| Titel: | Schreiben des Hrn. Robiquet an Hrn. Gay-Lussac, den rothen Färbestoff des Krapps betreffend. | 
| Fundstelle: | Band 46, Jahrgang 1832, Nr. XXVIII., S. 123 | 
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                        XXVIII.
                        Schreiben des Hrn. Robiquet an Hrn. Gay-Lussac, den rothen
                           Faͤrbestoff des Krapps betreffend.
                        Aus den Annales de Chimie et de Physique. Junius 1832,
                              S. 163.
                        Robiquet's Schreiben uͤber den rothen Faͤrbestoff des
                           Krapps.
                        
                     
                        
                           Im Junius 1826 habe ich mit Hrn. Colin eine Abhandlung
                              uͤber den Krapp bekannt gemachtPolytechnisches Journal Bd. XXIV. S.
                                       530.A. d. R. und ein Jahr darauf eine zweite dem Institut uͤbergeben; aus
                              besonderen Gruͤnden aber, die wir unten anfuͤhren, haben wir leztere
                              nicht druken lassen. In der ersten sezten wir die Eigenschaften eines neuen von uns
                              im Krapp entdekten Faͤrbestoffes, den wir Alizarin
                              nannten, auseinander und bemerkten, daß diese Wurzel wahrscheinlich noch einen
                              anderen eigenthuͤmlichen Faͤrbestoff enthaͤlt, den wir Purpurin nannten. In der zweiten Abhandlung haben wir
                              unsere vergleichenden Versuche uͤber diese beiden Faͤrbestoffe
                              mitgetheilt und bemerkt, daß lezterer, obgleich scheinbar reichhaltiger, doch die
                              Beizen weniger saͤttigt und daß der andere so solid ist, daß er selbst in
                              seinem reinen Zustande den staͤrksten Reagentien widersteht Dieses Resultat war durchaus
                              nicht vorauszusehen, denn bisher glaubte man, dieser Faͤrbestoff sey, so
                              lange er nicht auf den Beizen befestigt ist, sehr fluͤchtig; man beobachtete
                              deßwegen eine Menge von Vorsichtsmaßregeln, um den Krapp gegen den geringsten
                              Verlust an Faͤrbestoff zu verwahren und schrieb dieser vermeintlichen
                              Veraͤnderlichkeit des Faͤrbestoffes alle mißlungenen Resultate bei den
                              Operationen des Faͤrbens zu. Dieses Vorurtheil war die Quelle eines
                              bestaͤndigen Krieges zwischen den Consumenten und den Kaufleuten geworden.
                              Dadurch, daß wir diesen Irrthum aufdekten, leisteten wir also der Industrie gewiß
                              einen Dienst. Diese wichtige Beobachtung fuͤhrte uns auf das Verfahren den
                              Krapp mittelst concentrirter Schwefelsaͤure zu reinigen, welche die
                              Eigenschaft hat, alle organischen Substanzen in dieser Wurzel mit Ausnahme des
                              Faͤrbestoffes zu zerstoͤren; wir nannten dieses Praͤparat schwefelsaure Kohle, eine Benennung, welche seitdem auch
                              von Anderen beibehalten wurde. Es gelang uns auf diese Art eine große Menge
                              Faͤrbestoff, die sich in dem Holzstoffe fixirt hatte, in Freiheit zu sezen.
                              Wir haben auch auf die Vortheile aufmerksam gemacht, welche die Anwendung der
                              schwefelsauren Kohle in der Faͤrberei gewaͤhrt; dahin gehoͤrt
                              vorzuͤglich der Umstand, daß die Boͤden fast ganz weiß (gar nicht
                              eingefaͤrbt) aus dem Faͤrbebade kommen; ferner bleibt das
                              Faͤrbebad bei Anwendung von schwefelsaurer Kohle fast ganz klar, so daß also
                              der Faͤrber die Fortschritte seiner Operation stufenweise verfolgen kann, sie
                              nie uͤber die noͤthige Zeit hinaus fortzusezen braucht und nicht mehr
                              auf ein bloßes Probiren wie bei der gewoͤhnlichen Methode beschraͤnkt
                              ist. Da uͤberdieß die schwefelsaure Kohle im Verhaͤltniß zum Krapp
                              einen sehr kleinen Raum einnimmt, so entspringt daraus fuͤr viele
                              Localitaͤten eine große Ersparniß an Transportkosten, die sehr beachtenswerth
                              ist, denn in manchen Fabriken betragen diese Transportkosten jaͤhrlich
                              uͤber 50,000 Franken.
