| Titel: | Ueber die Silberproben auf nassem Wege; von F. X. Haindl. Scheider bei dem k. Haupt-Münzamte in München. | 
| Autor: | F. X. Haindl | 
| Fundstelle: | Band 49, Jahrgang 1833, Nr. XXI., S. 108 | 
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                        XXI.
                        Ueber die Silberproben auf nassem Wege; von
                           F. X. Haindl. Scheider
                           bei dem k. Haupt-Muͤnzamte in Muͤnchen.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              II.
                        Haindl, uͤber die Silberproben auf nassem Wege.
                        
                     
                        
                           Der Mangel an mathematischer Genauigkeit bei den Silberproben auf trokenem Wege durch
                              die Cupellation hat in juͤngster Zeit eine Neuerung in diesem Zweige der
                              Docimasie veranlaßt, die durch den großen Kreis ihres Einflusses nicht minder
                              wichtig ist, als auch der Beweis erfreulich, den sie von den Fortschritten der
                              Chemie und der durch sie bezwekten Genauigkeit bei analytischen Arbeiten
                              lieferte.
                           Es ist naͤmlich bekannt, daß der Gehalt von Silberlegirungen
                              gewoͤhnlich durch die Cupellation bestimmt wird, welche darin besteht, daß
                              ein gegebenes Gewicht einer Silberlegirung mit einer gewissen Menge Blei auf einer
                              Kapelle aus Thon und Asche, oder aus phosphorsaurem Kalk in Fluß gebracht wird,
                              wobei die oxydirbaren Metalle mit dem Bleioxyde von der Kapelle eingesogen werden,
                              und das Gewicht des in der Kapelle zuruͤkbleibenden Silbers (Korn genannt)
                              den Gehalt bestimmt. – Dieses Verfahren stammt aus sehr alter Zeit, ist
                              einfach und schnell; gibt jedoch keine mathematisch genauen Resultate. –
                           Man hat naͤmlich die Erfahrung gemacht, daß bei den Kapellenproben immer eine
                              kleine Quantitaͤt Silber mit in die Kapelle eindringt, weßwegen der Gehalt
                              niedriger erscheinen muß, als er wirklich ist. Der Beweis hievon war, daß chemisch
                              reines Silber, auf der Kapelle abgetrieben nie mehr den Gehalt von 16 Loth oder 1000
                              Milliemes auswies, und daß, wenn man die bei den Proben gebrauchten Kapellen
                              einschmolz, das dabei erhaltene Schmelzproduct stets Silber enthielt, obgleich ganz
                              silberfreies Blei bei den Proben angewendet worden war. –
                           Man war schon lange bedacht, diesem Mangel auf irgend eine Weise abzuhelfen; allein
                              eines Theiles war keine Veranlassung da, die eine Abaͤnderung noͤthig
                              gemacht haͤtte, und anderen Theiles kannte man auch keine Mittel dazu. Erst
                              die neueren Fortschritte in der Gold- und Silber-Scheidung in
                              Frankreich, welche erlaubten 1/1000 Gold aus dem Silber mit Gewinn zu scheiden,
                              bewirkten, daß man sich ernstlich mit Auffindung von Mitteln zu Beseitigung der
                              Maͤngel, welche der Cupellation anhaͤngen, beschaͤftigte. Die
                              Scheider beklagten sich naͤmlich immer haͤufiger uͤber den
                              Verlust, den sie erlitten, wenn sie ihr aus der Scheidung erhaltenes feines Silber
                              auf den Gehalt von 900 MillièmesIn Frankreich wird der Silbergehalt nach Millièmes oder Tausendtheilen
                                    ausgedruͤkt. oder 14 Loth 7,2 Graͤn, den gesezmaͤßigen Silbergehalt in
                              Frankreich, legirten, weil die Kapellenproben statt des Gehaltes von 900, welchen
                              das Silber dem genau berechneten Kupferzusaze gemaͤß haben sollte und mußte,
                              nur einen Gehalt von 895 oder 896 Mill. (14 Loth 5,76 Graͤn oder 14 Loth 6,04
                              Graͤn) anzeigten, so daß sie stets 4 bis 5 Grammen per Kilogramm oder 1 bis 1 1/4 Graͤn per Mark, fein Silber einbuͤßten. –
                           Die Muͤnzcommission in Paris unterzog sich der Pruͤfung uͤber
                              den Grund dieser Klagen. Es wurden Legirungen verschiedenen Gehaltes aus reinem
                              Silber und Kupfer zusammengesezt, und auf der Kapelle probirt.
