| Titel: | Bericht des Hrn. Mérimée über das Siegellak des Hrn. Victor Roumestant zu Paris rue de Montmorency, No. 10. | 
| Fundstelle: | Band 53, Jahrgang 1834, Nr. XLVIII., S. 292 | 
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                        XLVIII.
                        Bericht des Hrn. Mérimée uͤber das Siegellak des
                           Hrn. Victor Roumestant
                           zu Paris
                           rue de Montmorency, No. 10.
                        Aus dem Bulletin de la Société
                                 d'encouragement. April 1834, S. 163.
                        Mérimées Bericht uͤber das Siegellak des Hrn.
                           Roumestant.
                        
                     
                        
                           Die Gesellschaft hat bei den Industrieausstellungen zu Paris gewiß die Bemerkung
                              gemacht, daß die Siegellakfabrikation in vielen Hinsichten bereits einen hohen Grad
                              von Vollkommenheit erreicht hat, und gewiß verweilte sie mit Wohlgefallen auf den
                              mannigfachen glaͤnzenden Sammlungen von Siegellak von allen
                              Farbenabstufungen. Man haͤtte hienach beinahe glauben koͤnnen, es sey
                              nichts mehr zu wuͤnschen uͤbrig; und doch fehlte noch die
                              wesentlichste Verbesserung: naͤmlich eine Verbindung der Vollkommenheit mit
                              der Wohlfeilheit. Diese Verbesserung wurde nun endlich auch von Hrn. Roumestant erreicht; er suchte die Qualitaͤt
                              seines Siegellakes zu verbessern, und kam dabei auf neue Verfahren, die eine solche
                              Ersparniß ergaben, daß er seine Fabrikate nun um 50 Procent wohlfeiler zu liefern im
                              Stande ist.
                           
                           Um die Vortheile der neuen Bereitungsmethoden des Herrn Roumestant augenscheinlicher zu machen, sey es uns erlaubt, vorher
                              vergleichsweise jene Methoden zu beruͤhren, die man in den
                              beruͤhmtesten Fabriken befolgt.
                           Das Siegellak besteht bekanntlich aus Gummilak, Harz und einem Faͤrbestoffe.
                              Der Lak wird nicht ohne Vermittelung geschmolzen; er siedet naͤmlich sogleich
                              auf, so wie er fluͤssig wird, und wahrscheinlich wuͤrde ein großer
                              Theil des Harzes eine bedeutende Veraͤnderung erleiden, bevor noch die
                              Schmelzung vollkommen erfolgt ist. Der Gummilak loͤst sich hingegen leicht in
                              Terpenthin auf, und deßhalb bringt man in das Beken, welches man auf ein gelindes
                              Feuer sezt, eine Quantitaͤt schoͤnen Terpenthin, in der man dann nach
                              und nach eine vier Mal groͤßere Menge Lak zergehen laͤßt. Ist die
                              Masse ganz und gar geschmolzen, so faͤrbt man sie mit Zinnober oder mit
                              irgend einem anderen in ein unfuͤhlbares Pulver verwandelten
                              Faͤrbestoffe, sezt ihr uͤberdieß etwas fluͤchtiges Oehl, wie
                              z.B. Terpenthingeist, Lavendel- oder Rosmarinoͤhl zu, und gießt das
                              Gemenge, wenn die Mischung aufs Innigste erfolgt ist, auf eine Marmortafel. Nach dem
                              Erkalten zerschlaͤgt man diese Masse in kleine Stuͤke, um sie hierauf
                              in einem Beken zergehen zu lassen, und sie endlich in metallene Model zu gießen,
                              womit das Siegellak bis auf das Poliren und bis auf das Bezeichnen fertig ist. Dieß
                              geschieht durch eine ziemlich langweilige Operation, indem dieselbe bei jeder
                              einzelnen Stange Siegellak wiederholt werden muß. Man bedient sich zu diesem Behufe
                              eines eigens gebauten Ofens. Derselbe hat naͤmlich zwei rostartige Herde, und
                              zwischen den beiden Rosten, auf denen sich die Kohlen befinden, ist ein Zwischenraum
                              von 8 bis 10 Centimeter. In diesen Zwischenraum, der von Oben und Unten mit
                              gluͤhenden Kohlen umgeben ist, haͤlt man die Siegellakstangen, indem
                              man sie an dem einen Ende mit einer Zange ergreift. Sie kommen hiedurch an ihrer
                              Oberflaͤche bald in Fluß, waͤhrend sie zugleich in der ganzen Dike
                              weich werden; in diesem Zustande werden sie dann in einem Model aus polirtem Stahle,
                              in welchen auch das Wappen des Fabrikanten, oder ein anderes Zeichen gravirt ist,
                              zusammengedruͤkt. Vor dem voͤlligen Erkalten werden die Enden der
                              Stangen, die aus dem Model hervorragen, abgeschnitten, und auf diese Weise bekommen
                              saͤmmtliche Stangen eine und dieselbe Laͤnge.
