| Titel: | Bericht des Hrn. Francoeur über die vierekigen Piano's des Hrn. Pape, Musik-Instrumentenmachers zu Paris, rue des bons enfans. | 
| Fundstelle: | Band 48, Jahrgang 1833, Nr. IX., S. 63 | 
| Download: | XML | 
                     
                        IX.
                        Bericht des Hrn. Francoeur
                           uͤber die vierekigen Piano's des Hrn. Pape,
                           Musik-Instrumentenmachers zu Paris, rue des bons enfans.
                        Aus dem Bulletin de la
                                 Société d'encouragement. Oktober 1832,
                              S. 358.
                        Bericht uͤber die vierekigen
                           Piano's.
                        
                     
                        
                           Hr. Pape hat, nachdem er an der
                              mechanischen Construction seiner Piano's mehrere wichtige
                              Verbesserungen angebracht hat, durch welche die Verfertigung der
                              Instrumente erleichtert, die Dauerhaftigkeit der beweglichen
                              Theile derselben erhoͤht, ihr Ton verstaͤrkt, und
                              ihr Gewicht bedeutend vermindert wird, gebeten seine
                              Verbesserungen durch eine Commission untersuchen zu lassen. Die
                              Commission der mechanischen Kuͤnste hat sich zu diesem
                              Behufe in die Werkstaͤtte des Hrn. Pape begeben, daselbst alle ihr vorgelegten
                              Mechanismen sorgfaͤltig gepruͤft, und deren
                              Wirkung erprobt, so daß sie nach wiederholten Besuchen der
                              Werkstaͤtte des Hrn. Pape
                              folgenden Bericht uͤber dessen Piano's zu erstatten im
                              Stande ist.
                           Als man statt der sogenannten Klavierpoͤlster (plumitifs) die
                              Percussionshaͤmmer anzuwenden begann, bediente man sich
                              anfaͤnglich eines sehr unvollkommenen Mechanismus, dem
                              man in Baͤlde zu entsagen gezwungen war. Der Finger, der
                              auf eine Taste druͤkte, bewirkte, daß sich dieselbe um
                              eine Drehungsachse, die sich in einem Punkte ihrer Laͤnge
                              befand, schaukelte; das andere Ende dieses Hebels stieß den
                              Hammer ganz einfach gegen die Saiten, waͤhrend zugleich
                              auch der Daͤmpfer gehoben wurde. Ueberließ man die Taste
                              hingegen sich selbst, so fuͤhrte eine Feder den Hebel
                              wieder an seine Stelle zuruͤk, und bewirkte, daß der
                              Daͤmpfer zuruͤksank, um die Schallschwingungen
                              aufzuheben. Dieser Mechanismus hatte nicht nur den Nachtheil,
                              daß das Anspielen der Tasten hart und stoßweise geschah,Anmerkungszeichen zu dieser Fußnote fehlt im Text.Wir haben bereits im Polyt.
                                       Journale
                                    Bd. XLIII. S.
                                       155 eine kurze Notiz uͤber, die
                                    Erfindung des Hrn. Pape
                                    mitgetheilt, und wuͤrden, da unsere deutschen
                                    Klaviermacher bereits seit einigen Jahren auch schon
                                    Klaviere verfertigen, an denen die Haͤmmer von
                                    Oben auf die Saiten schlagen, Anstand genommen haben,
                                    diesen Bericht hier ausfuͤhrlich mitzutheilen,
                                    wenn nicht Hrn. Pape's
                                    Erfindung fortwaͤhrend in Frankreich und England
                                    mehr Aufsehen machte, als sie unsere deutschen
                                    Klaviermacher, die bekanntlich den franzoͤsischen
                                    durchaus nicht nachstehen, werth gehalten zu haben
                                    scheinen.A. d. Ueb.
                              sondern die Toͤne des Instrumentes selbst waren troken
                              und ohne Klang. Dieß veranlaßte die Erfindung der Hemmung (echappament), welche den Hammer
                              gegen die Saiten emporstoͤßt ihn aber sogleich wieder von
                              den Saiten zuruͤkzieht, damit sich dieselben frei
                              schwingen koͤnnen. Dieser Theil des Mechanismus ist nun
                              von den Instrumentenmachern auf sehr verschiedene Weise
                              abgeaͤndert worden, und die ganze Construction ist zu
                              Wien, London und besonders zu Paris, wo die Arbeiten eines Erard, Pleyel, Petzold, Pape und
                              anderer diesem Industriezweige einen so hohen Aufschwung gaben,
                              auf einen hohen Grad von Vollkommenheit gediehen.
                           Es handelt sich hier nicht um eine detaillirte Aufzahlung der
                              Verschiedenen Methoden, nach welchen die Fabrikanten die
                              verschiedenen Theile construirten, und nach welchen sie das
                              Spiel der Hemmung und den Mechanismus der Pedale und der
                              Versezer einrichteten, obschon diese Zusammenstellung ohne
                              Zweifel sehr interessant und nuͤzlich waͤre. Ich
                              beschraͤnke mich lediglich auf eine Darstellung der
                              Erfindung des Hrn. Pape.
