| Titel: | Ueber Sargent's schwebende Eisenbahn (Suspension-Railway). | 
| Fundstelle: | Band 52, Jahrgang 1834, Nr. XXXIII., S. 164 | 
| Download: | XML | 
                     
                        
                        XXXIII.
                        Ueber Sargent's schwebende Eisenbahn (Suspension-Railway)Gegenwaͤrtiger Artikel dient hauptsaͤchlich zur
                                 Vervollstaͤndigung des Geschichtlichen der
                                 sogenannten schwebenden Eisenbahnen, deren Erfindung schon
                                 von mehreren europaͤischen Mechanikern in Anspruch
                                 genommen worden. Ob der Amerikaner Hr. Sargent seine Idee fruͤher bekannt machte,
                                 als unser verdiente Hr. Joseph Ritter v. Baader, wagen wir nicht zu
                                 entscheiden, indem das American
                                    Railroad Journal von dem Tage der Ausstellung des
                                 Sargent'schen Patentes gaͤnzlich
                                 schweigt, und nur die Prioritaͤt der Erfindung Sargent's vor jener des Hrn. Palmer, die in das Jahr 1821
                                 faͤllt, außer Zweifel stellt. Wir ersuchen unsere
                                 Leser in dieser Hinsicht die Erklaͤrung des Palmer'schen Patentes im Polyt.
                                 Journal Bd. XI. S.
                                    178, und Bd.
                                    XVIII. S. 266, so wie die v. Bodmer'sche Eisenbahn im Polyt. Journ. Bd. XXIX. S. 248, und
                                 die scharfsinnige Beleuchtung derselben, die Hr. v. Baader in unserem Journale Bd. XXX. S. 279
                                 mittheilte, nachzulesen. A. d. R..
                        Aus dem American Railroad Journal im Mechanics'
                                 Magazine, No. 552.
                        Mit einer Abbildung auf Tab. III.
                        Sargent's schwebende Eisenbahn.
                        
                     
                        
                           Als die Eisenbahnen vor vielen Jahren sowohl in England, als in
                              Amerika die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen
                              begannen, erfand Hr. Sargent Esq. zu
                              Boston, Massachusetts, die sogenannte schwebende oder
                              eingeleisige Eisenbahn (suspension or
                                 single railway). Diese Erfindung, welche, wie die
                              Englaͤnder sagen, wohl eben so wenig eine Verbesserung
                              genannt werden kann, als der Pflug eine Verbesserung des
                              gewoͤhnlichen Grabscheites ist, erhielt lange Zeit
                              hindurch nicht jene Beruͤksichtigung, die sie zu
                              verdienen schien, sondern blieb vom Publicum unbeachtet und
                              unbenuzt, und fuͤr den Erfinder ohne Vortheil.
                           Unter den Eisenbahnen, welche nach Hrn. Sargent's Erfindung in den Vereinigten Staaten erbaut
                              wurden, befinden sich gegenwaͤrtig in der Grafschaft
                              Suffolk, Massachusetts, zwei. Die eine derselben, welche man zu
                              Chelsea sehen kann, ist kreisrund und nur einige hundert Fuß
                              lang; sie ist nichts weiter, als ein etwas großes Modell, an
                              welchem einige Verbesserungen oder Modificationen der
                              urspruͤnglichen Eisenbahn angebracht sind. Die zweite
                              hingegen, die eine schwebende Eisenbahn nach neuester Art ist,
                              wurde vor einigen Monaten zu East-Boston begonnen, und
                              ist noch nicht ganz vollendet. Sie laͤuft uͤber
                              ein sumpfiges, uͤberall von Daͤmmen
                              durchschnittenes und mit Teichen uͤberfuͤlltes
                              Stuͤk Landes, welches fuͤr jede Eisenbahn sehr
                              unguͤnstig gelegen ist.
                           Wir wollen versuchen mit Huͤlfe der in Fig.
