| Titel: | Ueber den gegenwärtigen Zustand der Schafzucht und der Wollenwaaren-Fabrikation in Frankreich, wie er sich bei der lezten Industrieausstellung beurkundete. | 
| Fundstelle: | Band 54, Jahrgang 1834, Nr. LII., S. 293 | 
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                        LII.
                        Ueber den gegenwaͤrtigen Zustand der
                           Schafzucht und der Wollenwaaren-Fabrikation in Frankreich, wie er sich bei der
                           lezten Industrieausstellung beurkundete.
                        Im Auszuge aus dem ersten Capitel des Musée
                                 industriel.
                        Ueber den gegenwaͤrtigen Zustand der Schafzucht in
                           Frankreich.
                        
                     
                        
                           Wenn das franzoͤsische Volk auch nicht gleich dem englischen durch die
                              Wollsaͤke seines Parliamentes bestaͤndig an die hohe Wichtigkeit jenes
                              Industriezweiges, Hessen Basis die Wolle bildet, erinnert wird, so ist es doch nicht
                              weniger von der großen Bedeutung desselben und von seinem unberechenbaren Einflusse
                              auf das Nationalwohl durchdrungen. In Frankreich, wie in England und mehreren
                              anderen Staaten unterhaͤlt die Wolle eine unabsehbare Thaͤtigkeit
                              eines weit verbreiteten Geschaͤftes. Wie viele Haͤnde
                              beschaͤftigt sie nicht vom Schaͤfer bis zu jenem Fabrikarbeiter, der
                              dem Wollenzeuge die lezte Appretur gibt? Welche Werthe und Reichthuͤmer
                              erzeugt sie fortwaͤhrend und taͤglich? Welche Bewegung bringt sie in
                              unserem Handel im Binnenlande sowohl, als mit dem Auslande hervor?
                           
                           Die einzelnen Zweige der Wollenwaaren-Fabrikation haben sich in Frankreich
                              fortwaͤhrend verbessert, und einige lassen nur wenig mehr zu wuͤnschen
                              uͤbrig. Hauptsaͤchlich fehlt es nur mehr an einer ausgebreiteten
                              Erzeugung jener langen, glaͤnzenden, fuͤr den Kamm bestimmten Wollen,
                              die das Material einer großen Menge von Artikeln bilden, welche man
                              gewoͤhnlich mit dem Namen der geschornen oder glatten Zeuge (étoffes rases) bezeichnet. Die Art der Schafe,
                              welche diese Wollen liefern, ist unseren Oekonomen nicht mehr unbekannt; viele
                              derselben suchten sie im Gegentheile bereits auf ihm Guͤtern zu
                              acclimatisiren. Wenn diese Versuche bisher auch noch nicht gelangen, so ist es
                              deßhalb doch nicht weniger gewiß, daß neue, mit groͤßerer Sorgfalt
                              unternommene Versuche endlich dennoch zu dem gewuͤnschten Resultate
                              fuͤhren werden. Die franzoͤsische Regierung beauftragte daher auch
                              gegen das Ende des vorigen Jahres den Director der Veterinaͤrschule von
                              Alfort, Hrn. Yvart, eine Schafheerde aus der Grafschaft
                              Leicester nach Frankreich uͤberzufuͤhren; und bereits
                              gegenwaͤrtig befindet sich daselbst eine solche Heerde von 122
                              Stuͤken, welche nicht nur ein bisher noch nicht erzieltes Gedeihen
                              verspricht, sondern aus deren Pflege, Vermehrung und Kreuzung sich auch praktische
                              Regeln fuͤr die Zucht dieser Race und eine Aneiferung fuͤr die
                              Schafzuͤchter Frankreichs ergeben wird.
                           Mit Ausnahme dieser einzigen Verbesserung, deren Frankreich noch hierin bedarf, kann
                              sich dasselbe bereits in allen anderen Zwei gen mit dem Auslande messen. Das Fließ
                              vieler seiner Schafe, besonders jener der beruͤhmten Heerde von Naz, im Dept. de l'Ain kommt an Feinheit bereits der
                              schoͤnsten saͤchsischen Electoralwolle gleich; das Sortiren und
                              Waschen der Wolle geschieht gegenwaͤrtig nach den besten Methoden; das
                              Oeffnen, Kardaͤtschen, Mengen Kaͤmmen, Spinnen und Weben der Wolle, so
                              wie die weitere Behandlung der gewebten Zeuge wird mit den vortrefflichsten
                              Maschinen vollbracht; kurz Alles verspricht den glaͤnzendsten Erfolg.