                           Hr. Roumestant hat seinen Operationsplan nach der
                              Erfahrung regulirt, daß die Guͤte des Siegellakes nicht bloß von den
                              angewendeten Substanzen, sondern auch von dem relativen Verhaͤltnisse
                              derselben zu einander abhaͤngt. Einige der Bestandtheile, wie z.B. die
                              fluͤchtigen Oehle, tragen dazu bei, das Siegellak leichter
                              entzuͤndlich zu
                              machen, und es in Fluß zu erhalten, wenn man es, um das Pettschaft darauf
                              druͤken zu koͤnnen, auf dem Papiere ausbreitet. Laͤßt man daher
                              das Siegellak zu lange auf dem Feuer, so verfluͤchtigt sich ein Theil der
                              fluͤchtigen Stoffe, was offenbar einen Einfluß auf die Guͤte des
                              Siegellakes uͤben muß.
                           Das Siegellak des Hrn. Roumestant wird nur ein einziges
                              Mal geschmolzen; saͤmmtliche Bestandtheile desselben werden, nachdem sie
                              genau gewogen, in den Verhaͤltnissen, die er als die besten erkannt hat, in
                              irdene Toͤpfe gebracht. Diese Toͤpfe sezt man auf Loͤcher in
                              dem Ofen, in welche sie genau passen. Damit jedoch gegen das Entweichen von
                              Waͤrmestoff noch sicherer gesorgt ist, umgibt man den Topf mit einem
                              Aschenringe. Um den Fluß oder die Schmelzung zu beschleunigen bedient sich Hr. Roumestant eines Ruͤhrstokes, der die Form einer
                              Scheibenhaͤlfte hat, und mit einem kleinen vierekigen Stiele versehen ist, an
                              welchem man die Kurbel eines Trauben- oder Drillbohrers anbringt. Mittelst
                              dieses Instrumentes zerreibt man die weich gewordenen Substanzen, um sie durch
                              oͤftere Erneuerung ihrer Oberflaͤchen in der moͤglich
                              kuͤrzesten Zeit zum Flusse zu bringen. Sobald die Masse vollkommen in Fluß
                              gelangt, nimmt man die Toͤpfe vom Feuer, und gießt das Siegellak in marmorne
                              Model. Es kuͤhlt in diesen in kurzer Zeit ab; und nachdem dieß geschehen,
                              nimmt man die Stangen aus den Modeln, um sie einem Arbeiter zu uͤbergeben,
                              der die Naͤhte zu entfernen hat, die dadurch entstehen, daß die Model nicht
                              ganz genau an einander liegen. Der Arbeiter bedient sich zu diesem Behufe eines mit
                              Glaspulver uͤberzogenen Papieres, womit er in kurzer Zeit eine große Menge
                              Siegellakstangen glatt machen kann. Die Stangen haben eine elliptische und keine
                              cylindrische Gestalt, und dadurch wird die Operation, durch welche man dem
                              Siegellake Glanz gibt, sehr beschleunigt.
