| Titel: | Ueber die Schnell-Essigfabrikation; von Dr. C. Wagenmann in Berlin. | 
| Fundstelle: | Band 45, Jahrgang 1832, Nr. XXXVII., S. 118 | 
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                        XXXVII.
                        Ueber die Schnell-Essigfabrikation; von
                           Dr. C. Wagenmann in
                           Berlin.
                        (Aus Poggendorff's Annalen der Physik und Chemie
                              1832 N. 4, S. 594.)
                        Wagenmann, uͤber die
                           Schnell-Essigfabrikation.
                        
                     
                        
                           Ueber die Schnellfabrikation des Essigs ist in der lezten Zeit so viel geschrieben
                              worden, daß ich mit Recht Bedenken tragen wuͤrde, dem ausdruͤklichen
                              Wunsche eines geehrten Freundes nachgebend, noch Einiges daruͤber bekannt zu
                              machen, wenn nicht das Geschichtliche dieser Erfindung theils absichtlich, theils
                              aus Unkunde entstellt, und auf der anderen Seite ihre wissenschaftliche Bedeutung so
                              wenig gewuͤrdigt worden waͤre.
                           Der wahre Begruͤnder der neuen Essigbereitungsart ist ohne Zweifel Hr. Hofrath
                              Doͤbereiner, indem er, soviel ich weiß, zuerst
                              gezeigt hat, daß der Alkohol durch unmerkliche Verbrennung (durch Aufnahme von
                              Sauerstoff) in Essigsaͤure und Wasser verwandelt wird, ohne daß sich dabei
                              eine andere Verbindung erzeugt. Dadurch ist der bisherige Begriff der
                              Essiggaͤhrung vernichtet, und die Essigbildung auf einen einfachen
                              Verbrennungsproceß zuruͤkgefuͤhrt worden.
                           Hatte man sich einmal uͤberzeugt, daß in Doͤbereiner's Versuch mit dem Platinpraͤparat Essig aus
                              Alkohol durch bloße Aufnahme von Sauerstoff erzeugt werde, so lag es sehr nahe,
                              hierin allgemein den Grund der Verwandlung geistiger Fluͤssigkeiten in Essig
                              zu suchen, und auf diese Ansicht gestuͤzt entsprechendere Mittel, als bisher,
                              anzuwenden, um diese Verwandlung zu beguͤnstigen.
                           Die Schnellfabrikation des Essigs ist uͤbrigens schon lange vor Doͤbereiner's Entdekung in der Boerhave'schen Methode vorhanden gewesen, nicht etwa als
                              alleinstehendes geschichtliches Factum, nein! als die gebraͤuchlichste und
                              allgemeinste Essigbereitungsart, gerade in den Laͤndern, welche die
                              groͤßten Essigfabriken haben, indem die Essigbereitung auf Trebern nicht
                              allein in Frankreich und am Rheine sehr haͤufig ausgeuͤbt wird, sondern
                              selbst Weintrebern (rap) zu diesem Zweke nach Holland
                              und England ausgefuͤhrt werden. Das Verfahren weicht im Wesentlichen gar
                              nicht von demjenigen ab, welches Boerhave beschreibt.
                              Große Faͤsser, mit Trebern gefuͤllt, werden mit Essig und
                              verduͤnntem Weingeist oder einer andern geistigen Fluͤssigkeit so weit
                              gefuͤllt, daß in dem einen Fasse die Trebern von der Fluͤssigkeit
                              bedekt sind, in den andern aber zum dritten oder halben Theil unbedekt bleiben. Zu
                              bestimmten Tageszeiten wird von dem vollen Fasse so viel abgezapft und in das andere
                              gegossen, bis dieses ganz gefuͤllt ist, und auf diese Weise abwechselnd
                              einmal dieses, das andere Mal das andere angefuͤllt, waͤhrend die
                              benaͤßten Trebern des halbgefuͤllten der Beruͤhrung der Luft
                              ausgesezt bleiben. In Orleans bediente man sich statt der Trebern der
                              Buchenholzspaͤne, wiewohl auf eine etwas abweichende Weise. Die Behandlung
                              auf den Trebern erfordert viel Vorsicht, weil leicht zu große Erhizung entsteht,
                              welche die Trebern verbrennt und untauglich macht, was bei den Spaͤnen
                              weniger zu besorgen ist.
