                           Wenn der Apparat in Thaͤtigkeit gesezt wird, wird der Dampf im Dampfkessel in
                              gehoͤriger Staͤrke erzeugt, und in die Hauptroͤhren der
                              Dampfleitung gelassen, Wasser aus den kleinen Cisternen in die Pfannen
                              geschoͤpft, und der Dampf in die Gehaͤuse eingelassen. Sobald das
                              Wasser den gehoͤrigen Grad von Hize in der Pfanne erreicht hat, werden
                              25–30 Cocons in dieselbe geworfen, und die Seide auf die gewoͤhnliche
                              Weise abgewunden. Da die Pfannen immer wieder mit frischen Cocons versehen werden,
                              so geht das Abwinden regelmaͤßig fort. Gleichfoͤrmige Temperatur und
                              Verhuͤtung allen Rauches ist bei dem Abwinden unerlaͤßlich. Dampf
                              scheint demnach und ist, wenn er gehoͤrig angewendet wird, eine große
                              Verbesserung an der in Italien gewoͤhnlichen Abhaspelungsmethode.Wie gesagt, haben aber die Italiaͤner schon seit mehreren Jahren den
                                    Dampf bei ihren Filatorien angewendet. Diese Verbesserung gehoͤrt
                                    also den Italiaͤnern als Eigenthum an, nicht den Englaͤndern,
                                    die hier mit einer „Ilias post Homerum“ kommen. A. d. Ue. Ich zweifle auch nicht, daß dieses Verfahren besser seyn wird, als das in
                              Indien gebraͤuchliche.
                           Indem ich Hrn. Richardson's Anwendung des Dampfbades zu
                              einem neuen Zweke allen Beifall gebe und wuͤnsche, muß ich mir doch erlauben
                              zu sagen, daß, nach meiner Meinung, durch eine kleine Abaͤnderung in der
                              Einrichtung einiges Brennmaterial erspart werden wuͤrde, und daß eine kleine
                              Zugabe diesen Apparat auch noch zu einer anderen Arbeit brauchbar machen
                              wuͤrde, die mit dem Abwinden der Seide von den Cocons in der innigsten
                              Verbindung steht.
                           23 Threadneedle-Street, Mai 1. 1830.
                           Ich bin etc.
                           J. J. Zornlin, jun.
                           P. S. Wenn die Ostindische Compagnie mehrere solche Filatorien wuͤnschte, so
                              wird der hierzu noͤthige Apparat, wie auch Hr. Richardson bemerkt, in England weit wohlfeiler verfertigt werden
                              koͤnnen, als in Indien. Er wird in England nicht sehr hoch zu stehen kommen,
                              und die Zeichnungen reichen vollkommen hin, um nach denselben gehoͤrig
                              arbeiten zu koͤnnen.
                           
                              J. J. Z.
                              
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
