| Titel: | Anleitung zur Untersuchung des käuflichen Essigs. Von Hrn. A. Chevallier. | 
| Fundstelle: | Band 56, Jahrgang 1835, Nr. LXXX., S. 445 | 
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                        LXXX.
                        Anleitung zur Untersuchung des kaͤuflichen
                           Essigs. Von Hrn. A.
                              Chevallier.
                        Aus dem Journal des connaissances usuelles. April
                              1835, S. 174.
                        Chevallier's Untersuchung des kaͤuflichen
                           Essigs.
                        
                     
                        
                           Da ich im Jahre 1833 als Mitglied des Gesundheitsrathes mit der Untersuchung von 22
                              Essigproben beauftragt wurde, die man aus den Handlungen, welche die Pariser
                              Kasernen versehen, genommen hatte, so glaubte ich nach Beendigung derselben einige
                              Versuche uͤber die Verfaͤlschungen des Essigs in Paris
                              uͤberhaupt anstellen zu muͤssen.
                           Nach diesen Versuchen waren von 120 Mustern, die ich mir durch eine alte Frau von der
                              armen Classe bei den Specereihaͤndlern kaufen ließ:
                           
                              
                                 97
                                 reiner Essig,
                                 
                              
                                 17
                                 mit Schwefelsaͤure verfaͤlschter
                                    Essig,Im Anfange des Jahres 1833 wurde die Polizei von Nantes
                                          benachrichtigt, daß eine große Menge von dem im Handel vorkommenden
                                          Essig mit Schwefelsaͤure verfaͤlscht sey; die
                                          Polizeicommissaire stellten daher mit einigen Mitgliedern des
                                          Gesundheitsrathes Untersuchungen an, und nahmen 116 Faͤsser
                                          Essig weg, welche spaͤter in Folge eines gerichtlichen
                                          Erkenntnisses auf die oͤffentlichen Straßen entleert wurden.
                                          A. d. O.
                                    
                                 
                              
                                   3
                                 Essig, welcher scharfe Substanzen enthielt,
                                 
                              
                                   2
                                 kupferhaltiger und
                                 
                              
                                   1
                                 bleihaltiger Essig.
                                 
                              
                           Ich habe mich bei dieser Gelegenheit uͤberzeugt, daß die Personen, welche den
                              Essig verfaͤlschen, großen Theils so unwissend sind, daß sie kein Verbrechen
                              zu begehen glauben, wenn sie ihren Essig mit fremdartigen Substanzen vermischen;
                              einige hatten Recepte zum Verstaͤrken des Essigs gekauft, in der Meinung
                              dadurch ihre Waare zu verbessern,Folgendes Recept wurde mir als eines mitgetheilt, wonach man im Auslande den
                                    Essig verstaͤrkt oder vielmehr verfaͤlscht:
                                    „Weinstein, 1 Unze; Schwefelsaͤure von 50° Baumé, 2 Unzen; man kocht dieß in
                                       einem Glasgefaͤße, laͤßt erkalten, und die
                                       Fluͤssigkeit sich klaͤren. Von der klaren sehr sauren
                                       Fluͤssigkeit reichen dann einige Tropfen hin, um ein Glas Essig
                                       staͤrker zu machen.“ A. d. O. – (Leider
                                    muͤssen wir bekennen, daß wir wirklich in einigen der
                                    Broschuͤren, womit gegenwaͤrtig das technische Publikum in
                                    Deutschland begluͤkt wird, dieses Recept fanden. A. d. R.) waͤhrend wieder andere, welche ihren Essig mit Schwefelsaͤure
                              verfaͤlschten, theils um ihn saurer zu machen, theils um ihn wohlfeiler
                              liefern zu koͤnnen, sehr wohl wußten, was sie thun. Es waͤre daher
                              jedenfalls sehr zu wuͤnschen: 1) daß die Regierung eine gute Anleitung zur
                              Untersuchung des kaͤuflichen Essigs bekannt macht; 2) daß sie die Apotheker
                              einlade, sowohl Essige als alle anderen Nahrungsmittel, welche man fuͤr
                              verfaͤlscht haͤlt, zu untersuchen, und 3) daß strenge Geseze gegeben,
                              und ohne Nachsicht auf diejenigen angewandt wuͤrden, welche durch
                              Verfaͤlschungen die Gesundheit in Gefahr sezen.
                           Bis jedoch die Regierung eine Anleitung bekannt macht, halten wir es fuͤr
                              nuͤzlich, hier die Verfahrungsarten anzugeben, wodurch man die Substanzen,
                              womit der Essig auf eine der Gesundheit nachtheilige Weise verfaͤlscht wird,
                              erkennen kann; wir behalten uns vor eine Abhandlung uͤber weniger
                              gefaͤhrliche Verfaͤlschungen, die zu unserer Kenntniß gelangt sind,
                              nachfolgen zu lassen.
                           
