| Titel: | Nachträgliche Bemerkungen zu dem Aufsaze: „Ueber den gegenwärtigen Zustand und die künftigen Aussichten der Dampfwagen, insbesondere auf gewöhnlichen Straßen.“ Von Ritter Joseph v. Baader. | 
| Autor: | Honorar-Prof. Dr. Joseph Baader [GND] | 
| Fundstelle: | Band 48, Jahrgang 1833, Nr. XXIX., S. 168 | 
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                        XXIX.
                        Nachtraͤgliche
                           Bemerkungen zu dem Aufsaze: „Ueber den
                              gegenwaͤrtigen Zustand und die kuͤnftigen
                              Aussichten der Dampfwagen, insbesondere auf gewoͤhnlichen
                              Straßen.“ Von Ritter Joseph v. Baader.
                        (Polytechnisches Journal, Bd. XLVIII. S.
                              1.)
                        Baader, uͤber den Zustand der
                           Dampfwagen.
                        
                     
                        
                           Der Gedanke, die Kraft des Wasserdampfes statt der Pferde zum
                              Forttreiben von Raͤder-Fuhrwerken zu benuzen,
                              entstand in England schon vor mehr als 70 Jahren; und da zu
                              jener Zeit die Bauart der Eisenbahnen noch sehr unvollkommen,
                              und ihre Anwendung nur auf sehr kurze Streken und auf den
                              Transport von Steinkohlen allein beschrankt war; da noch Niemand
                              an die Moͤglichkeit dachte, diese Bahnen als ein
                              allgemeines inneres Communicationsmittel zu gebrauchen, so
                              koͤnnte damals natuͤrlicher Weise nur von
                              Dampfwagen auf gewoͤhnlichen Landstraßen die Rede seyn.
                              Schon im Jahre 1759 machte Dr.
                                 Robison zu Glasgow (nachher Professor der Naturlehre
                              an der Universitaͤt zu Edinburgh), ein Jugendfreund des
                              großen James Watt, und dessen
                              Mitarbeiter an der Vervollkommnung der Dampfmaschine, den ersten
                              Vorschlag zu dieser neuen Anwendung der Dampfkraft.
                              „Im Jahre 1772 beschaͤftigte sich ein
                                 sinnreicher Mechaniker in Nordamerika, Oliver Evans, mit derselben Idee, und
                                 erfand eine solche fortschaffende Maschine, auf welche er
                                 dort 1787 ein Patent erhielt. Im Jahre 1784 nahm Watt selbst zu Birmingham ein
                                 Patent auf die Anwendung der Dampfmaschinen zum Forttreiben
                                 von Raͤder-Fuhrwerken, wovon er indessen,
                                 durch mehrere mißlungene Versuche belehrt, keinen Gebrauch
                                 machte. Im Jahre 1802 erhielt ein geschikter Ingenieur in
                                 Cornwall, Richard Trevithick, in
                                 Verbindung mit Andrew Vivian, ein
                                 Patent auf einen von ihm neuerfundenen, durch eine
                                 Hochdrukmaschine betriebenen Dampfwagen, mit dem er im
                                 suͤdlichen Wales verschiedene Versuche anstellte,
                                 durch welche zuerst die Moͤglichkeit, mit solchen
                                 Maschinen auf gewoͤhnlichen Straßen zu fahren,
                                 oͤffentlich dargethan wurde. Nachdem er sich indessen
                                 bald uͤberzeugt haͤtte, daß die damit
                                 verbundenen Unbequemlichkeiten, Schwierigkeiten und Kosten
                                 zu bedeutend waren, um ein solches Fuhrwerk im Großen mit
                                 Vortheil einzufuͤhren, gab er diesen Plan wieder auf,
                                 und sezte seine Maschine mit groͤßerem Gluͤke
                                 auf eine Eisenbahn, wo dieselbe, bei einer weit leichteren,
                                 sanfteren und gleichfoͤrmigeren Bewegung,
                                 begreiflicher Maßen um Vieles wirksamer und dauerhafter sich
                                 erwies.
                              
                           Seit dieser Zeit haben zwar mehrere andere Mechaniker, wie Bellingham zu Dublin im Jahre 1820,
                              Griffith in London 1821, James und Gordon 1824, Burstall, Hill
                              und Gurney 1825, Anderson 1828, und Napier 1830 Patente auf die von ihnen
                              erfundenen und ausgefuͤhrten Dampfkutschen genommen,
                              uͤber deren glaͤnzende Erfolge und erstaunliche
                              Leistungen die oͤffentlichen Blaͤtter von Zeit zu
                              Zeit die pompoͤsesten Berichte erstatteten, indem sie
                              jedes Mal die baldige Eroͤffnung regelmaͤßig
                              fortzusezender Dampf-Diligencen auf verschiedenen
                              Hauptstraßen bestimmt ankuͤndigten. Wehr als hundert
                              solcher Wagen wurden auf verschiedene Art gebaut und
                              oͤffentlich producirt, die Erwartungen des Publikums auf
                              den hoͤchsten Grad gespannt, aber auch jedes Mal wieder
                              getauscht, und das ganze Resultat blieb immer nur auf ein
                              unnuͤzes Spielwerk zur Belustigung der großen Menge, oder
                              auf ein unterhaltendes Experiment fuͤr Liebhaber der
                              Mechanik reducirt.
                           Die kluͤgsten Capitalisten und
                              Geschaͤftsmaͤnner, und die verstaͤndigsten
                              Mechaniker verzichteten daher auf dieses undankbare Project, an
                              welchem seit mehr als einem halben Jahrhunderte die
                              geschiktesten und sinnreichsten Kuͤnstler gescheitert
                              hatten, und sie wendeten dagegen ihre ganze
                              Aufmerksamkeit auf die Vervollkommnung der
                              Dampf-Fuhrwerke auf Eisenbahnen, wo es ihnen denn auch in
                              der neuesten Zeit gelang, zuerst zwischen Stockton und
                              Darlington, dann zwischen Liverpool und Manchester, Resultate zu
                              erhalten, welche, in Hinsicht auf Schnelligkeit des Transportes
                              und auf Groͤße der fortgeschafften Lasten, alle
                              fruͤheren Leistungen dieser Maschinen weit
                              uͤbertrafen, und so befriedigend erschienen, daß der
                              einige Jahre fruͤher entworfene Plan, die
                              Hauptstaͤdte Englands und Schottlands mit allen
                              bedeutenden Handels- und Manufacturstaͤdten und
                              Seehafen, so wie diese unter sich selbst, durch ein nach allen
                              Richtungen ausgebreitetes Nez von Eisenbahnen in directe
                              Verbindung mit einander zu bringen, wieder allgemein zur Sprache
                              gebracht wurde. Als sich indessen zeigte, daß jene
                              glaͤnzenden Resultate viel zu theuer erkauft werden sind,
                              daß die Anlage der Liverpool- und Manchester-Bahn
                              mit ihren Maschinen das Doppelte des Voranschlages: eine Million
                              Pfund Sterling, gekostet hat, und daß die Unterhaltung der
                              lezteren einen ungeheueren Aufwand erfordert, da
                              schoͤpften die Landstraßen-Mechaniker wieder neuen
                              Muth, und hofften dieselben Resultate auf gewoͤhnlichen
                              Straßen wohlfeiler erhalten, und die so kostbaren Eisenbahnen
                              ganz verdraͤngen zu koͤnnen. Ohne zu bedenken, daß
                              jener unverhaͤltnißmaͤßige Aufwand nicht im
                              Princip seinen Grund haͤtte, sondern nur durch
                              unnuͤze Verschwendungen und Maͤngel in der
                              Ausfuͤhrung herbeigefuͤhrt ward,
                              verschuͤtteten jezt diese Herren das Kind mit dem Bade;
                              und, statt an, eine wohlfeilere, dauerhaftere und leichtere
                              Construction der Locomotive Engines
                              auf Eisenbahnen zu denken, wollten sie von diesen
                              kuͤnstlichen Straßen gar nichts mehr hoͤren!
