| Titel: | Bemerkungen eines Engländers über das Verbot der Ausfuhr mancher Maschinen aus England. | 
| Fundstelle: | Band 54, Jahrgang 1834, Nr. XXXIX., S. 196 | 
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                        XXXIX.
                        Bemerkungen eines Englaͤnders uͤber
                           das Verbot der Ausfuhr mancher Maschinen aus England.
                        Aus dem Mechanics' Magazine No. 577, S.
                              365.
                        Bemerkungen eines Englaͤnders uͤber verbot. Ausfuhr
                           mancher Maschinen etc.
                        
                     
                        
                           Die englische Mauth hat in neuerer Zeit mehrere Sendungen von Bobinnet- oder
                              Tullspindeln, welche nach Hamburg und nach Frankreich bestimmt waren, und welche unter falschen
                              Angaben ausgefuͤhrt werden sollten, mit Beschlag belegt: zum Beweise, daß das
                              Verbot der Ausfuhr gewisser Maschinerien noch immer in Kraft ist. Wenn sich auch
                              hieraus leider ergibt, daß in einem so aufgeklaͤrten Lande wie England ein
                              Gesez dieser Art, welches dem gesunden Menschenverstande und unserer Intelligenz
                              wahrlich keine Ehre bringt, sondern ihr vielmehr einen Schandflek anhaͤngt,
                              noch fortwaͤhrend besteht, so muß man doch gestehen, daß die Regierung selbst
                              dieses Gesez nur ungern sieht; daß sie dasselbe gern abschaffen wuͤrde, und
                              nur noch auf das fortwaͤhrende Betreiben mancher verblendeter Fabrikanten
                              halb und halb aufrecht erhielt. Es hat sich naͤmlich in Nottingham eine
                              Gesellschaft von Tullfabrikanten gebildet, welche eine eigene Art von Zunftgeist
                              entwikelt, und welche in der Meinung und Absicht das Unmoͤgliche und
                              Unausfuͤhrbare zu erreichen, – naͤmlich im ruhigen Alleinbesize
                              dieses Fabrikationszweiges zu seyn und zu bleiben, – sorgfaͤltig
                              daruͤber wacht, daß ja keine englische Spindel ausgefuͤhrt wird. Die
                              Gesellschaft hat uͤberall ihre Emissaͤre, welche die Maschinenbauer
                              und Mauthbeamten controliren, und wie Spuͤrhunde auf Tullspindeln u. dergl.
                              Jagd machen. Wie unsinnig dieses vexatorische Verfahren ist, wie wenig dadurch der
                              vorgestellt Zwek erreicht wird, und wie schaͤdlich auch diese Art von
                              Gewerbszwang nicht nur dem einzelnen Industriezweige, sondern auch dem ganzen Lande
                              werden muß, hat ein Ungenannter im Nottingham Review auf
                              so klare und uͤberzeugende Weise gezeigt, daß wir nichts Besseres thun zu
                              koͤnnen glauben, als wenn wir das Wesentliche dieses Aufsazes auch unseren
                              Lesern mittheilen.
                           