                           Einen wesentlichen Fortschritt machte die Schnellfabrikation des Essigs durch die
                              Erfindung des Hrn. Seb. Schuͤtzenbach in Freyburg
                              im Breisgau, „einen dem aͤchten Weinessig gleichen sehr starken
                                 Essig innerhalb achtundvierzig Stunden fabrikmaͤßig zu
                                 erzeugen,“ wie er solche im Sommer 1823 durch die
                              oͤffentlichen Blaͤtter anzeigte, und gegen ein bedeutendes Honorar und
                              die Verpflichtung zur Geheimhaltung ausbot. Eine große Anzahl von Essigfabriken, in
                              Deutschland wie im Auslande, benuzte die Schuͤtzenbach'sche Erfindung, und der Erfolg bestaͤtigte die
                              Angabe des Erfinders.
                           Ohne von dem Wesen dieser bis dahin streng geheim gehaltenen Bereitungsart des Essigs
                              irgend etwas erfahren zu haben, begann ich im Jahre 1825 durch wissenschaftliche
                              Beleuchtung der bekannten Essigbereitungsarten einen sicheren Weg zu gleichem Zwek
                              aufzusuchen, und indem ich die Quantitaͤt Essig, welche bei den besseren
                              Verfahrungsarten, und namentlich nach Hrn. Schuͤtzenbach's Angabe, aus einer gegebenen Quantitaͤt
                              Alkohol gewonnen wird, mit der Annahme verglich, daß der ganze Kohlenstoff des
                              Alkohols im Essig sich wieder finden muͤsse, fand ich diese Ansicht
                              vollkommen bestaͤttigt, und es blieb mir kein Zweifel, daß die Essigbereitung
                              allgemein als ein Verbrennung des Alkohols, mithin als identisch mit der von Doͤbereiner durch das Platinpraͤparat
                              bewirkten betrachtet werden muͤsse.
                           Auf diese Ansicht gestuͤzt construirte ich die von mir mit der Benennung
                              „Essigbilder“ bezeichnete Vorrichtung, und zwar gleich in
                              derselben Form und
                              Zusammensezung, die ich heute noch fuͤr die zwekmaͤßigste erkenne.
                              Nicht so leicht gelang es mir aber, die Behandlungsweise der Essigbilder zu dem
                              jezigen Grade von Vollkommenheit zu bringen, und die groͤßtmoͤgliche
                              Menge von Saͤure aus einer gegebenen Menge Alkohols jederzeit mit Sicherheit
                              zu gewinnen. Legt man naͤmlich die bekannten Mischungsgewichte des Alkohols
                              und des kohlensauren Kalis zum Grunde, so muͤßten 46 Pfund absoluten Alkohols
                              so viel Essig liefern, als zur Saͤttigung von 69 Pfund kohlensauren Kalis
                              erforderlich sind; mithin muͤßten 800 Berliner Quart Branntwein von 50
                              Procent (Tralles), welche 792 Pfund absoluten Alkohols gleich sind, 7622 Quart eines
                              Essigs liefern, von dem jede Unze 30 Gran kohlensaures Kali saͤttigte. In der
                              That aber gewinnt man auf den Essigbildern 6666 Quart zu 32 Gran
                              Saͤttigungscapacitaͤt, was uͤber 7100 Quart zu 30 Gran gleich
                              ist. Rechnet man hiebei, daß der Essig niemals ganz weingeistfrei ist und seyn darf,
                              so reducirt sich der Verlust auf ein Minimum, und die Essigbereitungsart auf den
                              Essigbildern zeigt sich in ihrer ganzen Vollkommenheit.
