| Titel: | Ueber das Erhärten oder die Solidification des rohen Gypses. Von Hrn. John P. Emmet, Professor der Chemie an der Universität in Virginia. | 
| Fundstelle: | Band 49, Jahrgang 1833, Nr. XCIVXCIII., S. 448 | 
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                        XCIVXCIII.
                        Ueber das Erhaͤrten oder die
                           Solidification des rohen Gypses. Von Hrn. John P. Emmet, Professor der Chemie an der
                           Universitaͤt in Virginia.
                        Aus dem American-Journal of Science, im Edinburgh New
                              Philosoph. Journal. April bis Julius 1833, S. 69.
                        Emmet, uͤber das Erhaͤrten oder die Solidification
                           des rohen Gypses.
                        
                     
                        
                           Die Leichtigkeit, mit welcher gebrannter Gyps, wenn er mit Wasser zu einem Teige
                              angemacht wird, erhaͤrtet, zeichnet den Gyps nicht nur unter den
                              Mineralkoͤrpern aus, sondern fuͤhrt auch zu dem großen Nuzen, den er
                              in den Kuͤnsten gewaͤhrt. Dieser haͤufigen Benuzung des
                              gebrannten Gypses ungeachtet, wußte ich jedoch nicht, daß man in dem rohen oder
                              natuͤrlichen Gypse ebendieselbe Eigenschaft vorausgesezt und erkannt hatte.
                              Folgende Versuche, welche ich bei einer Untersuchung machte, die ich eigentlich zu
                              einem anderen Zweke anstellte, und welche also wohl weiter haͤtten ausgedehnt
                              werden koͤnnen, scheinen mir nun hinlaͤnglich zu beweisen, daß der
                              rohe Gyps ohne gebrannt zu werden, einer vollkommenen Erhaͤrtung
                              faͤhig ist. Ich glaube daher, daß eine Bekanntmachung derselben um so weniger
                              uͤberfluͤssig ist, als dadurch vielleicht die Eigenschaft des Gypses
                              zu erhaͤrten, weiter erlaͤutert werden duͤrfte.
                           Roher, fein gepulverter Gyps kann sogleich und unmittelbar vollkommen
                              erhaͤrten, wenn er mit gewissen Aufloͤsungen von Kali oder Potasche
                              vermengt wird. Unter diesen Aufloͤsungen entsprechen am Besten jene des
                              Aezkali, des basischen und neutralen kohlensauren Kali's, des schwefelsauren und
                              uͤberschwefelsauren, des kieselsauren Kali's, des weinsteinsauren
                              Kali- und Natrondoppelsalzes.
                           In allen diesen Faͤllen wird der Erhaͤrtungsproceß schneller von
                              Statten gehen, als bei der Anwendung von gebranntem Gypse, und die feste Masse,
                              welche man auf diese Weise erhaͤlt, scheint in keiner anderen wesentlichen
                              Beschaffenheit, ausgenommen in Hinsicht der Bestandtheile, von der mit gebranntem
                              Gypse bereiteten Masse abzuweichen. Es scheint nicht, daß der Gyps in dieser
                              Beziehung einen bestimmten Saͤttigungspunkt besizt; denn wenn die
                              erhaͤrteten Massen neuerdings zerschlagen und mit frischen Portionen der
                              genannten Aufloͤsungen behandelt werden, so zeigt die Masse jedes Mal wieder
                              ihre Neigung hart zu werden, selbst wenn die salzigen Bestandtheile in sehr großem
                              Ueberschusse vorhanden sind. Doch duͤrfte in jedem Falle wahrscheinlich eine
                              bestimmte Quantitaͤt Salzaufloͤsung noͤthig seyn, wenn man das
                              Maximum der Festigkeit erreichen will. Zu bemerken ist, daß wenn man nach der ersten
                              Mischung nur Wasser allein anwendet, der Teig selten eine große Neigung zum
                              Erhaͤrten beurkundet, daß aber ein frischer Zusaz von der oben angegebenen
                              Salzaufloͤsung diese Neigung sogleich wieder rege macht.
                           In Hinsicht auf die Zeit, welche zu der Operation noͤthig ist, findet
                              gleichfalls eine große Verschiedenheit Statt. Die Aufloͤsung von kohlensaurem
                              und schwefelsaurem Kali wirkt, wenn sie hinreichend verduͤnnt worden, so
                              langsam, daß sie eine vollkommene Incorporation zulaͤßt; dagegen wirkt aber
                              das weinsteinsaure Kali und Natron, das sogenannte Rochellesalz, in dem Augenblike,
                              in welchem das Pulver mit der Fluͤssigkeit in Beruͤhrung kommt, so daß
                              jede spaͤter eintretende Bewegung die Cohaͤsion nothwendig vermindert.
