| Titel: | Ueber die Fällung von Verbindungen in einem Auflösungsmittel, worin sie ungleich auflöslich sind; von Hrn. Gay-Lussac. | 
| Fundstelle: | Band 45, Jahrgang 1832, Nr. LXIX., S. 266 | 
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                        LXIX.
                        Ueber die Faͤllung von Verbindungen in
                           einem Aufloͤsungsmittel, worin sie ungleich aufloͤslich sind; von Hrn.
                           Gay-Lussac.
                        Aus den Annales de Chimie et de Physique. Maͤrz
                              1832, S. 323.
                        Gay-Lussac, uͤber die Faͤllung von
                           Verbindungen in einem Aufloͤsungsmittel.
                        
                     
                        
                           Viele in Wasser unaufloͤsliche Salze loͤsen sich in den Saͤuren
                              auf, wovon sie aber im Allgemeinen sehr verschiedene Quantitaͤten erfordern.
                              Man begreift nun wohl, daß wenn man in dasselbe saure Aufloͤsungsmittel
                              mehrere Salze bringt, welche jene Eigenschaft besizen, man sie alle nach einander
                              wird niederschlagen koͤnnen, indem man allmaͤhlich die Saͤure
                              mittelst eines Alkalis saͤttigt; das schwerloͤslichste Salz wird
                              zuerst niederfallen und das aufloͤslichste zulezt: es ist dieß eine
                              unbestreitbare Thatsache. Dieses Verfahren kann im Großen angewandt werden;
                              bisweilen duͤrfte es sich sogar fuͤr feine Analysen eignen; es
                              waͤre aber bequemer und sicherer, wenn man die Faͤllung
                              bewerkstelligen koͤnnte, ohne, die Menge des sie veranlassenden Alkalis
                              beruͤksichtigen zu muͤssen.
                           Das Verfahren welches ich hiezu vorschlage (und schon seit langer Zeit kenne, weil es
                              mit dem von mir in den alten Annales de Chimie Bd. XLIX.
                              S. 21 zur gegenseitigen Trennung der Metalloxyde vorgeschlagenen
                              zusammenhaͤngt), besteht darin, in die saure Aufloͤsung ein
                              Pflanzensalz, z.B. essigsaures Kali zu gießen; alle Salze, die einen großen
                              Ueberschuß von Mineralsaͤure erfordern, um aufgeloͤst erhalten zu
                              werden, und die folglich fast immer in Essigsaͤure unaufloͤslich sind,
                              werden dadurch niedergeschlagen und die in der Essigsaͤure
                              aufloͤslichen bleiben in der Aufloͤsung zuruͤk. Loͤst
                              man z.B. phosphorsaures Eisenoxyd und phosphorsauren Kalk in Salzsaͤure aus,
                              so faͤllt nur jenes auf Zusaz von essigsaurem Kali nieder und dieser bleibt
                              aufgeloͤst. Die Salzsaͤure, welche viel maͤchtiger als die
                              Essigsaͤure ist, wird naͤmlich durch das Kali gesaͤttigt und
                              eine entsprechende Menge Essigsaͤure in Freiheit gesezt; leztere kann aber
                              das phosphorsaure Eisen nicht aufloͤsen, daher es niederfaͤllt und nur
                              der phosphorsaure Kalk von ihr zuruͤkgehalten wird.
                           Es lassen sich vielleicht noch schwaͤchere Saͤuren als die
                              Essigsaͤure, ebenfalls in Verbindung mit einer Basis anwenden, um Trennungen
                              zu bewirken, die durch essigsaures Kali nicht Statt finden koͤnnten.
                           Wenn zwei Metalloxyde in einer Mineralsaͤure aufgeloͤst sind, welche
                              durch ein Pflanzensalz, z.B. kleesaures Kali niedergeschlagen werden koͤnnen,
                              und wenn nur eines der kleesauren Metalloxyde in uͤberschuͤssiger
                              Kleesaͤure aufloͤslich ist, so kann man die beiden Oxyde unmittelbar
                              trennen, indem man ihre Aufloͤsung mit zweifachkleesaurem Kali versezt.
