| Titel: | Bericht des Hrn. Julia de Fontanelle über Hrn. J. Wislin's Methode das Fleisch zu troknen und aufzubewahren; erstattet am 30. Junius 1832. | 
| Fundstelle: | Band 48, Jahrgang 1833, Nr. XXXIX., S. 225 | 
| Download: | XML | 
                     
                        
                        XXXIX.
                        Bericht des Hrn. Julia de
                              Fontanelle uͤber Hrn. J. Wislin's
                           Methode das Fleisch zu troknen und aufzubewahren; erstattet am 30.
                           Junius 1832.
                        Aus dem Recueil
                                 industriel. December 1832, S.
                              270.
                        Bericht uͤber die Methode das Fleisch zu
                           troknen und aufzubewahren.
                        
                     
                        
                           Schon seit vielen Jahren beschaͤftigten sich viele
                              Gelehrte, und besonders die Société d'encouragement mit der
                              Aufbewahrung des Fleisches durch andere Mittel, als durch das
                              gewoͤhnliche Einsalzen. Lagrange, welcher seine bekannten und hoͤchst
                              wichtigen Versuche uͤber die Ernaͤhrung des
                              Menschen anstellte, hatte gefunden, daß ein gesunder Mensch des
                              Tages beilaͤufig 1 Kilogramme feste Nahrungsmittel
                              noͤthig habe, und daß dieses Gewicht zu 2 Theilen aus
                              thierischen und zu 7 Theilen aus vegetabilischen Substanzen
                              bestehen muͤsse. Da es nun erwiesen ist, daß die
                              thierischen Substanzen weit mehr Nahrungsstoff enthalten, als
                              die vegetabilischen, und daß beide in dem eben angegebenen
                              Verhaͤltnisse zur Unterhaltung und Vermehrung der
                              Muskelkraft beitragen, so war man bedacht fuͤr die
                              Marine, fuͤr Festungen etc. Vorraͤthe von Fleisch
                              anzulegen, indem man dasselbe einsalzte. So gut nun diese
                              Aufbewahrungsmethode auch ist, so gewaͤhrt sie doch viele
                              allgemein bekannte Nachtheile; ja es ist im Gegentheile
                              erwiesen, daß ein vollkommener Troknungsproceß des Fleisches dem
                              Einsalzen weit vorzuziehen ist. Dieses Troknen erfordert aber
                              ein Verfahren, welches noch nicht gehoͤrig bekannt ist,
                              obschon man weiß, daß Hr. Vilaris,
                              Apotheker zu Bordeaux, Fleisch zubereitete, welches 10 Jahre
                              lang im Muͤnzgebaͤude dieser Stadt aufbewahrt
                              wurde, ohne die geringste Veraͤnderung erlitten zu haben.
                              Hr. d'Arcet versichert
                              naͤmlich, daß das Geheimniß des Hrn. Vilaris leider mit seinem Erfinder zu
                              Grabe gegangen sey, weil es der damaligen Regierung nicht genehm
                              war, dasselbe um die gelinge Summe, welche der Erfinder
                              verlangte, an sich zu kaufen. Man weiß, daß auch die Tartaren
                              und die Mexicaner das Fleisch troknen, und zwar erstere, um es
                              gegen die Einfluͤsse der Kaͤlte, und leztere, um
                              es gegen die Einfluͤsse der Hize zu schuͤzen. In
                              einem Theile der Tartarei treibt man dieses Troknen sogar so
                              weit, daß sich das getroknete Fleisch leicht zu Pulver zerreiben
                              laͤßt. Mir selbst ist es, wie ich dieß im Jahre 1828 der
                              koͤnigl. Akademie der Wissenschaften zeigte, gelungen,
                              das Fleisch so zu troknen, daß es zu Pulver zerrieben werden
                              konnte.Hr. Julia de Fontanelle
                                    beschaͤftigt sich seit langer Zeit mit dem
                                    Troknen und Aufbewahren des Fleisches, und zwar theils
                                    in Hinsicht auf die Bereitung
                                    eines dem Verderben nicht unterworfenen, thierischen
                                    Nahrungsmittels, theils in Hinsicht auf die
                                    Einbalsamirung der Cadaver, wozu er eine eigene Anstalt
                                    errichten will. Er legte der Akademie der Wissenschaften
                                    im Jahre 1828 sehr schoͤne Stuͤke Fleisch
                                    vor, die er bereits 8 Jahre lang aufbewahrt hatte; er
                                    uͤbergab auch Hrn. Breschet getroknetes, pulverisirbares Fleisch,
                                    und Hrn. Geoffroy St. Hilaire
                                    einen vollkommen getrokneten Fisch. Das Verfahren dieses
                                    Chemikers ist, in einem, auf dem Sekretariate des
                                    Instituts niedergelegten, versiegelten. Pakete
                                    beschrieben. A. d. O.
