| Titel: | Ueber das Vorkommen der Titansäure in den hessischen Schmelztiegeln, von den HH. Brett und Bird. | 
| Fundstelle: | Band 56, Jahrgang 1835, Nr. XII., S. 38 | 
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                        XII.
                        Ueber das Vorkommen der Titansaͤure in den
                           hessischen Schmelztiegeln, von den HH. Brett und Bird.
                        Aus the Philosophical Magazine and Annals of
                                 Philosophy, Febr. 1835, S. 113.
                        Ueber das Vorkommen der Titansaͤure in den hessischen
                           Schmelztiegeln.
                        
                     
                        
                           Als wir einige Versuche wiederholen wollten, die neulich uͤber das Vorkommen
                              des Titans in organischen Substanzen, besonders in den Nierenkapseln bekannt gemacht
                              wurden,Polytechnisches Journal Bd. LV. S.
                                       469. fanden wir, daß wenn ein kohlensaures Alkali in hessischen Schmelztiegeln
                              erhizt wird, man eine geschmolzene Masse erhaͤlt, die im heißen Zustande
                              gelb, nach dem Erkalten aber weiß und undurchsichtig ist; loͤst man diese
                              geschmolzene Masse in verduͤnnter Salzsaͤure auf, und vermischt die
                              Aufloͤsung mit schwefelwasserstoffsaurem Ammoniak, so entsteht ein dunkel
                              olivengruͤner Niederschlag, welcher getroknet und gegluͤht, ein weißes
                              in den verduͤnnten Saͤuren unaufloͤsliches Pulver gibt. Da
                              dieses Verhalten mit demjenigen von titanhaltigen Substanzen so genau
                              uͤbereinstimmt, so vermutheten wir, daß Titan in dem Thon, woraus jene Tiegel
                              verfertigt werden, vorkommen duͤrfte. Um uns hieruͤber Gewißheit zu
                              verschaffen, analysirten wir die verschiedenen gewoͤhnlich im Handel
                              vorkommenden Sorten von hessischen Schmelztiegeln, und fanden, daß sie alle aus
                              Kieselerde, Titansaͤure, Alaunerde und Eisenoxyd in wandelbaren
                              Verhaͤltnissen bestehen, zu welchen noch Spuren von Bittererde und Mangan und
                              bisweilen Kalk kommen.
                           Der Titansaͤuregehalt war bei verschiedenen Tiegelsorten sehr abweichend; bei
                              einigen betrug er nur 3 1/2 bis 4, und bei anderen sogar 25 bis 30 Proc. Nur sehr
                              selten sind jedoch solche, worin er 25 Proc. betraͤgt; Tiegel, die so viel
                              Titan enthalten, sind gewoͤhnlich klein, sehr duͤnn, sproͤde,
                              und zeigen zahlreiche schwarze halbmetallisch aussehende Fleken. Ihr Gehalt an Eisenoxyd
                              war im Vergleich mit der Titansaͤure gering, und diese Metalloxyde standen
                              keineswegs in den Verhaͤltnissen, worin sie im Iserin oder Menachanit
                              vorkommen; es kann also kein diesen Mineralien aͤhnlicher titanhaltiger Sand
                              bei ihrer Verfertigung angewandt werden, so daß sich uͤber die Ursache ihres
                              Titangehaltes jezt noch nichts Bestimmtes sagen laͤßt.
                           Wir haben bei der Analyse der Tiegel folgendes Verfahren angewandt:
                           1) Ein Theil eines Tiegels wurde in einem Agatmoͤrser sehr fein gepulvert, und
                              das Pulver dann in einem Platintiegel mit seinem dreifachen Gewichte kohlensauren