                           Ruͤksichten gegen mehrere mir befreundete Haͤuser, welche das Schuͤtzenbach'sche Verfahren fuͤr große
                              Summen erkauft hatten, veranlaßten mich jedoch, meine Erfindung ebenfalls geheim zu
                              halten, und nur auf dem gleichen Wege Nuzen daraus zu ziehen, wie dieß Hr. Schuͤtzenbach gethan hatte, und so blieb die neue
                              Essigbereitungsart bis zum Jahre 1829 das Eigenthum Derer, welchen sie von den
                              Erfindern mitgetheilt wurde. Es war indeß zu erwarten, daß eine Erfindung, welche so
                              vielfaches Interesse erregte, bald aufhoͤren wuͤrde, Geheimniß zu
                              bleiben, und in der That fanden sich bald Mehrere, fuͤr welche die Aussicht
                              auf Gewinn groͤßeren Werth hatte, als eingegangene Verpflichtungen: und so
                              blieb, waͤhrend meine Bereitungsart auf unredliche Weise verbreitet wurde,
                              auch die Schuͤtzenbach'sche Methode kein Geheimniß
                              mehr.
                           In wiefern die Mittheilung einer Erfindung unter der Bedingung der Geheimhaltung die
                              strenge Ruͤge verdient, welche sich Hr. Geheime Rath Hermbstaͤdt in Erdmann's Journal, Bd. XI. S. 254, erlaubt hat,
                              uͤberlasse ich jedem Billigdenkenden zu entscheiden; ich fand mich aber dazu
                              außer dem oben beruͤhrten Grunde noch dadurch bewogen, weil die
                              Essigbereitung auf meinen Bildern eine Beachtung von Umstaͤnden und eine
                              Sorgfalt erfordert, die nur bei ausgedehnterem Betriebe lohnend ist, sich mithin
                              keineswegs, wie jezt Viele glauben machen wollen, zur Bereitung kleiner
                              Quantitaͤten oder des Hausbedarfs eignet. Abgesehen davon, daß die
                              Essigbilder in zu kleinem Maßstabe sehr unsicher arbeiten, ist auch der Essig nicht
                              das lezte Product
                              der Verbrennung des Alkohols, vielmehr schreitet diese fort und bildet auf Kosten
                              des Essigs neue werthlose Producte, und man erhaͤlt leicht statt eines guten
                              Essigs eine schleimige fade Fluͤssigkeit.
                           Was Hrn. Geheimen Rath Hermbstaͤdt veranlassen
                              konnte, die Erfindung der Schnellfabrikation seinen deutschen Landsleuten
                              abzusprechen, und einem Englaͤnder anzudichten, ist schwer zu begreifen, da
                              ihm sehr wohl bekannt seyn mußte, daß ich mich fruͤher mit diesem Gegenstande
                              beschaͤftigt hatte, als das Patent des Hrn. John Ham bekannt wurde; daß ferner Hr. Seb. Schuͤtzenbach seine Erfindung im Sommer 1823 auch in den Berliner
                              Zeitungen anzeigte, und daß bereits im Jahre 1824 die groͤßte Essigfabrik in
                              der Naͤhe von Berlin nach seiner Methode betrieben wurde. Dem Hrn. John Ham will ich uͤbrigens hiedurch keineswegs die
                              Originalitaͤt seiner Erfindung absprechen, und um so weniger vermuthen, daß
                              er die deutsche Schnellessigfabrikation gekannt und zu Grunde gelegt habe, da seine
                              Vorrichtung der von Hrn. Schuͤtzenbach
                              angegebenen, noch mehr aber meinen Essigbildern eben so sehr an Einfachheit und
                              Zwekmaͤßigkeit nachsteht, als seine Resultate, seiner eigenen Angabe nach,
                              hinter den unsrigen zuruͤkbleiben.
