| Titel: | Ueber eine neue Benuzung des hydraulischen Cementes oder römischen Kittes von Pouilly. | 
| Fundstelle: | Band 52, Jahrgang 1834, Nr. XLII., S. 220 | 
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                        XLII.
                        Ueber eine neue Benuzung des
                           hydraulischen Cementes oder roͤmischen Kittes von
                           Pouilly.
                        Aus dem Journal des
                                 connaissances usuelles. Maͤrz 1834, S.
                              143.
                        Neue Benuzung des hydraulischen Cementes oder
                           roͤmischen Kittes von Pouilly.
                        
                     
                        
                           Wir haben bereits schon mehrere Male Gelegenheit gehabt von den
                              ausgezeichneten Eigenschaften, die der hydraulische Cement,
                              welcher in der Gegend von Pouilly vorkommt, besizt, und von den
                              mannigfachen nuͤzlichen Zweken, zu denen er verwendet
                              werden kann, zu sprechen. Die Vorzuͤge, welche derselbe
                              beinahe vor allen uͤbrigen Arten vom Cementen oder Kitten
                              in Hinsicht auf seine Anwendung bei Wasserbauten voraus hat,
                              finden taͤglich mehr Anerkennung. Ueberall, wo man
                              denselben kennt, und sich ihn zu verschaffen im Stande ist,
                              nimmt daher dessen Benuzung außerordentlich zu; man verwendet
                              ihn haͤufig und allgemein zu Tuͤnchen, zum
                              Verstreichen der Fugen, zum Trokenlegen von nassen und
                              salpeterigen Mauern, zum Baue und zur Ausbesserung von
                              Troͤgen, Bassins, Wasserbehaͤltern, zum Baue von
                              unterirdischen Wasserleitungen, zu Ueberschutten fuͤr
                              Gewoͤlbe, beim Baue von Abtritten, und uͤberhaupt
                              in allen Faͤllen, in welchen ein schnelles
                              Erhaͤrten und Undurchdringlichkeit fuͤr das Wasser
                              erforderlich ist. Die franzoͤsische Regierung benuzt
                              daher diesen Cement vorzugsweise bei allen groͤßeren
                              Canalbauten, bei den Marinebauten und beim Baue von Festungen;
                              sie wurde durch mehrjaͤhrige Versuche und Beobachtungen,
                              und vorzuͤglich durch die von Hrn. Frissard hergestellten Thatsachen, nach welchem er von
                              einer Wasserzeit zur anderen den heftigsten Wogen widerstand, zu
                              diesem Beschlusse gebracht.
                           