                              – In diesem Wahne haben seit drei Jahren die HH. Gurney, Ogle and Summers, Hancock, Church und Gibbs ihre Versuche auf
                              gewoͤhnlichen Landstraßen mit dem groͤßten Eifer
                              erneuert, und durch einige mit scheinbar besserem Erfolge
                              unternommene weitere Fahrten so viel Aufsehen erregt, daß das
                              Unterhaus des Parlamentes im Jahre 1831 zur Pruͤfung der
                              durch diese neuen Erfindungen erhaltenen Resultate eine
                              besondere Commission zu ernennen sich bewogen fand, welche, nach
                              Vernehmung vieler Zeugen, ihren Bericht mit der Ueberzeugung schloß:
                           
                              1) Daß Wagen auf gewoͤhnlichen
                                 Chausseen durch Dampf mit zehn Meilen Geschwindigkeit auf
                                 die Stunde anhaltend sich fortbewegen lassen;
                              2) daß sie mit dieser Geschwindigkeit
                                 uͤber 14 Passagiere befoͤrdert haben;
                              3) daß ihr Gewicht, mit Einschluß der
                                 Maschine, des Brennmaterials, des
                                 Wassers und der Bedienung, weniger als drei Tonnen (60
                                 Centner) betragen koͤnne;
                              4) daß sie Berge von bedeutender Steile
                                 leicht und sicher hinan und hinab fahren
                                 koͤnnen;
                              5) daß die Reisenden in diesen Wagen durchaus
                                 keiner Gefahr ausgesezt seyen;
                              6) daß diese Wagen dem Publikum keine
                                 Ungelegenheiten verursachen, oder wenigstens bei
                                 gehoͤriger Einrichtung keine zu verursachen
                                 brauchen;
                              7) daß sie ein schnelleres und wohlfeileres
                                 Transportmittel als die von Pferden gezogenen Kutschen
                                 abgeben werden;
                              8) daß die Radreifen oder Felgen ihrer
                                 Raͤder breiter seyn koͤnnen als an anderen
                                 Fuhrwerken, und daß sie wegen des Wegfallens der den Straßen
                                 so aͤußerst nachteiligen Wirkung der Pferdehufe, den
                                 Wegen weniger Schaden zufuͤgen werden, als die von
                                 Pferden gezogenen Kutschen.Man sehe im Edinburgh
                                          Review vom Monat October 1832 einen Auszug
                                       aus dem 1831 in London erschienenen Report from the Select
                                          Committee of the House of Commons on
                                          Steam-carriages. Hoͤchst
                                       auffallend und unbegreiflich ist, daß die von dieser
                                       Commission verhoͤrten Zeugen, mit Ausnahme
                                       von zweien, ganz aus den patentirten Erfindern und
                                       Eigenthuͤmern der neuen Dampfkutschen und
                                       ihren Associés und Werkmeistern bestanden;
                                       daß die Aussagen dieser Leute fuͤr strenge
                                       Wahrheit (Evidence)
                                       angenommen wurden, und, ohne dieselben durch eine
                                       gleiche Anzahl von andern, bei der Sache nicht
                                       interessirten, folglich ganz unbefangenen, Personen
                                       zu controlliren, ein so guͤnstiger Bericht
                                       darauf gegruͤndet worden ist! – B.
                                 
                              
                           Wer haͤtte nun nach einem so uͤberaus
                              guͤnstigen Berichte einer parlamentarischen Commission
                              nicht glauben sollen, daß das große Problem vollkommen
                              geloͤset, daß alle seit 60 Jahren bestandenen
                              Schwierigkeiten gluͤklich besiegt seyen, und daß die
                              neuen Dampf-Eilwagen auf den vorzuͤglichsten
                              Chausseen Englands unverzuͤglich in regelmaͤßigen
                              Gang kommen wuͤrden? – Daß dieses indessen bis zum
                              Monat October des vergangenen Jahres, also 1 1/2 Jahr nach der
                              Bekanntmachung jenes Berichtes, noch nicht der Fall war, geht
                              aus dem mit gruͤndlicher Sachkenntniß geschriebenen
                              Aufsaze: Ueber den gegenwaͤrtigen
                                 Zustand und die kuͤnftigen Aussichten der
                                 Dampfwagen, im Foreign Quaterly
                                 Review (einer der gediegensten englischen
                              Zeitschriften), von welchem ich im vorlezten Hefte des
                              Polytechnischen Journals eine woͤrtliche Uebersezung
                              geliefert habe, und wo, S. 6, geradezu behauptet wird:
                              „daß (wie Jedermann weiß) in diesem Augenblike keine einzige
                                    oͤffentliche Straße in Großbritannien existirt,
                                    auf welcher eine regelmaͤßige Fahrt mit
                                    Dampfwagen nur mit einer gewoͤhnlichen
                                    maͤßigen Geschwindigkeit eingefuͤhrt
                                    ist,“
                              auf
                              das Unwiderlegbarste hervor; und daß das erwuͤnschte Ziel
                              auch am Schluͤsse des Monats Maͤrz des
                              gegenwaͤrtigen Jahres noch nicht erreicht worden ist,
                              weiß ich aus den neuesten und glaubwuͤrdigsten
                              Privatnachrichten aus London.
                           Die neuen Versuche der HH. Gurney,
                                 Ogle and Summers, Hancock,
                                 Church und Gibbs haben also,
                              wie es scheint, die Loͤsung jener großen Aufgabe um
                              nichts weiter vorgeruͤkt, und die angegebenen Resultate
                              und Erfahrungen, welche zum Theil gar keinen Glauben
                              verdienen,Die Leichtglaͤubigkeit und Geduld, mit welcher die
                                    genannte Commission von einigen der am Meisten in der
                                    Sache interessirten Zeugen die unverschaͤmtesten
                                    Gasconnaden und die handgreiflichsten Mahrchen sich
                                    aufheften ließ, ist in der That zu bewundern. So z.B.
