| Titel: | Beschreibung einer von Hrn. Bockholtz erfundenen sehr genauen Waage, bei welcher die Belastung und Empfindlichkeit constant bleiben. | 
| Fundstelle: | Band 52, Jahrgang 1834, Nr. XLVIII., S. 241 | 
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                        XLVIII.
                        Beschreibung einer von Hrn.
                           Bockholtz erfundenen sehr genauen
                           Waage, bei welcher die Belastung und Empfindlichkeit constant
                           bleiben.Wir haben bereits im polytechn. Journal Bd. XLIX. S. 233 die
                                 Chemiker auf die Bockholtz'sche
                                 Waage aufmerksam gemacht. A. d. R.
                           
                        Aus dem Bulletin de la
                                 Société d'encouragement. October 1833,
                              S. 334.
                        Mit Abbildungen auf Tab. IV.
                        Bockholtz's sehr genaue Waage.
                        
                     
                        
                           Die feinen Waagen, welche die Chemiker gegenwaͤrtig in
                              ihren Laboratorien anwenden, sind solche mit gleicharmigem
                              Waagebalken: eine solche Waage mag uͤbrigens mit noch so
                              großer Sorgfalt verfertigt worden seyn, so ist es
                              unmoͤglich, daß sie genau bleibt. Der Temperaturwechsel
                              verursacht Ausdehnungen, welche bei den Armen des Waagebalkens
                              ungleich seyn muͤssen, weil man sich kein vollkommen
                              gleichartiges Material verschaffen kann: sobald aber die Arme
                              des Waagebalkens ungleich geworden sind, kann man das Gewicht
                              eines Koͤrpers auf keine andere Art mehr genau finden,
                              als durch die Methode des doppelten Wagens, welche bekanntlich
                              darin besteht, daß man in die Schale zur Rechten den zu
                              wiegenden Koͤrper und in die zur Linken ein ihm das
                              Gleichgewicht haltendes Gewicht bringt, worauf man den
                              Koͤrper aus der Waagschale nimmt und an Statt seiner
                              geeichte Gewichte hineinlegt, bis das Gleichgewicht wieder
                              hergestellt ist: die in der Schale zur Rechten befindlichen
                              geeichten Gewichte geben dann das Gewicht des Koͤrpers.
                              Die gleiche Laͤnge der Waagebalkenarme kann aber nicht
                              nur durch ihre Ausdehnung in Folge eines Wechsels der Temperatur
                              eine Veraͤnderung erleiden, sondern auch durch die
                              Zerstoͤrung des Waagebalkens, welcher durch die im
                              Laboratorium verbreiteten sauren Daͤmpfe
                              ungleichfoͤrmig angegriffen werden kann, ungeachtet aller
                              Vorsichtsmaßregeln die Waage ihrem nachtheiligen Einflusse zu
                              entziehen.
                           Um das doppelte Waͤgen zu vermeiden, hat man mehrere
                              Systeme ersonnen, wodurch sich die Laͤnge der beiden
                              Waagarme ausgleichen laͤßt. Gahn brachte die Stuͤze der Schneide des
                              mittelsten Waagepunktes auf einen kleinen Wagen, den er zur
                              Rechten oder zur Linken bewegte, um einen der Waagarme zu
                              verlaͤngern oder zu verkuͤrzen.Die Gahn'sche Waage mit ihren
                                    neuesten Verbesserungen findet man
                                    ausfuͤhrlich beschrieben in Berzelius Lehrbuch der Chemie, Dresden 1831,
                                    Bd. IV. S. 1052. A. d. R.
                              Wollaston brachte am Ende der
                              Waagebalkenarme Nußschrauben an, um mittelst derselben
                              die Suspensionspunkte der Waagschalen der Schneide zu
                              naͤhern oder von ihr zu entfernen. Bei jedem dieser
                              beiden Systeme uͤberzeugte man sich von der Genauigkeit
                              der Waage, indem man geeichte und gleiche Gewichte in die
                              Schalen legte und dann den Mechanismus spielen ließ, bis das
                              Gleichgewicht hergestellt war.
                           Eine solche Waage muß man aber wenigstens ein Mal taͤglich
                              justiren, man muß sie ferner in einem Zimmer aufstellen, wo die
                              Temperatur waͤhrend der ganzen Dauer der Operationen sich
                              gleich bleibt und endlich muß man sie gut gegen die
                              Daͤmpfe des Laboratoriums und gegen Feuchtigkeit
                              verwahren.