                           Diese Resultate waren so neu und wichtig, daß sie den Beifall der Akademie der
                              Wissenschaften verdienten und unsere Abhandlungen wurden der Aufnahme in den Recueil des Savans étrangers wuͤrdig
                              befunden; dessen ungeachtet wurden niemals chemische Untersuchungen, die im
                              Interesse der Industrie unternommen waren, unguͤnstiger aufgenommen und nicht
                              leicht erfuhren solche mehr Widerspruch von Seite derjenigen, die sie veranlaßt
                              hatten, als die unsrigen. Wir wollen hier nicht alle Controversen erzaͤhlen,
                              welche unsere Arbeit hervorrief und bemerken bloß, daß wir gegen so viele Angriffe
                              bloß deßwegen gleichguͤltig blieben, weil sich Maͤnner fanden, die
                              diesen neuen Industriezweig fabrikmaͤßig zu betreiben und darauf die
                              noͤthigen Capitalien zu verwenden sich erboten und denen wir dagegen
                              versprachen nichts zu schreiben, was Eifersucht erregen koͤnnte. Hr. Lagier von Avignon, der mit vielen Kenntnissen eine
                              bewunderungswuͤrdige Thaͤtigkeit und seltene Ausdauer verbindet,
                              wollte sich anfangs allein mit der Unternehmung befassen und stellte deßwegen mit
                              uns eine lange Reihe von Untersuchungen uͤber alle Krappsorten und ihre
                              verschiedenen Producte an; alsdann verschaffte er sich die noͤthigen
                              Kenntnisse in der Faͤrberei, um selbst den Werth von jedem seiner Producte
                              schaͤzen zu koͤnnen; erst nachdem er seines Gegenstandes ganz Meister
                              zu seyn glaubte, dachte er daran diesen neuen Industriezweig im Großen zu betreiben.
                              Da er aber bei jedem Schritte die Anzahl seiner Producte, welche einer speciellen
                              Anwendung faͤhig sind, sich vermehren sah, so begriff er wohl, daß es sich
                              hiebei um eine unermeßliche Arbeit handelt, deren Gewicht er allein zu tragen nicht
                              im Stande sey; er vereinigte sich daher mit einem der angesehensten Haͤuser
                              in Avignon, demjenigen des Hrn. Thomas. Dasselbe lieferte
                              einen Fonds von einer Million Franken fuͤr diesen wichtigen
                              Fabrikationszweig, der somit in Baͤlde seinen Aufschwung erhalten wird.
                           Ich glaubte in diese Details eingehen zu muͤssen, um zu beweisen, daß ich die
                              Sache nicht aufgegeben habe, wie man nach meinem Stillschweigen haͤtte
                              vermuthen koͤnnen und daß es wahrscheinlicher als je ist, was man auch
                              dagegen sagen mochte, daß meine Untersuchungen einen der schoͤnsten
                              Industriezweige hervorriefen, den je die Chemie schaffen konnte.
                           Die Herren Gautier de Claubry und Persoz haben vor Kurzem eine schon im J. 1826 geschriebene Abhandlung dem
                              Druk uͤbergeben,Polytechnisches Journal Bd. XLIII. S.
                                       381.A. d. R. worin sie die Behauptung aufstellen, daß der Krapp zwei Faͤrbestoffe
                              enthaͤlt, die von denen, welche man bisher darin annahm, verschieden sind und
                              die Verfahrungsarten beschreiben, wodurch man sie in reinem Zustande erhaͤlt.