                              „Der einzige Zwek der gegenwaͤrtigen Verfolgungen ist, wie man
                                 sagt, der: das Emporkommen der auslaͤndischen Fabriken da, durch zu
                                 hindern, daß man ihnen den Bezug der noͤthigen Maschinen aus England
                                 abschneidet. Dieses Project schiene nicht so unthunlich und unnuͤz, als
                                 es wirklich ist, wenn England das einzige Land waͤre, wo Maschinen
                                 verfertigt werden oder verfertigt werden koͤnnen. Allein dieß ist
                                 durchaus nicht der Fall; von den 2000 Tullmaschinen, welche, wie man sagt,
                                 gegenwaͤrtig in Frank reich bestehen, ist, was das Geripp betrifft, kaum
                                 der fuͤnfte, ja wahrscheinlich nicht ein Mal der zehnte Theil englische
                                 Arbeit; und selbst die innere Einrichtung wurde kaum an dem dritten Theile
                                 derselben aus England bezogen. Wer kann nun Frankreich hindern, in Zukunft
                                 selbst neue Maschinen zu bauen? Die eben angegebene Unzahl von dergleichen
                                 Maschinen, welche bereits daselbst bestehen, sind ein deutlicher Beweis, daß man
                                 in Frankreich Mittel genug besizt, die Maschinen nach Bedarf und nach Belieben
                                 zu vermehren. In Calais allein sind 150 Arbeiter mit dem Baue von Maschinengerippen
                                 beschaͤftigt und diese Arbeiter sind fast lauter Franzosen. Man kann
                                 daselbst Maschinen sehen, welche eine ansehnliche Quantitaͤt Weit
                                 liefern, welche lediglich und bis in die Details von franzoͤsischen
                                 Arbeitern gebaut und aufgestellt wurden, und welche mit Ausnahme des Zinnes auch
                                 ganz aus franzoͤsischem Metalle verfertigt sind. In ganz Frankreich sind
                                 etwas uͤber 200 Haͤnde mit Verfertigung der inneren Einrichtungen
                                 von Tullmaschinen beschaͤftigt, und von diesen besteht wahrscheinlich der
                                 vierte Theil aus Englaͤndern. Einige Werkstaͤtten zaͤhlen
                                 nur franzoͤsische Arbeiter; in anderen sind die Meister und
                                 Vormaͤnner Englaͤnder. Die Qualitaͤt der Arbeit ist sehr
                                 verschieden; einige ist schlechter, als sie gegenwaͤrtig in England
                                 geliefert wird, und beilaͤufig so, wie man sie bei uns vor 6 bis 8 Jahren
                                 hatte; andere darf hingegen der unserigen ohne Scheu an die Seite gestellt
                                 werden. Das franzoͤsische Eisen und Messing iß jezt viel besser, als es
                                 noch vor kurzer Zeit war; ihr Metall war, wie dieß auch in England zur Zeit des
                                 Beginnes der Tullfabrikation der Fall war, anfangs nicht zu dieser Arbeit
                                 geeignet; gegenwaͤrtig aber, wo die Nachfrage darnach eine solche
                                 Ausdehnung erhielt, daß die Huͤttenwerksbesizer darauf aufmerksam wurden,
                                 ist ihr Product in fortwaͤhrender Verbesserung begriffen. Es ist so weit
                                 gekommen, daß in einigen Gegenden Frankreichs, in denen die Tullfabrikation
                                 selbst eine bedeutende Ausdehnung erlangt hat, auch nicht eine einzige englische
                                 Spindel zu finden ist. Selbst wenn das gegenwaͤrtige Verbot ganz
                                 aufgehoben wuͤrde, waͤre keine bedeutende Ausfuhr von den zur
                                 Ausstattung der Tullmaschinen noͤthigen Mechanismen zu fuͤrchten,
                                 und in kurzer Zeit werden der Ausfuhr gewiß durch ein wirksameres Mittel, als es
                                 die Machinationen der Gesellschaft und alle Verbote an die Hand geben, Schranken
                                 gesezt seyn; und dieses Mittel wird darin bestehen, daß man in Frankreich
                                 dieselben Maschinen wohlfeiler zu verfertigen im Stande seyn wird, als wir sie
                                 mit Einschluß der Fracht und des franzoͤsischen Einfuhrzolles liefern
                                 koͤnnen. Unter diesen Umstaͤnden ist es daher rein
                                 unmoͤglich das Emporkommen der franzoͤsischen Tullfabriken durch
                                 das Verbot der Ausfuhr englischer Maschinen auch nur einen Augenblik
                                 Mitzuhalten.“
                              
                           
                              „Man darf nicht vergessen, daß das Aufbluͤhen der Tullfabrikation
                                 in Frankreich bei weitem weniger durch die Einfuhr englischer Maschinen, als
                                 vielmehr durch die Einwanderung englischer Arbeiter beguͤnstigt wurde.
                                 Jedermann, der den gegenwaͤrtigen Stand der Dinge genau kennt, weiß, daß
                                 gerade die thaͤtigsten und wichtigsten der in Frankreich befindlichen
                                 englischen Fabrikanten und Arbeiter vor der Widerrufung des Verbotes der Auswanderung nach
                                 Frankreich kamen. Man mag hieraus abnehmen, welche Folgen eine Wiederaufnahme
                                 dieses wahrhaft unsinnigen Verfahrens haben wuͤrde; man glaube doch ja
                                 nicht, daß die Wohlfahrt der englischen Fabriken von Gesezen abhaͤnge,
                                 die eben so unwirksam, als ungerecht sind.“
                              