                              
                           
                           Es gibt einige Gegenden, in welchen man die thierischen
                              Substanzen nur der Einwirkung der Sonnenstrahlen auszusezen
                              braucht, um sie vollkommen zu troknen und deren Aufbewahrung
                              moͤglich zu machen. So sagt z.B. Becher (Phys. subt. Lib. I.
                                 cap. 1.): Nam Cadavera in
                                 Oriente, in arena, imo apud nos in furnis siccari, et sic ad
                                 finem mundi usque a putredini presercari certum est. In
                              Aegypten wirkt die Trokenheit der Luft und die Hize des Clima's
                              dergestalt, daß Fleisch, wenn man es selbst im Sommer dem
                              Nordwinde aussezt, nicht nur nicht fault, sondern wie ein
                              Stuͤk Holz troknet. In den Wuͤsten findet man auf
                              diese Weise getroknete Leichname, welche nach Volney's Angaben
                              so leicht sind, daß ein einziger Mensch leicht das Gerippe eines
                              Kameeles emporheben kann. Die Natur scheint uns also auch hier
                              einen Fingerzeig zu geben, welchen Weg die Kunst zu befolgen
                              habe. Die Société
                                 d'encouragement glaubte, bei Erwaͤhnung der
                              Arbeiten des Hrn. Vilaris, bemerken
                              zu muͤssen, daß derselbe wahrscheinlich durch Auspressen
                              einen Theil des fluͤssigsten Saftes aus dem Fleische
                              entfernt habe. Wir koͤnnen dieser Ansicht nicht
                              beipflichten, weil ein solches Verfahren nicht nur sehr
                              schwierig waͤre, sondern auch nur sehr geringe Vortheile
                              darbieten wuͤrde; wir glauben vielmehr, daß derselbe sein
                              Fleisch nach einem Verfahren troknete, welches mit jenem des
                              Hrn. J. Wislin einige Aehnlichkeit
                              hat. Hr. Legrip uͤbersendete
                              der Akademie gleichfalls getroknetes Fleisch, allein auch die
                              Troken-Methode dieses Mannes blieb unbekannt. Hr. Turk machte im Jahre 1831 eine Notiz
                              uͤber das Aufbewahren des Fleisches und der
                              Gemuͤse bekannt, nach welcher man das Fleisch so weit
                              sieden soll, daß es genießbar wird, um es dann stark
                              auszudruͤken, und dessen Bruͤhe bis zur
                              Gallert-Consistenz einzudiken. Mit dieser Gallerte sollte
                              man das Fleisch uͤberstreichen, um es hierauf in einer
                              Trokenstube zu troknen. Im Jahre 1831 endlich unterwarf Hr. Wislin Rindfleisch, Kalb- und
                              Lammfleisch, Gefluͤgel, und Fische, welche
                              saͤmmtlich sehr gut erhalten waren, der Pruͤfung
                              der Akademie: seine Methode ist es, uͤber welche wir
                              gegenwaͤrtig Bericht erstatten.
                           Das Verfahren des Hrn. Wislin ist sehr
                              einfach, und beschraͤnkt sich auf das Eintauchen der
                              thierischen Substanzen in siedendes Wasser.
                              Dieses Eintauchen wird, je nach dem Gefuͤge der
                              Substanzen, laͤngere oder kuͤrzere Zeit hindurch
                              fortgesetz; im Allgemeinen soll dasselbe jedoch nicht
                              uͤber 5 bis Minuten dauern. Nach diesem Eintauchen
                              laͤßt man das Fleisch abtropfen legt es, mit Salz
                              uͤberstreut, in ein dem Zweke angemessenes Gefaͤß.
                              Man legt abwechselnd eine Schichte Salz und eine Schichte
                              Fleisch auf einander, und schließt zulezt mit einer Schichte
                              Salz.Die Anwendung des Salzes koͤnnte, wie Hr. Wislin sagt, auch wegbleiben.
                                    Sein Zwek bei dessen Anwendung war bloß, außen auf dem
                                    Fleische eine Salzschichte zu erzeugen, durch welche die
                                    Entwiklung von Insecten-Eiern, die allenfalls auf
                                    das Fleisch gelegt wurden, verhindert wird. A. d. O. In diesem Zustande laͤßt man das Ganze 12 Stunden
                              lang, worauf man das Fleisch herausnimmt und auf Flechtwerk in
                              eine Trokenstube bringt, deren Temperatur bestaͤndig auf
                              60° des hundertgraͤdigen Thermometers erhalten
                              wird: zu beschlennigen, muͤssen die Stuͤke Fleisch
                              taͤglich einige Male umgekehrt werden. Diese Operation
                              dauert gewoͤhnlich 2 Tage, wo dann das Fleisch 2/3 seines
                              Gewichtes verloren hat.