                              Dieselben Beweggruͤnde, die uns bisher Stillschweigen geboten, untersagen uns
                              auch jezt noch jede Bemerkung uͤber diese Abhandlung; das unguͤnstige
                              Urtheil, welches diese Herren uͤber unser Alizarin faͤllten, indem sie
                              behaupten, daß es beim Faͤrben nur eine rosenrothe Farbe liefert, die bei
                              weitem nicht so solid wie die mit Krapp erhaltene ist, und daß sie vergebens
                              versuchten, dieselbe durch Beizen bestaͤndiger und intensiver zu machen,
                              koͤnnen wir uns aber nicht gefallen lassen.
                           Es ist zu bedauern, daß diese beiden geschikten Chemiker bei ihren Versuchen nicht
                              mehr Ausdauer anwandten, sonst haͤtten sie gewiß das Gegentheil von dem
                              gefunden, was sie behaupten; außerdem muͤßte man glauben, daß sie entweder
                              diesen Faͤrbestoff nicht gehoͤrig angewandt oder kein reines
                              Alizarin gehabt haben. Um Sie davon zu uͤberzeugen, mein Herr, habe ich die
                              Ehre Ihnen ein Stuͤk gefaͤrbten Zeuges beizulegen, worauf absichtlich
                              alle Farben, die der Krapp mit den Alaunerde- und Eisenbeizen liefern kann,
                              vereinigt sind, und das mit demselben Alizarin, wovon ich ein Muster einschließe,
                              gefaͤrbt wurde. Ich lege auch ein Stuͤk Zeug bei, welches bloß gebeizt
                              ist, und zwar mit denselben Mustern, damit Sie den Versuch wiederholen
                              koͤnnen. 5 bis 6 Centigramme Alizarin sind mehr als hinreichend um dieses
                              Stuͤk Zeug zu faͤrben, obgleich die Muster sehr voll und die Farben
                              meistens sehr satt sind.Es haͤtte hier die Laͤnge und Breite des Zeuges bemerkt werden
                                    sollen.A. d. R. Da dieser sublimirte Faͤrbestoff aber meisten Theils noch eine fette
                              Substanz enthaͤlt, die sich zugleich mit ihm sublimirt und ihn verhindert
                              sich mit dem Wasser zu vermengen, so ist es oft noͤthig, ihn in einigen
                              Tropfen Alkohol aufzuweichen und diese Aufloͤsung in das Faͤrbebad zu
                              gießen, wenn man ihn moͤglichst ausziehen will. Man muß ferner das Bad bis
                              zum Sieden bringen, denn erst bei dieser Temperatur faͤngt das fette Alizarin
                              an die Beizen zu saͤttigen, wenn anders, was wohl zu bemerken ist, das Wasser
                              vollkommen rein ist, denn wenn es nur die geringste Menge eines Kalksalzes
                              enthaͤlt, so wuͤrde man vergebens versuchen mit Alizarin zu
                              faͤrben. Wenn es sich aber ein Mal mit den Beizen verbunden hat, ist es so
                              solid, daß es der kochenden Seifenaufloͤsung vollkommen widersteht. Die HH.
                              Gautier und Persoz haben
                              vielleicht nicht alle von uns angegebenen Vorsichtsmaßregeln beobachtet; dann hatten
                              sie aber Unrecht, sich so positiv uͤber eine Substanz zu aͤußern, die
                              sie noch nicht hinreichend studirt hatten. Wenn es wahr ist (und davon sind wir, die
                              wir diese Substanz genau zu kennen glauben, uͤberzeugt), daß man mit dem
                              Alizarin ganz dieselben Farben erhaͤlt, welche der Krapp mit den
                              verschiedenen Beizen liefert, so muß man daraus wohl schließen, daß dieses
                              krystallinische Product der in dieser Wurzel vorherrschende Faͤrbestoff ist,
                              und wenn wir unsere Schluͤsse noch weiter verfolgen wollten, so
                              koͤnnten wir daraus einige Zweifel uͤber die Reinheit des rothen
                              Faͤrbestoffes unserer Gegner ableiten, und vielleicht sogar beweisen, daß ihr
                              rosenrother Stoff nichts anderes als unser altes Purpurin ist. Wir haben aber
                              keineswegs die Absicht, uns in diese Discussion einzulassen und begnuͤgen uns
                              damit unser Alizarin, das wir fuͤr einen naͤheren Bestandtheil des
                              Pflanzenreichs halten, wieder in seine Rechte eingesezt zu haben.