                           
                              „Was die Ausfuhr von Tullmaschinen in andere Laͤnder betrifft, so
                                 ist Frankreich so klug dieser Ausfuhr kein Hinderniß in den Weg zu legen. Der
                                 groͤßte Theil dieser Maschinen, die gegenwaͤrtig zu Wien in
                                 Bewegung sind, wurde zu Calais und zu Lille gebaut, wo man dergleichen Maschinen
                                 als Ausfuhrartikel verfertigt, und uͤberhaupt kann man sagen, daß der
                                 groͤßte Theil aller auf dem Continente befindlichen Maschinen dieser Art
                                 entweder in Frankreich oder doch von Arbeitern gebaut wurden, die man aus
                                 Frankreich oder England kommen ließ. In England waren in lezten Zeiten an 300
                                 Personen mit der Erzeugung von Tullmaschinen fuͤr das Ausland
                                 beschaͤftigt; wird deren Ausfuhr unterdruͤkt, so muͤssen
                                 diese Arbeitet nothwendig entlassen werden: eine Maßregel, die, wie die
                                 oͤffentlichen Blaͤtter melden, wirklich zum Theil bereits
                                 eingetreten iß. Wenn man es nun in jenen Gegenden, fuͤr welche die
                                 Maschinen bestellt waren, noch fortwaͤhrend vorteilhaft findet, derlei
                                 Maschinen zu erbauen und zu betreiben, so fraͤgt sich, wodurch die
                                 Auswanderung der Arbeiter in diese Gegenden verhindert werden soll, und ob ein
                                 Verbot der Auswanderung, selbst wenn es ausfuͤhrbar waͤre, gerecht
                                 seyn wuͤrde? Man darf nicht vergessen, daß eine Uebersiedelung nach
                                 Frankreich gegenwaͤrtig keine so schwere Aufgabe mehr ist, wie vor vielen
                                 Jahren; man ist durch den großen Verkehr zwischen beiden Laͤndern mit den
                                 Wegen und Communicationsmitteln vertraut geworden, und man darf auch nicht mehr
                                 fuͤrchten, keine Gesellschaft von Landsleuten zu finden. Die entlassenen
                                 Arbeiter werden sich also nach Frankreich fluͤchten, wo die Nachfrage
                                 nach Maschinen gegenwaͤrtig sehr bedeutend ist; oder unter
                                 hoͤheren Bedingungen selbst in fernere Gegenden, wo man gleichfalls froh
                                 um sie seyn wird. Bleibt ja einer zuruͤk, so wird er dem Gewerbe zur Last
                                 fallen, indem er durch die Concurrenz den Lohn seiner Arbeitsbruͤder, und
                                 mithin offenbar auch den Werth der alten sowohl als neuen Maschinen
                                 herabdruͤkt. Man begeht bei Gegenstaͤnden dieser Art
                                 gewoͤhnlich den Fehler, daß man nach der Maschinerie oder nach den
                                 Producten, welche bereits bestehen, und nicht nach der bestehenden Kraft
                                 dieselben zu erzeugen rechnet. Man glaubt z.B. im gegenwaͤrtigen Falle,
                                 daß es nichts weiter braucht, als den Bau der Maschinen fuͤr das Ausland
                                 zu verhindern, ohne dabei zu bedenken, daß, waͤhrend die Kraft zum Baue
                                 derselben fortbesteht, die Eigenthuͤmer dieser Kraft Kaͤufer
                                 fuͤr dieselbe finden wollen, und in vielen Allen auch finden
                                 muͤssen; und daß die Eigenthuͤmer dieser Kraft, wenn sie keine
                                 Abnehmer fuͤr dieselbe finden, wie die Eigenthuͤmer anderer
                                 verkaufbarer Gegenstaͤnde unter gleichen Umstaͤnden gezwungen
                                 sind, fuͤr ihre Waare entweder einen neuen Absazweg zu suchen, oder den
                                 Preis auf dem alten Markte herabzudruͤken.“
                              
                           
                              „Es handelt sich demnach hier lediglich um die Loͤsung der Frage,
                                 was besser sey: die Ausfuhr von fertigen Maschinen oder die Auswanderung von
                                 Maschinenbauern? So wie die Sachen gegenwaͤrtig stehen, arbeitet jede
                                 Maschine, welche ausgefuͤhrt wird, im Auslands unter großen Nachtheilen.
                                 Durch das von den meisten Staaten auf dem Continente angenommene,
                                 faͤlschlich sogenannte Protectivsystem ist das Product der Maschine
                                 nothwendig auf den eigenen Markt beschraͤnkt; waͤre die Maschine
                                 hingegen in England geblieben, so waͤre sie mit ihren Nachbarn in
                                 Concurrenz getreten, und ihre Producte waͤren an der Seite derselben in
                                 alle Weltgegenden gewandert. Es ist zwar wahr, daß durch die Ausfuhr einer
                                 Maschine die Mittel eine gewisse Quantitaͤt solches Fabrikat zu erzeugen,
                                 wie es bei uns erzeugt wird, in ein anderes Land verpflanzt werden; allein
                                 daraus folgt noch nicht, daß wenn dieses Fabrikat nicht im Auslande erzeugt
                                 wuͤrde, es von England gekauft werden muͤßte. Dadurch hingegen,
                                 daß man die Arbeiter zur Auswanderung zwingt, liefert England den
                                 Continentalstaaten die Mittel sich eine beliebige Quantitaͤt Maschinen zu
                                 verschaffen, ohne daß man hiebei, wie bei der Ausfuhr der Maschinen allein, den
                                 Vortheil hat, daß die Geschiklichkeit und die durch Uebung erworbene Erfahrung
                                 im lande zuruͤkbleibt. Ueberdieß erwaͤchst hieraus auch noch der
                                 Nachtheil, daß großen Theils gute Arbeiter zur Auswanderung bewogen werden, und
                                 daß einer dieser Auswanderer im Auslande zehn andere Weiter heranbildet, die
                                 ohne sein Vorbild vielleicht noch Jahrzehende hinter ihm zuruͤkgeblieben
                                 waͤren!“
                              
