| Titel: | Ueber die Mittel, den Barbiermessern, Lancetten und anderen schneidenden Instrumenten eine feine Schneide zu geben. Von Thom. Andr. Knight, Esq., F. R. S., Präsident der Horticult. Society zu London etc. | 
| Fundstelle: | Band 39, Jahrgang 1831, Nr. LXIV., S. 194 | 
| Download: | XML | 
                     
                        LXIV.
                        Ueber die Mittel, den Barbiermessern, Lancetten
                           und anderen schneidenden Instrumenten eine feine Schneide zu geben. Von Thom. Andr. Knight, Esq., F. R.
                           S., Praͤsident der Horticult. Society zu London
                           etc.
                        Aus dem Journal of the Royal Institution im Repertory of Patent-Inventions. Novbr.
                              1830. S. 306.
                        (Nebst einem Anhange von dem Uebersezer).Hr. Knight, der beruͤhmte Praͤsident den
                                 London Horticultural-Society, ist einer der feinsten Physiker, Mechaniker und
                                 Beobachter Englands. Seine Ansicht verdient daher alle moͤgliche
                                 Aufmerksamkeit. Wir erlauben uns an die Seite dieses ehrwuͤrdigen Greises
                                 eine deutsche Frau zu stellen, die dem Herrn Praͤsidenten, wie es
                                 scheint, nicht unsanft uͤber feinen Silberbart kommen wird. A. d. Ue.
                           
                        Knight, uͤber das Schaͤrfen der Barbiermesser,
                           Lancetten etc.
                        
                     
                        