                           Außer dem doppelten Waͤgen oder der taͤglichen
                              Justirung der Waage findet bei chemischen Versuchen aber auch
                              noch ein anderer Uebelstand Statt; die Quantitaͤten der
                              zu waͤgenden Koͤrper sind sehr wandelbar und bei
                              jeder Operation verschieden; die Belastung der Waage
                              aͤndert sich daher haͤufig und mit derselben auch
                              ihre Empfindlichkeit; wenn man daher von einer und derselben
                              Substanz die Analyse mit verschiedenen Quantitaͤten
                              oͤfters wiederholt, was sehr oft vorkommt, so geschieht
                              nicht mehr jede Waͤgung unter dem Einfluß derselben
                              Empfindlichkeit der Waage. Mit einem Worte, da bei den Waagen
                              mit gleicharmigem Balken die Belastung auf der Schneide sich
                              nicht gleich bleibt, so kann auch ihre Empfindlichkeit nicht
                              gleich bleiben.
                           Dazu kommt noch, daß der Waagebalken so eingerichtet wird, daß er
                              sich unter einem gegebenen Gewichte nicht biegt; die Angaben der
                              Waage sind also nicht mehr genau, sobald man dieses Gewicht
                              uͤberschreitet; bei den Waagen mit gleicharmigem Balken
                              verhindert uns aber nichts, einen so nachtheiligen Fehler zu
                              begehen.
                           Hr. Bockholtz suchte alle diese
                              Uebelstaͤnde zu vermeiden. Es gelang ihm seiner Waage
                              alle wuͤnschbare Genauigkeit zu geben und durch eine
                              gluͤkliche Combination das doppelte Waͤgen
                              unnuͤz zu machen; die Belastung, folglich auch die
                              Empfindlichkeit, bleibt sich gleich; endlich ist es
                              unmoͤglich auf dieser Waage einen Koͤrper zu
                              wiegen, dessen Gewicht das groͤßte darauf waͤgbare
                              uͤberschreiten wuͤrde; die Bockholtz'sche Waage liefert also niemals fehlerhafte
                              Angaben: dazu kommt noch, daß sie bei weitem nicht so hoch zu
                              stehen kommt, wie die jezt in den Laboratorien
                              gebraͤuchlichen feinen Waagen und daß sie leichter als
                              diese zu verfertigen ist.
                           Die Waage des Hrn. Bockholtz hat
                              folgende Einrichtung:
                           Ein ungleicharmiger Balken R
                              Fig. 10 liegt durch eine Schneide b, auf einer
                              Scheibe von polirtem Stahl oder Agat c; am Ende K des
                              groͤßten Armes haͤngt eine Stange d, die mit zwei Schalen i und h
                              versehen ist; auf die obere Schale i
                              legt man ein geeichtes Gewicht, zum Beispiel einen Gramm und
                              alle Unterabtheilungen des Gramms, im Ganzen 2 Gramme (wenn man
                              nicht einen Koͤrper waͤgen will, dessen Gewicht 2
                              Gramme uͤberschreitet). Am Ende m des kleinsten Armes ist ein cylindrischer
                              Koͤrper o angeschraubt,
                              welcher das Gleichgewicht herstellen muß.
                           Man kann diesen cylindrischen Koͤrper auf der Drehebank
                              leicht allmaͤhlich so weit abdrehen, daß er das
                              erforderliche Gewicht hat, um die Waage ins Gleichgewicht zu
                              sezen; wenn er aber auch mehr wiegen wuͤrde, so kann man
                              durch eine kleine auf die Schale gelegte Tara immer leicht das
                              Gleichgewicht herstellen.
