| Titel: | Ueber eine Doppel- oder Zwillingskanone zum Abfeuern von Kettenkugeln. Von Hrn. Dr. Edward Hodges Dr. Mus. | 
| Fundstelle: | Band 46, Jahrgang 1832, Nr. LXXXVI., S. 335 | 
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                        LXXXVI.
                        Ueber eine Doppel- oder Zwillingskanone
                           zum Abfeuern von Kettenkugeln. Von Hrn. Dr. Edward Hodges
                           Dr. Mus.
                           
                        Aus dem Repertory of Patent-Inventions. Septbr.
                              1832, S. 156.
                        Mit einer Abbildung auf Tab. V.
                        Hodges, uͤber eine Doppel- oder
                           Zwillingskanone.
                        
                     
                        
                           Die schiklichsten Zeiten zur Verbesserung und Vervollkommnung unserer
                              Angriffs- und Vertheidigungsmittel durch gehoͤrige Anwendung der
                              Fortschritte der Wissenschaften und Kuͤnste auf dieselben, sind unstreitig
                              die ruhigen und gemaͤchlichen Zeiten des Friedens. Ist ein Mal Krieg
                              ausgebrochen, so ist es zu spaͤt zu Versuchen, die nur Zeitverlust und
                              vermehrte Gefahr herbeifuͤhren wuͤrden; in solchen Faͤllen
                              bleibt nichts uͤbrig, als die schnellste und kraͤftigste Anwendung der
                              bereits erprobten Mittel.
                           Wenn ich nun auch nicht glaube, daß unsere neueren Schießgeraͤthe je durch
                              eine Erfindung verdraͤngt werden duͤrften, die so weit uͤber
                              denselben stuͤnde, als unsere Instrumente uͤber den
                              schwerfaͤlligen Ballistis und Katapultis der Alten stehen, so glaube ich doch
                              behaupten zu duͤrfen, daß es moͤglich ist, daß dieselben zu gewissen
                              Zweken tauglicher und wirksamer gemacht werden koͤnnen, als sie es
                              gegenwaͤrtig sind.
                           Ich will suchen, diesem Ziele vielleicht naͤher zu kommen, und schlage daher
                              ein zusammengeseztes Geschuͤz vor, welches in gewissen Faͤllen viel
                              zerstoͤrender seyn duͤrfte, als irgend eines der gegenwaͤrtig
                              gebraͤuchlichen. Man kann mir deßhalb gewiß nicht den Vorwurf der
                              Grausamkeit, Unmenschlichkeit und Barbarei machen, denn ich bin weit entfernt die
                              Graͤuel des Krieges noch vermehren zu wollen. Allein, wenn ein Mal Krieg
                              gefuͤhrt werden muß, so ist es am besten, wenn derselbe so schnell als
                              moͤglich zum Ende gebracht werden kann. Durch die Erfindung des Schießpulvers
                              wurden die Schlachten weit weniger moͤrderisch, als sie es zu Zeiten des
                              Schwertes und des Speeres waren, und durch die Erfindung eines Mittels, welches noch
                              zerstoͤrender wirkt als das Schießpulver, wuͤrden dieselben
                              wahrscheinlich noch menschlicher werden.
                           