                           Man fand hiebei nicht nur, daß ein Silberverlust Statt finde, sondern auch, daß
                              dieser Verlust nicht bei allen Gehalten gleich sey, indem er von dem Gehalte von
                              1000 Mill., oder 16 Loth, wo er 1,03 Mill. oder 1/4 Graͤn betraͤgt,
                              progressiv bis zu dem Gehalte von 687 Mill. oder 11 Loth, wo er 4,68 Mill. oder 1
                              1/4 Graͤn betraͤgt, zunimmt, und von da bis zu dem Gehalte von 62,5
                              Mill. oder 1 Loth, wo er nur 0,44 Mill. oder 0,12 Graͤn betraͤgt,
                              wieder eben so abnimmt. –
                           Um zu erfahren, wie sich dieser Verlust an anderen Orten verhalte, wurden bekannte
                              Legirungen an mehrere Muͤnzanstalten zur Untersuchung auf der Kapelle
                              gesendet. Dadurch kam man zu der Ueberzeugung, daß die Differenzen der
                              Kapellenproben nicht absolut seyen, sondern nach den Verhaͤltnissen, unter
                              welchen die Proben gemacht werden, verschieden seyn koͤnnen. So zeigte eine
                              und dieselbe Legirung in Paris eine Differenz von 4 Mill.,Ein Millième ist ungefaͤhr 1/4 Graͤn, wovon 18 auf ein
                                    Koͤlner Loth gehen. in Wien von 1,6; in Hamburg von 2,43; in London von 3,75; in Madrid von 6,3
                              und in Neapel von 9 Mill., von dem wirklichen Gehalte. Die Ursache hievon ist, daß
                              bei der Cupellation zu viele Nebenumstaͤnde auf das Resultat der Probe
                              Einfluß haben, indem eine mehr oder weniger feste Kapellenmasse, die Temperatur des
                              Probirofens, die Menge des angewandten Bleies, und die Behandlung der Probe unter
                              der Muffel merkliche Verschiedenheiten erzeugen koͤnnen, wobei es auch nicht
                              immer in der Macht des Probirers steht, alle nachtheiligen Einfluͤsse zu
                              beseitigen. Jeder Probirer ist daher genoͤthiget, selbst den Silberverlust
                              ausfindig zu machen, den seine Proben bei den verschiedenen Gehalten auf der Kapelle
                              erleiden, um darnach eine Compensations-Tabelle zur Ausgleichung der
                              Differenzen anfertigen zu koͤnnen. –Ich habe fuͤr den Probirofen in unserer Muͤnze eine solche
                                    Compensations-Tabelle verfertiget, und die Differenzen mit Ausnahme
                                    der feinen Proben, bei welchen ich sie groͤßer fand, beinahe
                                    vollkommen mit jenen, welche in Paris angegeben wurden,
                                    uͤbereinstimmend gefunden.
                              
                           Nicht zufrieden mit dieser, vermittelst einer solchen Compensations-Tabelle
                              erzwekten Genauigkeit, versuchte man den Silbergehalt auf nassem Wege zu bestimmen.
                              Da die Versuche zeigten, daß man auf diese Weise vollkommene Genauigkeit erlange, so
                              bemuͤhte man sich, die nasse Probirart, die zur Ausfuͤhrung anfangs
                              viele Schwierigkeiten darbot, zur praktischen Anwendung geeignet zu machen, um damit
                              die Kapellenproben theils zu controlliren, theils auch, um sie so viel als
                              moͤglich dadurch zu ersezen. Dieses gelang vorzuͤglich durch die
                              Bemuͤhungen Gay-Lussac's, welcher in seinem
                              neuesten Werke: „Instruction sur l'essai des
                                    matières d'argent par la voie humide. Paris 1832,“
                              eine Beschreibung des Verfahrens bei den Proben auf nassem Wege nebst einer
                              Anweisung dazu lieferte, wodurch man nun in den Stand gesezt ist, viel sicherer und
                              beinahe eben so schnell auf nassem, als auf trokenem Wege zu probiren.Eine kurze Beschreibung von Gay-Lussac's
                                    Probirverfahren wurde bereits im XL. Bd.