                                    behauptete Hr. Daniel Ogle,
                                    „„daß er auf einem nassen,
                                       stellenweise bekieseten (also schlechten) Wege mit
                                       einer Geschwindigkeit von 32–35 englischen
                                       Meilen auf die Stunde gefahren, und einen der
                                       hoͤchsten Berge bei Southampton, dessen
                                       Steigen 1 Fuß auf 6 betraͤgt, mit einer
                                       Geschwindigkeit von 16 1/2 Meilen auf die Stunde
                                       hinaufgefahren sey!““ und sein
                                    wuͤrdiger Compagnon, Hr. Wm. Altoft Summers, gab zu Protocoll,
                                    „„daß er an einer schwierigen
                                       Stelle bergan mit der Geschwindigkeit von 15 Meilen
                                       auf die Stunde und haͤufig 4 1/2 Stunden
                                       hintereinander mit einer Geschwindigkeit von 30
                                       Meilen per Stunde
                                       gefahren sey!““ – (S.
                                    historische und praktische Abhandlung uͤber
                                    Fortbewegung ohne Thierkraft mittelst Dampfwagen auf
                                    gewoͤhnlichen Landstraßen, von Alexander Gordon. Aus dem Englischen.
                                    Weimar, 1833. SS. 140–141, 147–448 und
                                    238.) – Ist dieser Kuͤnstler 4 1/2 Stunden
                                    hintereinander mit einer
                                    Geschwindigkeit von 30 Meilen auf die Stunde gefahren,
                                    so hat er in einem Zuge einen
                                    Weg. von 135 Meilen zuruͤkgelegt! – Wer
                                    mit Consequenz luͤgen will, muß ein gutes
                                    Gedaͤchtniß haben, und dieses scheint Hrn. Summers hier verlassen zu
                                    haben: denn er hat vergessen, daß er und sein
                                    Associé Ogle bei einer
                                    anderen Gelegenheit die Commission versichert hatten,
                                    sie muͤßten mit ihren Wagen alle 7–8
                                    Meilen anhalten, um frische Vorraͤthe von Wasser
                                    und Kohlen einzunehmen. Auf einem Wege von 135 Meilen
                                    muͤßte er also wenigstens 17 Mal angehalten, oder
                                    einen 17 Mal groͤßeren Vorrath von Kohlen und
                                    Wasser mitgenommen haben, als sein Wagen, seiner eigenen
                                    Aussage nach, fassen und tragen koͤnnte! –
                                    Abgesehen davon, daß bei einer solchen
                                    Sturmesgeschwindigkeit, wenn sie auch auf einer
                                    gewoͤhnlichen Straße moͤglich
                                    waͤre, der Wagen mit der Maschine und allen
                                    darauf befindlichen Personen jeden Augenblik Gefahr
                                    liefe, umgeworfen, in einen Seitengraben geschleudert,
                                    oder durch Anprellen an andere Gegenstaͤnde in
                                    tausend Stuͤke zertruͤmmert zu werden, daß
                                    dabei andere Fuhrwerke, Reiter und Fußgaͤnger auf
                                    der Straße nicht schnell genug ausweichen
                                    koͤnnten, und Niemand seines Lebens sicher
                                    waͤre, will ich mich hier nur damit
                                    begnuͤgen, die absolute mechanische Unmoͤglichkeit dieser
                                    Leistung durch die einfachste Berechnung zu beweisen.
                                    Nach der eigenen Angabe der HH. Ogle und Summers
                                    wiegt ihr Dampfwagen mit dem noͤthigen Vorrathe
                                    von Brennmaterial und Wasser, mit der Bedienung und 16
                                    Passagieren wenigstens 80 Centner. Wir koͤnnen
                                    die zur Fortbewegung eines
                                    Raͤder-Fuhrwerkes auf einer nassen, stellenweise bekiesten
                                    Landstraße in horizontalem Zuge noͤthige Kraft
                                    nicht geringer als 1/10 der ganzen Last annehmen, also
                                    im gegenwaͤrtigen Falle zu 800 Pfund. Diese Kraft
                                    mit der Geschwindigkeit von 51' multiplizirt gibt das
                                    Product 40,000 als das fuͤr jede Secunde
                                    erforderliche Kraftmoment. Da nun, nach Watt's allgemein angenommener
                                    Bestimmung, das Kraftmoment eines guten Pferdes = 550
                                    fuͤr die Secunde ist, so muß die Maschine des
                                    Hrn. Ogle (ohne
                                    uͤbrigens den bei einer so schnellen Bewegung
                                    nicht unbedeutenden Widerstand der Luft in Anschlag zu
                                    bringen) die dynamische Kraft von mehr als 74 Pferden
                                    bei diesem Rennen ausgeuͤbt haben! –
                                    Allein derselbe Mechaniker hat auf die von der
                                    Commission an ihn gestellte Frage:
                                    „„die Kraft wie vieler Pferde uͤbte Ihre Maschine aus, als Sie 19
                                       Personen befoͤrderten?““
                                    geantwortet: „„Etwa die von 20
                                       Pferden.““ – ! –
                                    Noch auffallender wird der Widerspruch und noch
                                    handgreiflicher die Aufschneiderei bei den Angaben
                                    uͤber das Berganfahren. Hier war, nebst den
                                    Reibungen an den Achsen und am Umfange der
                                    Raͤder, der Widerstand der Schwere zu
                                    uͤberwinden, welcher, bei einer Steigung von 1/6,
                                    8000/6 = 1333 Pfund betragen mußte. Die ganze zur
                                    Bewegung erforderliche Kraft war daher in diesem Falle,
                                    wenn wir auch den Widerstand der Reibungen etwas
                                    geringer annehmen, wenigstens 2000 Pfund, und da die
                                    Geschwindigkeit von 16 1/2 Meilen in einer Stunde, 24
                                    Fuß in jeder Secunde betraͤgt, so muͤßte
                                    die Maschine mit einer Energie von 24 × 2000 =
                                    48,000 Pfund = 87 Pferden gearbeitet haben! –
                                    Wenn daher Hr. Ogle nicht das
                                    bis jezt unentdekte und unbegreifliche Geheimniß besizt,
                                    die dynamische Kraft einer
                                    Dampfmaschine von 20 Pferdekraͤften auf 87 zu
                                    steigern, so ist er – der groͤßte
                                    Gascogner in England. A. d. O. beweisen durchaus nichts fuͤr die praktische Ausfuͤhrbarkeit der Dampf-Fuhrwerke auf
                              gewoͤhnlichen Straßen, am wenigsten aber fuͤr die
                              Wahrscheinlichkeit einer Concurrenz dieses Systems mit jenem der
                              Eisenbahnen. Wir lernen aus diesen Versuchen nicht mehr, als was
                              wir schon seit 30 Jahren wissen: daß es naͤmlich moͤglich ist,
                              Raͤderfuhrwerke auf allen gewoͤhnlichen Straßen
                              durch die Kraft des elastischen Wasserdampfes fortzutreiben. In
                              der That, wenn es bloß auf die Moͤglichkeit einer verlangten Leistung, ohne
                              Ruͤksicht auf Kraft-, Stoff- und
                              Geldverschwendung, ankoͤmmt, und wenn man ein wenig
                              Hals- und Beinbrechen nicht achtet, kann man im Gebiete
                              der fortschaffenden Mechanik noch aͤndere, viel
                              unglaublichere und staunenswuͤrdige Kunststuͤke
                              und Gewaltstreiche (tours de force)
                              produciren. Es koͤnnte z.B. Jemand auf den genialen
                              Einfall gerathen, nicht nur die Eisenbahnen, sondern auch alle
                              gemachten Straßen, deren Bau und
                                 Unterhaltung in manchen Gegenden nicht viel weniger als jene
                                 der Eisenbahnen kostet, zu ersparen, und alle Waaren
                              und Reisenden durch ungeheure Riesenmaschinen von 200–300
                              Pferdekraͤften uͤber alle Felder und
                              Graͤben, uͤber Stok und Stein fortzuschleppen;
                              und, beim Lichte besehen, waͤre diese ganz neue Idee von
                              Ersparung nicht viel ungereimter, als das Project der
                              Straßen-Dampffahrer: denn in Beziehung auf Kraftersparniß
                              und Leichtigkeit der Bewegung verhaͤlt sich eine gute
                              Eisenbahn zu einer guten Chaussee, wie diese zu einem
                              ungemachten Wege; der Ruͤksprung von der Chaussee zum
                              ungemachten Wege waͤre nicht weiter, als von der
                              Eisenbahn zur gewoͤhnlichen Landstraße, und es sollte uns
                              daher gar nicht wundern, wenn naͤchstens in England ein
                              Patent auf diese neue großartige Erfindung genommen wird!