                           Daß Leute, wie Hr. Leuchs in Nuͤrnberg, mein
                              fruͤherer Boͤttcher Schmogrow u.a. sich die
                              Erfindung meiner Essigbilder zueigneten, geschah gewiß aus keiner andern Absicht,
                              als weil sie es ihrem Interesse angemessen hielten, und die Angabe der Wege, wie sie
                              zur Kenntniß derselben gekommen, ihrem eigenen oder dem Rufe Derer zu schaden
                              drohte, welche widerrechtlich ihre Verpflichtungen gegen mich verlezt hatten. Auch
                              muß ich der Wahrheit gemaͤß bekennen, daß Hr. Leuchs sich Anfangs persoͤnlich an mich wandte, und erst als ich
                              ihm die Unmoͤglichkeit, seine Wuͤnsche zu erfuͤllen,
                              erklaͤrt hatte, sich auf andere Weise in Besiz meines Verfahrens zu sezen
                              suchte.Er machte es in einem Buche bekannt, das folgenden Titel hat: Die
                                    Essigfabrikation, vollstaͤndig wissenschaftlich und praktisch
                                    dargestellt, von Johann Carl Leuchs. Dritte, ganz
                                    umgearbeitete Auflage mit besonderer Ruͤksicht auf die
                                    Schnellfabrikation. Nuͤrnberg 1832. Verlag von C. Leuchs und Comp. A. d. R. Das Schuͤtzenbach'sche Verfahren hat Hr.
                              Dingler,Polytechnisches Journal Bd. XXXIX. S.
                                       317. A. d. R. so weit ich dieß nach dem mir daruͤber bekannt Gewordenen beurtheilen
                              kann, am genauesten beschrieben.
                           Was meinen Antheil an der Vervollkommnung der Schnellfabrikation des Essigs betrifft,
                              wie ich ihn eben angedeutet habe, so glaube ich mich auf das Zeugniß der HH. v. Berzelius, Palmstedt, 
                              Mitscherlich, Clément-Desormes u.a. berufen
                              zu duͤrfen, da namentlich Hr. v. Berzelius und Hr.
                              Palmstedt sowohl das Schuͤtzenbach'sche Verfahren, als auch meine Essigbilder genau
                              kennen.
                           In meinem Obigen habe ich zwar die Essigbildung fuͤr einen einfachen
                              Verbrennungsproceß erklaͤrt, dessen ungeachtet ist es nicht hinreichend, daß
                              Alkoholdampf und Sauerstoffgas, wenn auch unter der guͤnstigsten Temperatur,
                              in Beruͤhrung kommen, um Essig zu bilden; es ist durchaus noͤthig, daß
                              die elektrische Spannung des Alkohols durch einen dritten Koͤrper vermehrt
                              werde, wie dieß Doͤbereiner in seinem
                              vortrefflichen Versuche gezeigt hat; und in dieser Beziehung reiht sich die
                              Essigbildung an die interessanteste Reihe chemischer Taͤtigkeiten an, bei
                              welcher die Polaritaͤt als allgemeine Ursache ausgezeichnet hervortritt.
                           Waͤhrend Koͤrper von entschieden entgegengesezter Polaritaͤt
                              (Verwandtschaft) der bloßen Beruͤhrung beduͤrfen, um sich zu
                              verbinden, so lassen sich andere dadurch nicht vereinigen. Wir haben aber Mittel,
                              die Polaritaͤt eines Koͤrpers zu steigern, und ihn dadurch zur
                              Verbindung mit einem andern von entgegengesezter Polaritaͤt zu disponiren,
                              und dieses Mittels bedient man sich bei der Schnellfabrikation des Essigs.
                           Man bildet naͤmlich eine zusammengesezte elektro-chemische Kette aus
                              Alkohol und einem Koͤrper von negativem Verhalten mit hinreichenden
                              Zwischenraͤumen, um der Luft an allen Punkten Zutritt zu gestatten, und
                              gleich beginnt die Essigbildung unter Temperaturerhoͤhung, und dauert fort,
                              so lange verduͤnnter Alkohol und Sauerstoffgas vorhanden sind, da der
                              negative Koͤrper keine Veraͤnderung erleidet. Ist kein Alkohol mehr
                              vorhanden, so tritt der Essig an seine Stelle, die Sauerstoff-Absorption geht
                              fort, und es bilden sich die bekannten Essigaale in unendlicher Menge. In dieser
                              Beziehung schließt sich die Essigbildung an diejenigen Erscheinungen an, welche sich
                              aͤußern, wenn drei verschiedenartige Koͤrper, wovon wenigstens Einer
                              fluͤssig seyn muß, zwei aber fest oder gasfoͤrmig seyn koͤnnen,
                              in vielen Schichten auf einander gehaͤuft sind; dahin gehoͤrt die
                              Erhizung und Zerstoͤrung aufgehaͤufter feuchter organischer
                              Koͤrper, die Verbrennung und Aufloͤsung aufgehaͤufter
                              zertheilter Metalle in Beruͤhrung mit Luft, die Entzuͤndung des
                              Wasserstoffgases in Platinschwamm an der Luft, die Selbstentzuͤndung trokner
                              organischer Koͤrper in Beruͤhrung mit Fett und Luft, die
                              Salpetererzeugung u. s. v. a., kurz sie zeigt sich als Wirkung der zusammengesezten
                              Kette.
