| Titel: | Ueber die Umstände, unter welchen sich die Kohle bei den gewöhnlichen Temperaturen der Atmosphäre von selbst entzündet. Von Hrn. William Hadfield. | 
| Fundstelle: | Band 49, Jahrgang 1833, Nr. LXXXIXLXXXVIII., S. 427 | 
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                        LXXXIXLXXXVIII.
                        Ueber die Umstaͤnde, unter welchen sich
                           die Kohle bei den gewoͤhnlichen Temperaturen der Atmosphaͤre von selbst
                           entzuͤndet. Von Hrn. William Hadfield.
                        Aus dem London and Edinburgh Philosophical Magazine and
                                 Journal of Science. Julius 1833. S. 1.
                        Ueber das Entzuͤnden der Kohle.
                        
                     
                        
                           Die Selbstentzuͤndung der Kohle unter gewissen Umstaͤnden ist eine
                              Erscheinung, welche schon vor sehr langer Zeit beobachtet worden, auf die aber
                              bisher noch nicht die Aufmerksamkeit gerichtet wurde, die sie verdient. Einige
                              bedeutende Unfaͤlle, welche sich in Folge dieser Erscheinung ergaben,
                              moͤchten der Sache vielleicht endlich ein groͤßeres Interesse
                              gewaͤhren. Durch Auffindung der Ursachen dieser Selbstentzuͤndung
                              ließe sich naͤmlich der Gefahr, die daraus entspringen kann, und die z.B.
                              vorzuͤglich bei Pulvermuͤhlen aͤußerst groß ist, leicht
                              vorbeugen.
                           Da ich 25 Jahre lang in einer Fabrik, in welcher Kohle im Großen erzeugt wird,
                              arbeitete, so hatte ich manche Gelegenheit diese Erscheinung zu beobachten, und
                              nehme daher keinen Anstand, meine Versuche und Beobachtungen hiermit dem Publikum
                              vorzulegen. Ich weiß zwar, daß Oberst Aubert im
                              Januarheft 1831 des Bulletin des Sciences militaires
                              einen sehr interessanten Aufsaz uͤber eben diesen Gegenstand bekannt machte,
                              nehme aber der Kuͤrze wegen hier Umgang von demselben, und beschranke mich
                              bloß auf die Angabe meiner eigenen Versuche.Unsere Leser finden den interessanten Aufsaz Aubert's im Polyt. Journal, Bd. XXXIX., S. 121.A. d. R.
                              
                           Wenn man 20 bis 30 Centner fein zertheilte Kohle auf einen Haufen zusammenwirft und
                              unberuͤhrt liegen laͤßt, so erfolgt gewoͤhnlich eine spontane
                              Entzuͤndung derselben. Diese Thatsache wurde laͤngst beobachtet;
                              Niemand, außer Aubert, hat sich aber bisher meines
                              Wissens mit einer naͤheren Untersuchung derselben befaßt.
                           An jener Kohle, welcher die Fabrikanten den Namen runde Kohle (round charcoal) beilegen, d.h. an jener Kohle, welche mehr oder weniger
                              große Stuͤke bildet, zeigt sich nicht leicht eine Selbstentzuͤndung,
                              ausgenommen es werden sehr große Quantitaͤten davon zusammengehaͤuft,
                              wo sie dann nicht selten Statt findet. In diesem Falle wird die Entzuͤndung
                              gewoͤhnlich dem Umstande zugeschrieben, daß man die Kohle nach ihrer
                              Fabrikation nicht hinlaͤnglich auskuͤhlen ließ, – ein Grund,
                              der wohl zuweilen, gewiß aber nicht immer richtig ist. Ich sah im Gegentheile, daß
                              sich Kohle entzuͤndete, welche einige Tage lang der freien Luft ausgesezt
                              war, und an der man vorher selbst bei der genauesten Untersuchung nicht die
                              geringste Erscheinung dieser Art beobachten konnte.
                           Ich weiß einen Fall, in welchem zu Manchester Kohle geladen, und auf einem Karren 20
                              Meilen weit gefahren wurde. Waͤhrend des Ladens der Kohle war nicht eine Spur
                              von Entzuͤndung zu entdeken, und eben so wenig bemerkte der Fuhrmann, der
                              genau darauf Acht hatte, etwas davon, als er den Wagen um 11 Uhr Nachts stehen ließ.
                              Um 5 Uhr Morgens wurde er jedoch gewekt, um seinen Wagen, der in vollem Brande stand
                              und dessen Ladung schon zur Haͤlfte verzehrt war, zu retten.
                           Die Kohle war drei Tage, bevor sich dieser Unfall ereignete, fabricirt worden, und es
                              war gehoͤrig darauf gesehen worden, daß sie vor dem Aufladen hinreichend
                              abgekuͤhlt war, indem die Kaͤufer, denen kurz vorher ein
                              aͤhnlicher Unfall zustieß, dieß dem Umstande zuschreiben, daß die Kohle zu
                              frisch war, und verborgenes unausgeloͤschtes Feuer in sich enthielt.