                           Die brittische Stahlmanufactur, und die Kunst schneidende Instrumente aus dem Stahle
                              zu verfertigen, blieb bisher, wie ich glaube, noch unerreicht und ist der Vollendung sehr nahe gekommen,
                              wenn sie dieselbe noch nicht erlangte. Was indessen die Kunst betrifft, den
                              schneidenden Werkzeugen die moͤglich feinste Schneide zu geben, so scheint
                              es, daß noch immer etwas in dieser Hinsicht fuͤr sie zu lernen uͤbrig
                              ist; denn ich hoͤre die Wundaͤrzte sehr oft klagen, daß sie nur selten
                              ein Instrument besizen, welches vollkommen gut schneidet, und ich habe noch nie den
                              Fall erlebt, daß ein Barbiermesser aus der Hand des Messerschmides in einem solchen
                              Zustande von Scharfe hervorgegangen waͤre, daß man sich desselben mit irgend
                              einem Grade von Bequemlichkeit haͤtte bedienen koͤnnen, obschon ich
                              Barbiermesser von vielen der ausgezeichnetesten Messerschmide unserer Hauptstadt
                              erhalten habe. Die Maschine, deren sie sich bedienen, schien mir immer unvollkommen
                              und in ihrer Wirkung ungewiß, in mancher Hinsicht aber unter jener, deren ich mich
                              seit einigen Jahren zu bedienen pflege, und welche ich hier beschreiben will.
                           Sie besteht aus einer walzenfoͤrmigen Stange Gußstahl, die, ohne Griff, drei
                              Zoll lang ist, und ungefaͤhr 1/3 Zoll im Durchmesser haͤlt. Sie wird
                              mit Sand, oder noch besser mit Glaspapier, das man der Laͤnge nach anwendet,
                              so glatt gemacht als moͤglich, und dann vollkommen gehaͤrtet. Ehe man
                              dieselbe braucht, muß sie gehoͤrig gereinigt, aber nicht stark polirt werden:
                              man muß sie an ihrer Oberflaͤche mit einer Mischung aus Oehl und Kohle aus
                              Weizenstroh uͤberstreichen, welches leztere bekanntlich sehr viel Kieselerde
                              in einem hoͤchst fein zertheilten Zustande enthaͤlt. Ich habe mich
                              zuweilen der Kohle aus den Blaͤttern des Elymus
                              arenarius und anderer Sumpfgraͤser bedient, von
                              welchen mehrere wahrscheinlich ein noch kraͤftigeres und zu gewissen Zweken
                              brauchbareres Material liefern moͤgen; ich fuͤhle mich jedoch nicht im
                              Stande, uͤber diesen Punkt entscheidend zu sprechen.
                           Wenn ich ein Barbiermesser abziehe, so bringe ich, nach meiner Verfahrungsweise, die
                              Schneide desselben (welche nicht vorlaͤufig auf einem Streichriemen
                              zugerundet worden seyn muß) in Beruͤhrung mit der Oberflaͤche der
                              Stahlstange, und zwar unter einem groͤßeren oder kleineren, jedoch immer
                              spizigen Winkel, indem ich den Ruͤken des Barbiermessers mehr oder minder
                              hebe. Ich bewege das Barbiermesser in einer Reihe kleiner Kreise nach einander von
                              dem unteren Ende angefangen bis zur Spize fort, ohne es jemals mehr
                              anzudruͤken, als mit der bloßen Schwere seines eigenen Gewichtes, und halte
                              das mit so lang an, bis
                              ich meinen Zwek erreicht habe. Wenn das Barbiermesser gehoͤrig geschliffen
                              und zubereitet ist, so erhaͤlt es in wenigen Secunden eine hoͤchst
                              feine Schneide, welche eine lange Zeit uͤber immer wieder auf dieselbe Weise
                              hergestellt werden kann. Ich habe, zum Versuche, mehr als dritthalb Jahre lang mich
                              immer desselben Barbiermessers bedient und nicht wahrgenommen, daß waͤhrend
                              dieser Zeit das Barbiermesser etwas von seinem Metalle verloren haͤtte,
                              obschon die Schneide, so viel ich gefunden habe, immer so fein als moͤglich
                              blieb: ich habe waͤhrend dieser ganzen Zeit uͤber auch nicht eine
                              Viertelminute mit Abziehen dieses Messers verloren. Die außerordentliche
                              Glaͤtte der Schneide der Barbiermesser, die auf diese Weise zugerichtet
                              wurden, ließ mich besorgen, daß sie, im Vergleiche mit der
                              saͤgefoͤrmigen Schneide, die das Messer auf dem Streichriemen
                              erhaͤlt, nicht im Stande seyn wuͤrde irgend etwas auszuhalten; dieß
                              war aber durchaus nicht der Fall, und ich finde daher dieses Verfahren ganz
                              außerordentlich geeignet, chirurgischen Instrumenten die gehoͤrige
                              Schaͤrfe zu geben, um so mehr, als man denselben mit der hoͤchsten
                              Genauigkeit jeden erforderlichen Grad von Staͤrke geben kann. Ehe ich das
                              Barbiermesser, nachdem ich es auf obige Weise zugerichtet habe, brauche, reinige ich
                              es bloß auf dem Ballen der Hand, und waͤrme es durch Eintauchen in heißes
                              Wasser. Es scheint mir aber, daß obiges Instrument am besten wirkt, wenn die
                              Temperatur der Klinge vorher mittelst heißen Wassers erhoͤht wurde.
                           Eine staͤhlerne cylindrische Stange ist, nach
                              meiner Ansicht, einer flachen Stahlflaͤche weit vorzuziehen, wenn man einem
                              Rasir- oder Federmesser eine feine Schneide geben will. Sie taugt aber nicht
                              um der Lancette eine feine Spize zu geben. Ich lasse daher auf einer Seite dieser
                              cylindrischen Stange eine ungefaͤhr einen Viertelzoll breite flache
                              Flaͤche anbringen, indem ich einen Theil desselben wegschneiden lasse, und
                              ich fand, daß diese Form aͤußerst nuͤzlich ist.
                           Die Schneide einiger Barbiermesser, sie mochten aus Wooz, aus Metallcomposition oder
                              aus reinem Stahle bestehen, vorzuͤglich aber wenn sie aus Metallcomposition
                              waren, schienen mir fast allgemein schaͤrfer zu schneiden, thaͤtiger
                              zu wirken, wenn man sie gleich in den ersten Secunden von der Stahlstange her
                              anwendet, als am folgenden Tage, und ich habe so oft die Schneide dieser Messer so
                              augenbliklich und durch scheinbar so ungeeignete Mittel auf das
                              Allerkraͤftigste hergestellt gesehen, daß ich oͤfters auf die Idee
                              eines Verdachtes gerieth, die staͤhlerne Stange habe etwas wehr geleistet,
                              als die Entfernung einer sehr geringen Menge von Metalltheilchen; ich finde mich
                              jedoch nicht berufen meine Vermuthungen in Hinsicht auf andere Wirkungen, welche
                              hier hervorgerufen worden seyn mochten, zu aͤußern. 
                           
                           Ich war nicht selten im Stande den Barbiermessern meiner Freunde, die ich auf keine
                              andere Weise schneidend machen konnte, auf obige Weise eine sehr feine Schneide zu
                              geben, und ich habe gefunden, daß dieß eben so leicht bei jenen Messern herging,
                              welche Metallcompositionen waren, wie bei den uͤbrigen, obschon die
                              Empfindungen, die sie bei ihrer Anwendung erregten, mir in manchem Falle ganz
                              verschieden zu seyn schienen. Die Messer, mit welchen ich meine Versuche
                              vorzuͤglich anstellte, waren die aus den Werkstaͤtten der HHrn. Pepys, Stoddart, Kingsbury.Der angesehensten Messerschmide Englands, bei welchen ein Messer besserer
                                    Sorte 1 bis 1 1/2 Pfd. kostet. A. d. Ue. Das Material, was mir die schaͤrfste Schneide anzunehmen schien, (und
                              diese Schneide war zugleich sehr dauerhaft) ist Wooz aus Hrn. Pepys Werkstaͤtte, und das, was die glatteste Schneide annahm, was
                              also am besten zu chirurgischen Instrumenten geeignet ist, war eine Composition aus
                              Rhodium und Stahl. Reiner Stahl, so wie Hr. Kingsbury ihn
                              arbeitet, liegt zwischen den beiden vorigen in der Mitte, und meine Erfahrung ließ
                              mich glauben, daß, unter gewissen Umstaͤnden, jedes dieser Materialien mit
                              irgend einem ausschließlichen Vortheile angewendet werden kann.
                           ––––––––
                           