                                 31 gegebenen Zeichnung, die, mit Ausnahme der
                              Reibungsschiene a, a, eine Eisenbahn
                              und einen fuͤr dieselbe bestimmten Karren nach der
                              urspruͤnglichen Erfindung Sargent's darstellt, versuchen, eine Idee von dem
                              Principe, nach welchem die schwebende Eisenbahn
                              gebaut ist, zu geben, und hierauf die Verbesserungen andeuten,
                              die spaͤter an dieser Art von Eisenbahn angebracht
                              wurden.
                           A, A sind die hoͤlzernen, in
                              die Erde eingetriebenen oder auf andere Weise in der Erde
                              befestigten Pfosten, von denen die Eisenbahn getragen wird. Der
                              Boden stellt hier eine ebene Flaͤche dar, und daher
                              brauchen die Pfosten nicht von verschiedener Hoͤhe zu
                              seyn; ist der Boden uneben, so muͤssen die Pfosten von
                              ungleicher Laͤnge seyn, so jedoch, daß die Scheitel der
                              Traͤger saͤmmtlich in einer und derselben
                              Flaͤche liegen. Es wurden verschiedene Mittel
                              vorgeschlagen, um die Pfosten so in den Boden zu befestigen, daß
                              sie keine Neigung haben, durch das Gewicht und die Bewegung der
                              Last, die sie zu tragen haben, aus ihrer senkrechten Richtung zu
                              kommen. Die unteren Enden dieser Pfosten muͤssen 4 bis 5
                              Fuß tief in quere Graben eingesenkt, und auf eine Grundlage aus
                              fester Erde oder Gestein gestellt werden. Die Seiten der Gruben
                              muͤssen mit Geroͤll ausgestampft werden. In
                              sumpfigem Boden muͤssen die Pfosten wenigstens von einem
                              starken Balken, welcher schief in den Boden eingesenkt ist,
                              gestuͤzt werden, so daß sie auf diese Weise gehindert
                              sind, sich auf die entgegengesezte Seite zu neigen.
                           B, B ist der Tragriegel oder ein
                              starker Balken, dessen Dimensionen der Last, die die Bahn zu
                              tragen hat, angemessen seyn muͤssen. Dieser Balken wird
                              auf die Tragpfosten gezapft. Wenn die Raͤder CC durch vorspringende
                              Randstuͤke geleitet werden sollen, so muͤssen die
                              Balken oder Riegel mit Eisen beschlagen werden, damit deren
                              Kanten und Seiten nicht von den Raͤdern abgerieben und
                              abgeschiefert werden, wodurch sie nicht nur bald
                              abgenuͤzt, sondern auch uneben und untauglich werden
                              wuͤrden.
                           C, C sind die Raͤder, von
                              denen das eine vor dem anderen in einer geraden Linie auf dem
                              Tragbalken aufruht, und welche an beiden Seiten mit
                              hervorragenden Raͤndern versehen sind, damit sie in ihrer
                              Stellung erhalten werden. An den Achsen dieser Raͤder
                              sind die horizontalen Stangen oder das Gestell K, K aufgehangen, womit durch die
                              Querbalken D, D, die zum Transporte
                              der Reisenden und Waaren dienenden Karren, und ein starkes,
                              keine Biegung zulassendes Gestell f,
                                 f in Verbindung stehen, so daß die Karren an jeder
                              Seite der Bahn, wie die Saͤke eines Paksattels balancirt
                              werden. F stellt die auf den Wagen
                              geladene und zu verfahrende Last vor. Leute, die mit der
                              Mechanik nicht vertraut sind, moͤchten vielleicht
                              einwenden, daß diese Transportmethode leine Sicherheit gewahre,
                              indem die Wagen, da sie nur eine einzige Raͤderlinie
                              haben, umschlagen muͤssen, ausgenommen. die Last ist auf
                              beiden Seiten der Bahn vollkommen gleichmaͤßig vertheilt.