                           Die ersten Maschinen dieser Art brachte im Jahre 1802 ein Schottlaͤnder,
                              Namens James Douglas, der nach seiner Naturalisation bei
                              uns leider zu fruͤh fuͤr die Industrie verstarb, nach Frankreich das
                              Gluͤk, welches er in kurzer Zeit machte, bewog spaͤter manche gewandte
                              Mechaniker Englands sich bei uns niederzulassen, und uns mit den Talenten und den
                              Entdekungen ihrer Landsleute zu bereichern. Um dieselbe Zeit machte Hr. Cokerill die Fabrikanten von Verviers, Malmedy, Eupen
                              etc., welche Orte damals zu Frankreich gehoͤrten, mit aͤhnlichen
                              Maschinen bekannt. Beiderlei Maschinen gingen nach und nach auf alle unsere Fabriken
                              uͤber, und erzeugten in den Preisen unserer Tuͤcher eine Verminderung
                              von 8 bis 10 Proc.
                           
                           Selbst jene Gewerbsleute, die sich der Anwendung der Maschinen am
                              hartnaͤkigsten widersezten, waren endlich aus Furcht, ihr Gewerbe zu Grunde
                              gehen sehen zu muͤssen, zu deren Annahme gezwungen. Wir erinnern in dieser
                              Hinsicht nur an die Kadisfabrikanten im Departement de la
                                 Lozére, welche ohne Maschinen unmoͤglich mehr in Concurrenz
                              treten konnten.
                           Die meisten der Maschinen, welche Douglas und Cokerill in Frankreich einfuͤhrten, wurden seither
                              verbessert, oder durch andere bessere mit Vortheil ersezt; diese Verbesserungen sind
                              hauptsaͤchlich im Kardaͤtschen, Kaͤmmen und Spinnen der Wolle,
                              so wie im Weben der Zeuge und im Scheeren derselben rasch auf einander gefolgt. Die
                              Industrieausstellungen der Jahre 1819, 1823 und 1827 zeigten uns die
                              Kardaͤtsch-, Kaͤmm- und Spinnmaschinen Dubo's, John Collier's,
                                 Bélanger's und anderer; sie enthuͤllten die
                              Webestuͤhle Collier's, Cala's, Debergue's etc.;
                              die Scheermaschine mit schnekenfoͤrmig wirkender Kraft der HH. Sevenne, Collier und Poupart-Neuflise; die Scheermaschine mit schwingender Bewegung des
                              Hrn. Abraham Poupart von Sedan; die
                              Transversalscheermaschine des Hrn. Collier und andere
                              mehr.
                           Man glaubt allgemein, daß die Veredlung der franzoͤsischen Schafzucht sich von
                              einer Merinosheerde her datire, welche Ludwig XVI. nach Rambouillet verpflanzte;
                              wahrscheinlich duͤrfte dieser Monarch jedoch dieses Verdienst mit dem
                              Oekonomen Heurtaut de Lamerville theilen, der schon im
                              Jahre 1781 fuͤr sein Landgut in der Gemeinde Dun, Dept. du Cher, 12 Merinosschafe kaufte. Dem sey nun aber, wie ihm wolle,
                              so wurde die Verbesserung der Schafe bei uns erst einige Jahre nach dem Anno 1795 zu Basel zwischen Frankreich und Spanien
                              abgeschlossenen Frieden bemerkbar, indem sich Spanien in diesem Friedensschlusse
                              anheischig machte, die Ausfuhr von 4000 Merinos nach Frankreich zu gestatten.