                              Wenn man Krystalle dieses lezteren Salzes mit rohem Gypse und Wasser abrecht, und
                              dann mit dem Gemenge in Beruͤhrung bringt, so wird sich zwischen der
                              Beruͤhrung und dem Erhaͤrten kein merklicher Zwischenraum zeigen. Diese
                              außerordentlich schnelle Wirkung verhindert die Incorporation nach der
                              gewoͤhnlichen Methode, und konnte leicht zu der Idee verleiten, daß das
                              Rochellesalz diese Kraft nicht besize; denn wenn der Gyps und die Aufloͤsung
                              mit einer Spatel umgeruͤhrt werden, so broͤkelt sich die Masse,
                              obschon sich die einzelnen Theilchen rauh und hart anfuͤhlen, und sezt man
                              die Operation fort, so kommt die Masse endlich in halbfluͤssigen Zustand.
                           Keine anderen Salze, als die Kalisalze, geben, so viel ich fand, dem rohen Gypse die
                              Faͤhigkeit zu erhaͤrten. Die Natronsalze erzeugen sogar, wenigstens in
                              so weit ich dieselben untersuchte, eine ganz entgegengesezte Wirkung, mit Ausnahme
                              des Rochellesalzes, dessen Wirkung jedoch mehr auf Rechnung seines Kaligehaltes
                              kommen duͤrfte. Zu bemerken ist hiebei, daß mehrere neutrale Kalisalze, wie
                              z.B. das salzsaure und salpetersaure Kali, nicht die geringste Veraͤnderung
                              in dem Gypse hervorbringen. Das gesaͤttigte kohlensaure Kali, d.h. das
                              Kalibicarbonat, erzeugt jedes Mal ein lebhaftes Aufbrausen, welches dem
                              Erhaͤrten zwar sehr hinderlich ist, ohne dasselbe jedoch ganz aufzuheben.
                              Ebendieselbe unguͤnstige Erscheinung charakterisiert auch die Wirkung des
                              sauren schwefelsauren Kali's oder des Kalisupersulphates, wenn der Gyps, wie dieß
                              oͤfter der Fall ist, etwas kohlensauren Kalk enthaͤlt.
                           Da die Ansicht aufgestellt worden, daß das Erhaͤrten des gewoͤhnlichen
                              gebrannten Gypses von dem Vorhandenseyn von kohlensaurem Kalke abhaͤngt, so
                              wiederholte ich mehrere Versuche mit reinem, durch Praͤcipitation gewonnenen,
                              schwefelsauren Kalke, und zwar durchaus mit guͤnstigem Erfolge. Diese
                              Ansicht, daß der kohlensaure Kalk gewoͤhnlich das Erhaͤrten des Gypses
                              erleichtert oder veranlaͤßt, scheint schon dann wenig glaubwuͤrdig,
                              wenn man bedenkt, daß die zum Gypsbrennen noͤthige Hize weit geringer ist,
                              als jene, welche erforderlich ist, um den Kalk aͤzend zu brennen, oder selbst
                              um ihn nur in den halbcalcinirten Zustand, in welchem er unter Wasser
                              erhaͤrtet, zu versezen. Dem sey nun aber wie ihm wolle, so muͤßte die
                              Wirkung in diesem Falle eine ganz andere seyn, indem das saure schwefelsaure Kali
                              allen in dem Gypse enthaltenen kohlensauren Kalk vollkommen zersezt.