                                       S. 455 des polytechnischen Journals mitgetheilt.A. d. R.
                              
                           Dieses neue Probirverfahren besteht darin, den Gehalt eines legirten Silbers durch
                              die Menge einer Kochsalzaufloͤsung von gewisser Staͤrke zu bestimmen,
                              welche noͤthig ist, um genau alles in dem gegebenen Gewichte einer Legirung
                              enthaltene Silber niederzuschlagen. –
                           Die Grundsaͤze, auf welchen dieses Verfahren beruht, sind folgende:
                           Das Silber wird aus seiner Aufloͤsung in Salpetersaͤure durch
                              Kochsalzaufloͤsung als Chlor- oder Horn-Silber
                              niedergeschlagen. Die Menge des niedergeschlagenen Chlorsilbers wird nicht durch ihr
                              Gewicht bestimmt, was wenig sicher waͤre, und zu viele Zeit erfordern
                              wuͤrde, sondern durch das Gewicht oder Volumen einer loͤthigen Kochsalzaufloͤsung,
                              welches verwendet wurde, um genau alles in der Salpetersaͤure
                              aufgeloͤste Silber niederzuschlagen.
                           Die Menge der Kochsalzaufloͤsung wird in Tausendtheile oder Mill. getheilt,
                              und der Gehalt wird nach der Anzahl von Mill. bestimmt, welche noͤthig sind,
                              um das in Einem Gramme einer Legirung enthaltene Silber niederzuschlagen. Den Punkt
                              der vollkommenen Praͤcipitation erkennt man sehr leicht an dem
                              Aufhoͤren aller Truͤbung, wenn man die Salzaufloͤsung nach und
                              nach zur Silberaufloͤsung gießt. Ein MilligrammEin Milligramm = 0,016 Gran Apotheker-Gewicht. Silber ist in einem Gewichte der Fluͤssigkeit von 100 Grammen noch
                              sehr empfindlich, und man kann sogar 1/2 und 1/4 MilligrammDas Chlor zeigt daher die Gegenwart von Silber bis zur 400,000fachen
                                    Verduͤnnung an. sehr gut unterscheiden, wenn die Fluͤssigkeit ganz klar ist.
                              –
                           Die Kochfalzaufloͤsung wird von einer solchen Staͤrke bereitet, daß 100
                              Grammen davon, wenn man ihre Menge nach dem Gewichte bestimmt oder mißt, oder 100
                              Kubikcentimeter,Ein Kubikcentimeter ist der 100ste Theil eines Meters im Kubus, und die Menge
                                    destillirten Wassers, die er enthaͤlt, repraͤsentirt die
                                    Gewichtseinheit in Frankreich, den Grammen, daher 100 Kubikcentimeter = 100
                                    Grammen. wenn man nach dem Volumen mißt, einen Gramm reines Silber vollkommen
                              niederschlagen. Lei der Messung nach dem Gewichte ist daher 1 Millième = 1/10
                              Gramm oder Decigramm, und bei der Messung nach dem Volumen 1/10 Kubikcentimeter.
                              –
                           Dieß ist in Kurzem die Theorie der neuen Probirart. Ihre Anwendung fordert eine
                              naͤhere und umstaͤndlichere Beschreibung.
                           Vor Allem muß man sich eine Kochsalzaufloͤsung bereiten, die ganz genau die
                              oben angegebene Staͤrke hat. Wir wollen sie Normalaufloͤsung nennen.
                              Zur Bereitung dieser Normalaufloͤsung loͤst man gereinigtes Kochsalz
                              im Verhaͤltnisse von 0,5427 : 99,4573 oder 1 : 183,263 in Wasser auf; oder,
                              was wegen der Unreinheit des Kochsalzes vorzuziehen ist, man macht eine concentrirte
                              Salzaufloͤsung, und sucht durch Abdampfen einer kleinen Quantitaͤt den
                              Salz-Procentgehalt derselben. Nach diesem berechnet man, wie viel Wasser man
                              hinzufuͤgen muͤsse, um obiges Verhaͤltniß des Salzes zum Wasser
                              zu erhalten. Z.B. die concentrirte Salzaufloͤsung hielte 25 Procent Salz oder
                              250 Grammen per Kilogramm, und man wollte 100 Kilogramm
                              Normalaufloͤsung bereiten, so waͤre die Berechnung: 0,250 K. : 1 K. =
                              0,5427 K. : x = 2,1708 K. concentrirte
                              Salzaufloͤsung. Zu diesen muͤßte man daher noch 100 – 2,1708 =
                              97,8292 Kilogramm destillirtes Wasser gießen.