                           Wir wollen uns hier nicht weiter in eine Eroͤrterung der
                              Eigenschaften dieses Cementes einlassen; sie sind hinreichend
                              bekannt, und wir fuͤhlen uns daher nur zur Mittheilung
                              einiger weniger bekannten Benuzungsweisen desselben
                              veranlaßt.
                           Die Zwischenmauern, welche aus Baksteinen, die auf die Kante
                              gestellt sind, und aus Gyps gebaut sind, gaben Anlaß zu der Idee
                              auch aͤußere Mauern auf diese Weise zu bauen, mit dem
                              Unterschiede jedoch, daß man statt des Gypses Cement anwendete.
                              Die Versuche, die man in dieser Hinsicht anstellte, gelangen
                              vollkommen. Man erbaute in Entfernungen von 2 zu 2 Metern kleine
                              Pfeiler aus Mauerwerk von 25 bis 30 Centimeter im Gevierte, und
                              legte dazwischen die Wand, die aus Baksteinen oder Platten,
                              welche auf die Kante gesezt wurden, bestand; dabei wurde nur zum
                              Verstreichen der Fugen und zum Bewurfe der beiden
                              Flaͤchen der Ziegel Moͤrtel, der mit gutem
                              hydraulischen Kalke zubereitet worden, verwendet. Eine Mauer
                              oder eine Wand dieser Art gewaͤhrt nicht nur hinreichende
                              und große Festigkeit, sondern sie nimmt auch weniger Raum weg,
                              da sie nur aus einer einzigen Ziegeldike besteht, und ist sehr
                              schnell aufgebaut. Vortheile, die in einem Lande, in welchem der
                              Grund und Boden sowohl, als das Baumaterial von großem Werthe
                              sind, alle Beruͤksichtigung verdienen. Was die Eleganz
                              betrifft, so stehen diese Mauern oder Waͤnde den
                              gewoͤhnlichen nicht nur nicht im Geringsten nach, sondern
                              sie uͤbertreffen sie sogar.
                           Um zu beweisen, wie undurchdringlich eine mit hydraulischem
                              Cemente von Pouilly bereitete Tuͤnche fuͤr
                              Naͤsse und Feuchtigkeit ist, und wie sehr gute Dienste
                              eine solche selbst an salpeterigen Mauern leistet, wollen wir
                              nur die Salzmagazine zu Lyon als Beispiel anfuͤhren. Der
                              Baurath dieses Ortes beschloß naͤmlich, nachdem die
                              meisten uͤbrigen Vorschlage zum Trokenlegen der
                              Waͤnde dieses Gebaͤudes fehl geschlagen, dieselben
                              in ihrer ganzen Hoͤhe mit Cement von Pouilly zu
                              bekleiden; und seit dieß geschehen, sind die Waͤnde
                              troken; man findet weder an der aͤußeren noch an der
                              inneren Seite derselben mehr salzige Efflorescenzen.
                           Eine Anwendung des hydraulischen Cementes, welche wegen der
                              Kostenersparniß, die sie bewirkt, und wegen der Leichtigkeit der
                              Ausfuͤhrung gewiß einer sehr großen Ausdehnung
                              entgegensehen darf, besteht in dem Baue von unterirdischen
                              Wasserleitungen fuͤr groͤßere und kleinere
                              Staͤdte aus demselben. Man erspart hiebei sowohl die
                              gußeisernen und bleiernen Roͤhren, die bei der ersten
                              Anschaffung sehr hoch zu stehen kommen, als die
                              hoͤlzernen, bei denen man mit bestaͤndigen
                              Reparaturen zu kaͤmpfen hat. Die zahlreichen Versuche,
                              die in dieser Hinsicht zu Pouilly selbst angestellt wurden,
                              waren von dem ausgezeichnetsten Erfolge
                              gekroͤnt. Man hat naͤmlich daselbst aus einem
                              Steinmoͤrtel, dessen Zusammensezung wir weiter unten
                              angeben werden, an Ort und Stelle Wasserleitungsroͤhren
                              von unbestimmter Laͤnge, die nichts zu wuͤnschen
                              uͤbrig lassen, erbaut. Der Lehrbogen, dessen man sich
                              hiezu bediente, bestand aus einem Cylinder, welcher nach der
                              Richtung des Durchmessers seiner Basis getheilt war. Die beiden
                              Theile des Cylinders wurden auf einander gelegt, und dann durch
                              dazwischen gebrachte Unterlaghoͤlzer von einander
                              entfernt, so daß, wenn man diese Unterlagen herauszog, der obere
                              Theil auf den unteren niederfiel, und daß folglich beide Theile
                              nach Vollendung des Canales leicht herausgenommen werden
                              konnten. Es versteht sich hiebei von selbst, daß ein solcher
                              Lehrcylinder von 3 bis 4 Meter Laͤnge zur Erzeugung einer
                              Roͤhre oder eines Canales von Anbestimmter Laͤnge
                              hinreicht, und daß die Roͤhren verschiedene Durchmesser
                              haben koͤnnen. Die Dike, die man den Waͤnden der
                              Roͤhren oder Canaͤle zu geben hat, haͤngt
                              von dem Durchmesser derselben ab, und kann fuͤr
                              Canaͤle von 0,08 bis 0,60 Centimeter im Lichten 0,05 bis
                              0,15 Centimeter betragen.
                           Der Steinmoͤrtel muß zu diesem Behufe aus 1/6 Cement, 2/6
                              gewaschenem Sande und 3/6 klein zerschlagenen Steinen, wie man
                              sie Zum Beschuͤtten der Straßen braucht, zusammengesezt
                              werden. Die Vermengung geschieht mit einer
                              Moͤrtelschaufel im Augenblike der Anwendung; das Gemenge
                              wird mit der Kelle auf die Lehrbogen geworfen und leicht
                              geschlagen, damit keine leeren Zwischenraͤume bleiben.
                              Man baut mit diesem Steinmoͤrtel auch leichte
                              Gewoͤlbe, Bassins, Wasserbehaͤlter von allen
                              Formen und Dimensionen; sie sind nicht nur vollkommen
                              wasserdicht, sondern kommen auch viel wohlfeiler, als
                              Wassertroͤge, die aus einem Stuͤke bestehen, oder
                              aus Steinplatten zusammengesezt sind. Man hat kuͤrzlich
                              in einem Journale einen hydraulischen Moͤrtel, welcher
                              aus Kalk, kuͤnstlicher Puzzolane, Sand und zerschlagenen
                              Steinen besteht, zum Baue von Wasserbehaͤltern und
                              Troͤgen empfohlen, und berechnet, daß ein solcher
                              Behaͤlter von 3 Meter Laͤnge, 1,30 Centimeter
                              Breite, 0,80 Centimeter Tiefe und 0,15 Centimeter Dike der
                              Waͤnde im Ganzen auf 215 Fr. 90 Cent. zu stehen kommt,
                              waͤhrend ein steinerner Wasserbehaͤlter von
                              gleicher Groͤße 380 Fr, kosten wuͤrde. Diese Masse
                              braucht jedoch mehrere Tage zum Erhaͤrten, und muß
                              uͤberdieß mit einem Oehlanstriche uͤberzogen
                              werden; zwei unangenehme Dinge, die bei der Anwendung des
                              hydraulischen Cementes von Pouilly, der noch dazu wohlfeiler
                              ist, wegfallen.
                           Ein mit hydraulischem Cemente von Pouilly gebauter
                              Wasserbehaͤlter von den oben angegebenen Dimensionen
                              wuͤrde naͤmlich nicht
                              hoͤher, als auf 121 Fr. zu stehen kommen, wie folgende
                              Berechnung beweist.
                           
