| Titel: | Ueber die mechanische Wirkung des Dampfes. Auszug eines Schreibens des Hrn. M. V. Flauti, Sekretäres der Akad. zu Neapel, an Hrn. Hachette, dd. 1. Mai 1830. | 
| Fundstelle: | Band 39, Jahrgang 1831, Nr. LXXXVIII., S. 367 | 
| Download: | XML | 
                     
                        LXXXVIII.
                        Ueber die mechanische Wirkung des Dampfes. Auszug
                           eines Schreibens des Hrn. M. V.
                              Flauti, Sekretaͤres der Akad. zu Neapel, an Hrn. Hachette, dd.
                           1. Mai 1830.
                        Aus dem Bulletin des Scienc. technolog. April 1830. S.
                              356.
                        Mit Abbildung auf Tab.
                              VI.
                        Flauti, uͤber die mechanische Wirkung des
                           Dampfes.
                        
                     
                        
                           In Antwort auf Ihr Schreiben, in welchem Sie von einem Versuche uͤber die
                              mechanische Wirkung des Dampfes Erwaͤhnung thun, den unser Della Porta in seinen 3 libri
                                 degli Spiritali anfuͤhrt,Hr. Hachette hatte bereits den lezten Bogen seines
                                    vortrefflichen Werkes uͤber die Dampfmaschine in der Drukerei, als er
                                    aus einem Artikel im Quarterly-Journal
                                    den Versuch Della Porta's kennen lernte, und
                                    deßhalb nach Neapel schreiben mußte, von woher Hr. Flauti ihm gegenwaͤrtige Notiz mittheilte. Hr. Hachette bemerkt, daß J. B. Della Porta seinen Apparat sehr genau beschreibt, daß aber die
                                    Erklaͤrung, welche auf die Beschreibung folgt, den Zustand der Physik
                                    im J. 1606 bezeichnet. – Das Bulletin
                                    verspricht einige Bemerkungen hieruͤber in seinem naͤchsten
                                    Hefte. A. d. Ue. und dessen Sie in Ihrer Geschichte der ersten Dampfmaschinen
                              erwaͤhnen, will ich Wort fuͤr Wort die angezeigte Stelle
                              herausschreiben:
                           
                              „Um zu wissen, in wie viel Theile Luft sich ein
                                    gewisser Theil Wassers aufloͤst.“
                              
                           
                              „Man nehme eine glaͤserne oder zinnerne Kiste, BC, Fig. 9., Taf. IV.,
                                 deren Boden an einer Stelle mit einem Loche versehen sey, durch welches der Hals
                                 eines Destillirgefaͤßes, D, laͤuft,
                                 welches 1 bis 2 Unzen Wasser enthaͤlt. Der Hals sey an den Boden dieser
                                 Kiste eingeloͤthet, so daß das Wasser daselbst nicht heraus kann. Von dem
                                 Boden der Kiste auf steige eine Roͤhre, C,
                                 und diese Roͤhre sey hinlaͤnglich vom Boden entfernt um Wasser
                                 durchzulassen. Diese Roͤhre muß etwas uͤber die Oberflaͤche
                                 des Dekels emporragen. Man fuͤlle die Kiste B
                                 durch die Oeffnung A mit Wasser, und schließe sie
                                 dann gut zu. Man
                                 seze dann das Gefaͤß auf das Feuer, und erhize es nach und nach. Das
                                 Wasser in demselben wird sich in Luft verwandeln, wird auf das Wasser in der
                                 Kiste druͤken, und dieses Wasser wird auf das Wasser in der
                                 Roͤhre, C, druͤken, und dieses wird
                                 aus derselben ausfließen. Man muß so lang mit dem Erhizen des Wassers in dem
                                 Gefaͤße fortfahren, bis Alles gar ist. Da das Wasser in Luft verwandelt
                                 wird, wird diese Luft immer auf das Wasser in der Kiste druͤken, und das
                                 Wasser wird bestaͤndig ausfließen. Wenn es einmal bis zum Sieden gekommen
                                 ist, mißt man die Menge Wassers, die aus der Kiste ausgeflossen ist, und so viel
                                 dann an diesem Wasser fehlt, so viel hat sich davon in Luft verwandelt. Man kann
                                 auch sehr leicht bemessen, in wie viel Luft sich eine gegebene Menge Wassers
                                 verhandeln kann, und, obschon wir uͤber diesen Gegenstand in dem Kapitel
                                 von den Meteoren gesprochen haben, so glauben wir, daß es unseren Lesern nicht
                                 unangenehm seyn wird, auf diesen Gegenstand wieder zuruͤkzukommen.
                              
