| Titel: | Ueber das vor Antwerpen benuzte Mörser-Ungeheuer. | 
| Fundstelle: | Band 48, Jahrgang 1833, Nr. XLVIII., S. 260 | 
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                        XLVIII.
                        Ueber das vor Antwerpen
                           benuzte Moͤrser-Ungeheuer.
                        Aus dem United Service
                                 Journal im Mechanics Magazine,
                              No. 500.
                        Mit Abbildungen auf Tab. IV.
                        Ueber das vor Antwerpen benuzte
                           Moͤrser-Ungeheuer.
                        
                     
                        
                           Die Idee des ungeheuren, bei der Belagerung Antwerpens so
                              beruͤhmt gewordenen Moͤrsers gehoͤrt dem
                              ruͤhmlich bekannten Obersten Paixhans von der franzoͤsischen Artillerie an;
                              der Guß desselben erfolgte in der koͤniglichen Gießerei
                              zu Luͤttich unter der Leitung des belgischen
                              Kriegsministers, Hrn. Baron von Evain. Das ganze Ungeheuer, wie man dasselbe zu nennen
                              pflegte, hat 4 Fuß 11 Zoll in der Laͤnge, 39 1/2 Zoll im
                              Durchmesser und 24 1/2 Zoll in der Bohrung; sein Gewicht
                              betraͤgt 14,700 Pfunde. Die leeren Kugeln fuͤr
                              dieses Monstrum wogen nicht weniger als 916 Pfunde;
                              gefuͤllt betrug ihr Gewicht, da 99 Pfund Pulver zur
                              Fuͤllung noͤthig waren, die Last von 1015 Pfunden!
                              Die Pulverkammer ist so groß, daß sie 30 Pfund aufzunehmen im
                              Stande ist; allein, wie man spaͤter sehen wird, reicht
                              eine weit geringere Menge Pulver hin, wenn die Bomben nur auf
                              800 bis 900 Yards geschleudert zu werden brauchen. Das Gewicht
                              der hoͤlzernen Bettung, in welcher sich der
                              Moͤrser befand, belaͤuft sich auf 16,000
                              Pfunde.
                           Fig. 8 stellt einen Durchschnitt des Moͤrsers
                              vor, waͤhrend Fig. 9
                              ein Durchschnitt einer Bombe mit ihrer Ladung und ihrem
                              Zuͤnder ist.
                           Mit Ausnahme des Moͤrsers zu Moskau, dessen Bohrung 36
                              Zoll im Durchmesser hat, und aus welchem, wenn er ja ein Mal
                              angewendet wurde, gewiß nur steinerne Kugeln geworfen wurden,
                              ist der Paixhans'sche Moͤrser gewiß das groͤßte
                              unter allen bisher bekannt gewordenen Geschuͤzen. Die
                              großen Geschuͤze, deren man sich am Anfange des 18ten
                              Jahrhunderts auf dem Continente haͤufig bediente, und
                              welche unter dem Namen der Karthaunen bekannt waren, hatten
                              selten uͤber 70 bis 80 Centner, und warfen nur Kugeln,
                              die nicht uͤber 60 Pfund wogen.Eine dieser Maschinen, die unter dem Namen der faulen
                                    Meze bekannt war, befand sich auf den Waͤllen der
                                    Schleuße zu Dresden, als der große Friedrich im Jahre
                                    1760 diese Stadt belagerte. Sie war der Ruin der hinter
                                    ihr befindlichen Haͤuser und der Schreken aller
                                    Nachbarn; die durch das Abfeuern derselben
                                    hervorgebrachte Erschuͤtterung war wirklich auch
                                    so groß, daß der commandirende Officier
                                    gewoͤhnlich so mitleidig war, die Zeit des
                                    Abfeuerns vorher genau zu bestimmen. Man konnte die
                                    Leute dann die Straßen auf und ablaufen sehen und
                                    schreien hoͤren: „Heute wird die faule
                                       Meze drei Mal, um 6 Uhr Morgens, um Mittag und um 7
                                       Uhr Abends, abgefeuert!“ Auf diese
                                    Ankuͤndigung wurden jedes Mal alle Fenster
                                    geoͤffnet, und Alles, was zerbrechlich war, an
                                    einen sicheren Ort geschafft; ja Maͤnner, Weiber
                                    und Kinder fielen betend auf die Knie, und nahmen keinen
                                    Bissen Nahrung zu sich, bis die faule Meze ihren Dienst
                                    vollbracht hatte! Anm. des United
                                       Service Journal.
                                    