                           Man legt auf eine Marmortafel 100 Siegellakstangen neben einander, und zwar so, daß
                              sie einander nicht beruͤhren. Dann ergreifen zwei Maͤnner eine eiserne
                              Trage, auf welche eine zum Rothgluͤhen erhizte Eisenplatte gelegt wird, die
                              man in geringer Entfernung uͤber dem Siegellake hin und her bewegt. Die
                              Oberflaͤche der Stangen schmilzt durch die ausstrahlende Waͤrme, und
                              in weniger dann einer Minute werden saͤmmtliche Stangen auf der einen Seite
                              die schoͤnste Politur erlangt haben. Ist dieß der Fall, so kehrt man die
                              Staͤbe um, und wiederholt dasselbe Verfahren auch auf der anderen Seite.
                           Das Aufdruͤken des Zeichens auf das Siegellak geschieht auf eine sehr einfache
                              Weise, und obwohl es nur Stuͤk fuͤr Stuͤk vorgenommen werden
                              kann, so laͤßt es sich doch deßhalb sehr wohlfeil bewerkstelligen, weil man Kinder dazu
                              verwenden kann. Es wird naͤmlich jener Theil der Siegellakstange, auf den das
                              Zeichen gedrukt werden soll, uͤber eine Argand'sche Lampe gehalten, und wenn die Erweichung weit genug gediehen, so
                              legt man sie auf eine Unterlage, auf der ihr mittelst einer kleinen Hebelpresse das
                              Zeichen aufgedruͤkt wird.
                           Eine wesentliche Eigenschaft des Siegellakes besteht darin, daß dasselbe lange
                              brennt, ohne zu fließen, damit man die Briefe etc. nicht dem Kerzenlichte zu
                              naͤhern gezwungen ist, auch muß man Zeit genug haben die angebrannte Stange
                              aͤuf den Brief zu bringen, ohne daß etwas abtropft. Man verlangt ferner, daß
                              sich das Siegellak auf dem Papiere fluͤssig erhalte, damit man es
                              gehoͤrig ausbreiten, und den sich bildenden Ruß gegen den Rand hinaus
                              schaffen koͤnne, bevor man das Pettschaft aufdruͤkt.Je aͤlter das Siegellak wird, um so weniger Rauch erzeugt es beim
                                    Brennen; die Ursache davon liegt wahrscheinlich darin, daß nach und nach
                                    eine bedeutende Menge Terpenthin verduͤnstet.A. d. O.
                              
                           Alle diese Eigenschaften findet man in den Fabrikaten des Hrn. Roumestant, die uͤberdieß auch noch viel wohlfeiler sind, als die
                              gewoͤhnlichen, vereint. In den besten franzoͤsischen Fabriken verkauft
                              man das Pfund Siegellak von erster Qualitaͤt und von verschiedenen
                              ausgesuchten Farben zu 8–10 Franken. Das Siegellak des Hrn. Roumestant kostet von erster Qualitaͤt nur 5, von
                              zweiter 4, und von dritter 3 Fr. Selbst lezteres ist noch ein gutes Siegellak; es
                              bleibt zwar nicht so lange fluͤssig, als die beiden ersteren; allein es
                              brennt gut und laͤuft nicht ab, kurz es ist zuverlaͤssig besser, als
                              das meiste Siegellak, welches man bei den Papierhaͤndlern um die
                              Haͤlfte theurer bezahlt.
                           Wir glauben daher, daß Hr. Roumestant den Industriezweig,
                              den er treibt, wesentlich verbessert habe, und daß ihm die Gesellschaft
                              oͤffentlich ihre Zufriedenheit und ihren Dank bezeugen soll.