                           Auf diese Einfuhr folgte nothwendig auch die Errichtung von Wollenwaͤschereien
                              nach spanischer Methode, und die Befolgung einer Sortirmethode, nach welcher die
                              verschiedenen Theile der Fließe je nach den Zweken, zu denen sie bestimmt sind,
                              sortirt werden. Eine der ersten dieser Anstalten gruͤndete der sel. Ternaux in Passy; eine zweite errichtete die Stadt Paris
                              unter der Leitung des gegenwaͤrtig in Odessa befindlichen Hrn. Daralon; eine dritte erstand im Dept. de la Vienne, wo sie den Schafzuͤchtern dieses Landstriches
                              große Dienste leistet. Die Gesellschaft zu Naz errichtete neuerlich eine solche in
                              Croissy bei Chaton, welche nach Auftrag arbeitet, und in der die Wollen, nachdem sie
                              entweder kalt oder warm gewaschen worden, so sortirt werden, wie sie die
                              Tuchfabriken brauchen. Allmaͤhlich haben sich diese Anstalten dermaßen
                              vermehrt, daß sich die Regierung nicht mehr darum zu kuͤmmern braucht.
                           Auf diese Weise und bei der Sorgfalt, welche die Heerdenbesizer auf die Reinerhaltung
                              der Racen und auf die Veredlung der einheimischen Racen durch gehoͤrige
                              Kreuzung mit edleren verwendeten, sind diese Verbesserungen allmaͤhlich so
                              weit gediehen, daß die Regierung, welche anfangs in dieser Absicht mehrere
                              Schaͤfereien errichtet hatte, sie bis auf zwei saͤmmtlich als nunmehr
                              uͤberfluͤssig aufgab. Die besten unserer einheimischen Merinoswollen
                              haben, wer sollte es glauben, bereits die Spanischen an Guͤte
                              uͤbertreffen, indem sie bei gleicher Festigkeit weniger steif sind, und sich
                              daher vorzugsweise fuͤr die superfeinen Tuͤcher eignen; sie wetteifern
                              selbst mit der schoͤnsten sich fischen Electoralwolle, welche die feinste
                              ist, die man kennt, und vereinen das Weiche, Markige, Feine, Elastische und Nervige
                              in hohem Grade in sich.
                           Alle diese Eigenschaften zeichneten mit einigen Schattirungen die Merinoswollen aus,
                              welche bei der dießjaͤhrigen Industrieausstellung vorgelegt wurden, und
                              welche nun in Kuͤrze erwaͤhnt werden sollen, und zwar in
                              alphabetischer Ordnung der Concurrenten.
                           1) Association rurale de Naz. Die Heerde von Naz
                              gehoͤrt zwar nicht der Zahl, wohl aber der Schoͤnheit der Wollen nach
                              zu den ersten im Koͤnigreiche; an diese Gesellschaft wenden sich die
                              Schafzuͤchter hauptsaͤchlich, wenn sie ihre Merinosrace veredeln
                              wollen. Sie besteht nun 35 Jahre, und hat sich diese Zeit in sich selbst erhalten;
                              sie ist das Eigenthum der HH. Girod de l'Ain und Perrault de Jotemps. Sie wurde zu Chevry, Bezirk von Gex,
                              in der Nachbarschaft von Genéve gegruͤndet, wo sie 2500 Stuͤk
                              zahlt; spaͤter bildete sie jedoch ein Depot zu Créteil bei Paris. Die
                              Gesellschaft erhielt schon im Jahre 1823 und im Jahre 1827 die goldene Medaille, und
                              zeigte sich seither dieser Auszeichnung immer wuͤrdiger.
                           2) Hr. Baudouin der Vater von Poitiers, der im Jahre 1827
                              von der Société d'encouragement
                              fuͤr eine seiner Erfindungen die goldene Medaille erhielt, legte in diesem
                              Jahre zum ersten Male Wollen seiner kleinen Heerde im Haut-Poitou vor, welche
                              viel versprechen.
