| Titel: | Bemerkungen über die Reibung und über den Widerstand, welchen Körper bei ihrer Bewegung erleiden. Von T. S. | 
| Fundstelle: | Band 49, Jahrgang 1833, Nr. XXXIII., S. 184 | 
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                        XXXIII.
                        Bemerkungen uͤber die Reibung und
                           uͤber den Widerstand, welchen Koͤrper bei ihrer Bewegung erleiden. Von T.
                           S.
                        Aus dem London Journal of Arts. Junius 1833, S.
                              292.
                        Ueber der Widerstand, welchen Koͤrper bei ihrer Bewegung
                           erleiden.
                        
                     
                        
                           Die Versuche, welche Hr. Graham vor 2 bis 3 Jahren uͤber das Ziehen von Bothen auf
                              Canaͤlen mit großen Geschwindigkeiten anstellte, fuͤhrten zu
                              Resultaten, welche, als sie zum ersten Male bekannt wurden, allgemeine Verwunderung
                              erzeugten, indem dieselben auf den ersten Blik das alte Gesez umzustoßen schienen,
                              nach welchem der Widerstand, den ein Both erfaͤhrt, wie die Quadrate der
                              Geschwindigkeiten zunimmt. Diese Abweichung von dem Geseze des Widerstandes ward
                              jedoch bald durch die Annahme erklaͤrt, daß das Both, wenn es mit großer
                              Geschwindigkeit gezogen wird, zum Theil aus dem Wasser gehoben und dadurch zu einem
                              Bothe wird, welches weniger Wasser aus der Stelle treibt. Hrn. Neill's neueste Versuche bestaͤtigen
                              diese Annahme, und zeigen, daß die scheinbar wunderbaren Wirkungen der großen
                              Geschwindigkeiten das ausgemittelte Gesez des Widerstandes nicht im Geringsten
                              beeintraͤchtigen.
                           Die Beobachtung und Erwaͤgung dieser Versuche und ihrer Resultate
                              fuͤhrte mich zu der Betrachtung, ob sich dasselbe Princip, nach welchem ein
                              Both bei sehr großer Geschwindigkeit zum Theil aus dem Wasser gehoben wird, nicht
                              noch viel weiter in seiner Anwendung ausdehnen ließe. Es scheint mir naͤmlich
                              hiernach, daß das natuͤrliche Resultat einer jeden sehr großen
                              Geschwindigkeit, mit der sich ein Koͤrper auf irgend einer Oberflaͤche
                              oder in irgend einem Medium bewegt, darin besteht, daß der Koͤrper zum Theil
                              von dem Medium oder der Oberflaͤche, auf der er ruht, emporgehoben wird, und
                              also mit einer
                              geringeren Menge von Widerstand leistenden Theilchen in Beruͤhrung kommt.
                           Mehrere Mechaniker haben (obschon noch durchaus keine genauen Versuche
                              hieruͤber angestellt wurden) die Bemerkung gemacht, daß sich die Wagen auf
                              den Eisenbahnen bei sehr großen Geschwindigkeiten (wie z.B. bei 20 Meilen in der
                              Stunde) mit geringerer Reibung bewegen, als bei geringeren Geschwindigkeiten (wie
                              z.B. bei 7 Meilen per Stunde).Diese Beobachtung wird durch die Berechnungen, welche uͤber die von
                                    den Maschinen der Dampfwagen ausgeuͤbte Kraft angestellt wurden,
                                    unterstuͤzt. Diese Berechnungen wurden naͤmlich in der
                                    Voraussezung angestellt, daß die Reibung eines Wagens an einer Eisenbahn
                                    eine constant bleibende Quantitaͤt sey, und man berechnete die von
                                    der Maschine ausgeuͤbte Kraft durch Anschlagung der Zahl der
                                    Umdrehungen der Raͤder per Minute (nach
                                    der Zahl der Kolbenstoͤße der Maschine und dem Durchmesser der
                                    Raͤder) und durch Multiplication der Bewegung des Kolbens der
                                    Maschine mit dem zaͤhlenden Widerstande (contant resistance), welchen dieselbe zu uͤberwinden hat.
                                    Nach dieser Art von Berechnung ergab sich nun eine Kraft, die weit
                                    groͤßer war, als sie den Dimensionen der Cylinder und dem Verbrauche
                                    an Dampf gemaͤß seyn sollte. Hieraus schloß man also, daß man, wenn
                                    man die Reibung als constant oder unveraͤnderlich annahm, die
                                    Berechnung auf einen irrigen Grund basirte, und daß die Reibung bei sehr
                                    großen Geschwindigkeiten geringer seyn muß, als bei langsamen Bewegungen,
                                    – ein Schluß, der um so mehr Gewicht erhielt, als er auch durch
                                    Thatsachen untersucht wuͤrde.A. d. O. Dieß ist nun aber nur dadurch moͤglich, wenn die Schienen von einem
                              Theile der Last oder des Drukes des Wagens befreit werden, oder mit anderen Worten,
                              wenn die Wagen zum Theil außer Beruͤhrung mit den Schienen kommen. Ich will
                              damit keineswegs sagen, daß die Wagen die Schienen gar nicht beruͤhren,
                              sondern bloß, daß sie dieselben weniger beruͤhren, als dieß bei einer
                              langsameren Bewegung der Fall ist, oder daß die Reifen der Raͤder nicht so
                              tief in die Schienen eingreifen.
                           Man bemerkt ebenso auch auf den gewoͤhnlichen Straßen, daß wenn ein Wagen sehr
                              schnell fortrollt, derselbe die Oberflaͤche des Bodens nur leicht
                              beruͤhrt. Am auffallendsten sieht man dieß, wenn der Boden weich ist, d.h.
                              wenn sich derselbe mehr der Natur und den Eigenschaften einer Fluͤssigkeit
                              naͤhert.
                           Alle Koͤrper, die nicht vollkommen hart sind, naͤhern sich aber mehr
                              oder weniger dem fluͤssigen Zustande, und zwar so, daß jeder Koͤrper,
                              den man auf dieselben legt, bis auf einen gewissen sichtbaren oder unsichtbaren Grad
                              in sie einsinkt, wenn das Gewicht dieses Koͤrpers so groß ist, daß es eine
                              Reibung veranlaßt. Wenn nun der Koͤrper, welcher getragen werden soll (z.B.
                              ein Wagen), in Bewegung gesezt oder auf irgend eine Weise gezogen wird, so muß er
                              jene Theilchen des tragenden Koͤrpers, die vor ihm liegen, aus der Stelle
                              treiben (d.h. er muß sie entweder zerquetschen oder niederdruͤken), und
                              dadurch entsteht der Widerstand gegen die Bewegung.
                           