                           Diese beiden Faͤlle lassen sich, wie ich glaube, auf folgende Weise
                              erklaͤren.
                           Wenn große Quantitaͤten Kohle, wie z.B. im ersten Falle, auf einander gelegt
                              werden, so muͤssen die unteren Kohlenstuͤke nothwendig einem Druke,
                              und in Folge der Bewegung des Wagens auch einer Reibung ausgesezt werden. Es
                              entsteht also hierdurch eine Quantitaͤt Kohlenpulver, welche am Boden eine
                              compacte Masse bildet, und in der dann eine spontane Entzuͤndung
                              entsteht.
                           Im zweiten Falle war der Einfluß des Drukes und der Reibung noch groͤßer; denn
                              der Fuhrmann schlug die Kohle, um sie in einen kleineren Raum zu bringen, beim
                              Aufladen mit einem großen Hammer hinein. Bei der 20 Meilen langen Fahrt rieben sich
                              die Kohlenstuͤke nothwendig an einander, und die feineren Theile wurden zu
                              einer compacten Masse zusammengeschuͤttelt. Wahrscheinlich erzeugt die Reibung in diesen
                              Fallen auch noch einen gewissen Grad von Hize, der die Entzuͤndung
                              beguͤnstigt.
                           Bevor ich zur Darstellung meiner direct angestellten Versuche uͤbergehe, will
                              ich hier noch einen anderen Fall einer zufaͤllig entstandenen
                              Selbstentzuͤndung erzaͤhlen. Es wurden zu Cornbroot auf einen Karren
                              der HH. Williamson und Comp.,
                              Schießpulver-Fabrikanten zu Fernelee, beilaͤufig 2000 Pfund Kohlen
                              geladen, welche mehrere Tage vorher fabricirt worden waren, und einige Tage an
                              freier Luft gelegen hatten. Beim Aufladen war keine Spur von Entzuͤndung
                              bemerkbar, und eben so wenig beim Abladen. Die Kohle wurde nachdem sie uͤber
                              Nacht gestanden, den naͤchsten Tag zum Behufe der Pulverfabrikation fein
                              gepulvert und in einen Haufen aufgeschichtet, an welchem Samstag Abends gleichfalls
                              keine Spur einer vorhandenen oder demnaͤchst entstehenden Entzuͤndung
                              zu entdeken war. Sonntag Morgens stand das Gebaͤude, in welchem sich die
                              Kohle befand, bereits in Feuer. Das Feuer muß hier nothwendig in dem Kohlenstaabe
                              spontan entwikelt worden seyn, da in der Pulvermuͤhle jede Gelegenheit, durch
                              welche sich haͤtte Hize entwikeln koͤnnen, auf das
                              Sorgfaͤltigste vermieden wurde.
                           Diese und viele andere Faͤlle, welche offenbar in derselben Ursache ihren
                              Grund hatten, und die Gelegenheit, welche sich mir als Kohlenfabrikanten darbot,
                              veranlaßte mich, mich besonders fuͤr diesen Gegenstand zu interessiren. Die
                              Abhandlung Aubert's, von
                              welcher auch in Brewster's
                              Journal, April 1831, ein Auszug erschien, bestimmte mich noch mehr einige Versuche
                              anzustellen, die ich nun beschreiben will.
                           1ster Versuch. 120 Pfund grob gepulverte Kohle wurden in
                              ein Mehlfaß gebracht, in dessen Mitte eine bleierne Roͤhre von 1 1/2, Zoll im
                              Durchmesser und 14 Zoll Laͤnge, in der sich ein Thermometer befand,
                              eingesenkt wurde. Die Temperatur der Kohle betrug, als dieselbe in das Faß gebracht
                              wurde, 60° F. (+ 12,44 R.); nach zwei Tagen war diese Temperatur auf
                              70° F. (+ 16,89 R.) gestiegen, wo sie dann wieder zu fallen begann, so daß
                              sie nach 2 Tagen wieder bis auf 60° F., die Temperatur der sie umgebenden
                              Luft gesunken war. Diese Kohle war mehrere Wochen alt und lange Zeit dem freien
                              Zutritte der Luft ausgesezt.
                           2ter Versuch. 120 Pfund frische, gleichfalls grob
                              gepulverte Kohle wurden in dasselbe Faß gebracht, welches zum ersten Versuche
                              gedient hatte. Die Temperatur der Kohle betrug 70° F. (+ 16,89 R.); jene der
                              atmosphaͤrischen Luft 62° F. (+ 13,33). In 24 Stunden war die
                              Temperatur der Kohle aber auf 90° F. (+ 25,78° R.); nach 36 Stunden
                              auf 110° F. (+ 34,22 R.); und nach 48 Stunden auf 120° F. (+ 39,11 R.)
                              gestiegen; von dieser Zeit an fiel sie jedoch wieder, so daß sie nach weiteren 48
                              Stunden wieder auf 70° F. stand.
                           3ter Versuch. Ich nahm dieselbe Quantitaͤt ganz
                              frischer Kohle wie bei den fruͤheren Versuchen; ihre Temperatur stieg
                              innerhalb 36 Stunden auf 130° F. (+ 53,56 R.), worauf sie dann
                              allmaͤhlich wieder bis auf 70° F. sank, womit ich den Versuch
                              aufgab.