                           3) Hr. Bourgeois, Eigenthuͤmer zu Rambouillet, und
                              Director der koͤnigl. Schaͤferei daselbst, erhielt im Jahre 1823 eine
                              bronzene und im Jahre 1827 eine silberne Medaille. Seine Heerde ist von reiner
                              Rambouilletrace, und ihre Wolle wird von den Fabrikanten feiner Tuͤcher sehr
                              gesucht. Er suchte durch die Wollen und die Documente, welche er einsandte,
                              hauptsaͤchlich zu beweisen, daß große und starke Merinos eine eben so feine Wolle geben
                              koͤnnen, als die kleine Merinosrace, was von großer Wichtigkeit ist. Zugleich
                              legte er auch die Instrumente vor, mit denen er auf den Ohren der Schafe die Zeichen
                              anbringt, mit deren Huͤlfe man leicht eine Heerde, welche bis an 10,000
                              Stuͤk stark ist, bezeichnen und zaͤhlen kann, und deren er sich schon
                              seit vielen Jahren bedient. Unter den 50 Lotten von Wolle, welche Hr. Bourgeois außerdem vorlegte, zeichnete sich eine neue Art
                              von Merinoswolle aus, welche sich zur Fabrikation der Rheimser Waaren eignet, und
                              den englischen Wollen aus Flandern und dem Artois aͤhnlich ist; sie besizt
                              jedoch die Feinheit der Merinoswollen, waͤhrend leztere grob sind.
                           4) Hr. Caille von Varastre, Seine und Marne, legte
                              schoͤne Merinoswolle vor, und erhielt dafuͤr eine bronzene
                              Medaille.
                           5) Hr. Clausel von Mirepoix, Ariége, sandte sehr
                              feine Wolle ein.
                           6) Hr. Du Preuil von Pouy, Aube, besizt eine Heerde von
                              3400 Merinosschafen, welche zu den zahlreichsten und schoͤnsten in Frankreich
                              gehoͤrt. Hr. Fortier, Schwiegervater des Hrn. Du Preuil, gruͤndete diese Heerde vor 30 Jahren
                              mir Schafen, die er aus Spanien, Rambouillet, Perpignan, Malmaison etc. bezog. Durch
                              Kreuzung mit saͤchsischen und Nazer Widdern brachte Hr. Du Preuil seine Wolle in den lezten 12 Jahren auf den hoͤchsten
                              Grad von Vollkommenheit. Er erhielt eine silberne Medaille.
                           7) Hr. Godain der altere zu
                              Chatillon-sur-Seine begruͤndete eine Heerde aus reiner
                              Elektoralrace, welche er durch Kreuzung mit franzoͤsischen Merinos auf 550
                              Stuͤk brachte. Er erhielt eine silberne Medaille.
                           8) Hr. Ganeron der Sohn zu
                              Bussy-St.-Georges, Seine und Marne besizt gegenwaͤrtig gegen
                              1600 reine Merinos. Er erhielt schon im Jahre 1827 die silberne Medaille und die
                              Jury ertheilte ihm auch dieß Mal großes Lob.
                           9) Hr. Houdeville zu St. Denis d'Aclon, untere Seine, hat
                              seine Merinosheerde, welche Hr. Delessert durch Einfuhr
                              spanischer Schafe vor 32 Jahren begruͤndete, auf 700 Stuͤk vermehrt.
                              Die Jury kannte ihm die silberne Medaille zu.
                           10) Hr. Vicomte de Jessaint besizt zu Beaulieu, Marne,
                              zwei getrennte Heerden, von denen die eine von der Rambouilleter, die andere von der
                              Nazer Race abstammt. Seine Wollen sind ausgezeichnet; er erhielt schon im Jahre 1827
                              die Auszeichnung erster Classe.
                           11) Hr. Lacroix Sohn zu Roquetaillade,
                              Haute-Garonne, sandte schoͤne Wollenmuster von seiner Heerde, welche er aufmerksam zu
                              veredeln und zu vermehren sucht.
                           12) Hr. Lépine von Montaulin, Aube sandte zu kleine
                              Muster, als daß sie gehoͤrig beurtheilt werden konnten.
                           13) Hr. Joseph Maître von Villotte, Côte
                              d'or besizt eine Heerde von 1500 Stuͤken von ganz reiner saͤchsischer
                              Race, welch durch keine Kreuzung vermischt ist. Er sendet seine Wolle
                              jaͤhrlich nach Sedan; sie ist schwach gekraͤuselt, sanft
                              anzufuͤhlen und seidenartig. Die Loken oder Meschen dieser Art von Wolle sind
                              selten regelmaͤßig sondern spizig; auch ist das Fließ nicht so fest. Um den
                              Loken das regelmaͤßige, vierekige Aussehen zu geben, und um die
                              Kaͤufer da durch zu verfuͤhren, schneidet man deren Enden zuweilen ab.