                        
                           Eben als wir obigen kleinen Aufsaz uͤbersezten, erhielten wir folgende kleine
                              Broschuͤre:
                           
                              
                                 „Der Streichriem wie er ist, und wie er seyn
                                       soll; als Anleitung, denselben auf leichte Weise so umzuaͤndern,
                                       daß er dem Barbiermesser fortwaͤhrend seine Schaͤrfe
                                       erhaͤlt. Von Emilie H. 8. Berlin. 1828. bei Haude und Spener
                                    (S. J. Josephy) 27 S.“
                                 
                              Es ist gewiß hoͤchst merkwuͤrdig, daß, waͤhrend der
                                 ehrwuͤrdige erfahrne Greis Knight den Cylinder
                                 zum Wezen der Barbiermesser empfiehlt, eine sehr wizige und verstaͤndige
                                 Berliner Dame uns Gebarteten durch a + b beweist, daß unsere flachen, eigentlich gar
                                 concaven, Streichriemen lediglich dazu taugen, unsere Barbiermesser in kurzer
                                 Zeit zu verderben, daß sie convex, cylinderartig seyn muͤssen, wenn sie
                                 nuͤzen sollen, und daß folglich der Physiker an der Themse und die Dame
                                 an der Spree hinsichtlich des Streichens der Barbiermesser gleichzeitig auf
                                 dasselbe Resultat kamen.Die Theorie eines cylindrischen Streichers oder Wezers ist
                                       uͤbrigens nicht neu, sondern hoͤchst alt. Es gibt eine
                                       Menge Mezger, Koͤche etc., welche sich nur solcher cylindrischer
                                       staͤhlerner Wezer oder Streicher bedienen, und diese neben ihren
                                       Messern zur Seite haͤngen haben. A. d. Ue. Hr. Knight ist, wie wir gesehen haben, gegen
                                 alle Streichriemen; die Berliner Dame hat ihren Streichriemen so niedlich
                                 ausgepolstert, und lehrt die Hand auf demselben so regelrecht fuͤhren, daß wir
                                 ihren Streichriemen sowohl als die Fuͤhrung des Messers nach ihrer
                                 Methode jedem empfehlen muͤssen, der sein Messer auf dem Streichriemen
                                 wenigstens nicht verderben will.
                              Wir wuͤnschten herzlich, daß jeder Mann, der sich selbst den Bart zu puzen
                                 versteht, der also nach der gewoͤhnlichen Praxis der Selbstbarbierer
                                 seine Messer, wenn er sich nicht bartholomaisiren, d.h. schinden will, jeden
                                 Monat zum Abziehen schiken muß, sich diese kleine Broschuͤre beilegen und
                                 mit Aufmerksamkeit lesen moͤchte. Sie ist die verstaͤndigste unter
                                 den vielen Hunderten, die uͤber diesen Gegenstand geschrieben sind, und
                                 ein neuer Beweis der Wahrheit des alt arabischen Sprichwortes: ein gescheidtes
                                 Weib kann wehr als 36 Duzend Gelehrte. Wir sehen wenigstens aus dieser kleinen
                                 Schrift, daß ein Weib denkt, ehe sie etwas niederschreibt, was bei unseren
                                 heutigen myst. Philosophen und Physikern durchaus nicht der Fall ist.
                              Die Verfasserinn klagt, daß sie keine Erfahrung im Barbieren habe. Im
                                 suͤdlichen Deutschland und auch in Frankreich ist es nicht selten auf dem
                                 Lande und in Staͤdten Baderstoͤchter zu finden, die sehr geschikt
                                 und natuͤrlich viel leichter und zarter barbieren, als die Bartkrazer. Es
                                 waͤre sehr zu wuͤnschen, daß die Sorge fuͤr den Bart der
                                 Maͤnner der Hand der Frauen uͤbertragen wuͤrde: der Staat
                                 wuͤrde dadurch ein ganzes Heer muͤßiger Leute ersparen, die der
                                 Landwirthschaft, dem Militaͤre etc. und uͤberhaupt jenen Arbeiten
                                 geschenkt, welche das weibliche Geschlecht nicht verrichten kann, dem Staate
                                 weit mehr nuͤzen wuͤrden, als sie als Bartkrazer sich und anderen
                                 zur Last lebend nichts zu nuͤzen im Stande sind.