                        
                           
                           Untersuchung des Essigs auf einen Gehalt von
                              Schwefelsaͤure.
                           Die Verfaͤlschung des Essigs mit Schwefelsaͤure ist schon sehr alt, und
                              man hat verschiedene Verfahrungsarten angegeben, um sie zu erkennen; die beste ist,
                              den Essig mit einer Aufloͤsung von salzsaurem Baryt zu versezen, welche einen
                              unbedeutenden flokigen gelblichen Niederschlag gibt, wenn der Essig keine
                              Schwefelsaͤure enthaͤlt, hingegen einen sehr reichlichen weißen,
                              koͤrnigen Niederschlag, wenn der Essig diese Saͤure
                              enthaͤlt.Essig, welcher nur ein Procent Schwefelsaͤure enthaͤlt, zeigt
                                    diese Eigenschaften schon sehr auffallend. A. d. O.
                              
                           Der Niederschlag, welchen die Schwefelsaͤure liefert, ist schwer, sezt sich
                              schnell ab, und loͤst sich weder in Wasser noch in (chemisch reiner)
                              Salzsaͤure auf; wenn man ihn auf einem Filter sammelt, mit siedendheißem
                              Wasser aussuͤßt und troknet, so kann man aus seinem Gewichte den Gehalt des
                              Essigs an Schwefelsaͤure bestimmen, da 100 Theile schwefelsaurer Baryt 33,9
                              Schwefelsaͤure und 66,1 Baryt enthalten. Folgendes Verfahren ist zwar
                              umstaͤndlicher, aber dennoch vorzuziehen:Naͤmlich deßwegen, weil aller Essig mehr oder minder schwefelsaure
                                    Salze enthaͤlt, und daher eine Reaction auf Schwefelsaͤure
                                    nicht gerade beweist, daß er mit dieser Saͤure verfaͤlscht
                                    wurde. Bei dem nun folgenden Verfahren wird die Abscheidung der
                                    schwefelsauren Salze durch Alkohol beabsichtigt. Pleischl empfiehlt, um Essig auf eine Verfaͤlschung mit
                                    Schwefelsaͤure zu untersuchen, denselben zur Trokne abzudestilliren,
                                    und das Destillat mit salzsaurem Baryt auf Schwefelsaͤure zu
                                    pruͤfen. A. d. R. man gießt 100 Gramm von dem zu untersuchenden Essig in eine Porcellanschale,
                              dampft bei gelinder Waͤrme die Fluͤssigkeit bis auf ein Achtel ab,
                              laͤßt sie erkalten, behandelt den Ruͤkstand mit seinem vierfachen
                              Raumtheil Alkohol von 40° Baumé, filtrirt
                              die geistige Aufloͤsung, versezt sie mit destillirtem Wasser, laͤßt
                              den Alkohol verdampfen, und versezt die Aufloͤsung so lange mit salzsaurem
                              Baryt, bis kein Niederschlag mehr entsteht; den Niederschlag sammelt man auf einem
                              Filter, suͤßt ihn mit kochendem Wasser aus, troknet, wiegt ihn, und berechnet
                              daraus den Schwefelsaͤuregehalt.
                           Ein sehr einfaches Verfahren, die Gegenwart der Schwefelsaͤure im Essig zu
                              erkennen, ist folgendes: man bringt eine gewisse Menge Essig in eine Porcellanschale
                              oder besser in einen Platintiegel, und erhizt ihn bis zur gaͤnzlichen
                              Verdampfung. Wenn der Essig keine Schwefelsaͤure enthaͤlt, bieten
                              seine Daͤmpfe nichts Eigenthuͤmliches dar, waͤhrend man im
                              entgegengesezten Falle gegen das Ende der Operation schwefelsaure Daͤmpfe
                              bemerkt, die weiß, sehr dicht und erstikend sind. Freilich kann man nach diesem
                              einfachen Verfahren den Gehalt des Essigs an Schwefelsaͤure nicht
                              bestimmen.
                           