                              Es ist nun zwar allerdings besser, wenn die Last
                              gleichmaͤßig vertheilt ist; allein es laͤßt
                              sich doch auch praktisch sehr leicht zeigen, daß ein Umschlagen
                              der Wagen ganz unmoͤglich ist, wenn die Materialien fest
                              an einander halten. Ist die eine Seite schwerer, als die andere,
                              so wird wohl eine schwache Neigung gegen die schwerere Seite
                              Statt finden; dieß ist aber auch Alles; denn so wie sich die
                              schwerere Seite zu neigen beginnt, so naͤhert sie sich
                              dem Schwerpunkte, und verliert folglich immer mehr die Neigung
                              noch weiter zu sinken; dagegen entfernt sich die leichtere Seite
                              von dem Schwerpunkte, und gewinnt folglich an Kraft, so daß sie
                              die andere durch die Hebelkraft, welche entsteht, aufwiegt. Nach
                              demselben Principe sieht man gewoͤhnlich, daß wenn eine
                              Person nur mit dem einen Arme einen Wasserkuͤbel oder
                              sonst ein Gewicht traͤgt, sie den anderen Arm beinahe
                              unter einem rechten Winkel vom Koͤrper entfernt: durch
                              diese instinctmaͤßige Bewegung ist naͤmlich der
                              eine Arm im Stande den anderen sammt dem an dessen Ende
                              angehaͤngten Gewichte von 20 Pfunden und daruͤber
                              zu balanciren. Die Sicherheit wird dadurch, daß der Schwerpunkt
                              so tief zu stehen kommt, indem die Last nicht in gleicher
                              Hoͤhe oder weit uͤber den Raͤdern, sondern
                              unter denselben angebracht wird, noch bedeutend
                              vergroͤßert. Selbst wenn die Achsen braͤchen,
                              koͤnnte der Wagen nicht umschlagen, denn der
                              Koͤrper des Wagens wuͤrde, indem sich dessen
                              Ladung an beiden Seiten der Bahn und unter dem Schwerpunkte
                              befindet, nur um einen Viertelzoll fallen, und wenn er in
                              Bewegung ist, auf derselben fortgleiten. Dieß sind die
                              Hauptprincipien der schwebenden Eisenbahn, so wie dieselbe
                              urspruͤnglich von Hrn. Sargent
                              erfunden worden.
                           Einige Jahre spaͤter trat nun ein Hr. H. R. Palmer Esq. in England mit einer
                              angeblich von ihm erfundenen schwebenden Eisenbahn auf, die
                              vollkommen nach demselben Principe erbaut ist. Die
                              Erklaͤrung des Palmer'schen
                              Patentes erschien in mehreren englischen Zeitschriften. Ob der
                              englische Erfinder ein Plagiat beging, und directe oder
                              indirecte Andeutungen uͤber die Erfindung des Hrn. Sargent erhalten hatte, laͤßt
                              sich unmoͤglich ermitteln; nur so viel ist gewiß, daß
                              lezterer nichts von ersterem gehoͤrt, und die
                              Thunlichkeit seines Vorschlages bereits vor mehreren Jahren
                              durch einen wirklichen Versuch erwiesen hatte, ehe ersterer mit
                              seinem Patente auftrat. Uebrigens ist dieser ganze Streit nicht
                              von großer Bedeutung.
                           Hr. Sargent brachte in der Folge
                              mehrere Verbesserungen an seiner urspruͤnglichen
                              Erfindung an, von denen einige bei der Eisenbahn, die er zu East
                              Boston erbaute, in Anwendung kamen. Die wesentlichste dieser
                              Verbesserungen liegt in dem sogenannten Reibungsriegel, den
                              man in der Zeichnung bei a, a
                              angebracht sieht. Obschon naͤmlich das Umschlagen des
                              Wagens unmoͤglich ist, so duͤrfte derselbe doch,
                              da er bloß auf einer Breite des Rades ruht, wenn die Ladung
                              nicht aus unbeweglichen Massen besteht, und nicht vollkommen
                              gleichmaͤßig balancirt ist, eine schwingende Bewegung auf
                              der Eisenbahn bekommen. Um diese zu verhindern, ist an jeder
                              Seite der Tragpfosten A, A ein
                              kleiner hoͤlzerner Balken a,
                                 a befestigt; und um die Reibung gegen die Seiten des
                              Wagens zu verhindern, ist unter dem Boden des Wagens ein Rad b angebracht, welches horizontal auf
                              dem Riegel oder Balken laͤuft. Der Druk auf diesen Riegel
                              oder Balken ist sehr unbedeutend, denn er ist weit geringer, als
                              der Unterschied zwischen der Schwere der Ladung auf beiden
                              Seiten des Karrens, weil, indem die uͤberladene Seite
                              eine Neigung hat, in senkrechter Richtung herabzusinken, der
                              schiefe Druk auf den Reibungsbalken geringer ist, als die ganze
                              Neigung, welche die belastete Seite zum Herabsinken hat. Dieser
                              Balken braucht daher nur klein zu seyn, und kommt folglich nicht
                              hoch zu stehen: mit seiner Huͤlfe kann der Karren, selbst
                              wenn die Ladung beweglich und wandelbar ist, so staͤtig
                              als auf irgend einer doppelt geleisigen Bahn erhalten
                              werden.