                           An allen horizontalen Piano's, die bis zur heutigen Stunde
                              verfertigt wurden, schlagen die Hammer von Unten an die Saiten;
                              an allen ist der Resonanzboden in der Laͤngenrichtung des
                              Klaviers durch schnitten, um den Haͤmmern, welche sich
                              unter derselben parallel in einer Querlinie befinden, freien
                              Durchgang zu gestatten. Die Saiten sind mit ihren Enden auf zwei
                              Wirbelbalken befestigt; das eine Ende derselben ist mittelst
                              eines gedrehten Ringes an einem in den Wirbelbalken eingesenkten
                              Stifte festgemacht, waͤhrend sich an dem anderen Ende die
                              staͤhlernen Stifte befinden, die mit Huͤlfe eines
                              eigenen Schluͤssels zur Spannung der Saiten dienen. Der
                              sich schwingende Theil der Saiten wird durch die Stege
                              bestimmt.
                           Das Fehlerhafte dieser Einrichtung ist offenbar. Man denke sich,
                              daß diese beiden Wirbelbalken durch die gespannten und daran
                              befestigten Saiten mit außerordentlicher Kraft gegen einander
                              gezogen werden, und daß der Zwischenraum zwischen diesen beiden
                              Wirbelbalken, der dieser Gewalt Widerstand leisten soll, dessen
                              ungeachtet durch jene Stellen unterbrochen wird, durch welche
                              die Haͤmmer gehen, und man wird wohl leicht selbst
                              fuͤhlen, daß dieser Widerstand am Ende nicht mehr die
                              Oberhand uͤber die Staͤbe behaͤlt, die man
                              denselben entgegensezt, und daß das Instrument also nothwendig
                              schlechter wird. Die Piano's mit 6 1/2 Octave, welche jeden Ton
                              mit drei Saiten geben, haben z.B. 234 Saiten, deren mittlere
                              Spannung ungefaͤhr auf 10 Kilogr. angeschlagen werden
                              kann, so daß die beiden Wirbelbalken beilaͤufig mit einer
                              Kraft von 2340 Kilogr. gegen einander gezogen werden.
                              Da nun der zwischen den beiden Wirbelbalken befindliche Raum zum
                              Behufe des Durchtrittes der Hammer durchschnitten ist, so
                              erleidet diese große Kraft nur gelingen Widerstand. Man ist
                              daher, um das Werfen der Boͤden der Piano's zu
                              verhindern, gezwungen das Instrument mit starken
                              Eisenstaͤben zu bewaffnen, die die Wirbelbalken gegen
                              einander stuͤzen. Diese unumgaͤnglich
                              noͤthigen Stuͤzen machen aber das Instrument sehr
                              schwer, was bei einem Moͤbelstuͤke, welches oft
                              sehr weit transportirt werden muß, sehr zu
                              beruͤksichtigen ist. Wendet man dergleichen
                              Eisenstaͤbe nicht auf der oberen oder unteren
                              Flaͤche der Resonanzboͤden an, so zeigt sich, daß
                              diese Boͤden nicht genug gegen die Wirkungen der Zugkraft
                              der Saiten geschuͤzt sind.
                           Hr. Pape hat diese Einrichtung dahin
                              umgeaͤndert, daß er die Haͤmmer der Piano's
                              uͤber den Saiten anbringt, so daß er fuͤr deren
                              Durchgang keinen freien Raum mehr in den Resonanzboͤden
                              anzubringen braucht. Er konnte daher die beiden Wirbelbalken
                              durch bloße zusammengefuͤgte Stuͤke Holz gegen
                              einander stuͤzen, und folglich seine Instrumente um
                              Vieles leichter machen, und sie dabei doch gegen alles Werfen
                              schuͤzen. Man bemerkt ferner, daß die Piano's des Hrn.
                              Pape die Stimmung außerordentlich
                              lang halten, und daß nur aͤußerst selten eine Saite
                              springt: ein Vortheil, den gewiß alle Klavierspieler, und
                              besonders jene zu schaͤzen wissen werden, welche auf dem
                              Lande wohnen, und welche sich nicht leicht einen Klavierstimmer
                              verschaffen koͤnnen.