                              –
                           Es gibt in der Bewegungskunst zwei verschiedene Mittel, eine
                              verlangte Wirkung hervorzubringen: entweder die Kraft nach dem
                              zu uͤberwindenden Widerstande zu verstaͤrken, oder
                              diesen selbst so zu vermindern, daß dieselbe Wirkung mit einem
                              geringeren Kraftaufwande erhalten wird. Das Leztere haben wir
                              nur selten in unserer Gewalt; wo es uns aber zu Gebote steht, da
                              waͤre es unverzeihlich, sich dessen nicht zu bedienen.
                              Dieß ist nun gerade hier der Fall. Durch eine zwekmaͤßig,
                              mit gehoͤriger Sorgfalt, Genauigkeit und
                              Soliditaͤt hergestellte Bahn von eisernen Geleisen
                              erhalten wir das Ideal einer vollkommen harten, glatten und
                              ebenen Straße, auf welcher die groͤßten Lasten mit dem
                              geringsten Kraftaufwands fortgeschafft werden koͤnnen.
                              Ist es nun nicht ungereimt, dieses eben so einfache und
                              natuͤrliche, als sichere Mittel zu verschmaͤhen,
                              und dafuͤr zwanzig bis dreißig Mal mehr an Bewegungskraft
                              und Stoff auf den gewoͤhnlichen, selbst in ihrem besten
                              Zustande rauhen und holperigen, in mancher Jahreszeit beinahe
                              unfahrbaren, Landstraßen zu verschwenden? – Man hat noch
                              vor 50 Jahren in den meisten deutschen Gruben die eisernen
                              Kolbenrohre an den Wasserkuͤnsten ungebohrt eingesezt,
                              und es war sehr begreiflich, daß die Reibung der, notwendiger
                              Weise sehr streng gelederten, Kolben in diesen rauhen, zum Theil
                              ungleichen Cylindern so außerordentlich stark war, daß nicht nur
                              ein großer Theil der bewegenden Kraft darauf verwendet werden
                              mußte, diese Kolben durchzuzwaͤngen, sondern daß auch die
                              Lederung selbst schnell abgenuͤzt und sehr oft erneuert
                              werden mußte. Durch das genaueste Ausbohren dieser Kolbenrohre
                              auf besonders dazu eingerichteten kuͤnstlichen
                              Bohrmaschinen ist in neueren Zeiten der Gang dieser Maschinen st
                              erleichtert worden, daß fast die Haͤlfte des sonst
                              noͤthigen Aufschlagwassers, und an den Kosten der
                              Lederung mehr als 4/5 erspart werden; und jezt wuͤrde der
                              gemeinste Kunstknecht einen Projectanten auslachen, welcher die
                              alten rauhen Kolbenrohre wieder einfuͤhren wollte, um die
                              kostbaren Bohrmaschinen zu
                              ersparen.
                           Bis zur Erfindung und allgemeinern Anwendung der Eisenbahnen war
                              der wichtigste Theil der Bewegungskunst: die fortschaffende Mechanik, in Beziehung auf
                              Landtransport und im Vergleiche zur hebenden Mechanik, in dem erbaͤrmlichsten
                              Zustande; oder vielmehr: wir hatten eigentlich noch keine
                              fortschaffende, nur eine fortschleppende Mechanik. Erst durch
                              die Verbesserung der Eisenbahnen und der darauf sich bewegenden
                              Maschinen haben wir angefangen, uns aus dem Straßenschlamme
                              heraus zu arbeiten, und das Landfuhrwesen wirklich zu einem
                              Zweige wissenschaftlicher Mechanik zu erheben. Statt nun auf
                              einer so viel versprechenden Bahn vorwaͤrts zu schreiten,
                              und diese Epoche machende Erfindung noch weiter zu
                              vervollkommnen, sollen wir uns jezt durch die Launen einiger
                              englischen Projectanten zu einem ebenso zweklosen als
                              unruͤhmlichen Ruͤkschritt, zum
                              tausendjaͤhrigen Schlendrian unserer sogenannten.
                              Kunststraßen zuruͤkwerfen lassen, und, statt auf
                              spiegelglatten Flaͤchen mit der groͤßten
                              Leichtigkeit, Annehmlichkeit und
                              Sicherheit mit Windes Schnelle fort zu gleiten, auf jenen ewig
                              zermalmten und zermalmenden, ewig zerstoͤrten und wieder
                              erneuerten Schutt- und Kothhaufen mit ungeheurem
                              Geld- und Kraft-Aufwande langsam und
                              muͤhselig uns wieder durcharbeiten, oder, bei einer
                              widernatuͤrlich erzwungenen groͤßeren
                              Geschwindigkeit, jeden Augenblik Hals und Bein zu brechen Gefahr
                              laufen? –
                           Ich habe meine Meinung uͤber diesen Gegenstand seit 18
                              Jahren bei verschiedenen Gelegenheiten, und neuerlich im ersten
                              Octoberhefte dieses Journals vom vorigen Jahre mit meiner
                              gewohnten Freimuͤthigkeit ausgesprochen, und diese meine
                              Meinung durch (wie ich glaube) unwiderlegbare Gruͤnde
                              unterstuͤzt, auf welche ich, um mich nicht selbst
                              abzuschreiben, die Leser des gegenwaͤrtigen Aufsazes
                              hinweisen zu duͤrfen bitte. Ich habe alle Achtung
                              fuͤr das Genie und die Geschiklichkeit, so wie
                              fuͤr die Geduld und Beharrlichkeit so vieler englischen
                              Mechaniker, welche sich bisher mit der Loͤsung dieser
                              wichtigen Aufgabe abgemuͤhet haben; und ich zweifle
                              nicht, daß es dem menschlichen Erfindungsgeiste noch gelingen
                              werde, manche schwere Aufgabe zu loͤsen, deren
                              Loͤsung bis jezt unmoͤglich geschienen hat. Allein
                              einer vortheilhaften
                              Einfuͤhrung von Dampf-Fuhrwerken auf
                              gewoͤhnlichen Straßen, in einem
                                 großen und ausgedehnten Maßstabe, stehen, nach meinem
                              Dafuͤrhalten, einige bedeutende Schwierigkeiten und
                              Hindernisse entgegen, welche ihrer Natur nach unbesiegbar
                              sind.