                           Diese nach stoͤchiometrischen Verhaͤltnissen bereitete Mischung muß
                              jedoch erst gepruͤft werden, ob sie vollkommen genau sey, und im
                              entgegengesezten Falle berichtiget werden. Zu diesem Zweke loͤst man 1 Gramme
                              chemisch reines SilberGanz reines Silber erhaͤlt man am sichersten, wenn man Chlorsilber mit
                                    Kalk und Kohle, und zwar im Verhaͤltnisse von 66,66 Kalk, 3,33 Kohle
                                    auf 100 Theile Chlorsilber, reducirt. in 7 bis 8 Grammen reiner Salpetersaͤure von 32 Baumé in einer
                              Glasflasche Fig.
                                 1 auf, fuͤllt dann die Glasroͤhre, Fig. 2, auf welcher 100
                              Grade-Abtheilungen angebracht sind, wovon jede 1 Gramm Fluͤssigkeit anzeigt, mit der
                              Normalfluͤssigkeit bis zu 0 an, und wiegt sie. Hierauf gießt man, anfangs in
                              groͤßerer Menge, am Ende aber nur tropfenweise unter bestaͤndigem
                              Schuͤtteln so lange davon zur Silberaufloͤsung, bis sich keine
                              Truͤbung mehr zeigt. Man wiegt nun die Roͤhre wieder, und wenn die
                              Gewichtsdifferenz genau 100 Grammen betraͤgt, so daß also 100 Grammen
                              Salzaufloͤsung verbraucht wurden, so ist die Normalaufloͤsung richtig
                              und wird dann in wohlgeschlossenen Gefaͤßen aufbewahrt, damit keine
                              Verdunstung von Wasser Statt finden kann, wodurch sie staͤrker werden
                              wuͤrde; betraͤgt aber die Differenz mehr oder weniger als 100, so ist
                              die Salzaufloͤsung im ersten Falle zu schwach, im zweiten zu stark, es muß
                              daher entweder Salz oder Wasser zugesezt werden. Z.B. die Differenz waͤre
                              101,2, so wuͤrde dadurch angezeigt, daß 101,2 Grammen der
                              Salzaufloͤsung um 1,2 Gramme zu viel Wasser enthalten, und es muͤßte
                              daher berechnet werden, wie viel Salz diese 1,2 Gramme Wasser nach dem angegebenen
                              Verhaͤltnisse fordern, nach folgendem Ansaze: 183,263 : 1 = 1,2 : x = 0,0065 Grammen. Man muͤßte daher so oftmal
                              0,0065 Grammen Salz zusezen, als die ganze Menge der bereiteten
                              Salzaufloͤsung 101,2 Gram wen wiegt, mithin zu 100 Kilogrammen
                              Salzaufloͤsung, 6,482 Grammen Salz. Diese Versuche muͤssen so lange
                              wiederholt werden, bis man den genauen Saͤttigungspunkt erreicht hat.
                              –
                           Die Bestimmung des Gehaltes von legirtem Silber geschieht auf folgende sehr bequeme
                              Weise:
                           Man loͤst einen Gramm der Legirung in Salpetersaͤure auf, und
                              schlaͤgt mit der Normalaufloͤsung nieder; die Gewichtsdifferenz der
                              gradirten Roͤhre nach der Faͤllung zeigt den Gehalt, wenn man den
                              Decimalstrich um eine Stelle weiter rechts ruͤkt, z.B. die Roͤhre wog
                              mit Normalaufloͤsung gefuͤllt, 199,52 Grammen, nach der
                              Faͤllung wog sie 109,31 Gr., so waͤre die Differenz 90,21, und der
                              Gehalt 902,1, nach unfern Bestimmungen 14 Loth 7,64 Graͤn. Der Grund hievon
                              ist leicht einzusehen, wenn man sich erinnert, daß ein Mill., der 100 Grammen
                              Normalaufloͤsung = 1/10 Gramm oder Decigramm ist; so viele Decigrammen also
                              verbraucht wurden, so viele Mill. betraͤgt der Gehalt. Im gegebenen Falle
                              wurden 90,21 Grammen oder 902,1 Decigrammen verbraucht, mithin ist der Gehalt 902,1.