                              Die List wurde auch hier angewandt; der Jury, welche Hrn. Maître eine silberne Medaille zuerkannte, wird dieß wohl nicht
                              entgangen seyn.
                           14) Hr. Massin in Paris gruͤndete vor 15 Jahren zu
                              Baudepart, Aube, eine Merinosheerde, welche er seither durch Widder und Schafe von
                              Naz noch mehr veredelte. Die Jury erkannte ihm eine silberne Medaille zu.
                           15) Hr. Moët de Romont in Epernay, Besizer einer
                              aus spanischen und Nazer Schafen erzogenen Heerde, legte gekaͤmmte Wolle von
                              merkwuͤrdiger Feinheit und Weiße vor. Er erhielt eine silberne Medaille
                              dafuͤr.
                           16) Hr. Monnot Leroy in Pontru, Aisne, besizt eine Herde,
                              deren Stok im Jahre 1809 von dem Herzoge von Vicenza aus Spanien eingefuͤhrt
                              wurde, und welche seither durch Kreuzung mit Widdern von Naz und aus Sachsen noch
                              veredelt ward.
                           17) Hr. Graf Heracle de Polignac besizt auf seinem
                              Schlosse zu Outrelaize, Calendas, die groͤßte Merinosheerde, welche in
                              Frankreich existirt; sie zaͤhlt nicht weniger als 7000 Stuͤk. Der Graf
                              erhielt schon zwei Mal die goldene Medaille, und machte sich auch jezt wieder dieser
                              Auszeichnung wuͤrdig.
                           Wir erlauben uns, nachdem wir die einzelnen, in diesem Jahre aufgetretenen
                              Concurrenten aufgefuͤhrt, noch einige Bemerkungen beizufuͤgen.
                           Man befolgt seit einer Reihe von Jahren bei der Merinoszucht zwei ganz
                              entgegengesezte Systeme. Die meisten Heerdenbesizer, und besonders die Oekonomen,
                              haben jenes System angenommen, welches seit der Einfuhr der feinwolligen spanischen
                              Schafe in Frankreich in Rambouillet befolgt wird. Dieses System beruht darauf, daß
                              man saͤmmtliche Producte der Merinos auf die groͤßte Menge und
                              zugleich auch auf die groͤßte Vollkommenheit bringen will. Man will hienach
                              allerdings die
                              moͤglich feinste Wolle, allein man will zugleich auch nicht jene
                              Eigenschaften vernachlaͤssigen, welche dem Tuche das Markige, den
                              Koͤrper und die Festigkeit geben, und welche mit dem Gewebe des Fließes in
                              Zusammenhang stehen. Man will ferner, daß die Schafe, abgesehen von der Guͤte
                              der Wolle, auch viel Fleisch geben. Jeder Oekonom befolgt hiebei jene Methode,
                              welche seiner Wirthschaft und seinen Localverhaͤltnissen am besten
                              entspricht. Durch Beobachtung dieses Systemes, welches von Rambouillet und der
                              daselbst befindlichen Musterheerde ausging, brachte man es endlich dahin, daß die
                              franzoͤsische Wolle selbst vor der spanischen den Vorzug verdient, und zur
                              Fabrikation der feinsten und besten Tuͤcher geeignet ist; daß der Ertrag an
                              Wolle dabei um den vierten und selbst um den dritten Theil erhoͤht wurde, und
                              daß auch die Groͤße und Schwere der Thiere in demselben Verhaͤltnisse
                              zunahm.
                           Andere Besizer feinwolliger Schafe hingegen haben in Frankreich das
                              saͤchsische System eingefuͤhrt, nach welchem bei der Merinoszucht
                              lediglich der hoͤchste Grad von Feinheit der Wolle beruͤksichtigt
                              wird, waͤhrend man von der Quantitaͤt Wolle, die jedes Stuͤk
                              gibt, von dem Nervigen der Wolle und von dem guten Baue, der Groͤße und der
                              Kraft der Thiere ganz Umgang nimmt. Um diesen hoͤchsten Grad von Feinheit zu
                              erreichen, behauptete man nach diesem Systeme sogar, daß man die Heerden so ziehen
                              muͤsse, daß die Thiere nie einen gewissen Grad von Beleibtheit erreichen,
                              indem die Wolle bei einem gewissen kraͤnklichen Zustande feiner wird. Mit
                              einer solchen Wolle laͤßt sich jedoch nur ein lokeres Tuch ohne
                              Koͤrper verfertigen, wenn man als Kette nicht eine nervigere Wolle
                              anwendet.