                              
                                 Cement
                                 0,45 Kub.-Meter
                                 oder 630 Kilogr., die 100
                                    Kilogr. zu 12 Fr.
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                   75 Fr.
                                 60 Cent.
                                 
                              
                                 Sand
                                 0,90      –
                                 zu 5 Fr. den Quadratmeter
                                     4
                                     –
                                 50   –
                                 
                              
                                 Zerschlagene
                                    Steine
                                 1,35      –
                                 zu 5 Fr. der
                                    Kub.-Met.
                                     6
                                     –
                                 75   –
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––––––––––
                                 
                                 
                                 
                              
                                                 
                                    Summa
                                 2,70 Kub.-Meter,
                                    die durch die Absorption
                                 
                                 
                                 
                              
                                 
                                 auf 2 Kub.-Meter
                                    zusammensinken.
                                 
                              
                                 Arbeitslohn
                                     9
                                     –
                                  –  
                                     –
                                 
                              
                                 Kosten der
                                    Lehre
                                   15
                                     –
                                  –  
                                     –
                                 
                              
                                 Falsche
                                    Kosten, 1/10 von Obigem.
                                   11
                                     –
                                  –  
                                     –
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 Summa
                                 121 Fr.
                                 93 Cent.
                                 
                              
                           Zu Pouilly selbst kommt ein solcher Wasserbehaͤlter nur
                              auf 80 Fr. zu stehen.
                           Zu Vincennes bei Paris wurden im Jahre 1830 unter Leitung des
                              Militaͤr-Geniewesens mehrere
                              Wasserbehaͤlter aus diesem Cemente gebaut, die nun
                              seither der Kaͤlte der Winter sowohl, als der
                              Erschuͤtterung, die beim Fuͤllen derselben durch
                              das Gefaͤlle des Wassers Statt findet, vollkommen gut
                              widerstanden.
                           Wie groß auch die Kraft der hydraulischen Kalke und der
                              Puzzolanen seyn mag, so halten sie doch mit dem Cemente von
                              Pouilly keinen Vergleich aus. Es gibt Umstaͤnde, unter
                              welchen lezterer ganz unersezlich ist, besonders da, wo ein sehr
                              schnelles Erhaͤrten, und eine vollkommene
                              Undurchdringlichkeit erforderlich ist. Der Preis dieses Cementes
                              ist uͤbrigens wegen des großen Absazes, den er findet, in
                              neuerer Zeit so gesunken, daß dessen Anwendung immer allgemeiner
                              werden kann.
                           Als Basis fuͤr die Berechnung der Kosten der Bauten mit
                              Cement von Pouilly moͤgen folgende Daten dienen. Zu einem
                              Kubik-Meter Mauerwerk mit gewoͤhnlichen Bausteinen
                              braucht man beilaͤufig 0,30 Meter Cementmoͤrtel
                              und Sand, d.h. 150 Kilogr. Cement, und dem Volumen nach 1/3
                              Cement und 2/3 Sand. Zu einem Kub.-Meter Mauerwerk aus
                              Baksteinen braucht man nur 0,25 Meter Moͤrtel aus Cement
                              und Sand, d.h. 120 Kilogr. Cement. Zu einem Meter Bewurf von 3
                              Centimeter Dike sind beilaͤufig 0,03 Meter Moͤrtel
                              aus Cement und Sand oder 20 Kilogr. Cement erforderlich. Beim
                              Verstreichen der Fugen braucht man auf einen Meter im
                              Durchschnitte 0,005 Meter Cement und Sand oder 6 Kilogr. Cement.
                              Ein geschikter und etwas gewandter Arbeiter kann mit
                              Beihuͤlfe seines Handlangers taͤglich 20 bis 25
                              Meter bewerfen, und 12 bis 15 Meter verstreichen. Als mittlerer
                              Preis des Cementes von Pouilly kann man zu Paris im Durchschnitte 12
                              Fr. fuͤr 100 Kilogr. annehmen, so daß sich also hienach
                              die Kosten der Bauten mit demselben berechnen lassen.