                           
                              Man nehme ein Destillirgefaͤß, das unter dem Namen Gruale oder gewoͤhnlich als materasso, Kolben, bekannt ist, in welchem
                                 man Brantwein brennt, dergleichen wir in unserem Buche uͤber Destillation
                                 beschrieben haben. Man lasse dieses Gefaͤß von Glas seyn, damit man die
                                 Wirkungen der Luft und des Wassers sehen kann.
                              
                           
                              Dieses Gefaͤß sey durch A, Fig. 10. Taf. IV.
                                 dargestellt, und die Oeffnung desselben befinde sich in einem flachen
                                 Gefaͤße, B, das mit Wasser gefuͤllt
                                 ist. Das Gefaͤß A sey mit Luft
                                 gefuͤllt, die mehr oder minder dicht ist nach Ort und Jahreszeit. Man
                                 ruͤke ein mit Feuer gefuͤlltes Oefchen unter das Gefaͤß,
                                 A. Die Luft wird sich, sobald sie die Wirkung
                                 der Waͤrme fuͤhlt, ausdehnen, und, nachdem sie duͤnner
                                 geworden ist, einen groͤßeren Raum einnehmen und auf das Wasser
                                 druͤken, was zu kochen scheinen wird. Dieß ist ein Zeichen, daß sich Luft
                                 entwikelt, und je mehr die Hize wirken wird, desto mehr wird das Wasser zu
                                 kochen scheinen. Nachdem man den hoͤchsten Grad von
                                 Luftverduͤnnung erhalten haben wird, wird das Wasser aufhoͤren zu
                                 kochen. Wenn man dann das Feuer von dem Gefaͤße A wegnimmt, wird die Luft kaͤlter werden und sich verdichten,
                                 und einen kleineren Raum einnehmen, und da sie nicht mehr den leeren Raum in dem
                                 Gefaͤße ausfuͤllen kann, weil die Oeffnung unter dem Wasser ist,
                                 wird sie das Wasser in das Gefaͤß ziehen, und man wird das Wasser mit
                                 Gewalt steigen und das Gefaͤß fuͤllen sehen, so daß nur jener
                                 Theil davon leer bleibt, wo sich die Luft auf ihren natuͤrlichen Zustand
                                 zuruͤkgefuͤhrt befindet. Wenn man neuerdings Feuer an dieses
                                 geringe Volumen Luft bringt, wird es sich nochmals verduͤnnen, das Wasser
                                 wird hinausstuͤrzen, und wenn man das Feuer entfernt, wieder steigen.
                                 
                              
                           
                           
                              Nachdem man das Wasser gestellt hat, nimmt man eine Feder und Time, und
                                 bezeichnet außen am Glase die aͤußerste Oberflaͤche des Wassers im
                                 Gefaͤße, und gießt dann aus einem anderen Gefaͤße so viel Wasser
                                 in das erstere, als noͤthig ist bis zu dem angedeuteten Punkte zu
                                 gelangen. Man mißt hierauf dieses Wasser, und so viel Mal als dieses Wasser das
                                 ganze Gefaͤß fuͤllen wird, so viel Mal wird ein Theil der Luft,
                                 verduͤnnt durch die Hize, sich entwikeln, und dadurch entstehen ganz
                                 curioͤse Dinge (grande secreti).“
                              
                           
                        