                              Kali's genau vermengt, worauf man es so lange der Rothgluͤhhize aussezte, bis
                              alles Aufbrausen aufhoͤrte; die Hize wurde dann noch bis zum
                              Weißgluͤhen gesteigert, um sicher zu seyn, daß die Masse vollstaͤndig
                              zersezt wurde. Die geschmolzene Masse war im heißen Zustande gelb, nach dem Erkalten
                              aber graulich und undurchsichtig.
                           2) Nachdem man den Platintiegel von der anhaͤngenden Asche gereinigt hatte,
                              brachte man ihn in einen Glascylinder, und uͤbergoß ihn ganz mit destillirtem
                              Wasser; es wurde dann Salzsaͤure zugesezt und der Cylinder mit einem Uhrglase
                              bedekt. Nach einigen Stunden war die geschmolzene Masse ganz aufgeloͤst oder
                              von dem Tiegel losgemacht; lezterer wurde dann herausgenommen, mit destillirtem
                              Wasser abgespuͤlt und das Spuͤlwasser der Aufloͤsung zugesezt,
                              welche beinahe ganz klar war (nur einige Floken von Kieselerde zeigten sich darin
                              schwebend); hierauf sezte man ein wenig Salpetersaͤure zu und verdampfte das
                              Ganze zur Trokniß; der Ruͤkstand wurde in einer betraͤchtlichen Menge
                              oestillirten Wassers aufgeweicht und auf ein Filter gebracht; die so abgeschiedene
                              Kieselerde suͤßte man mit destillirtem Wasser aus, bis das durchgehende die
                              Silberaufloͤsung nicht mehr truͤbte; sie wurde dann getroknet,
                              gegluͤht und gewogen.
                           3) Die filtrirte Fluͤssigkeit wurde mit dem Aussuͤßwasser uͤber
                              einem Dampfbade bis auf eine halbe Pinte abgedampft, einige Gran Zuker zugesezt (um
                              das Mangan auf Oxydulsalz zu reduciren, und es dadurch in einem Ammoniaksalz
                              aufloͤslich zu machen), worauf man sie mit Ammoniak in Ueberschuß versezte:
                              es entstand ein reichlicher gallertartiger Niederschlag, den man auf einem Filter
                              sammelte, mit einer verduͤnnten Salmiakaufloͤsung aussuͤßte und
                              auf einem Sandbade ganz austroknete.
                           4) Der so erhaltene getroknete Niederschlag, welcher aus Tiransaͤure,
                              Alaunerde und Eisenoxyd bestand, wurde mit Salzsaͤure gekocht, welche die Alaunerde
                              und das Eisenoxyd aufloͤste: die unaufloͤsliche Titansaͤure
                              wurde dann ausgewaschen, gegluͤht und gewogen.
                           5) Die saure Aufloͤsung von Alaunerde und Eisen wurde mit Aezkali in
                              Ueberschuß versezt und gekocht, und das so abgeschiedene Eisenoxyd dann
                              gegluͤht und gewogen.
                           6) Die Alaunerde erhielt man hierauf dadurch, daß man die alkalische
                              Aufloͤsung einige Zeit mit uͤberschuͤssigem Salmiak kochte: sie
                              wurde ausgewaschen, getroknet und gegluͤht.
                           7) Die Fluͤssigkeit (3), aus welcher die Titansaͤure, Alaunerde und das
                              Eisenoxyd abgeschieden worden waren, enthielt Spuren von Bittererde und Mangan.
                           Die Resultate, welche man bei der Analyse verschiedener Tiegel erhielt, wichen
                              betraͤchtlich von einander ab, wie man dieß aus folgenden vier Analysen
                              ersehen kann:
                           