                           Beide Systeme koͤnnen unter gewissen Verhaͤltnissen vorteilhaft seyn;
                              und obschon wir unsererseits dem von Rambouillet ausgegangenen, welches alle
                              Vortheile, die man von den Schafen erwarten kann, in sich vereint, den Vorzug vor
                              dem saͤchsischen geben moͤchten, welches gewisser Maßen nur ein
                              ausnahmsweiser Industriezweig mit beschrankten Absazwegen werden kann, so sind wir
                              doch weit entfernt lezteres zu verdammen. Wir geben sogar zu, daß sich die kleinen
                              Schafracen sehr gut fuͤr gebirgige und fuͤr trokene unfruchtbare
                              Gegenden, in denen es nur kurzes spaͤrliches Gras gibt, und in welchen man
                              nicht so viel Winterfutter ziehen kann, als fuͤr starke große Schafe
                              erforderlich ist, eignen duͤrften.Zur Nachlese hieruͤber empfehlen wir hauptsaͤchlich eine
                                    Schrift, welche Hr. Bourgeois unter folgendem
                                    Titel herausgab: „Examen des
                                          différens systémes d'éducation des
                                          Mérinos.“
                                    Paris, chez Gueffier
                                       . A. d. O.
                              
                           
                           Bei den Industrieausstellungen von den Jahren 1823 und 1827 wollte es der Zufall, daß
                              die Heerden von kleiner Race beguͤnstigt wurden, indem sich in der Jury immer
                              Eigenthuͤmer solcher Heerden oder Fabrikanten befanden, die die Wollen der
                              mageren Schafe von ziehen, weil sie wegen ihres geringeren Fettgehaltes beim Waschen
                              weniger Verlust erleiden. Die Jury vom Jahre 1823 schien sogar die Heerden von
                              großen Schafen ganz zu verdammen, und das, was eine gute Eigenschaft ist, vielmehr
                              fuͤr einen Fehler erklaͤren zu wollen. Man liest naͤmlich S. 11
                              des Berichtes von jenem Jahre: „Hr. B* legte ein Fließ eines
                                 Merinosschafes vor, dessen Wolle lang und seidenartig ist, welches jedoch von
                                 einem Schafe von zu großer Statur herzukommen scheint. Bei der aufgeklarten
                                 Praxis, welche dieser Oekonom befolgt, darf man nicht zweifeln, daß derselbe
                                 seine Heerden auf jede moͤgliche Weise verbessern werde.“ An
                              einer anderen Stelle liest man: „Die HH. M* haben sehr schoͤne
                                 Merinosfließe vorgelegt; doch scheinen ihre Schafe zu groß zu seyn.“
                              
                           Diese Bemerkungen sind den Wollenzuͤchtern nicht entgangen, und wir
                              hoͤrten sie mehrere Male ihr Bedauern daruͤber ausbruͤten, daß
                              auch in der Jury vom Jahre 1834 nicht beide Systeme gehoͤrig vertreten waren,
                              obschon sie uͤbrigens den Einsichten jener Glieder, die ausschließlich dem
                              einen Systeme huldigen, Gerechtigkeit wiederfahren ließen.
                           Alle die feinen Merinoswollen, so wie die gewoͤhnlichen Wollen unserer
                              Bastarde und unserer unveredelten Schafe, filzen sich gut, und eignen sich daher
                              sehr wohl zu den tuchartigen Stoffen. Sie muͤssen jedoch kardaͤtscht
                              werden, bevor sie gesponnen werden koͤnnen. Solche in den Kardatschmaschinen
                              behandelte Wolle wurde keine zur Ausstellung gebracht.