                           Aus den uͤbereinstimmenden Aussagen der meisten Zeugen,
                              welche von der erwaͤhnten parlamentarischen Commission
                              vernommen wurden, geht unter Anderm hervor, daß diese Dampfwagen
                              uͤberhaupt nur fuͤr den schnellsten Transport von
                              Reisenden und leichten Gegenstaͤnden von hohem Werthe,
                              folglich als Diligencen und Eilwagen, keineswegs aber
                              fuͤr das langsamere Fortschaffen schwerer Guͤter
                              von specifisch geringem Werthe geeignet sind, indem der Aufwand
                              von Brennmaterial, Wasser und Bedienung, welcher in geradem
                              Verhaͤltnisse mit der verbrauchten Zeit steht,
                              fuͤr den Transport der lezteren Gegenstaͤnde zu
                              groß waͤre, um durch die zu erhebenden geringeren
                              Frachtpreise verguͤtet zu werden.Auf die von der Commission an Hrn. Gurney gestellte Frage:„„Sind Sie nicht der Meinung, daß die
                                       Dampfwagen (auf gewoͤhnlichen Straßen) sich
                                       nicht allein dazu eignen wuͤrden, Fuhrwerke
                                       schnell fortzuschaffen, sondern auch, um gewisse
                                       Guͤtertransporte langsam zu
                                       bewirken?““antwortete dieser Ingenieur:„„Ich halte das Leztere fuͤr
                                       moͤglich; allein es wuͤrde sehr
                                       kostspielig seyn: denn nach meiner Erfahrung kostet
                                       das Brennmaterial, wenn man langsamer als vier
                                       Meilen in der Stunde faͤhrt, mehr als die
                                       Pferde.““Darin stimmten auch mehrere andere
                                    der vernommenen Zeugen uͤberein. Wenn nun dieses
                                    in England der Fall ist, wo das Brennmaterial ungemein
                                    wohlfeil, der Ankauf und die
                                    Unterhaltung der Pferde hingegen sehr theuer ist, um wie
                                    viel mehr wuͤrde dasselbe in andern
                                    Laͤndern Statt finden, wo die Kosten des
                                    Brennmaterials und der Pferde in einem umgekehrten
                                    Verhaͤltnisse stehen? – Nun ist es aber gerade eine schnelle
                              Bewegung, welche diesen Maschinen auf einer gewoͤhnlichen
                              Straße am nachtheiligsten und gefaͤhrlichsten wird.
                           Wir wissen, daß die Dampfwagen auf der Eisenbahn zwischen
                              Liverpool und Manchester, deren Geschwindigkeit im Durchschnitte
                              20 englische Meilen in einer Stunde nicht uͤbertrifft,
                              und wo doch die Bewegung so sanft und gleichfoͤrmig als
                              moͤglich ist, sich so außerordentlich schnell
                              abnuͤzen, daß sie bei taͤglichem Gebrauche kaum
                              ein Jahr lang aushalten. Von 24 solchen Maschinen, welche die
                              dortige Gesellschaft besizt, sind immer nur sechs im Gange,
                              waͤhrend die uͤbrigen achtzehn in den großen
                              Werkstaͤtten an beiden Enden der Bahn
                              unaufhoͤrlichen Flikereien und Reparaturen unterliegen.
                              Wie lange soll nun eine solche Maschine, deren Bau nothwendiger
                              Weise complicirt und delicat ist, bei einem Rennen von
                              25–30 Meilen auf die Stunde, auf einer
                              gewoͤhnlichen holperigen, neu bekieseten oder
                              ausgefahrenen Landstraße aushalten, wo alle Theile jeden
                              Augenblik den heftigsten Stoͤßen und
                              Erschuͤtterungen und dabei noch der zerstoͤrenden
                              Einwirkung des Staubes und des aufgeworfenen Straßenkothes
                              ausgesezt sind?Haͤufige Erfahrungen haben gezeigt, daß große
                                    Feuersprizen, wenn sie ehr schnell gefuͤhrt
                                    werden, durch die heftigen Erschuͤtterungen so
                                    zerruͤttet und verdorben werden, daß sie, an der
                                    Brandstelle angekommen, oft ganz unbrauchbar sind; und
                                    daher haben die besten
                                    Feuerloͤsch-Ordnungen das zu schnelle
                                    Fahren dieser Maschinen verboten. Nun ist aber eine
                                    Dampfmaschine ein ungleich complicirteres und
                                    delicateres Werk als eine Feuersprize. – Durch Federn koͤnnen diese Stoͤße
                              noch weniger als auf Eisenbahnen vermieden oder gemildert
                              werden, weil die Haupttheile der Maschine, die Cylinder und
                              Kolbenstangen, mit den Achsen der Raͤder in einer
                              unveraͤnderlichen steifen Verbindung stehen
                              muͤssen, daher in keinem Falle auf Federn gelegt, oder
                              daran aufgehaͤngt werden koͤnnen. Wenn daher je
                              ein auf das Vortheilhafteste gebauter Dampfwagen auf unsern
                              gewoͤhnlichen Landstraßen mit Sicherheit und Dauer, und ohne Gefahr, auf eine
                              regelmaͤßige Art in Gang gebracht werden sollte, so
                              duͤrfte derselbe nur mit einer sehr maͤßigen
                              Geschwindigkeit, hoͤchstens so schnell, als unsere
                              deutschen Lohnkutscher zu fahren gewohnt sind, betrieben werden;
                              dabei waͤre aber kein Vortheil, weder fuͤr den
                              Unternehmer, noch fuͤr die Reisenden oder das handelnde
                              Publikum, weil das Fahren mit Pferden bei gleicher Schnelligkeit
                              wohlfeiler zu stehen kaͤme.