                           Der Mittelpunkt n des cylindrischen
                              Koͤrpers, die Schneide b und
                              der Suspensionspunkt K der doppelten
                              Schale muͤssen, so gut sich dieses bewerkstelligen
                              laͤßt, in einer geraden Linie liegen. Vermittelst der
                              doppelten Schraube a, deren
                              Erfindung Hrn. Berzelius
                              angehoͤrt„Eine sichere, wiewohl etwas kostspielige Art,
                                       ohne vieles Probiren die Laͤnge der beiden
                                       Waagarme zu justiren, sagt Berzelius, besteht darin, daß man die beiden
                                       Endstuͤke beweglich macht, indem man sie in
                                       Huͤlsen einsezt, die mittelst Schrauben
                                       vor- und ruͤkwaͤrts beweglich
                                       sind. Wenn die Flaͤche einer solchen
                                       Huͤlse auf der geraden Linie des Waagebalkens
                                       ruht, welcher nur einen so langen Einschnitt hat,
                                       als die Schneiden bewegbar seyn sollen, so ist dieß
                                       leicht zu bewerkstelligen, ohne daß die Schneiden
                                       bei der Fortbewegung von dieser geraden Linie
                                       abweichen. Schrauben mit 50 Gaͤngen auf einen
                                       Zoll sind fuͤr eine solche Fortruͤkung
                                       noch hinreichend dik und stark darstellbar. –
                                       Wuͤrde man nur eine solche Schraube an dem
                                       einen Ende der Waage gebrauchen, so wuͤrde
                                       die Fortbewegung um jede einzelne Umdrehung der
                                       Schraube einen Gewichtsunterschied von nicht weniger
                                       als 2/10 Loth ausmachen, wenn die Waage mit 60 Loth
                                       belastet und jeder Arm 6 Zoll lang waͤre;
                                       wodurch sich also die Unbrauchbarkeit dieser
                                       Einrichtung ausweist, darum muͤssen die
                                       Endschneiden zu gleicher Zeit fortgeruͤkt
                                       werden, und die Schraube der einen auf del. Zoll
                                       einen Gang weniger haben, als die andere. Hat die
                                       eine Schraube auf einen Zoll 50 Gange, und die
                                       andere 51, und werden beide gleich viel gegen
                                       einander gedreht, so daß beide Schneiden zugleich um
                                       eine Schraubenwindung vor oder zuruͤk bewegt
                                       werden, so bewirkt diese Fortruͤkung nur
                                       1/2550 Zoll Unterschied in der Laͤnge der
                                       beiden Arme. Und wenn folglich durch Stellung der
                                       einen oder der beiden Schrauben die Waage so weit
                                       wie moͤglich justirt ist, und man genau
                                       beobachtet hat, um wie viel der eine Arm mehr zieht
                                       als der andere, so ist leicht durch Berechnung zu
                                       bestimmen, um wie viel ganze oder halbe, oder noch
                                       weniger Umdrehungen beide Schrauben gedreht werden
                                       muͤssen, um die Justirung vollkommen zu
                                       haben, und stets hat man die Befriedigung, den
                                       Ausschlag genau damit uͤbereinstimmend zu
                                       finden. – Diese
                                          Methode, zwei Schrauben zu gebrauchen, die auf
                                          eine gleiche Laͤnge eine ungleiche Anzahl
                                          von Gaͤngen haben, ist uͤberhaupt
                                          oft von großem Vortheil, wo eine kleine Bewegung
                                          mit Sicherheit bewirkt, oder große Wirkung durch
                                          geringe Kraft hervorgebracht werden soll, und ist
                                          auf mannigfaltige Weise als ein sehr
                                          maͤchtiges Hebewerkzeug
                                          anwendbar.“ A. d. R., kann man den Schwerpunkt des Systems, der Schneide b oder dem Aufhangepunkt
                              naͤhern oder davon entfernen, und dadurch
                              die Schwingungen des Ballens schneller oder langsamer
                              machen.
                           Die Waage muß auch in Ruhe gebracht werden koͤnnen, damit
                              die Schneide b nicht zu sehr
                              angestrengt wird und ihre untere Kante sich nicht zu bald
                              abstumpft.
                           Deßhalb hat Hr. Bockholtz eine
                              Stuͤze P angebracht, die auf
                              den Fuß Q der Waage geschraubt wird
                              und an ihrem Ende mit einer kegelfoͤrmigen Spize p versehen ist, welche in ein
                              kegelfoͤrmiges Loch im cylindrischen Koͤrper o paßt; so daß, wenn man auf den
                              Knopf g druͤkt, der Hebel f, e in Wirksamkeit gesezt wird, der
                              bis zur staͤhlernen oder agatenen Scheibe c hinaufreicht, welche die Schneide
                              b und folglich das ganze
                              Zugehoͤr des Waagebalkens hinauftreibt und in dieser Lage
                              druͤkt die Waage dann nur noch auf die Schneide b und ist zum Wiegen
                              hergerichtet.
                           Sobald man nicht mehr auf den Knopf g
                              druͤkt, sinkt die Scheibe c
                              herab, der Waagebalken ebenfalls und das Gegengewicht o legt sich wieder auf die Spize p; unter diesen Umstaͤnden
                              druͤkt die Schneide b nicht
                              mehr auf die Scheibe p und kann sich
                              daher nicht mehr abnuͤzen.
                           Die Erhebung der Scheibe c ist sehr
                              klein, damit kein Stoß gegen die Schneide b Statt findet.
                           Wenn die Waage zum Waͤgen hergerichtet ist, legt man den
                              zu wiegenden Koͤrper in die Schale h und nimmt von der Schale i so viele Gewichte weg als die Wiederherstellung des
                              Gleichgewichts erfordert. Daß sich das Gleichgewicht wieder
                              hergestellt hat, erkennt man wie bei allen feinen Waagen an dem
                              Gange der Schwingungen der Zunge K
                              in Bezug auf die Null am senkrechten Index oder Zeiger.