                           Wenn das Fleisch vollkommen getroknet ist (wovon man sich
                              sorgfaͤltig zu uͤberzeugen hat), so taucht man es
                              Stuͤk fuͤr Stuͤk in eine Aufloͤsung,
                              welche aus einem Theile Senegal-Gummi in 6 Theilen Wasser
                              bereitet worden. Dieses Eintauchen muß drei Mal wiederholt
                              werden, und jedes Mal nach demselben muß man das Fleisch wieder
                              in der Trokenstube troknen.
                           Die Muster, die wir untersuchten, werden auf diese Weise
                              behandelt; das Rindfleisch, das Kalbfleisch und das Huhn waren 5
                              Minuten lang, der Fisch hingegen nur eine Minute lang in
                              siedendem Wasser untergetaucht geblieben.
                           Das Verfahren des Hrn. Wislin
                              unterscheidet sich hiernach von jenem des Hrn. Turk dadurch, daß lezterer das
                              Fleisch kochen laͤßt, was einen viel groͤßeren
                              Zeitaufwand veranlaßt, als das Eintauchen in siedendes Wasser,
                              welches Hr. Wislin befolgt.
                           Will man nun dieses Fleisch als Nahrungsmittel benuzen, so muß
                              man es eine Stunde lang in lauwarmes Wasser einweichen, dann mit
                              kaltem Wasser abwaschen und endlich wie frisches Fleisch
                              behandeln.
                           Die Bericht-Erstattungs-Commission bemerkte Hrn.
                              Wislin, daß seine Methode
                              eigentlich nur eine vervollkommnete Einsalzungs-Methode
                              sey, und folglich dem fraglichen Zweke nicht entspraͤche.
                              Auf diese Bemerkungen hin bemuͤhte sich nun Hr. Wislin sein Verfahren noch mehr zu
                              vereinfachen und gar kein Salz dazu anzuwenden; er sandte neue,
                              nach diesem modificirten Verfahren zubereitete Muster Fleisch ein, und auch diese waren vollkommen gut erhalten. Sie
                              bestanden aus Fleischstuͤken von 2 bis 6 Unzen, welche
                              auch nicht ein Atom Kochsalz enthielten, und welche so troken
                              waren, daß man sie nur mit Huͤlfe eines Hammers
                              zerkleinern konnte. Sie wurden 15 Tage lang einer feuchten Luft
                              ausgesezt, und wurden dadurch nicht nur nicht feucht, sondern
                              nahmen auch durchaus keinen uͤblen Geruch an. Die
                              Commission bewahrt bereits 3 Monate lang von diesem Fleische
                              auf, ohne daß dasselbe auch nur die geringste
                              Veraͤnderung erlitten haͤtte. Wir haben mehrere
                              Stuͤke davon eine Stunde lang in laues Wasser getaucht,
                              um den Gummi-Ueberzug zu entfernen, sie dann mit kaltem
                              Wasser abgewaschen, und zulezt theils unter Zusaz von Kochsalz
                              und Gruͤnzeug, theils ohne allen Zusaz, wie
                              gewoͤhnliches frisches Fleisch gekocht. Das gekochte
                              Fleisch zeigte sich sehr weich und von gutem Geschmake; allein
                              es war mehr faserig, als das frische Fleisch zu seyn pflegt.