                           Das Geschuͤz nun, welches ich in Vorschlag bringe, besteht aus zwei
                              zusammengegossenen Laͤufen, welche in der Kammer zusammentreffen, und die
                              sich gegen die Muͤndung hin unter einem Winkel von 8 oder 10 Graden von
                              einander entfernen. In der Mitte der Kammer muͤßte fuͤr beide
                              Laͤufe ein gemeinschaftliches Zuͤndloch angebracht seyn, damit beide
                              Laͤufe in einem und demselben Augenblike losgeschossen werden
                              koͤnnten. Die beiden Laͤufe muͤßten sich uͤbrigens nicht
                              bloß in eine gemeinschaftliche Pulverkammer endigen, sondern auch der ganzen
                              Laͤnge nach, von der Kammer bis zur Muͤndung durch einen kleineren
                              oder groͤßeren Canal mit einander in Verbindung stehen, wie aus der
                              beigefuͤgten Fig. 31 ersichtlich. Dieser communicirende Canal dient naͤmlich
                              zur Aufnahme der Kette, womit die beiden Kugeln verbunden sind, und durch die
                              Dimensionen dieser Kette wird folglich auch die Weite dieses Canales bestimmt
                              werden. Da die beiden Laͤufe gegen die Kammer hin so zusammenlaufen, daß die
                              Kugeln der beiden Schuͤsse beinahe mit einander in Beruͤhrung kommen,
                              so wird sich die Kette auf und zwischen denselben aufhaͤufen; ich glaube
                              daher, daß es am besten seyn duͤrfte, wenn die Fuͤtterung zuerst in
                              diesen Communicirungscanal und dann erst in die beiden Laͤufe fest eingerammt
                              wuͤrde. Das einzige Instrument mehr, dessen man hiezu beduͤrfte,
                              waͤre ein schmaler, dem Communicirungscanale entsprechender Ladstok. Die
                              Ladung der Kette und die Fuͤtterung muͤßte aber, wie ich glaube, immer
                              mit groͤßter Genauigkeit geschehen, wenn der Versuch gelingen soll.
                           Durch diese Geschuͤze koͤnnte man, wie ich glaube, Kettenkugeln so
                              abfeuern, daß die Kette, durch welche die beiden Kugeln mit einander verbunden sind,
                              die Gegenstaͤnde in horizontaler Linie treffen wuͤrde. Bei den
                              gewoͤhnlichen Kettenkugeln ist dieß nie oder selten der Fall, indem hier
                              beide Kugeln aus einem und demselben Cylinder gefeuert werden, und es daher nicht
                              bestimmt werden kann, ob die beiden Kugeln sich von einander entfernen oder hinter
                              einander beinahe einen und denselben Lauf befolgen. Wahrscheinlich nehmen die Kugeln
                              bei den gewoͤhnlichen Schuͤssen mit Kettenkugeln jedoch eine drehende
                              Bewegung um deren gemeinschaftlichen Schwerpunkt an, und zwar bald eine seitliche,
                              bald eine senkrechte, bald eine schiefe. Denkt man sich aber zwei runde Kugeln von
                              gleichem Gewichte, welche durch eine 10 bis 12 Yards lange starke Kette mit einander
                              verbunden sind, und welche zu gleicher Zeit und mit gleicher Kraft aus einem, auf
                              die beschriebene Weise eingerichteten Geschuͤze abgefeuert werden, so
                              muͤssen dieselben offenbar gleichmaͤßig fortschreiten bis die Kette
                              ihre volle Spannung erreicht hat, die in einer bekannten und leicht bestimmbaren
                              Entfernung eintreten wird. Es ist sogar wahrscheinlich, daß die Kette, wenn sie stark
                              genug ist und nicht bricht, noch eine geringe Streke weiter dieselbe Richtung
                              beibehalten wird, und daß erst dann die drehende Bewegung beginnen wird, wenn die
                              Zeit ihrer Wirkung bereits eingetreten ist.
                           Ein solches Geschuͤz koͤnnte, wie ich glaube, vorzuͤglich in der
                              Marine gute Dienste leisten, um die Verdeke abzukehren und das Segelwelk der
                              feindlichen Schiffe zu zerstoͤren. Ein einziger Schuß koͤnnte die
                              Wandtaue zerstoͤren und den Mast zum Falle bringen, was gewiß von großer
                              Wichtigkeit waͤre. Allein auch bei Landkriegen muͤßte es von großer
                              Wirksamkeit seyn, besonders bei geschlossenen Massen von Infanterie und Cavallerie.
                              Ich uͤberlasse dieß jedoch den Militaͤrs, die die beste Anwendung
                              solcher Geschuͤze leicht ausmitteln werden.
                           Ich habe bei der Beschreibung meiner Erfindung alles Technische vermieden, weil ich
                              hievon nichts verstehe. Doch erlaube ich mir noch einige Bemerkungen
                              beizufuͤgen. Zum Richten der Kanone oder zum Behufe des Zielens
                              koͤnnte leicht zwischen beiden Laͤufen ein erhabenes Absehen
                              angebracht werden. Das ganze Stuͤk koͤnnte ferner, wenn es dadurch
                              nicht zu schwer werden sollte, auch so gegossen werden, daß außen zwischen den
                              beiden Cylindern gar kein Einschnitt sichtbar waͤre. Auf jeden Fall
                              koͤnnten außen noch um beide Laͤufe Ringe geschlagen werden, um dem
                              Ganzen mehr Festigkeit zu geben. Alle uͤbrigen Theile, die Lafette etc.
                              wuͤrden keine Veraͤnderung erleiden.
                           Ich habe meinen Plan hiermit dem Publikum vorgelegt und das
                              Artillerie-Commando dabei umgangen, und das aus dem ganz einfachen Grunde,
                              weil man von allen unseren Bureaus nach Monaten und Jahren nicht ein Mal eine
                              Antwort erhalten kann, wenn dieselbe auch in 10 Minuten abgethan waͤre.
                              Moͤgen Andere die Versuche anstellen, und mir dann wenigstens die Ehre der
                              Erfindung lassen.Der Hr. Doctor der Musik scheint uns hier ein sehr sonderbares Thema
                                    fuͤr seine Leistungen gewaͤhlt zu haben. So sehr wir mit ihm
                                    einverstanden sind, daß es eine große Wohlthat waͤre, wenn eine
                                    Maschine erfunden wuͤrde, welche ganze Regimenter mit Einem Male
                                    erschluͤge, so wenig glauben wir, daß sein Geschuͤz sich in
                                    der Praxis anwendbar zeigen duͤrfte. Wir befuͤrchten
                                    naͤmlich sehr, daß seine Kanonen demjenigen, der sie abfeuert,
                                    gefaͤhrlicher werden koͤnnten, als jenen, die davon getroffen
                                    werden sollen. Sachverstaͤndige werden dieß uͤbrigens besser
                                    zu wuͤrdigen wissen, als wir.A. d. Ueb.
                              
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