                              –
                           Zur Erzielung einer noch groͤßeren Genauigkeit und zur Sicherheit des
                              Probirers bedient man sich am Ende der Operation, wenn man anfaͤngt, die
                              Normalaufloͤsung nur tropfenweise anzuwenden, einer decimirten Salz-
                              oder Silber-Aufloͤsung, d.i. einer Salzaufloͤsung, welche in
                              einem zehnfach groͤßeren Gewichte oder Volumen dieselbe Menge Salz
                              enthaͤlt, als die Normalaufloͤsung, oder einer
                              Silberaufloͤsung, welche der erstern so entspricht, daß sie sich beide gegenseitig vollkommen
                              zersezen. Die decimirte Salzaufloͤsung wird bereitet, indem man 100 Grammen
                              Normalaufloͤsung mit 900 Grammen destillirtem Wasser verduͤnnt; die
                              decimirte Silberaufloͤsung erhaͤlt man, wenn man Einen Gramm Silber in
                              einem Glaskolben Fig. 3, der bis ab angefuͤllt 1
                              Liter oder 1000 Grammen Fluͤssigkeit faßt, aufloͤst, und bis ab mit Wasser verduͤnnt. Diese decimirten
                              Aufloͤsungen werden, wie schon gesagt, am Ende der Operation gebraucht, und
                              zwar aus folgendem Grunde:
                           Von der Normalfluͤssigkeit laͤßt sich nicht weniger als ein Tropfen
                              ausgießen, ein Tropfen aber wiegt schon einen Decigramm und bringt daher eine
                              Differenz von einem Millième in der Gehaltsangabe hervor; weßwegen das
                              geringste Versehen leicht zu Unrichtigkeiten und Wiederholung der Probe
                              fuͤhren kann; hat man aber eine Salzaufloͤsung, wovon erst 10 Tropfen
                              gleich sind Einem Tropfen der Normalaufloͤsung, so kann man den Gehalt sehr
                              leicht bis zu 1/2 und 1/4 Mill. bestimmen, und ein Tropfen mehr oder weniger
                              ausgegossen bringt kei Differenz hervor, die zu beruͤksichtigen ist.
                              –
                           Die decimirte Silberaufloͤsung dient dazu, wenn man zu viel
                              Salzaufloͤsung verwendet haͤtte, den Ueberschuß derselben zu
                              zerstoͤren. Zur Anwendung dieser decimirten Aufloͤsungen bedient man
                              sich einer Roͤhre Fig. 4, welche von der Art
                              gemacht ist, daß sie bis ab angefuͤllt, 1
                              Gramm Fluͤssigkeit in 20 Tropfen frei abfließen laͤßt; wornach der
                              ganze Gramm 1 Millième, 10 Tropfen 1/2, und 5 Tropfen 1/4 Mill. darstellen.
                              Anstatt nun bei einer Probe gaͤnzlich mit der Normalaufloͤsung
                              niederzuschlagen, hoͤrt man gegen das Ende auf, bestimmt die
                              Gewichtsdifferenz, und gießt dann mittelst der Roͤhre Fig. 4 1 Mill. decimirter
                              Salzaufloͤsung hinzu, zeigt dieses eine Truͤbung, ein zweites, und
                              uͤberhaupt so viele, bis man durchaus keine Truͤbung mehr wahrnimmt;
                              dann addirt man die angewendeten Mill., wobei aber das lezte, welches keine
                              Truͤbung mehr erzeugte, gar nicht, und das vorlezte nur halb gerechnet wird,
                              weil man annimmt, daß es zur voͤlligen Praͤcipitation nicht mehr ganz
                              noͤthig war, – zu dem durch die Gewichtsdifferenz schon angezeigten
                              Gehalte, und erhaͤlt dadurch den genauen Gehalt. Z.B. die Differenz war vor
                              der gaͤnzlichen Faͤllung 89,76, der Gehalt also 897,6; die Anzahl der
                              beigefuͤgten Mill. 4, resp. 2 1/2, so waͤre der Gehalt 897,6 + 2,5 =
                              900,1.