                           Ganz anders verhalten sich dagegen die langen, glatten, seidenartigen und
                              glaͤnzenden Kammwollen, die sich nur sehr schwer filzen. Obschon wir oben
                              unser Bedauern geaͤußert haben, daß in Frankreich gegenwaͤrtig nur
                              sehr wenig solche Wolle gezogen wird, so muͤssen wir doch auf die Muster, die
                              bei der Ausstellung zu sehen waren, aufmerksam machen.
                           Die ersten dieser Muster kamen von der koͤnigl. Veterinaͤrschule zu
                              Alfort, wo die von der Regierung aus England uͤbersiedelte Heerde unterhalten
                              und vermehrt wird. Diese Wollen sind sehr lang und aͤußerst glaͤnzend.
                              Die anderen Muster, 56 an der Zahl, sind von Hrn. Graux,
                              Oekonomen zu Mauchamp, im Bezirke von Laon. Sie kommen von einer neuen Art von
                              Schafen, welche von einem maͤnnlichen Schafe abstammen, welches im Jahre 1828
                              zufaͤllig in seiner Heerde geworfen wurde. Die neue Race zaͤhlt nun 70
                              Stuͤk, abgesehen
                              von 300 Bastarden, deren Wolle einen Uebergang zu derselben Sorte zeigt. Die Wolle
                              dieser Race ist glatt, sie spinnt sich außerordentlich fein, und gleicht wegen ihrer
                              Weichheit, ihrer seidenartigen Beschaffenheit und ihres Glanzes mehr Haaren oder den
                              Cachemirfloken, als einer Wolle.
                           Gekaͤmmte Wolle wurde von folgenden Fabrikanten zur Ausstellung gebracht.
                           1) Die HH. Beglet und Mogin zu
                              Rheims stellten hoͤchst feine und vollkommen gute Kammwolle aus, welche sich
                              hauptsaͤchlich dadurch auszeichnete, daß auch keine Spur von Seifenschaum
                              daran zu bemerken war; ein Fehler, den man an jenen Wollen, die erst nach dem
                              Entfetten gekaͤmmt werden, nur zu haͤufig findet.
                           2) Hr. John Collier von Paris, der schon im Jahre 1809
                              eine goldene Medaille erhielt, welche in den Jahren 1823 und 1827 wiederholt wurde,
                              stellte dieses Mal eine zum Kaͤmmen der Wolle bestimmte Maschine, und mehrere
                              mit derselben erzielte Muster aus. Liese ganz aus Gußeisen gebaute und leicht zu
                              unterhaltende Maschine erfordert vier Menschen, um sie in Bewegung zu sezen; zu
                              ihrer Bedienung reichen jedoch ein junger Mensch, zwei Maͤdchen und drei
                              Kinder hin. Die Wolle wird wie gewoͤhnlich heiß gekaͤmmt; allein die
                              Kaͤmme werden mit Dampf geheizt, wodurch die Erhizung gleichfoͤrmiger
                              wird, als durch die Erwaͤrmung mit Kohlen, die uͤberdieß die Wolle
                              weit trokener macht. Die Maschine vermag taͤglich 230 bis 240 Pfd. lange
                              Wolle zu kaͤmmen; und sie gewaͤhrt nicht nur die Vortheile der
                              aͤlteren Kaͤmmmethode, sondern hat auch noch das voraus, daß die
                              langen Fasern, wenn es verlangt werden sollte, von den kuͤrzeren geschieden
                              werden koͤnnen. Die damit gekaͤmmte Volle ist auch vollkommener
                              geoͤffnet, und wird daher von den Fabrikanten sehr gesucht. Die Maschine
                              befindet sich seit zwei Jahren in den Fabriken von Manchester, Leeds und Bradfort in
                              Thaͤtigkeit.
                           3) Die HH. C. Gamand und Armand
                              von Amiens legten zwei Muster von englischer Wolle vor; das eine war fett
                              gekaͤmmte Wolle fuͤr die Spinnerei mit ununterbrochen arbeitenden
                              Maschinen; das andere bestand aus Wolle, die erst nach dem Entfetten gekaͤmmt
                              worden, und welche zum Spinnen in Mulejennys bestimmt ist.
                           Von den zur Ausstellung gekommenen Wollengespinnsten und Geweben soll ein weiterer
                              Artikel handeln. [Fortsetzung]