                           Offenbar muͤssen die Gewichte, welche man von der Schale
                              i wegnahm, das genaue Gewicht
                              des in die Schale h gelegten
                              Koͤrpers angeben.
                           Es ist auch klar, daß wenn die obere Schale i nur mit 2 Grammen belastet ist, es
                              unmoͤglich seyn wird, in der unteren Schale h einen Koͤrper zu wiegen,
                              dessen Gewicht uͤber 2 Gramme betraͤgt, und man
                              sieht auch, daß die Belastung auf der Schneide b sich immer gleich bleibt, wie viel
                              auch das Gewicht des zu wiegenden Koͤrpers betragen
                              mag.
                           Da der cylindrische Koͤrper o
                              an das Ende m des kleinen
                              Waagebalkenarms R angeschraubt ist,
                              so kann man leicht Gegengewichte von verschiedener Schwere
                              anwenden, welche die Waage ins Gleichgewicht sezen, je nachdem
                              das hoͤchste auf ihr abzuwaͤgende Gewicht 10 oder
                              20, oder 50 oder 100 Gramme betragen soll, und man kann
                              daher dieselbe Waage durch bloße Veraͤnderung des
                              Gegengewichtes o fuͤr
                              verschiedene Maximumgewichte einrichten: es ist dieses
                              vortheilhaft, weil die Schneide dann nicht unnoͤthiger
                              Weise angestrengt wird; betraͤgt z.B. bei einer Reihe von
                              Versuchen das hoͤchste abzuwaͤgende Gewicht nicht
                              uͤber 10 Gramme, so richtet man die Waage fuͤr
                              dieses Gewicht ein; muß bei einer anderen Reihe von Versuchen
                              das hoͤchste Gewicht bis 30 Gramme betragen, so richtet
                              man die Waage fuͤr dieses Gewicht her, dann ist doch im
                              Verlauf der ersten Versuche die Schneide b mit einem geringeren Gewicht und folglich nicht
                              unnoͤthiger Weise schwer belastet worden.
                           Die drei Punkte n, b und k muͤssen so genau als
                              moͤglich in einer geraden Linie liegen, weil der
                              Schwerpunkt des Gegengewichtes o
                              immer auf der Achse n liegt, die mit
                              der Schneide b parallel ist; wegen
                              dieses Umstandes kann man auch leicht die Genauigkeit erreichen,
                              ohne so langwieriges Probiren als es die Form der gleicharmigen
                              Waagebalken erfordert.
                           Fig. 10 ist ein Seitenaufriß der Waage in ihrem
                              glaͤsernen Gehaͤuse; bei r ist ein Schiebefenster, damit man den zu wiegenden
                              Koͤrper in die Schale h legen
                              kann.
                           Außer dem Raum xx, yy, welcher mit der Luft des
                              Laboratoriums in Beruͤhrung kommt, wenn das
                              Schiebefenster r aufgezogen wurde,
                              ist das ganze Gehaͤuse geschlossen, daher die beiden
                              Schalen h und i die einzigen Theile der Waage sind, die
                              waͤhrend des Wagens mit den Daͤmpfen des
                              Laboratoriums in Beruͤhrung kommen koͤnnen.
                           Die ganze Waage besteht aus Messing, nur die Schneide b und der Suspensionspunkt K der Schalen aus Stahl und der
                              obere Theil der die Schalen tragenden Stange aus geschmiedetem
                              Eisen.
                           Fig. 11 ist eine Seitenansicht der Waage.
                           Fig. 12 zeigt den Suspensionspunkt K im Detail.Man kann die Bockholtz'sche
                                    Waage so einrichten, daß sie mehr oder weniger
                                    empfindlich ist und entweder bis auf einen halben Gramm
                                    oder bis auf einen halben Milligramm das Gewicht genau
                                    angibt, daher diese Waage in jedem Fall die in den
                                    Laboratorien gebraͤuchlichen Waagen mit
                                    gleicharmigem Balken ersezen kann; was sie aber vor
                                    jeder anderen auszeichnet, ist dieses, daß der
                                    Verkaͤufer den Kaͤufer nicht
                                    taͤuschen kann. Es ist unmoͤglich mit
                                    dieser Waage falsch zu wiegen, waͤhrend bei der
                                    gleicharmigen Waage der Kaͤufer, wenn er sich von
                                    dem Gewicht der Waare uͤberzeugen will, die
                                    Schalen umhaͤngen oder das Gewicht und die
                                    gewogene Waare in den Schalen verwechseln muß. Im Handel und in den Gewerben
                                       wuͤrde die Einfuͤhrung der
                                       Bockholtz'schen Waage sich gewiß als vortheilhaft
                                       erweisen. T. O.
                              
                           T. Olivier.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