                           Nun erfordern aber die Theilchen der Fluͤssigkeiten, ihre Dichtheit mag groß
                              oder gering seyn (und ich betrachte hier scheinbar harte Substanzen als
                              Fluͤssigkeiten), je nach ihrer Dichtheit und Adhaͤsionskraft immer
                              eine gewisse Zeit, bis sie der einwirkenden Kraft nachgeben und bis sie ihre
                              Stellung veraͤndern. Wenn daher ein Koͤrper veranlaßt wird, sich mit
                              einer solchen Geschwindigkeit durch die Fluͤssigkeit zu bewegen, daß die Zeit
                              der Zunahme der Bewegung nicht geringer ist, als die Zeit, welche die Koͤrper
                              noͤthig haben, um aus der Stelle zu treten, so wird die Tiefe, bis auf welche
                              der getragene Koͤrper in das tragende Medium einsinkt, keine
                              Veraͤnderung erleiden, wobei der Widerstand gegen die Bewegung des
                              Koͤrpers durch die Zahl der Theilchen regulirt wird, welche der fortrollende
                              Koͤrper zu zerquetschen oder niederzudruͤken hat. Erhoͤht man
                              hingegen die Geschwindigkeit des gezogenen Koͤrpers bis auf einen solchen
                              Grad, daß die Zeit der Zunahme seiner Bewegung geringer ist, als die Zeit, welche
                              die Theilchen des Widerstand leistenden Mediums noͤthig haben, um der
                              einwirkenden Kraft nachzugeben, so wird der sich bewegende Koͤrper
                              emporgehoben werden, und folglich nicht so viele Theilchen aus der Stelle treiben,
                              so daß die Reibung oder der Widerstand gegen die Bewegung des Koͤrpers mithin
                              geringer werden muß.
                           Ich nehme nun an, daß die Raͤder eines Wagens sowohl auf einer
                              gewoͤhnlichen Straße, als auf einer Eisenbahn zum Theil in dem Materiale der
                              Straße oder der Bahn einsinken, so wie z.B. ein Both zum Theil in das Wasser eines
                              Canales einsinkt. Ich nehme ferner an, daß die Wagenraͤder bei großen
                              Geschwindigkeiten in einem gewissen Grade emporgehoben werden, und folglich eine
                              geringere Menge der Substanz, aus welcher die Straße besteht, aus dem Wege treiben,
                              gleichwie ein Both bei großer Geschwindigkeit zum Theil aus dem Wasser emporgehoben
                              wird und dann eine geringere Menge Wassers aus der Stelle treibt, als bei einer
                              geringeren Geschwindigkeit der Fall ist. Ist diese Ansicht richtig, so laͤßt
                              sich darnach die Thatsache, daß die Reibung auf den Eisenbahnen bei großen
                              Geschwindigkeiten verhaͤltnißmaͤßig geringer ist, leicht
                              erklaͤren.