                              
                           Dieses Ungeheuer wurde nun auf einem eigens zu diesem Behufe
                              erbauten Wagen aus der Gießerei zu Luͤttich bis auf die
                              Heide von Braeschaet bei Antwerpen gefahren, wo es am 17.
                              December ankam. Den Tag darauf wurde in Gegenwart mehrerer
                              franzoͤsischer und belgischer Officiere ein
                              vorlaͤufiger Versuch damit angestellt, indem die
                              Versuche, welche man zu Luͤttich damit unternahm,
                              entweder wegen eines Fehlers in den Kugeln oder in der
                              Abfeuerungsmethode mißlungen waren. Man versuchte sowohl den
                              gewoͤhnlichen hoͤlzernen Pfropf, als eine aus
                              zusammengedrehtem Stroh bestehende Vorladung: allein, ein Paar
                              Faͤlle ausgenommen, zersprang das Geschoß jedes Mal in
                              dem Augenblike, in welchem es aus dem Moͤrser trat. Man
                              schrieb dieß einer zu geringen Dike der Bomben zu, und war der
                              Meinung, daß dieselben hauptsaͤchlich wegen des großen
                              Durchmessers ihrer Hoͤhle am Boden an jenem Theile, der
                              mit der Ladung in Beruͤhrung kommt, nicht genug
                              Staͤrke besaßen, um dem Stoße, den das
                              Pulver, und die Erschuͤtterung, welche die Luft darauf
                              ausuͤbt, gehoͤrigen Widerstand leisten zu
                              koͤnnen. Man ließ daher neue Bomben, und zwar von den in
                              Fig. 9
                              ersichtlichen Verhaͤltnissen gießen; mit diesen machte
                              man anfaͤnglich 8 bis 10 Versuche, wobei man die Bomben
                              mit Sand fuͤllte, und sie mit allmaͤhlich
                              steigenden Ladungen von 6 bis zu 12 Pfunden abfeuerte. Nachdem
                              diese Versuche genuͤgend ausfielen, wurden die Bomben mit
                              1/3 und dann mit ihrer ganzen Ladung Pulver gefuͤllt. Von
                              6 Bomben zersprang nur eine an der Muͤndung des
                              Moͤrsers; die uͤbrigen fielen in der Naͤhe
                              der Tartsche nieder, und zerplazten daselbst mit solcher Gewalt,
                              daß sie die Erde im Umfange von mehreren Kubikfußen aufrissen,
                              und daß die Splitter derselben bis auf 450 Yards aus einander
                              flogen. Die Bomben wurden mittelst eines Bokes auf gleiche
                              Hoͤhe mit der Muͤndung des Cylinders gehoben,
                              indem sich an diesem Boke eine Drehstange befand, an deren einem
                              Ende zwei Ketten mit Haken, die die Ringe der Bomben faßten,
                              angebracht waren, waͤhrend an dem anderen Ende ein
                              Gewicht angehaͤngt war, welches dem Gewichte der Bombe
                              gleichkam. Auf diese Weise konnten die Bomben sehr leicht in die
                              Kammer herabgelassen werden, wo dann eine aus zusammengedrehtem
                              Strohe bestehende Vorladung als Pfropf angewendet wurde. Die
                              Operation des Ladens erforderte nach diesem Manoeuver jedes Mal
                              zwischen 37 und 50 Minuten. Das Zuͤndloch war mit einem
                              Feder-Detonator versehen, welchen der Mann, der den Schuß
                              abfeuerte, und der sich hinter einem Querlaufe befand, mittelst
                              eines langen Strikes anzog.
                           Nachdem nun diese vorlaͤufigen Versuche die Brauchbarkeit
                              dieses monstroͤsen Geschuͤzes erwiesen hatten,
                              wurde dasselbe in eine Batterie gebracht. 8 Pferde waren zum
                              Weiterschaffen des Wagens, auf welchem sich der Moͤrser
                              befand, und eben so viele zum Fortschaffen seiner Bettung
                              noͤthig. Man stellte ihn 800 Yards von der
                              Fernando-Bastion der Citadelle auf. Um Mitternacht vom
                              21. auf den 22. wurde er mit 12 1/2 Pfund Pulver geladen und zum
                              ersten Male losgeschossen: die Bombe wurde wirklich in die
                              Festung geschleudert und zerplazte in der Nahe des großen
                              Pulvermagazines. Bei dem zweiten Schusse, der eine Stunde
                              spaͤter erfolgte, zerplazte die Bombe gleich außerhalb
                              der Muͤndung des Moͤrsers, und zwar nicht durch
                              eine Explosion des Zuͤnders, sondern in Folge der
                              geringen Festigkeit der Kugel. Es wurde daher die groͤßte
                              Sorgfalt bei der Auswahl der Bomben empfohlen: man nahm nur
                              solche, deren Boden diker war. Den Tag darauf wurde der
                              Moͤrser mehrere Male in gehoͤrigen
                              Zwischenraͤumen mit bestem Erfolge abgefeuert; man konnte
                              die Bombe leicht mit freiem Auge auf ihrem Fluge verfolgen, denn
                              sie sah wie ein großer Fangball aus und schien
                              sich nur langsam fortzubewegen. Am 23. capitulirte General
                              Chassé, und mithin war die Gelegenheit zu weiteren
                              Erfahrungen mit diesem fuͤrchterlichen Apparate
                              beendigt.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