                           Anmerkung zum vorigen Aufsaze des Hrn. Flauti.
                           Aus obiger ersten Figur (Fig. 9.) erklaͤrt
                              sich so ziemlich, wie es scheint, die problematische Wasserhebemaschine des Hrn. A.
                                 Bernhard (Polytechn.
                                 Journ. Bd. XXXII. S. 169., Bd. XXXIV. S. 305, 415.) und die daselbst geaͤußerte
                              Vermuthung des Uebersezers, daß der Druk des Dampfes unten im Kessel das Wasser in
                              der Roͤhre in die Hoͤhe treibt, und daß dieser Druk die Hauptursache
                              des Spieles derselben ist.
                           Es sey AB
                              Fig. 11. der
                              Durchschnitt eines dampfdichten Wasserbehaͤlters, welcher einen inneren Druk
                              von 10 Atmosphaͤren auszuhalten vermag. In dem Boden dieses Gefaͤßes
                              sey eine Oeffnung C, durch welche eine Roͤhre,
                              RR, aus einem Dampfkessel, D, in den Wasserbehaͤlter, AC, einige Zoll uͤber die Wasserlinie, WL, in lezterem emporsteigt. BX sey eine aus dem Gefaͤße AB in die Hohe steigende Roͤhre von
                              unbestimmter Laͤnge. Wenn nun unter dem Dampfkessel, D, Feuer angebracht und Dampf entwikelt wird, der sich in dem Hohlraume
                              AWL des Wassergefaͤßes AB endlich bis zu einem Druke anhaͤuft, der
                              den Druk der Atmosphaͤre endlich um Vieles uͤbertrifft, so wird, durch
                              diesen Druk, das Wasser in dem Gefaͤße AB
                              von seiner urspruͤnglichen Hoͤhe, WL, in dem Maße in die durch die punktirten Linien wl, w
                              l², angedeutete Lage herabgedruͤkt werden,
                              und folglich in der Roͤhre BX in dem Maße
                              emporsteigen, als der Druk des in dem Hohlraume AWL befindlichen Dampfes den Druk der Atmosphaͤre
                              uͤbertrifft. Daß uͤbrigens dieses Steigen in der Roͤhre BX nur stoßweise geschehen kann, wie es bei Hrn.
                              A. Bernhard's Maschine der Fall war, erklaͤrt sich
                              aus den Intervallen, die der Dampf braucht, um, wenn er das Wasser von WL nach wl, w
                              l² gedruͤkt hat, sich in den
                              Hohlraͤumen Awl und Aw
                              l² wieder in dem Maße zu verdichten, als er in
                              AWL verdichtet war, da er seinen ersten Druk
                              auf die Wasserflaͤche WL, und dadurch das
                              erste Steigen in der Roͤhre BX
                              bewirkte.
                           Daß diese Theorie richtig ist, unterliegt wohl keinem Zweifel. Ob sie in der
                              Anwendung von Nuzen seyn kann, dieß muͤssen wir besseren Hydraulikern und
                              Maͤnnern von mehr Erfahrung, als wir nicht im Stande waren, uns in unseren
                              Verhaͤltnissen zu verschaffen, uͤberlassen. Ein kleines Modell
                              wuͤrde nicht viel kosten.
                           Es scheint uns ferner, daß wenn in dem Gefaͤße AB ein Brett mit einem Loche so angebracht waͤre, daß,
                              waͤhrend es mit seinen Raͤndern die Waͤnde des Gefaͤßes
                              AB beinahe beruͤhrt, es an der
                              Roͤhre RR, die es mit dem inneren Umfange
                              seiner Oeffnung gleichfalls beinahe beruͤhrt, frei auf und nieder steigen
                              koͤnnte, je nachdem naͤmlich der in dem Raume AWL angehaͤufte Dampf auf dasselbe
                              druͤkt, oder das Wasser, auf welchem es in AB schwimmt, von unten herauf auf dasselbe druͤkt, die Entleerung
                              des Wassers aus AB und das Aufsteigen in der
                              Roͤhre BX gleichfoͤrmiger geschehen
                              konnte, und weniger Dampf durch Verdichtung und Einsaugung von dem Wasser
                              waͤhrend der Erwaͤrmung desselben verloren ginge.
                           Es ist offenbar, daß wenn das Gefaͤß AB Lauf
                              diese Weise durch den Druk des Dampfes von dem Wasser entleert wurde, der
                              Dampfkessel leicht durch irgend eine Vorrichtung außer Thaͤtigkeit gebracht,
                              der Dampf durch einen Hahn bei y aus dem Gefaͤße
                              AB entleert und zu irgend einem Zweke
                              verwendet, und bei z wieder frisches Wasser durch einen
                              Hahn eingelassen werden kann, der waͤhrend des Austreibens des Wassers aus
                              AB geschlossen bleibt.
                           Es scheint beinahe, daß Della Porta im Sinne hatte, seine
                              Maschine zu irgend etwas zu verwenden, indem er mit den Worten schließt:
                              „und dadurch entstehen ganz curioͤse Dinge, (grande secreti).“ Indessen blieb die
                              Sache 120 Jahre lang liegen, bis sie, zum Theile, von Hrn. A. Bernhard wieder aufgegriffen wurde, aber auf eine weit mehr complicirte
                              Weise. Ob die urspruͤngliche einfachere Methode nicht besser zum Heben des
                              Wassers taugen mag, moͤgen bessere praktische Hydrauliker wenn nicht in
                              Deutschland, wo man mit Dampfkesseln noch nicht ganz vertraut ist, doch in England,
                              Holland, Frankreich entscheiden, nachdem sie die noͤthigen Versuche
                              anstellten.Es ist unglaublich, wie langsam es bei dem allgemeinen Faulfieber des
                                    Menschengeschlechtes mit dem Fortschreiten des menschlichen Geistes
                                    vorwaͤrts geht. Erst vor Kurzem lehrte uns der vortreffliche Wurzer, daß ein Deutscher, Phil. Lohmeir, zu Schaumburg, schon im J. 1676 die
                                    Aërostatik der Theorie nach erfand, die Montgolfier erst hundert Jahre spaͤter so gluͤklich
                                    ausfuͤhrte.A. d. Ue.
                              
                           A. d. Ue.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