                           Eine weitere und wesentliche Verbesserung hat der Erfinder an den
                              Raͤdern angebracht. Wenn die Raͤder durch
                              hervorstehende Randstuͤke auf dem Hauptbalken erhalten
                              werden, so muß dieser wegen der sonstigen schnellen
                              Abnuͤzung nothwendig mit Eisen beschlagen werden, was die
                              Kosten bedeutend vermehrt. Um diesem Uebelstande abzuhelfen,
                              kann man die Raͤder des Karrens breiter machen, als den
                              Tragbalken oder als die Bahn; es sind dann keine
                              Randstuͤke noͤthig, sondern die Raͤder
                              drehen sich frei auf der glatten Oberflaͤche des Balkens.
                              Um sie hiebei in gehoͤriger Richtung zu erhalten,
                              muͤßten sie durch Rollen gefuͤhrt werden, welche
                              horizontal gestellt waͤren, und an der Seite des
                              Tragbalkens liefen. Diese Rollen wuͤrden die Stelle der
                              sonst gebraͤuchlichen Randstuͤke vertreten; sie
                              wuͤrden aber weit weniger Reibung verursachen, und
                              uͤberdieß wuͤrden die Kosten des eisernen
                              Beschlaͤges wegfallen.
                           Die Karren koͤnnen uͤbrigens, wenn man nur die
                              angegebenen Principien dabei nicht aus den Augen laͤßt,
                              nach der Natur der zu transportirenden Waaren, und nach dem
                              Geschmake der Eigenthuͤmer verschieden abgeaͤndert
                              werden. Die schwebende Bahn zu East Boston ist, wie schon oben
                              gesagt worden, auf einem sehr sumpfigen und sehr
                              unguͤnstig gelegenen Stuͤke Landes gebaut. Die
                              Tragpfosten oder Pfahle sind durch den Morast in eine Schichte
                              blauen Thones getrieben, und durch schiefe Klammern oder
                              Strebepfeiler gestuͤzt. Die Wagen sind bloß
                              zum Transporte von Menschen bestimmt, indem die Bahn nur bis zu
                              einem haͤufig besuchten Belustigungsorte
                              laͤuft.
                           Der einzige Einwurf von Wichtigkeit, der sich gegen die
                              schwebende Bahn machen laͤßt, ist der, daß man ihr bei
                              einer groͤßeren Erhoͤhung uͤber den Boden
                              nicht hinreichende Festigkeit geben kann, so daß sie vielleicht
                              bei einer sehr großen Geschwindigkeit und großen Belastung der
                              Wagen nicht dieselbe Festigkeit gewahren duͤrfte, wie die
                              eisernen, nur wenig uͤber den Boden erhabenen Schienen.
                              Wir wollen uns hier nicht auf eine Discussion dieser Frage
                              einlassen, muͤssen aber doch bemerken, daß
                              Maͤnner, deren Ansicht in diesen Dingen von großem
                              Gewichte ist, glauben, man koͤnne diesen Bahnen eine
                              fuͤr alle praktischen Faͤlle vollkommen
                              hinreichende Festigkeit geben.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