                           Die Vertheidiger des Straßen-Dampffuhrwerkes meinen zwar,
                              die Hindernisse, welche der allgemeinen Ausfuͤhrung ihres
                              Systems entgegenstehen, laͤgen bloß in der schlechten
                              Beschaffenheit und in der vernachlaͤssigten Unterhaltung
                              der Landstraßen, und man duͤrfte daher nur
                              alle Chausseen macadamisiren, und so eben, glatt, fest und hart
                              machen, wie eine Tenne; dann koͤnnten die Dampfwagen auf
                              denselben so leicht, sanft und schnell, wie auf Eisenbahnen,
                              fortrollen; oder man sollte zu diesem Zweke die Straßen durchaus
                              pflastern. Liese Herren scheinen aber nicht zu wissen, oder
                              wollen nicht bedenken, daß die Herstellung und
                              bestaͤndige Erhaltung einer so idealisch vollkommenen
                              Straße, wenn sie auch zu allen Jahreszeiten und bei jeder
                              Witterung moͤglich waͤre, so wie auch das
                              Pflastern, weit mehr als die Anlage einer (zwekmaͤßig und
                              ohne Verschwendung gebauten) Eisenbahn kosten wuͤrde, und
                              daß auf einem Steinpflaster die heftigsten Stoͤße und
                              Erschuͤtterungen zwar etwas gemildert, aber doch auch
                              nicht ganz vermieden wuͤrden. Besser wuͤrden hiezu
                              die Holzbahnen, nach dem Vorschlage
                              des kurhessischen Bau-Conducteurs, Hrn. Wagner, sich eignen, welche
                              uͤberhaupt noch das leidendlichste Surrogat fuͤr
                              Eisenbahnen, jedoch nur in solchen Gegenden werden
                              koͤnnen, wo die hiezu tauglichsten Holzarten
                              außerordentlich wohlfeil zu haben sind, das Eisen hingegen sehr
                              theuer ist.
                           Der einzige Vortheil, welcher fuͤr die Dampfwagenfahrt auf
                              gewoͤhnlichen Straßen vor jener auf Eisenbahnen, nach ihrer gegenwaͤrtigen
                                 Bauart, mit einigem Grunde behauptet werden kann,
                              besteht darin, daß das Berganfahren mit jenen verhaͤltnißmaͤßig
                              weniger Schwierigkeiten als mit diesen verursacht; und es ist
                              sonderbar, daß dieser Vorzug eben in der schlechten
                              Beschaffenheit der gewoͤhnlichen Straßen und in der
                              Vollkommenheit der Eisenbahnen gegruͤndet ist, und desto
                              großer erscheint, je schlechter jene und je vollkommener diese
                              in Bezug auf Leichtigkeit der Bewegung sind. Da naͤmlich
                              der eigentliche Vorzug der Eisenbahnen vor den
                              gewoͤhnlichen Straßen nur in der Verminderung der Reibung besteht, welchen die
                              Raͤder an ihrem Umfange zu leiden haben, so kann sich
                              dieser Vorzug nur auf einem ganz horizontalen, oder unmerklich
                              steigenden Grunde bewahren, wo der Widerstand der Schwere gar
                              nicht, oder nur in sehr geringem Maße entgegenwirkt. Bei
                              betraͤchtlich steilen und zugleich langen Anhoͤhen
                              hingegen verschwindet dieser Vorzug in dem Verhaͤltnisse,
                              als der Widerstand der Schwere jenen der Reibung
                              uͤbertrifft; und obwohl der gesammte Widerstand zwar
                              allemal kleiner ist, als auf einer gewoͤhnlichen, unter
                              demselben Neigungswinkel ansteigenden Straße, so wird doch der
                              Unterschied zwischen beiden Arten von Fuhrwerk desto geringer,
                              je groͤßer dieser Winkel ist; und daher muß beim
                              Berganfahren auf einer Eisenbahn die Zugkraft in einem weit
                              groͤßeren Verhaͤltnisse zu jener auf der Ebene
                              vermehrt werden, als auf einer gewoͤhnlichen gemachten
                              Straße. So z.B. erfordert ein gewoͤhnlicher Frachtwagen,
                              welcher, mit 72 Centnern beladen, auf flachem
                              Lande von sechs Pferden gezogen wird, wenn derselbe uͤber
                              eine Anhoͤhe hinausgeschafft werden soll, deren Steigung
                              1 Fuß auf 12 Fuß betraͤgt, noch eine Vorspann von sechs
                              Pferden, deren jedes mit einer Kraft von 100 Pfund ziehen muß,
                              um den Widerstand der Schwere zu uͤberwinden, und es ist
                              also des Berges wegen ein doppelte
                              Bespannung (von 12 Pferden) noͤthig. Drei solche Wagen
                              werden auf der Ebene 18 und bergaufwaͤrts 36 Pferde
                              brauchen. Auf einer guten, horizontal liegenden Eisenbahn kann
                              dieselbe Ladung von 216 Centnern von einem Pferde fortgezogen
                              werden; da aber der Widerstand der Schwere auf diesen Bahnen
                              eben so stark wie auf gewoͤhnlichen Straßen
                              entgegenwirkt, so wird, wenn diese Ladung uͤber eine
                              Anhoͤhe von gleicher Steile gezogen werden soll, auch auf
                              der Eisenbahn ein Vorspann von 18 Pferden hiezu noͤthig
                              seyn, und die ganze Bespannung, welche
                                 zwar immer um 17 Pferde geringer
                                 als auf der Landstraße bleibt, wird aus 19 Pferden
                              bestehen, folglich neunzehn Mal
                                 groͤßer als auf der Ebene seyn muͤssen.