                              Dieß ist aber auch nicht anders moͤglich; denn, welches
                              Verfahren man auch zum Troknen und Aufbewahren des Fleisches
                              anwenden mag, so entsteht in einigen Bestandtheilen des
                              Fleisches eine Art Reaction, welche immer einige
                              Beraͤnderungen in denselben bewirken muß. So
                              koͤnnen z.B. weder eingesalzene, noch getroknete, noch
                              geraͤucherte, noch selbst in Oehl oder auf irgend eine
                              andere Weise aufbewahrte Fische doch nie mit frischen Fischen
                              verglichen werden; sie werden immer nur die dem Fischfleische im
                              Allgemeinen zukommenden Eigenschaften besizen. Hr. Wislin behauptet deßhalb auch nicht,
                              daß die nach seiner Methode behandelten thierischen Substanzen
                              denselben Substanzen in frischem Zustande gleich seyen; er sagt
                              bloß, daß sie denselben nahe kommen. Was die
                              Fleischbruͤhe betrifft, die das gekochte Fleisch gab, so
                              fanden wir sie etwas schlechter, als die aus frischem Fleische
                              bereitete Suppe; allein doch viel besser, als jene, die man
                              durch Aufloͤsung der Gallerte erhaͤlt. Doch
                              muͤssen wir gestehen, daß die mit Gruͤnzeug,
                              Gewuͤrznelken etc. aromatisch gemachte Bruͤhe des
                              gekochten Fleisches mit unserer gewoͤhnlichen
                              Fleischbruͤhe die groͤßte Aehnlichkeit hat. Der
                              geringe Unterschied zwischen beiden Bruͤhen oder Suppen
                              liegt nur darin, daß die aus dem getrokneten Fleische bereitete
                              etwas weniger Osmazom enthaͤlt, indem beim Eintauchen des
                              Fleisches in das siedende Wasser etwas Osmazom aufgeloͤst
                              wird; es erhellt dieß auch aus der angestellten Untersuchung der
                              beiden Fleischbruͤhen und des Wassers, in welches das
                              Fleisch eingetaucht worden. Zu bemerken ist uͤbrigens,
                              daß das eine Stunde lang dauernde Einweichen des getrokneten
                              Fleisches in das laue Wasser, wodurch der Gummi-Ueberzug
                              weggeschafft wird, denselben Nachtheil mit sich bringt. Die
                              Commission hat daher auch geglaubt, daß Hr. J. Wislin sein Verfahren viel
                              vortheilhafter machen koͤnnte, wenn er das Fleisch nicht
                              in eine Gummi-, sondern in eine
                              Gallerte-Aufloͤsung tauchte, wie dieß Hr. Turk that. Uebrigens gehoͤrt
                              dieses Verfahren eigentlich auch nicht diesem lezteren an, denn
                              bereits Hr. d'Arcet benuzte dasselbe
                              zur Aufbewahrung der Knochen, und entnahm die Idee dazu aus
                              einem im Jahre 1818 von Hrn. Plowden
                              in England genommenen Patente, wornach man das Fleisch in eine
                              sehr starke Fleischbruͤhe oder
                              Gallerte-Aufloͤsung tauchen, und dann an freier
                              Luft troknen soll. Diese Gallerte-Aufloͤsung
                              sollte in den von d'Arcet angegebenen
                              Verhaͤltnissen bereitet werden, d.h. man sollte
                              ungefaͤhr 30/100 getroknete Gallerte nehmen und dieselbe
                              bis auf 80 oder 90° des hundertgraͤdigen
                              Thermometers erhizen. Die Commission glaubt ferner, daß es
                              besser waͤre, wenn Hr. J. Wislin in dem Wasser, in welches er das Fleisch
                              eintauchen will, vorher beilaͤufig 10/100, Gallerte
                              aufloͤsen lassen wuͤrde. Wir selbst haben Fleisch
                              nach seiner Methode und mit dieser Verbesserung behandelt, und
                              dabei folgende Vortheile wahrgenommen: 1) man braucht das
                              Fleisch vor dem Zusezen nicht in lauwarmes Wasser einzuweichen,
                              und auch nicht mit kaltem Wasser abzuwaschen; 2) das Eintauchen
                              in Wasser von 50° bezwekt bei der Modification, welche
                              wir vorschlagen, nichts weiter, als ein Aufblaͤhen des
                              Fleisches; 3) endlich die Gallerte schuͤzt das Fleisch
                              nicht nur gegen die Einwirkung der Luft, sondern vermehrt auch
                              die nahrhaften Stoffe in der Suppe. Wir haben Hrn. Wislin alle diese Bemerkungen
                              mitgetheilt, und er hat sich bewogen gefunden, dieselben in
                              ihrem ganzen Umfange zu befolgen. Die Praͤparate, die er
                              uns seither lieferte, sind von ausgezeichneter
                              Schoͤnheit, und wie wir uͤberzeugt sind, als
                              Nahrungsmittel tauglicher und zwekmaͤßiger, als
                              eingesalzenes Fleisch.
                           Obschon nun die Vorschriften und Methoden des Hrn. Wislin wahrscheinlich noch vieler
                              Verbesserungen faͤhig seyn duͤrften, so scheinen
                              uns doch selbst jene Producte, die er gegenwaͤrtig schon
                              erhielt, fuͤr die Verproviantirung der Marine sowohl als
                              der Festunzen den Vorzug vor dem eingesalzenen Fleische zu
                              verdienen. Die Commission sieht sich daher veranlaßt der
                              Gesellschaft vorzuschlagen, Hrn. Wislin eine doppelte Preis-Medaille fuͤr
                              seine Erfindung zuzuerkennen.