                           Das bisher Gesagte gilt von der Messung der Normalaufloͤsung nach dem
                              Gewichte; die Messung nach dem Volumen unterscheidet sich davon auf mehrfache Weise:
                              Bei ersterer bleibt das Gewicht einer Legirung, das dem Versuche unterworfen wird,
                              immer gleich; es wird naͤmlich stets 1 Gramm eingewogen, weil sich der
                              Verbrauch der
                              Salzaufloͤsung nach dem Silbergehalte der Probe richtet, und durch die Wage
                              nach den kleinsten Theilen bestimmt werden kann; das Volumen hingegen laͤßt
                              sich nicht nach so kleinen Theilen messen, daher dieses constant bleiben, wohl aber
                              das Gewicht der einzuwiegenden Probe nach Verhaͤltniß des Gehaltes sich
                              aͤndern muß; – denn da 100 Kubikcentimeter der Normalaufloͤsung
                              immer Einen Gramm Silber erfordern, so muß immer so viel von einer Legirung zum
                              Versuche eingewogen werden, daß darin 1 Gramm Silber enthalten ist, was sich sehr
                              leicht berechnen laͤßt. Bei einem Gehalte von 800 muͤßte z.B. 1,25
                              Grammen eingewogen werden, weil 800 : 1000 = 1000 : x =
                              1250 Mill. = 1,25 Grammen. Je niedriger daher der Gehalt einer Legirung ist, desto
                              mehr muß davon eingewogen werden. Ferner ist bei der Messung nach dem Volumen die
                              Temperatur zu beruͤksichtigen, weil diese das Volumen vermehren und
                              vermindern kann. Es wurde deßhalb durch Versuche ausgemittelt, welche Differenzen
                              der Temperaturwechsel bei den verschiedenen Graden in der Gehaltsbestimmung
                              hervorbringe, und daruͤber eine Tabelle verfertiget, welche die bei
                              jedesmaliger Temperaturaͤnderung noͤthige Berichtigung in der
                              Gehaltsbestimmung anzeigt. –Diese Tabelle findet sich in dem schon erwaͤhnten Werke von Gay-Lussac
                                    „Instruction sur l'essai
                                          etc.“
                                    
                              
                           Auch das Verfahren bei dieser Messungsart ist verschieden; – um immer das
                              gleiche Volumen von 100 Kubikcentimeter zu erhalten, bedient man sich einer
                              Tropfroͤhre Fig. 5, die bis cd angefuͤllt
                              genau 100 Grammen Normalaufloͤsung in Einem Strome ausfließen laͤßt.
                              So eine Tropfroͤhre voll wird immer zur Aufloͤsung der Legirung
                              gegossen, und dann mit den decimirten Aufloͤsungen der Versuch vollendet;
                              denn da man nach dem aͤußeren Ansehen und dem Striche auf dem Probirstein den
                              Gehalt einer Legirung nur approximativ bestimmen kann, so werden die 100 Grammen
                              Normalaufloͤsung entweder zu viel oder zu wenig seyn, und man muß entweder
                              mit der decimirten Salzaufloͤsung gaͤnzlich niederschlagen, oder mit
                              der decimirten Silberaufloͤsung den Ueberschuß der Salzaufloͤsung
                              zerstoͤren. Durch die Anzahl von Mill., die von einer dieser beiden
                              decimirten Aufloͤsungen verbraucht wurde, bestimmt sich dann der Gehalt. Ein
                              Beispiel wird die Sache naͤher erklaͤren.
                           Man haͤtte eine Legirung von dem Gehalte von ungefaͤhr 795 zu
                              untersuchen, so berechnet man, wie viel davon zur Probe genommen werden muß; die
                              Berechnung zeigt 1,258 Grammen; diese loͤst man auf, gießt eine
                              Tropfroͤhre voll hinzu, schuͤttelt und laͤßt die
                              Fluͤssigkeit klar werden; dann untersucht man mit den decimirten Aufloͤsungen, ob mit Salz
                              oder Silber eine Truͤbung entsteht, und schlaͤgt vollends nieder.