                              Man sieht hieraus, daß auch dieser so hoch gepriesene Vorzug der
                              Dampf-Fuhrwerke auf gewoͤhnlichen Straßen
                              eigentlich nur scheinbar ist, und daß der Transport auf
                              Eisenbahnen, selbst in unebenen und bergigen Gegenden, im Ganzen
                              genommen doch immer einen um Vieles geringeren Kraftaufwand als
                              auf gewoͤhnlichen Straßen erfordert. Ein zweiter Umstand,
                              welcher das Berganfahren der Dampfwagen auf Eisenbahnen um
                              Vieles schwieriger macht, als auf gewoͤhnlichen Straßen,
                              liegt eben auch in der staͤrkeren Reibung am Umfange der
                              Raͤder, welche auf einem rauhen und weichen Grunde fest
                              eingreifen,Dabei werden aber auch die Raͤder eines solchen
                                    Wagens und sein ganzes Maschinenwerk außerordentlich
                                    angegriffen. Merkwuͤrdig ist in dieser Beziehung,
                                    was einer der ausgezeichnetsten Ingenieure, Hr. Farrey, welcher bei keiner solchen
                                       Unternehmung interessirt ist, vor derselben
                                    Commission ausgesagt; hat: „„Es ist mir
                                       noch keine Dampfkutsche vorgekommen, deren
                                       Maschinerie so stark und dauerhaft waͤre, daß
                                       sie, ohne Gefahr zu zerbrechen, auch nur einen
                                       maͤßig steilen Berg hinauffahren
                                       koͤnnte; denn obgleich sie durch
                                       Anhaͤufung ihrer Dampfkraft bergauf fahren,
                                       so werden doch die Maschinentheile dabei so
                                       angestrengt, daß sie auf die Dauer dieser Arbeit
                                       nicht gewachsen seyn duͤrften. Wenn man sie
                                       mit Beibehaltung der jezigen Bauart so stark
                                       anfertigen wollte, daß sie das Berganfahren, an
                                       steilen Bergen gut vertragen koͤnnten, so
                                       wuͤrden sie fuͤr die
                                       gewoͤhnlichen Leistungen (auf der Ebene) zu
                                       schwer ausfallen.““ – Wie
                                    hoͤchst gefaͤhrlich das Anhaͤufen
                                    oder Steigern der Dampfeskraft im Kessel ist, haben wir
                                    bereits bemerkt. waͤhrend sie auf den glatten eisernen Schienen
                              sich schleifend umdrehen, ohne den Wagen vorwaͤrts zu
                              bringen. Dieses lezte Hinderniß waͤre indessen noch
                              leicht zu beseitigen, wenn man es in seiner Gewalt
                              haͤtte, die Kraft der Dampfmaschine nach Belieben, und,
                              so wie der Widerstand des Fuhrwerkes sich veraͤndert, zu
                              verstaͤrken und zu modificiren. Da aber dieses, ohne die
                              groͤßte Gefahr von Explosionen oder
                              Unterbrechungen, auch nur bis auf einen kleinen Grad, z.B. auf
                              eine Verdoppelung der dynamischen Kraft des Dampfes,
                              unmoͤglich ist, so ist man, nach
                                 dem gegenwaͤrtig angenommenen Systeme, bei der
                              Anlage von Eisenlahnen genoͤthigt, an jeder schiefen
                              Flaͤche, welche mehr als 1 auf 90 ansteigt, die Wagen an
                              langen Seilen durch eine auf dem hoͤchsten Punkte
                              erbaute, feststehende Dampfmaschine (Stationary Engine) hinaufzuziehen, oder alle
                              Ungleichheiten des Terrains zu ebenen, und durch Abgraben aller
                              Erhoͤhungen, Ausfuͤllung aller Vertiefungen,
                              Auffuͤhrung hoher und langer Daͤmme, durch tiefe
                              Einschnitte oder unterirdische Galerien (Stollen) ein
                              kuͤnstliches Niveau auf der ganzen Linie der zu
                              errichtenden Eisenbahn herzustellen. Beide Mittel sind jedoch
                              mit sehr bedeutenden Schwierigkeiten und Kosten verbunden. Am
                              die Wagenzuͤge bei ihrer Ankunft am Fuße einer
                              Anhoͤhe ohne Aufenthalt weiter zu foͤrdern, muß
                              das Feuer unter dem Kessel der feststehenden Maschine
                              bestaͤndig so unterhalten werden, daß dieselbe jeden
                              Augenblik mit ihrer vollen Wirkung in Gang gesezt werden kann.
                              Brennmaterial und Dampf muͤssen daher, wenn der Verkehr
                              nicht so außerordentlich stark ist, daß die Wagenzuͤge
                              sich in dichten Reihen schnell auf einander folgen, in den oft
                              Stunden langen Zwischenraͤumen unnuͤz verschwendet
                              werden. Auch unterliegen die langen Seile einer sehr starken
                              Reibung und Abnuͤzung, wodurch ihre Unterhaltung sehr
                              kostbar wird.Die Behandlung dieser schiefen Flaͤchen mit Meilen
                                    langen Seilen ist nicht nur aͤußerst
                                    beschwerlich, sondern selbst gefaͤhrlich. Durch
                                    das Brechen solcher Seile waͤhrend des Zuges sind
                                    in England schon haͤufige
                                    Ungluͤksfaͤlle von der schreklichsten Art
                                    entstanden. A. d. O.
                              
                           Nach groͤßere Auslagen verursachen die zu einer ganz
                              ebenen und gleichfoͤrmigen Terrassirung erforderlichen
                              Erd- und Mauer-Arbeiten, welche, wie wir schon bei
                              mehreren anderen Gelegenheiten gezeigt haben, in manchen
                              Gegenden die Kosten der eigentlichen Eisenbahn oft um das
                              Sechsfache uͤbersteigen.Durch meine, im Polytechnischen Journal, XLI. Band, 1.
                                    Hefte von 1831, und im Allgemeinen Anzeiger der
                                    Deutschen N. 43–44
                                    vom gegenwaͤrtigen Jahre angekuͤndigten
                                    Verbesserungen werden die beiden hier angezeigten Mittel
                                    entbehrlich, und man kann auf einer nach meinem neuen
                                    Systeme gebauten Eisenbahn die schwersten
                                    Wagenzuͤge mit einer bedeutenden Geschwindigkeit
                                    uͤber die steilsten, laͤngsten und
                                    hoͤchsten Anhoͤhen schaffen.
                              
                           Alle diese Kosten und Schwierigkeiten wuͤrden nun
                              fuͤglich mit einem Male gehoben, wenn man gar keine
                              Eisenbahnen mehr brauchte, und alle Arten von Transport durch
                              Dampf-Fuhrwerke auf gewoͤhnlichen Straßen eben so
                              leicht, schnell und wohlfeil betreiben koͤnnte. Daß aber
                              dieser Zwek bisher noch keineswegs erreicht worden, geht aus
                              allen bis auf den heutigen Tag gemachten Erfahrungen hervor, und
                              daß er hoͤchst wahrscheinlicher Weise nie erreicht werden
                              wird, glaube ich in gegenwaͤrtigem Aufsaze und im 1sten
                              Octoberhefte des Polytechnischen Journals von 1832 durch
                              unbestreitbare Gruͤnde gezeigt zu haben. Nach dem
                              Berichte der zur Pruͤfung der neuesten Versuche ernannten
                              Commission beschrankt sich, wie bereits erwaͤhnt wurde,
                              die Anwendbarkeit dieser Dampfkutschen nur auf den Transport von
                              Reisenden mit einer Geschwindigkeit von 10 Meilen auf die
                              Stunde, also kaum die Haͤlfte von jener, mit welcher auf
                              der Eisenbahn zwischen Liverpool und Manchester gefahren wird;
                              und ich glaube bewiesen zu haben, daß selbst diese
                              Geschwindigkeit ohne die groͤßte Gefahr nicht eingehalten
                              werden koͤnnte. Der groͤßte Vortheil, welchen die
                              Substituirung der Dampfkraft an die Stelle der thierischen
                              Kraͤfte gewahren kann, geht also schon verloren. Da es
                              sich ferner aus den Aussagen der vernommenen Zeugen selbst
                              ergibt, daß ein solcher Dampfwagen nur hoͤchstens 16
                              Passagiere aufnehmen kann, wogegen ein einziger Dampfwagen (der
                              Simson) auf der Liverpooler Eisenbahn eine Reihe
                              angehaͤngter Wagen mit 108 1/4 Tonnen Ladung mit einer
                              mehr als doppelten Geschwindigkeit zu ziehen vermag; was (15
                              Personen auf eine Tonne gerechnet) zum Fortschaffeil von 1623
                              Passagieren hinreichen wuͤrde, so ist klar, daß dieser
                              leztere in derselben Zeit zwei Mal 1623 oder 3246 Reisende eben
                              so weit bringen kann, als ein Dampfwagen à la Hancock,
                              Ogle oder Church mit 16 Passagieren gelangt, und daß folglich
                              fuͤr einen Dampfwagen auf einer Eisenbahn 3246/16 = 202
                              solcher Dampfwagen auf der gewoͤhnlichen Straße
                              fuͤr denselben Transport gehalten werden
                              muͤßten.