                              
                                 
                                   Erste.
                                  Zweite.
                                 
                                   Dritte.
                                 
                                  Vierte.
                                 
                              
                                 Kieselerde
                                   75,1
                                   70,0
                                 
                                   68,0
                                 
                                   66,0
                                 
                              
                                 Titansaͤure
                                     3,5
                                     5,3
                                 
                                     8,0
                                 
                                   21,0
                                 
                              
                                 Alaunerde
                                   15,0
                                   18,7
                                 
                                   18,0
                                 
                                     8,0
                                 
                              
                                 Eisenoxyd
                                     2,8
                                     3,0
                                 
                                     5,0
                                 
                                     4,0
                                 
                              
                                 BittererdeManganoxyd
                                     1,4
                                        0,8
                                     0,6
                                        1,2
                                 
                                    
                                    
                                     0,3
                                 
                                    
                                    
                                 Spuren
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                   98,6
                                   98,8
                                 
                                   99,3
                                 
                                   99,0
                                 
                              
                                 Verlust
                                     1,4
                                     1,2
                                 
                                     0,7
                                 
                                     1,0
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 100,0
                                 100,0
                                 
                                 100,0
                                 
                                 100,0
                                 
                              
                           Nur in wenigen Tiegeln fanden wir eine sehr geringe Menge Titansaͤure, und nur
                              in einem oder zwei konnten wir keine entdeken. Es ist sehr schwer, die
                              Titansaͤure ganz von Eisenoxyd zu befreien, dessen lezte Spuren ihr sehr
                              hartnaͤkig anhaͤngen; das von Berzelius
                              empfohlene Verfahren, naͤmlich die saure Aufloͤsung beider Oxyde mit
                              Weinsteinsaͤure zu versezen, und dann das Eisen mit schwefelwasserstoffsaurem
                              Ammoniak niederzuschlagen, gelingt keineswegs vollkommen. Das Verfahren, das Titan
                              mit Kleesaͤure niederzuschlagen, wobei das Eisen aufgeloͤst bleibt,
                              gestattet ebenfalls keine scharfe Trennung, sondern der Niederschlag enthaͤlt
                              eine betraͤchtliche Menge Eisenoxyd. Folgendes Verfahren ziehen wir vor, um
                              das Titan eisenfrei zu erhalten. Man gluͤht ein Gemenge von kohlensaurem Kali
                              mit Tiegelpulver, und digerirt die so erhaltene Masse einige Zeit mit warmem Wasser;
                              diese waͤsserige Aufloͤsung faͤrbt sich durch
                              schwefelwasserstoffsaures Ammoniak sehr schwach grasgruͤn. Man loͤst
                              den in Wasser unaufloͤslichen Theil bei gelinder Waͤrme in
                              Salzsaͤure auf, verduͤnnt und filtrirt die saure Aufloͤsung,
                              und waͤscht den Ruͤkstand auf dem Filter aus; wenn die Saͤure
                              beinahe ganz durch das Filter gegangen ist, wird das Aussuͤßwasser opalisirend. Die filtrirte
                              Fluͤssigkeit wird dann mit Ammoniak beinahe ganz neutralisirt und mit
                              schwefelwasserstoffsaurem Ammoniak versezt: es entsteht dadurch ein
                              dunkelgruͤner Niederschlag, welcher auf einem Filter gesammelt und mit einer
                              verduͤnnten Aufloͤsung von salzsaurem Ammoniak ausgesuͤßt wird.
                              Dieser Niederschlag ist in Masse beinahe schwarz, auf weißem Porcellan oder Papier
                              ausgebreitet, erscheint er aber schoͤn saftgruͤn; wenn man ihn der
                              Luft aussezt, wird er zuerst auf der Oberflaͤche und dann schnell bis auf
                              einige Tiefe weiß (dieß geschieht aber erst nach einiger Zeit, wenn nicht alles
                              schwefelwasserstoffsaure Ammoniak ausgewaschen wurde); er muß dann auf einem
                              Sandbade getroknet und mit schwacher Salzsaͤure digerirt werden, wodurch fast
                              alles Schwefeleisen beseitigt wird; der unaufloͤsliche Theil wird dann wieder
                              getroknet, und in einer Platinschale uͤber einer Weingeistlampe (oder bei
                              groͤßeren Quantitaͤten auf einem Platinscherben in einer kleinen
                              Muffel) gegluͤht. Man bekommt so ein rahmfarbiges Pulver, das noch eine
                              geringe Menge Eisen enthaͤlt, wovon man es befreien kann, wenn man es mit
                              Salmiak vermischt einige Zeit einer Temperatur unter der Gluͤhhize aussezt.
                              Die so gewonnene Titansaͤure ist ziemlich rein.
                           Das Titan scheint im Mineralreich allgemeiner verbreitet zu seyn, als man
                              gewoͤhnlich glaubt, was auch aus folgender Stelle in Thenard's
                              Traité de chimie hervorgeht: „Das
                                 Eisenoxyd kommt als Sand vor. Dieser Sand enthaͤlt außer Eisenoxyd
                                 gewoͤhnlich auch Titan- oder Chromoxyd. Hr. Descotils erhielt aus hundert Theilen eisenschuͤssigen Sandes
                                 von Saint-Quay im Dept. des Côtes du
                                    Nord 30 Theile Titan.“