                           Auf der andern Seite aber ahmen die Essigbilder augenscheinlich die
                              Thaͤtigkeit des Organismus nach, die Essigbildung erinnert zunaͤchst an die
                              chemische Thaͤtigkeit der Lungen, deren Construction ganz der obigen
                              Forderung entspricht, und es ist kaum zu zweifeln, daß die Bildungen der
                              verschiedenartigen Stoffe in den Zellengeweben der Pflanzen auf der Wirkung
                              aͤhnlich gebildeter Ketten beruht.
                           Neben der elektrischen Thaͤtigkeit scheint sowohl bei den
                              organisch-chemischen Taͤtigkeiten als bei den kuͤnstlich
                              zusammengesezten Ketten die Porositaͤt der Koͤrper eine Rolle zu
                              spielen und die Aehnlichkeit beider zu vermehren. Es ist bekanntlich eine allgemeine
                              Eigenschaft aller poroͤsen Koͤrper, nicht allein die Gasarten, und
                              zwar mit gewisser Auswahl zu absorbiren und zu verdichten, sondern auch gemischten
                              Fluͤssigkeiten einzelne Bestandteile zu entziehen. Essig durch eine
                              Saͤule von reinem feinem Quarzsande filtrirt, wird Anfangs aller
                              Saͤure beraubt, bis die Saͤure auf einen gewissen Punkt in dem Sande
                              concentrirt ist. Verduͤnnter Kartoffelbranntwein durch feinen Quarzsand
                              filtrirt, liefert Anfangs bloßes Wasser, nachher geistige Fluͤssigkeit,
                              welche ihres Fusels beraubt ist, und erst spaͤter geht er unveraͤndert
                              durch. Die Wirkung hoͤrt indessen bald auf, weil die Porositaͤt nicht
                              weiter geht, als die Theilung der Sandkoͤrner. Auffallender ist die Wirkung
                              poroͤser Pflanzenkoͤrper; so entziehen die Spane dem zur
                              Saͤuerung der Essigbilder verwendeten Essig Anfangs alle Saͤure, und
                              es dauert lange Zeit, ehe derselbe in der Staͤrke des aufgegossenen Essigs
                              durchlaͤuft. Noch staͤrker ist diese Wirkung bei der Pflanzenkohle,
                              und deßhalb lassen sich aus Kohle, ungeachtet man dabei weniger Oberflaͤche
                              fuͤr die Luftberuͤhrung geben kann, wirksame Essigbilder
                              zusammensezen. Die Wirkung der Kohle bei dem Entfuseln und Entfaͤrben beruht
                              aller Analogie nach auf dieser allgemeinen Eigenschaft. Sehr fein zertheilte Metalle
                              absorbiren Sauerstoffgas und erhizen sich damit, wie Hr. Dr. Magnus gezeigt hat, oft bis zum Gluͤhen. Sehr fein zertheilte
                              (franzoͤsische) Schwefelblumen enthalten haͤufig
                              Schwefelsaͤure, und bilden sie immer von Neuem, wenn sie durch Auswaschen
                              davon befreit werden.
                           In Folge dieser allgemeinen Eigenschaft poroͤser Koͤrper wird der
                              Alkohol vorzugsweise in den Spaͤnen der Essigbilder zuruͤkgehalten,
                              und wahrscheinlich erleidet auch das Sauerstoffgas eine Verdichtung, wodurch die
                              Verbindung beider beschleunigt wird. Eben so wirkt vermoͤge dieser
                              Eigenschaft die Luft durch die poroͤsen Huͤllen auf das Blut in den
                              Lungen, und die zahlreichen Absorptionen und Secretionen im Organismus beruhen
                              vielleicht vorzugsweise auf dieser Eigenschaft.