                           Es ist wahrscheinlich, daß, wie Hr. Gay-Lussac in seiner Untersuchung dieser sonderbaren
                              Eigenschaft des gebrannten Gypses sagt, dieselbe einer eigenthuͤmlichen,
                              diesem. Minerale inwohnenden Eigenschaft zugeschrieben werden muͤsse. Doch
                              kann ich nicht umhin zu glauben, daß der angefuͤhrte Versuch offenbar
                              bewirkt, daß diese Erscheinung nicht von einer einfachen Verbindung des Gypses mit
                              Wasser und einer darauffolgenden Aggregation der mit Wasser gesaͤttigten Theilchen
                              herruͤhre, wie dieß wirklich bei dem gebrannten Gypse der Fall zu seyn
                              scheint. Diese Faͤlle koͤnnen wirklich nicht in eine Parallele
                              gebracht werden, indem einige der Salzaufloͤsungen, theilweise zugesezt, die
                              Zusammensezung des Gypses angreifen; doch habe ich mich uͤberzeugt, daß diese
                              Veraͤnderung weder gleichfoͤrmig, noch auch zur Erreichung des
                              Resultates wesentlich nothwendig ist, obschon es sehr schwer ist, das
                              Erhaͤrten des Gypses in den vorhergehenden Fallen von einer gewissen Ursache
                              herzuleiten. Sowohl das Kali, als das kohlensaure Kali zerfließen sehr leicht, und
                              koͤnnen daher nicht durch die Raschheit der Krystallisation wirken. Das
                              schwefelsaure Kali kann keine Zersezung des schwefelsauren Kalkes bewirken, und
                              obschon das erstere dieser beiden Salze vielleicht bei allen den angegebenen
                              Mischungen gebildet werden duͤrfte, so scheint dasselbe doch keine bleibende
                              Verbindung mit dem Gypse einzugehen, indem der Gyps bei zwei Versuchen durch
                              Mischung mit diesen Substanzen und darauffolgendes Auswaschen mit warmem Wasser 1/12
                              seines Gewichtes verlor. Der einzige Umstand, worin alle die
                              Salzaufloͤsungen, die ein Erhaͤrten des Gypses hervorzubringen im
                              Stande sind, mit einander uͤbereinstimmen, ist der, daß die Gegenwart von
                              Kali nothwendig ist. Die Schnelligkeit, mit welcher der Erfolg eintritt, scheint mit
                              der Annahme, daß das Erhaͤrten von einer Zersezung durch doppelte
                              Verwandtschaft herruͤhre, ganz im Widerspruche. Wenn man gepulverten Gyps
                              nimmt, und ihn mit einer Aufloͤsung von kohlensaurem Kali saͤttigt, so
                              sollten wohl diese beiden Substanzen spaͤter keine weitere Wirkung auf
                              einander aͤußern, und doch erhaͤrtet die schon erhaͤrtete
                              Masse, wenn man sie pulvert und nochmals mit einer frischen Menge derselben
                              Salzaufloͤsung behandelt, neuerdings und mit gleicher Leichtigkeit wieder; ja
                              diese Eigenschaft scheint sogar bei einer drei- bis vierfachen Wiederholung
                              derselben Behandlung nicht merklich abzunehmen. Da reines Wasser diesem Zweke erst
                              dann entspricht, wenn die Fluͤssigkeit verduͤnstet ist, so scheint es,
                              daß die Salzaufloͤsungen eine Art von Repulsion auf die Gypstheilchen
                              ausuͤben, und auf diese Weise zu dem so merkwuͤrdigen Erhaͤrten
                              des Gypses beitragen.
                           Der erste der Versuche, der die erhaͤrtende Eigenschaft des rohen Gypses
                              andeutete, war ganz geeignet die Vermuthung zu veranlassen, daß eine chemische
                              Zersezung zu diesem Resultate noͤthig sey. Ich wuͤnschte zu ermitteln,
                              in wiefern frisch gefaͤllter kohlensaurer Kalk im Stande sey, den Gyps zu
                              verbessern, und brachte zu diesem Behufe gepuͤlverten rohen Gyps auf ein
                              Filtrum, auf welchem ich ihn mit einer kalten Aufloͤsung von kohlensaurem
                              Kali uͤbergoß. Das Resultat war, daß das Gypspulver sogleich
                              erhaͤrtete, und daß eine offenbare Verminderung des Alkali Statt fand. Bei
                              wiederholtem Filtriren derselben Aufloͤsung durch dasselbe Filtrum deutete
                              das Curcumepapier endlich kein Alkali mehr an, und durch die Anwendung von
                              Reagenzien zeigte sich, daß schwefelsaures Kali an dessen Stelle getreten war, so
                              daß man sich auf diese Weise ziemlich schnell eine gesaͤttigte
                              Aufloͤsung dieses lezteren Salzes verschaffen kann. Uebrigens ergibt sich bei
                              weiterer Untersuchung, daß das schwefelsaure Kali keine bleibende Verbindung mit dem
                              Gypse einzugehen im Stande ist.
                           Man wird vielleicht bei weiteren Nachforschungen noch andere Salze auffinden, die
                              sich noch besser, als die bereits angefuͤhrten, dazu eignen duͤrften,
                              den rohen Gyps zum Erhaͤrten zu bringen. Das kohlensaure Kali scheint jedoch
                              wegen seiner Wohlfeilheit den Vorzug zu verdienen, wenn die Erfahrung zeigen sollte,
                              daß der auf diese Weise zum Erhaͤrten gebrachte rohe Gyps eben so gute
                              Dienste leistet, als der gebrannte Gyps. Das Brennen des Gypses zeigt sich nicht
                              jedes Mal als das geeignetste Verfahren, und in diesem Falle moͤchte wohl
                              durch eine Aufloͤsung von kohlensaurem Kali, oder eine aus Holzasche
                              gewonnene Lauge schnell ein Erhaͤrten bewirkt werden koͤnnen, welches,
                              so viel ich bisher ermitteln konnte, auch vollkommen ist.