                           Was nun den Mechanismus des Hrn. Pape
                              betrifft, so hatte er wohl an den aufrechten oder senkrechten
                              Piano's, an denen die Haͤmmer gleichfalls von Vorne an
                              die Saiten schlagen, und an denen der Resonanzboden ebenfalls
                              von einem Wirbelbalken zum anderen ununterbrochen
                              fortlaͤuft, ein Modell, welches ihm als Fuͤhrer
                              dienen konnte. Allein dieser Apparat konnte doch nicht an den
                              horizontalen Piano's beibehalten werden, weil man gegen das
                              Gewicht der Haͤmmer, wodurch dieselben von Natur aus eine
                              Neigung erhalten auf die Saiten zu fallen, kaͤmpfen
                              mußte. Hr. Pape kam auf die Idee, die
                              Haͤmmer durch kleine Spiralfedern zuruͤkzuhalten,
                              die nicht gegen den von der Hemmung gegebenen Impuls wirken,
                              indem dieser Impuls eine lebendige Kraft ist. Der Hammer
                              schlaͤgt also in dem Augenblike auf die Saite, in welchem
                              man die Taste beruͤhrt, und zwar mit jener großen
                              Geschwindigkeit, die zu einer schoͤnen musikalischen
                              Ausfuͤhrung noͤthig ist. In demselben Augenblike,
                              in welchem der Hammer springt, zieht sich der Dampfer durch die
                              Wirkung der Hemmung zuruͤk; so wie der Stoß aber gegeben
                              ist, ist die lebendige Kraft des Hammers voruͤber, und
                              dann wirkt sogleich die Feder, um den Hammer wieder von
                              den Saiten zuruͤkzuziehen, wo man hierauf sogleich den
                              Daͤmpfer ankommen sieht, der die Schwingungen
                              aufhebt.
                           Das Comité der mechanischen Kuͤnste hat die Details
                              dieses sinnreichen Mechanismus mit der groͤßten
                              Aufmerksamkeit studirt, und freut sich demselben seine volle
                              Zustimmung geben zu koͤnnen. Hr. Pape hatte anfangs nur Fluͤgelpiano's nach
                              seinen Principien gebaut, weil man diese Instrumente wegen des
                              staͤrkeren und schoͤneren Klanges vorzieht; allein
                              diese Instrumente sind wegen ihrer dreiekigen Form so schwer zu
                              stellen, daß man sich gegenwaͤrtig allgemein der
                              vierekigen Piano's bedient.
                           Da die Saiten an ersteren nach der Langenrichtung des
                              Instrumentes parallel laufen, und da man dieselben in den
                              vierekigen Piano's in eine schiefe Querrichtung bringen
                              muͤßte, so mußte die Hemmung nothwendig modificirt
                              werden: ein Umstand, der mehr als eine Schwierigkeit mit sich
                              brachte.
                           Hr. Pape hat nun seinen Mechanismus
                              auch an dieser lezten Art von Instrumenten angebracht, und alle
                              die Hindernisse, die sich dieser Einrichtung entgegen stemmten,
                              gluͤklich besiegt. Die Saiten laufen in paralleler
                              Richtung, und machen daher weder an den Befestigungspunkten an
                              den Enden, noch an jenen Punkten, wo sie von den Stiften der
                              Stege festgehalten werden, schnelle Kruͤmmungen, welche
                              Kruͤmmungen an den gewoͤhnlichen Klavieren
                              bekanntlich haͤufig die Ursache des Abspringens der
                              Saiten sind.
                           Die Commission ließ mehrere Pianoforte, nach der neuen Methode
                              des Hrn. Pape verfertigt,
                              vergleichsweise mit eben so großen Instrumenten anderer Meister
                              waͤgen, und fand hiebei, daß die neuen Instrumente nur an
                              130 Kilogrammen wiegen, waͤhrend die aͤlteren
                              beinahe zwei Mal so schwer sind.
                           Obschon die Gesellschaft in der Regel nur in so fern in
                              Gegenstaͤnde der schoͤnen Kuͤnste eingeht,
                              als es sich um deren materielle Einrichtung, und um deren
                              Vortheile als Handels- und
                              Industrie-Gegenstaͤnde handelt, so glaubt die
                              Commission in diesem Falle doch von der Regel abgehen zu
                              duͤrfen. Die Commission mußte sich naͤmlich, in
                              Betracht, daß die Schoͤnheit und Reinheit des Klanges und
                              die Leichtigkeit des Spieles auf den Pianoforte's von solcher
                              Wichtigkeit sind, daß das leichteste Opfer in dieser Hinsicht
                              ein großer unausgleichbarer Nachtheil, ein wahrer
                              Ruͤkschritt in der Kunst, seyn wuͤrde,
                              uͤberzeugen, daß der neue Mechanismus des Hrn. Pape die Eigenschaften des
                              Pianoforte's nicht nur nicht beeintraͤchtige, sondern
                              eher verbessere.
                           
                           Die Commission ließ sich daher auf mehreren der neuen Instrumente
                              vorspielen, und fand, daß dieselben nicht nur eine sehr elegante
                              Form hatten, sondern nach Belieben des Klavierspielers auch eben
                              so sanfte, als nervige und kraͤftige Toͤne gaben.
                              Die Hammer heben und senken sich mit solcher Geschwindigkeit,
                              daß, selbst wenn man eine und dieselbe Taste wiederholt
                              anspielt, beinahe kein Zwischenraum zwischen den einzelnen
                              Toͤnen Statt zu finden scheint.
                           Die Commission schlaͤgt daher vor, die neue Verbesserung,
                              welche Hr. Pape an den Pianoforte's
                              anbrachte, vollkommen gutzuheißen, und demselben den Dank der
                              Gesellschaft auszudruͤken.