                           Wenn ich oben die Behauptung aufgestellt habe, daß durch die auf Erfahrung
                              gegruͤndete Theorie der Essigbereitung der Begriff der Essiggaͤhrung
                              aufgehoben sey, so ist dieß in sofern allerdings wahr, als bei diesem Proceß keine
                              Gasentwikelung Statt findet, indem die Produkte der Verbindung des Alkohols mit
                              Sauerstoff lediglich Wasser und Essigsaͤure sind, ohne alle
                              Kohlensaͤurebildung. Auf der anderen Seite aber zeigt sich die groͤßte
                              Analogie zwischen der Essigbildung und der geistigen Gaͤhrung darin, daß
                              beide auf der Wirkung zusammengesezter elektro-chemischer Ketten beruhen und
                              die Porositaͤt der Koͤrper bei beiden thaͤtig ist, wie dieß
                              augenscheinlich daraus hervorgeht, daß man durch Zusaz poroͤser
                              Koͤrper die geistige Gaͤhrung außerordentlich beschleunigen kann. Faßt
                              man die ganze Reihe von Erscheinungen, welche auf der Thaͤtigkeit
                              elektro-chemischer Ketten beruhen, unter einen allgemeinen Gesichtspunkt
                              zusammen, so findet man bereits eine so große Menge von Zersezungen und Verbindungen
                              durch dieselben bewirkt, daß wir mit Recht hoffen duͤrfen, auf diesem Wege
                              der Thaͤtigkeit des Organismus immer naͤher zu ruͤken, und
                              dessen Bildungen kuͤnstlich nachzuahmen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß
                              auch die aͤltere Essigerzeugungsart auf der Wirkung der zusammengesezten
                              Kette beruht, und daß die Neigung des Wassers und der geistigen
                              Fluͤssigkeiten, das Sauerstoffgas zu absorbiren, das bei thaͤtig zu
                              Huͤlfe kommt.
                           Ich habe oben gezeigt, daß die Quantitaͤt Essig, welche aus einer gegebenen
                              Quantitaͤt Alkohol auf meinen Essigbildern bei richtiger Behandlung gewonnen
                              wird, ziemlich nahe derjenigen gleich kommt, welche die Berechnung als Maximum
                              ergibt; deßhalb sind auch alle Versuche, die geringe Menge Essig, welche sich
                              verfluͤchtigt, zu gewinnen, von keinem praktischen Nuzen gewesen, und nur bei
                              sehr großen Essigfabriken moͤchte es lohnen, nach Hrn. Schuͤtzenbach's Vorschlag die mit Essigdunst beladene Luft aus den
                              Essigbildern in entfernte Raͤume zu leiten und mit Blei- oder
                              Kupfer-Platten in Beruͤhrung zu bringen, um die Essigsaͤure zu
                              absorbiren und zu benuzen. Es ist immer ein Fehler in der Construction oder in der
                              Behandlung der Essigbilder, wenn ein bedeutender Essigverlust Statt findet. Ich habe
                              lange Zeit die sich verfluͤchtigenden Producte gesammelt, und immer gefunden,
                              daß die verdichtete Fluͤssigkeit von sehr geringem Saͤuregehalt ist,
                              und nur dann einen auffallenden Weingeistgehalt zeigt, wenn die Bilder zu viele
                              Nahrung erhielten.
                           Es ist durchaus unrichtig, daß die Essigsaͤure die Stelle des Ferments bei der
                              Essigbildung vertritt; denn reine Essigsaͤure leitet keine Essigbildung ein,
                              wohl aber wird jedes Ferment in Beruͤhrung mit der Luft zu Essigferment, wenn
                              man diesen Ausdruk waͤhlen will, und wenn auch die Essigsaͤure diese
                              Verwandlung beguͤnstigt, so ist sie doch keinesweges nochwendige Bedingung
                              dazu.