                           
                              „Ein irriges und unverstaͤndiges Princip zeigt das Falsche und
                                 Unheilvolle, was in ihm gelegen ist, am auffallendsten, wenn man dasselbe weiter
                                 auszudehnen versucht. Wenn man die Ausfuhr von Maschinen verbietet, warum sollen
                                 die Maschinenbauer nicht auch verlangen koͤnnen, daß auch kein Eisen,
                                 kein Stahl, kein Messing ausgefuͤhrt werde? Die Handstiker
                                 koͤnnten Schuz gegen die Maschinen, und die Arbeiter an den Handmaschinen
                                 Schuz gegen die Kraftmaschinen verlangen. Die Spinner und Dublirer
                                 koͤnnten nach demselben Principe fordern, daß all ihr fabricirter Faden
                                 im Ins lande bleibe, damit er nicht im Auslande verwebt werden kann; ja es mag
                                 den Fabrikanten zur Nachricht und Warnung dienen, daß dieser Vorschlag neulich in
                                 einer Versammlung zu Loughborough gemacht, allgemein angenommen, und nur deßhalb
                                 aufgeschoben wurde, weil man es nicht fuͤr passend hielt, gerade in
                                 gegenwaͤrtigem Augenblike auf dessen Ausfuͤhrung zu dringen. Auf
                                 gleiche Weise koͤnnte der Wollenspinner das Verbot der Ausfuhr von
                                 Wollengespinnst, der Strumpfwirker ein Privilegium und ein Minimum des
                                 Arbeitslohnes; der Landeigenthuͤmer ein Verbot der Auswanderung und
                                 zugleich ein Verbot der Einfuhr von fremdem Korn begehren. Und wenn die Thorheit
                                 und der Unverstand in allen Gewerben aͤhnliche Zunft- und
                                 Beschraͤnkungsmaßregeln durchgesezt haͤtte, so bliebe nichts
                                 weiteres mehr uͤbrig, als zu befehlen, daß Jeder das, was er allen falls
                                 fuͤr seine Arbeit mehr einnimmt, mit den anderen zu theilen habe. Eine
                                 solche Beschraͤnktheit der Ansichten, ein solcher scheinbarer Schuz, den
                                 man der Industrie und den Gewerben durch Beguͤnstigung des Zunftgeistes
                                 und durch Beschraͤnkung der freien Regsamkeit und der Anwendung der
                                 Kraͤfte eines jeden einzelnen zum Vortheile seiner selbst und anderer
                                 angedeihen zu lassen glaubt, fuͤhren nur zu derlei
                                 selbstsuͤchtigen und allgemein verderblichen Resultaten. Auf diesem Wege
                                 wird man bald alle die wunderbaren Vortheile eines Volkes ernten, welches,
                                 nachdem es sich selbst gepluͤndert und bestohlen, das Aufgehaͤufte
                                 unter sich theilt, und dadurch einen großen Gewinn gemacht zu haben glaubt. Es
                                 waͤre uns ein Leichtes zu zeigen, daß zu den Folgen eines jeden lange
                                 andauernden Friedens das Entstehen und Emporbluͤhen von Fabriken,
                                 groͤßere Sicherheit der Personen und des Eigenthumes, groͤßere
                                 Ausbildung und hauptsaͤchlich und nothwendig eine ununterbrochen
                                 fortschreitende, durch nichts aufhaltbare Erweiterung der konstitutionellen
                                 Freiheit der geistig und physisch kraͤftig gewordenen Voͤlker
                                 gehoͤren; daß diese Verbesserung der materiellen Interessen weder mit
                                 Neid noch mit Angst betrachtet werden darf, und daß es unmoͤglich ist,
                                 die Fabriken auf England oder irgend ein anderes Land zu beschraͤnken.
                                 Eines der sichersten Mittel uns unsere Ueberlegenheit im Fabrikwesen zu sichern
                                 und zu erhalten, liegt daher unserer Ueberzeugung nach gerade darin, daß die
                                 Ausfuhr von Maschinen vollkommen frei gegeben werde.“