                           Da ferner die Abnuͤzung dieser Wagen und Maschinen auf
                              gewoͤhnlichen Straßen, selbst bei einer langsameren
                              Bewegung, wenigstens zwei Mal staͤrker als auf einer
                              Eisenbahn seyn muß, so wild die Unterhaltung von 202 Dampfwagen
                              auf der Landstraße 400 Mal so viel als die eines einzelnen
                              Dampfwagens auf der Eisenbahn kosten. Hiezu kommen dann noch:
                              der zwanzig bis dreißig Na! groͤßere Aufwand von
                              Brennmaterial, welcher zum Betriebe von so vielen Maschinen
                              erfordert wird; die Kosten, welche das Beifuͤhren so
                              bedeutender Massen von Steinkohlen an die
                              Fuͤllungs-Stationen verursacht, welche am ganzen
                              Wege, und zwar in weit kuͤrzeren Entfernungen von
                              einander, folglich in groͤßerer Anzahl errichtet werden
                              muͤssen, und die kostbare Unterhaltung dieser Stationen
                              selbst, an deren jeder in einem besonderen kleinen
                              Gebaͤude ein Brunnen, ein Pumpwerk, ein bestaͤndig
                              geheizter Kessel und ein Arbeiter sich befinden muͤssen,
                              um die Behaͤlter der Dampfwagen mit heißem Wasser zu
                              versehen, weil durch Nachfuͤllen mit kaltem Wasser die
                              Dampferzeugung in den Kesseln unterbrochen und der
                              Gang der Maschinen gehemmt, oder wenigstens geschwaͤcht
                              wuͤrde.Nach der Angabe Robert Stephenson's in seinen 1830 zu Liverpool
                                    erschienenen Observations on the
                                       comparative merits of Locomotive and fixed Engines,
                                       as applied to Railways, Seite 31, betragen die
                                    jaͤhrlichen Kosten einer solchen Station (water Station) 104 Pfd.
                                    Sterl.
                              
                           Durch eine Zusammenstellung und genaue Berechnung aller dieser
                              Kosten und bestaͤndigen Auslagen waͤre es leicht,
                              den Beweis zu fuͤhren, daß die Summe derselben, statt
                              einer beabsichtigten Ersparung, den Transport ungleich theurer
                              als auf der kostbarsten Eisenbahn machen wuͤrde, ja daß
                              man selbst in solchen Gegenden, wo das Brennmaterial
                              aͤußerst wohlfeil zu haben ist, mit Pferden noch weit
                              wohlfeiler, und dabei schneller, bequemer und sicherer auf
                              unseren Landstraßen faͤhrt, als es mit solchen Dampfwagen
                              moͤglich waͤre.
                           In keinem Falle ist daher zu befuͤrchten, daß diese alten,
                              laͤngst aufgegebenen, und jezt mit neuem Eifer wieder
                              aufgewaͤrmten Hochstraßen-Dampf-Projecte
                              irgendwo einem rationellen, vollkommneren und
                              oͤkonomischeren Eisenbahn-Systeme nachtheilig
                              werden koͤnnen; und die im London
                                 Journal of Arts vom Monat Julius 1832 ausgesprochenen
                              sanguinischen Hoffnungen des Dr.
                                 Church, „„daß seine Verbesserungen an
                                 den Dampfkesseln einen so gewaltigen Kraftgewinn
                                 gewaͤhren werden, daß die Eisenbahnen an den
                                 gewoͤhnlichen Chausseen einen unuͤberwindlichen Nebenbuhler, und das
                                 Publikum auf den lezteren eine wohlfeilere, gefahrlosere und
                                 eben so schnelle Befoͤrderung finden
                                 werden,““ duͤrften wohl schwerlich
                              je in Erfuͤllung kommen.Wenn durch irgend eine Verbesserung oder neue
                                    Construction eines Dampfkessels so viel Kraft gewonnen
                                    werden soll, daß ein mit einem solchen Kessel versehener
                                    Dampfwagen auf einer gewoͤhnlichen Landstraße mit
                                    demselben Aufwande von Brennmaterial und mit derselben
                                    Geschwindigkeit eine gegebene Ladung fortzuschaffen
                                    vermag, als gegenwaͤrtig zu derselben Wirkung auf
                                    einer Eisenbahn erfordert wird, so muß ein solcher
                                    Kessel (bei demselben Gewichte) wenigstens zwoͤlf Mal so viel Dampf von
                                    gleicher Spannkraft erzeugen, als die bis jezt auf den
                                    Eisenbahnen angewendeten Kessel unter uͤbrigens
                                    vollkommen gleichen Umstaͤnden erzeugen
                                    koͤnnen. Wenn wir nun auch annehmen, daß eine so
                                    gewaltige Kraftvermehrung
                                    moͤglich, und durch die Verbesserungen des Dr. Church wirklich zu
                                    Stande gebracht sey, so entsteht hiedurch offenbar doch
                                    kein uͤberwiegender Vortheil fuͤr die
                                    Landstraßen vor den Eisenbahnen, sondern nur ein Vorzug
                                    dieser neuerfundenen Dampfkessel vor den bis jezt
                                    gebraͤuchlichen Kesseln; und es wird alsdann
                                    nichts im Wege stehen, dieselben Wunderkessel auch auf
                                    den Eisenbahnen anzuwenden, wo ihre Wirkung jene auf
                                    gewoͤhnlichen Straßen wieder in demselben
                                       Verhaͤltnisse, wie jezt,
                                    uͤbertreffen wird.
                              
                           Ich mache keinen Anspruch auf die Wundergabe der Prophezeihung;
                              aber ich getraue mir, mit Jedem, der hiezu Luft hat, eine Wette
                              einzugehen, daß die Actiengesellschaft, welche
                              gegenwaͤrtig zur Unternehmung eines regelmaͤßigen
                              Dampfwagen-Transportes, sowohl fuͤr Guͤter
                              als fuͤr Reisende, zwischen London und Birmingham sich
                              gebildet, und dazu vorlaͤufig ein Capital von 200,000
                              Pfd. Sterl. bestimmt hat – es mag eine auf derselben
                              Linie projectirte Eisenbahn zu Stande kommen oder nicht –
                              mit einem Bankerotte endigen wird.Ein Londoner Correspondent des Morgenblattes berichtet in
                                    N. 223 vom 17. September
                                    1832:„„Ueber dem großen Problem der
                                       Dampfwagen auf gewoͤhnlichen Landstraßen geht
                                       in England ein Unternehmen nach dem andern zu
                                       Grunde.““
                              
                           Muͤnchen, den 10. April 1833.
                           Joseph Ritter von Baader.