                        
                           
                           Untersuchung des Essigs auf einen Gehalt von Salzsaͤure
                              (Chlorwasserstoffsaͤure).
                           Man hat mehrere Verfahrungsarten vorgeschlagen, um diese Verfaͤlschung zu
                              erkennen; die beste ist folgende: man bringt hundert Gramm Essig in eine Retorte,
                              und destillirt alle Saͤure in die Vorlage uͤber; die
                              uͤbergegangene Fluͤssigkeit versezt man dann mit einer
                              Aufloͤsung von salpetersaurem Silber, welche, wenn der Essig rein war, keinen
                              Niederschlag gibt, wenn er aber Salzsaͤure, enthielt, einen weißen,
                              kaͤseartigen, in Salpetersaͤure unaufloͤslichen, in Ammoniak
                              aber aufloͤslichen Niederschlag von. Chlorsilber hervorbringt. Man sammelt
                              denselben auf einem Filter, suͤßt ihn aus und troknet ihn; 100 Theile
                              desselben entsprechen 19,09 wasserfreier Salzsaͤure.
                           
                        
                           Untersuchung des Essigs auf einen Gehalt von
                              Salpetersaͤure (Scheidewasser).
                           Die Verfaͤlschung des Essigs mit Salpetersaͤure ist sehr selten, und
                              man erkennt sie auf folgende Art: man saͤttigt den Essig mit halbkohlensaurem
                              Kali und dampft ihn dann ab, um das Salz im troknen Zustande zu erhalten; man
                              untersucht dann, ob dieses Salpeter enthaͤlt, 1) indem man einige
                              Messerspizen davon auf gluͤhende Kohlen wirft, wodurch es theilweise
                              verpuffen wird, wenn Salpeter vorhanden ist; 2) indem man es mit Kupferfeile
                              vermengt, und hierauf mit Schwefelsaͤure behandelt; enthaͤlt das Salz
                              Salpeter, so werden sich roͤthliche Daͤmpfe entbinden, was im
                              entgegengesezten Falle nicht geschieht.Da die kaͤufliche Schwefelsaͤure bisweilen etwas
                                    Salpetersaͤure enthaͤlt, so kann diese in Essig ausgefunden
                                    werden, welcher mit solcher Schwefelsaͤure verfaͤlscht wurde.
                                    A. d. O.
                              
                           
                        
                           Untersuchung des Essigs auf einen Gehalt von Kleesaͤure
                              oder Weinsteinsaͤure.
                           Diese Verfaͤlschungen sind sehr selten, koͤnnen aber leicht
                              nachgewiesen werden, 1) durch Verdampfung des Essigs, welcher, wenn er eine solche
                              Saͤure enthaͤlt, einen krystallinischen Ruͤkstand
                              hinterlaͤßt, der dann weiter untersucht werden muß; 2) gibt so
                              verfaͤlschter Essig, auf zwei Drittel abgedampft und dann in eine
                              Kaliaufloͤsung gegossen, einen koͤrnigen krystallinischen Niederschlag
                              von kleesaurem oder weinsteinsaurem Kali, welcher bei reinem Essig nicht
                              entsteht.
                           
                        
                           Verfahren um die Verfaͤlschung des Essigs mit scharfen
                              Substanzen zu erkennen.
                           Einige Fabrikanten nehmen zu ihrem Essiggut spanischen Pfeffer, langen Pfeffer,
                              Bertram, Paradiskoͤrner, Senfkoͤrner und andere scharfe
                              Pflanzenstoffe.
                           Um die Gegenwart dieser Substanzen im Essig zu erkennen, dampft man ihn bei gelinder
                              Waͤrme zur Extractconsistenz ab und untersucht dann den Ruͤkstand, welcher, wenn solche
                              zugesezt wurden, einen scharfen, stechenden und aͤzenden Geschmak hat.
                              Solcher Essig hat auch an und fuͤr sich einen scharfen und brennenden
                              Nachgeschmak.
                           