                              Haͤtte man nun 6 Millièmes Salzaufloͤsung verbraucht, so addirt
                              man 4 1/2 (weil die lezten 1 1/2 nicht gerechnet werden) zu dem angenommenen Gehalte
                              von 795, und der wirkliche Gehalt waͤre 795 + 4,5 = 799,5; –
                              haͤtte man umgekehrt 6 Mill. decimirte Silberaufloͤsung gebraucht, so
                              muͤßte man 4 1/2 abziehen, und der Gehalt waͤre 795 – 4,5 =
                              790,5. Ist eine Temperatur correction noͤthig, so sucht man diese auf der
                              oben erwaͤhnten Tabelle. Man hat bei dieser Messungsart eine Vorrichtung Fig. 6,
                              wodurch die Proben sehr beschleunigt und erleichtert werden.
                           a ist ein cylindrisches Gefaͤß von Kupfer, in
                              welchem die Normalaufloͤsung aufbewahrt wird; mit diesem Gefaͤße ist
                              die Roͤhre cc' und die Tropfroͤhre
                              d in Verbindung. In der Roͤhre c', durch welche die Normalfluͤssigkeit in die
                              Tropfroͤhre gelangt, befindet sich ein Thermometer, welcher die jedesmalige
                              Temperatur der Normalaufloͤsung anzeigt; i ist
                              ein Hahn, durch welchen die Normalfluͤssigkeit in die Roͤhre c' ablaͤuft, und e
                              ein Hahn, welcher die Fluͤssigkeit in die Tropfroͤhre abfließen
                              laͤßt; g ist eine Klappe, welche der Luft Zutritt
                              gestattet, wenn man die Fluͤssigkeit aus der Tropfroͤhre abfließen
                              lassen will, und vertritt daher die Stelle des Fingers. f ist eine Schraube mit einer ganz kleinen Oeffnung, welche nur so viel
                              Luft eintreten laͤßt als nothwendig ist, um die Fluͤssigkeit auf das
                              Niveau von b zu stellen. hh sind Arme von Holz, welche die Roͤhren c' und d halten. Bei k wird der Apparat an einer Wand oder an einem anderen Stuͤzpunkte
                              befestiget. Will man nun einen Versuch machen, so oͤffnet man die
                              Haͤhne i und e,
                              fuͤllt die Tropfroͤhre und laͤßt, wenn man die
                              Fluͤssigkeit mittelst der Schraube f auf b gestellt hat, dieselbe durch Oeffnung der Klappe g in die Aufloͤsungsflasche m ablaufen. –
                           Was nun den Vorzug der einen Messungsart von der anderen betrifft, so hat die Messung
                              nach dem Gewichte zwar den Vortheil, von der Temperatur unabhaͤngig, und so
                              genau zu seyn als eine Wage; die Messung nach dem Volumen hingegen geht viel
                              schneller, und ist doch so genau als es nur immer noͤthig ist.
                           So schwierig und complicirt die Probirart auf nassem Wege scheinen mag, so kann man
                              sie doch, wie ich mich selbst uͤberzeugt habe, mit Huͤlfe des
                              noͤthigen Apparates, bald so einuͤben, daß man vollkommen sicher und
                              beinahe eben so schnell als auf troknem Wege probiren kann; sie wird jedoch den
                              Probirofen nie ganz ersezen koͤnnen; denn wenn man ihn auch bei den
                              Silberproben entbehren kann, so muß man jedenfalls mit den Gold- und
                              goͤldigen Proben seine Zuflucht dazu nehmen. Goͤldiges Silber
                              naͤmlich, d.i. Silber mit einem geringen Goldgehalte, kann zwar auf nassem Wege
                              probirt werden, wenn man, um das Gold abzuscheiden, das niedergeschlagene und mit
                              dem Golde vermischte Chlorsilber mit Ammonium aufloͤst, oder wenn man die
                              Silberaufloͤsung von dem Golde abgießt; allein es ist ungemein schwierig,
                              dabei Unrichtigkeit zu vermeiden. Goldproben aber, oder Proben mit der Quart
                              koͤnnen nicht anders als unter Muffel gemacht werden. –
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