                           Die Ersezung einer starken Saͤure durch eine schwache gestattet mannigfaltige
                              Anwendungen. Man kann dadurch z.B. die Gegenwart von Verbindungen in einer
                              Aufloͤsung nachweisen, welche uns bei anderen analytischen Methoden entgehen
                              wuͤrden. Auch kann man mittelst dieses Verfahrens durch bloßen
                              Schwefelwasserstoff Metalle niederschlagen, welche in Mineralsaͤuren
                              aufgeloͤst, nur durch schwefelwasserstoffsaure Salze gefaͤllt werden
                              koͤnnten. So wird das Eisen aus seiner schwefelsauren Aufloͤsung durch
                              Schwefelwasserstoff nicht gefaͤllt; dieß geschieht aber sogleich auf Zusaz
                              von essigsaurem Kali, was sich unter sehr vielen Umstaͤnden benuzen
                              laͤßt.
                           Die Ersezung einer alkalischen Basis durch eine andere geschieht wie bei den
                              Saͤuren und dadurch laͤßt sich ebenfalls die Trennung zweier Oxyde
                              bewirken, vorausgesezt daß eines dieser Oxyde in der substituirten Basis nicht
                              aufloͤslich ist.
                           Um die Trennung zweier in einer Mineralsaͤure aufloͤslichen
                              Verbindungen, wovon die eine in einer schwaͤcheren Pflanzensaͤure
                              unaufloͤslich ist, zu erklaͤren, haben wir bei dem von uns angegebenen
                              Verfahren als Thatsache angenommen, daß die Mineralsaͤure sich
                              gaͤnzlich mit Alkali saͤttigt und die in der Pflanzensaͤure
                              unaufloͤsliche Verbindung sich niederschlagen laͤßt. Vorausgesezt daß
                              die Trennung der beiden
                              Verbindungen genau ist, so folgt daraus umgekehrt, daß wenn zwei Saͤuren
                              vorhanden sind, sie sich keineswegs immer gleichmaͤßig in eine Basis theilen;
                              denn wenn die Theilung in Verhaͤltnissen Statt faͤnde, die nicht sehr
                              verschieden sind, so koͤnnte die Trennung niemals vollstaͤndig seyn
                              und die uͤberschuͤssige Mineralsaͤure wuͤrde immer eine
                              gewisse Quantitaͤt von der in der schwaͤchsten Saͤure
                              unaufloͤslichen Verbindung zuruͤkhalten.
                           Man gelangt auf denselben Schluß durch Thatsachen anderer Art. Gießt man in eine
                              Boraxaufloͤsung, die mit Lakmus schwach gefaͤrbt ist,
                              allmaͤhlich Schwefelsaͤure, so wird sie so lange ihre blaue Farbe
                              beibehalten, als der Borax nicht gaͤnzlich in zweifach-borsaures
                              Natron verwandelt ist. Von dem Augenblike an, wo diese Graͤnze
                              uͤberschritten ist, verwandelt sich die Farbe des Lakmus in Weinroth, wie
                              durch Borsaͤure allein; sie bleibt so, bis das Natron gaͤnzlich mit
                              Schwefelsaͤure gesaͤttigt ist, und wird erst in dem Augenblike
                              zwiebelroth (diese Farbe charakterisirt leztere Saͤure), wo
                              uͤberschuͤssige Schwefelsaͤure in der Fluͤssigkeit ist,
                              selbst wenn man in der Waͤrme operirt, um alle Borsaͤure in
                              Aufloͤsung zuruͤkzuhalten. Es waͤre gewiß nicht richtig, wenn
                              man sagen wollte, daß bei diesem Versuche das Natron sich zwischen den beiden
                              Saͤuren getheilt hat; wenn wirklich eine Theilung Statt fand, was unsere
                              Meinung ist, so sind die beiden Theile so ungleich, daß derjenige der
                              Schwefelsaͤure unvergleichlich groͤßer als derjenige der
                              Borsaͤure ist und folglich die Verwandtschaft jener zum Natron diejenige
                              dieser lezteren Saͤure zu demselben Alkali weit uͤbertrifft.
                           Da das von uns angegebene Verfahren zur Trennung zweier Verbindungen sich auf die
                              Unaufloͤslichkeit der einen dieser Verbindungen in der substituirten
                              Saͤure gruͤndet, so darf man kein Mittel vernachlaͤssigen,
                              wodurch sie vollstaͤndiger gemacht werden kann. So wird in vielen
                              Faͤllen ein Zusaz von Alkohol nuͤzlich seyn. Mein Verfahren
                              laͤuft freilich am Ende, wie so manches andere darauf hinaus, daß man die
                              aufgeloͤsten Koͤrper niederschlaͤgt und sie sodann mit einer
                              Saͤure behandelt, welche nur einen davon aufloͤst; deßwegen bleibt es
                              aber doch immer sehr vortheilhaft.