                           Man hat behauptet, daß das Alizarin ein farbloses Harz zur Basis hat, welches, indem es
                              sich sublimirt (wenn anders die Harze sich sublimiren), mehr oder weniger von dem
                              Faͤrbestoffe mit sich reißt; es gelang aber nie dieses vermeintliche Harz vom
                              Alizarin abzuscheiden. Man erhaͤlt freilich Alizarin in allen
                              Farbenabstufungen vom Blaßgelb bis zum Dunkelroth; dieß ruͤhrt aber von der
                              groͤßeren oder geringeren Zertheilung der Atome her und von der mehr oder
                              weniger hohen Temperatur, bei welcher es sublimirt wurde. So viel ist gewiß, daß das
                              blasseste mit verduͤnntem Ammoniak eine eben so satte Tinctur wie das
                              dunkelste gibt. Man hat auch gesagt, daß das Alizarin durch die Einwirkung der Hize
                              erst erzeugt werde und urspruͤnglich nicht in dem Krapp existire. Es ist
                              moͤglich, daß es durch die Einwirkung der Hize einige Veraͤnderung
                              erleidet; sie kann aber jedenfalls nur sehr unbedeutend seyn, da es sich bei einer
                              sehr niedrigen Temperatur sublimiren laͤßt.
                           Man braucht naͤmlich, um es zu erhalten, nur ein Eisenblech auf einen
                              gewoͤhnlichen kleinen Ofen zu legen, das Blech mit einer nicht sehr diken
                              Schichte troknen Sandes zu bedeken, dann ein Blatt starken Papieres auf diesen Sand
                              zu legen und die ganze Oberflaͤche des Papieres mit gut ausgesuͤßter
                              und sehr trokner schwefelsaurer Kohle zu bestreuen, die nach dem von uns im Bulletin de la Société industriell de Mulhausen
                                 N. 3 beschriebenen Verfahren,Polytechnisches Journal Bd. XXVII. S.
                                       200.A. d. R. bereitet ist. Die Schichte der schwefelsauren Kohle muß hoͤchstens 2
                              bis 3 Linien dik und sehr gleich seyn. Nachdem Alles so vorbereitet ist, erhizt man
                              allmaͤhlich und ertheilt von Zeit zu Zeit dem Papier eine schwache
                              Wechselbewegung, um die Temperatur gleichfoͤrmiger zu machen. Nach einiger
                              Zeit steigen allenthalben kleine seidenartige schoͤn rothe Buͤschel in
                              die Hoͤhe, ohne daß das Papier versengt wird, die die ganze
                              Oberflaͤche der schwefelsauren Kohle uͤberziehen und einen sehr
                              schoͤnen Anblik gewaͤhren. Man muß gestehen, daß wenn diese Substanz
                              erst durch die Einwirkung der Hize erzeugt seyn sollte, dasselbe fast von allen
                              Produkten gelten wuͤrde, welche man durch die Hize erhaͤlt. Uebrigens
                              scheint uns fuͤr die Ansicht, daß es urspruͤnglich im Krapp enthalten
                              ist, hauptsaͤchlich der Umstand zu sprechen, daß man mit Alizarin und
                              Alaunerdebeizen alle rothen Farben darstellen kann, die der Krapp liefert und eben
                              so alle Farben, welche die Eisenbeizen mit dieser Wurzel hervorbringen; in beiden
                              Faͤllen, und besonders in lezterem, thut es aber das Alizarin der Krappwurzel
                              an Lebhaftigkeit und Glanz der Farben zuvor.
                           Ich habe die Ehre zu seyn etc.