                           Aus diesen Versuchen schoͤpfte ich die Ueberzeugung, daß bei einer so geringen
                              Menge Kohlenpulver keine Selbstentzuͤndung eintreten kann, und beschloß daher
                              den Versuch in einem groͤßeren Maßstabe anzustellen.
                           4ter Versuch. 10 Centner frische fein zerriebene Kohle
                              wurden in ein großes Faß gebracht, in welches auf die beschriebene Weise eine
                              bleierne Roͤhre mit einem Thermometer eingesenkt wurde. In die
                              Seltenwaͤnde des Fasses wurden einige Loͤcher gebohrt, damit die Luft
                              Zutritt hatte. Die Kohle besaß, nachdem sie gemahlen worden, eine Temperatur von
                              65° F. (+ 14,67° R.), und wurde mit aͤußerster Sorgfalt
                              untersucht, um gewiß zu seyn, daß sich durchaus keine gluͤhenden Theile in
                              derselben befanden. Das Kohlenpulver wurde um 10 Uhr Morgens in das Faß gebracht;
                              bis in die Nacht war deren Temperatur bereits auf 90° F. (+ 25,78° R.)
                              gestiegen; den naͤchsten Morgen stand sie auf 150° F. (+ 52,44°
                              R.), und am Nachmittage des zweiten Tages zeigte das Thermometer 180° F. (+
                              65,78° R.)
                           Ich war sehr uͤberrascht, als ich um diese Zeit fand, daß 5 bis 6 Zoll tief
                              unter der Oberflaͤche und in einer gleichen Entfernung von der bleiernen
                              Roͤhre bereits eine Entzuͤndung eingetreten war, obschon das
                              Thermometer nur 180 bis 190° F. (+ 65,78° – 70,22° R.)
                              zeigte. Ich muß bei dieser Gelegenheit bemerken, daß die Selbstentzuͤndung
                              der Kohle jedes Mal in der Naͤhe der Oberflaͤche, und wenn man kleine
                              Kohle an einer Wand aufschuͤttet, entweder in der Naͤhe der
                              Oberflaͤche oder dicht an der Wand beginnt.
                           Am 13. October 1831 wurde ein Haufen kleiner Kohle zusammengeworfen, welcher
                              beilaͤufig einen Flaͤchenraum von 10 Quadratfuß bedekte, 4 Fuß hoch
                              war, und 2 bis 3 Tonnen wog. Am dritten Tage war die Temperatur in diesem Haufen,
                              obschon sie anfangs nur 57° F. (+ 11,11° R.) betrug, auf 90° F.
                              (+ 25,78° R.) gestiegen. Am 19. October war die Temperatur im Haufen
                              150° F. (+ 52,44° R.), und am 20sten war bereits an mehreren Stellen
                              Selbstentzuͤndung eingetreten.
                           Ich ließ nun Wasser auf den Haufen gießen, wodurch das Feuer vollkommen
                              geloͤscht zu seyn schien; allein schon am 21sten zeigte sich dasselbe neuerdings
                              an mehreren Stellen, und dieß dauerte so lange, bis der große Haufen in mehrere
                              kleine abgetheilt worden.
                           Dieser lezte Versuch ist, wie mir scheint, einer der sprechendsten; denn die Kohle,
                              die dazu verwendet wurde, war wenigstens 10 bis 12 Tage alt, und hatte
                              waͤhrend dieser Zeit in kleinen Haufen an der Luft gelegen.
                           Ich weiß nicht, ob die Einwirkung des reinen Sauerstoffgases auf die Kohle durch
                              Versuche ermittelt worden, und bemerke daher Folgendes. Ich fuͤllte ein zwei
                              Quart fassendes Glas mit Sauerstoffgas, welches vorher durch Waschen mit Kalkwasser
                              von aller Kohlensaͤure befreit worden. In dieses Glas brachte ich ein
                              Schaͤlchen, welches beilaͤufig eine Unze fein gepulverte Kohle
                              enthielt. Nach 24 Stunden, waͤhrend welcher die Kohle mit dem Sauerstoffgase
                              in Beruͤhrung stand, zeigte sich in dem Gase auch nicht eine Spur von
                              Kohlensaͤure. Derselbe Versuch drei Mal, wiederholt gab jedes Mal dasselbe
                              Resultat.
                           Nach den oben angegebenen und von mir angestellten Versuchen unterliegt nun die
                              Selbstentzuͤndung der Kohle keinem Zweifel mehr. Ich habe, so viel in meinen
                              Kraͤften stand, einige der Umstaͤnde, unter denen sie einzutreten
                              pflegt, auszumitteln gesucht, ohne mich dabei auf irgend eine theoretische
                              Speculation einzulassen, an der sich Andere versuchen moͤgen. Sollten mir im
                              Laufe der Zeit nun Thatsachen unterkommen, so werde ich dieselben
                              unverzuͤglich bekannt machen.