                        
                           Untersuchung des kupfer- und bleihaltigen
                              Essigs.
                           Kupfer- und bleihaltig wird der Essig nicht in Folge einer
                              Verfaͤlschung, sondern bloß durch Nachlaͤssigkeit und Unreinlichkeit
                              bei seiner Fabrikation oder durch die Gefaͤße, worin er aufbewahrt wurde.
                              Essig, welcher Kupferoxyd enthaͤlt, wird durch Schwefelwasserstoff braun, und
                              bleihaltiger schwarz gefaͤrbt. Kupferhaltiger Essig wird durch Ammoniak blau
                              gefaͤrbt, und durch eisenblausaures Kali braunroth niedergeschlagen. Und den
                              Essig auf Bleisalz zu pruͤfen, dampft man ihn auf zwei Dritten ein, und
                              versezt ihn dann mit chromsaurem Kali, welches in diesem Falle einen gelben
                              Niederschlag hervorbringt.
                           
                        
                           Pruͤfung des Essigs auf seine Staͤrke.
                           Man hat mehrere Verfahrungsarten vorgeschlagen, um die Staͤrke, d.h. den
                              Saͤuregehalt des Essigs auszumitteln. Es geschieht dieses durch
                              Saͤttigung mit Kali, kohlensaurem Kalk, Ammoniak, bisweilen auch durch die
                              Essigwaage.Das Araͤometer ist, wie Gehlen durch
                                    zahlreiche Versuche erwiesen hat, durchaus nicht anwendbar, um die
                                    Staͤrke der Essigsaͤure oder des kaͤuflichen Essigs zu
                                    bestimmen. Am besten bestimmt man sie durch Aezammoniak von bestimmten
                                    specifischen Gewicht und neutralisirender Wirkung mittelst Otto's Instrument (man sehe Schubarth's Elemente der technischen Chemie Bd. II. S. 578) oder
                                    mittelst einer Aezkaliaufloͤsung von bestimmtem Kaligehalt. Herr
                                    Mechanikus Oechsle in Pforzheim verfertigt
                                    fuͤr leztere graduirte Glasroͤhren, in welche zuerst ein
                                    bestimmtes Volumen Essig gebracht wird, worauf man nach und nach so lange
                                    Kaliaufloͤsung zusezt, bis ein in der Fluͤssigkeit
                                    befindliches geroͤthetes Lakmuspapier wieder blau geworden ist. Die
                                    Scale an der Seite der Roͤhre zeigt dann an, wie viel Granen
                                    kohlensauren Kali's auf die Unze Essig die Menge der zugesezten
                                    Kaliaufloͤsung entspricht. A. d. R.
                              
                           Am besten bedient man sich zur Saͤttigung des Essigs des einfach kohlensauren
                              Natrons, welches man erhaͤlt, wenn man die Krystalle des kohlensauren Natrons
                              stark austroknet und zu Pulver zerreibt. Um einen Essig zu probiren, wiegt man von
                              demselben 10 Gramme ab, und steht, wie viel kohlensaures Natron er zur
                              Saͤttigung erfordert. In Paris erfordern 10 Gramme eines Essigs von guter
                              Qualitaͤt gewoͤhnlich 7 bis 8 Decigramme kohlensaures Natron zur
                              Neutralisation.In Frankreich ist der Gebrauch, den Essig mit Holzsaͤure zu
                                    verstaͤrken, sehr allgemein. Man sezt sie entweder schon dem Essiggut
                                    oder auch erst dem fertigen Essig zu. Wenn die Holzsaͤure gut
                                    gereinigt ist, ist sie nicht ungesunder als der Weinessig selbst. A. d.
                                    O.
                              
                           
                           Wir wollen bei dieser Gelegenheit bemerken, daß wenn man, um aromatischen Essig zu
                              erhalten, frische Pflanzen im Weinessig einweicht, der Essig nicht nur an
                              Saͤuregehalt verliert, sondern auch einen eigenthuͤmlichen nicht sehr
                              angenehmen Geschmak erhaͤlt, waͤhrend er bei Anwendung trokner
                              Pflanzen staͤrker bleibt und ein angenehmeres Arom bekommt.