| Titel: | Ueber die von Hrn. Mathieu de Dombasle, de Beaujeu, Champonois und Legavriand erfundenen Methoden den Saft aus den Runkelrüben zu gewinnen. Von Hrn. Ch. Derosne . | 
| Fundstelle: | Band 57, Jahrgang 1835, Nr. XXVI., S. 126 | 
| Download: | XML | 
                     
                        XXVI.
                        Ueber die von Hrn. Mathieu de Dombasle, de Beaujeu, Champonois und Legavriand
                           erfundenen Methoden den Saft aus den Runkelruͤben zu gewinnen. Von Hrn. Ch. Derosne
                           Indem wir hier die Ansichten eines durch seine Erfahrungen in der Rohr-
                                 und Runkelruͤbenzuker-Fabrikation beruͤhmt gewordenen
                                 Chemikers und Technikers in Betreff der viel besprochenen neueren Erfindungen
                                 de Dombasle und de
                                    Beaujeu's zur moͤglich groͤßten Vervollstaͤndigung
                                 dieses Gegenstandes in unserer Zeitschrift mittheilen, verweisen wir hiebei auf
                                 das Polyt. Journal Bd. LI. S. 449, LIV. S. 451, LV.
                                    S. 131, S. 286, und LVI. S. 364, wo man Alles finden wird, worauf sich Hr. Derosne in seinem Aufsaz bezieht. A. d. R..
                        Aus dem Bulletin de la
                                 Société d'encouragement. Maͤrz 1835, S. 117.
                        Derosne, uͤber neue Methoden bei der
                           Runkelruͤbenzuker-Fabrikation.
                        
                     
                        
                           Hr. Mathieu de Dombasle machte im Jahr 1832 ein Verfahren
                              bekannt, wodurch man seiner Angabe nach allen Saft aus den Runkelruͤben
                              gewinnen koͤnnte. Dieses Verfahren bestand, wie man gegenwaͤrtig
                              allgemein weiß, darin, daß man heißes Wasser auf duͤnn geschnittene
                              Ruͤbenschnitte schuͤttete und dadurch deren Vitalitaͤt oder
                              deren Lebensthaͤtigkeit zerstoͤrte; es stellte sich hiebei in kurzer
                              Zeit zwischen dem Safte und dem Wasser ein Gleichgewicht her, und nach einer
                              Maceration von beilaͤufig einer halben Stunde zog man die
                              Fluͤssigkeit, die eine gewisse Staͤrke erlangt hatte, ab, um sie
                              neuerdings erwaͤrmt auf eine frische Quantitaͤt Ruͤbenschnitte
                              zu gießen. Diese Aufguͤsse oder Macerationen wurden so lange fortgesezt, bis
                              das zuerst aufgegossene Wasser nur mehr um einen halben Grad weniger zeigte, als der
                              unmittelbar ausgepreßte Runkelruͤbensaft, wozu beilaͤufig eine
                              7- bis 8malige Wiederholung der Operation erforderlich war. Die
                              Ruͤbenschnitte, welche das erste Mal nur zum Theil ausgezogen worden,
                              wuͤrden 2, 3, 4 Mal und so lange fort neu aufgegossen, bis das zulezt
                              aufgegossene Wasser hoͤchstens mehr einen halben Grad zeigte. Dieses
                              Verfahren, welches der Theorie nach sehr sinnreich schien, erforderte jedoch in der
                              Praxis viele Handarbeit, auch machte das oftmalige Erwaͤrmen der
                              verschiedenen Aufguͤsse viele Schwierigkeiten und Umstaͤnde.
                           Hr. de Beaujeu hat das Verfahren de
                                 Dombasle's wieder aufgenommen, und einen Apparat ausgedacht, der
                              continuirlich durch Filtration und Maceration arbeitet, wodurch außerordentlich viel
                              an Arbeit erspart wird; er erfand uͤberdieß eine sehr sinnreiche Methode, die
                              Aufguͤsse (die dadurch, daß sie fortwaͤhrend mit frischen kalten
                              Ruͤbenschnitten in Beruͤhrung kommen, immer wieder erkalten) durch
                              Dampf fortwaͤhrend wieder zu erwaͤrmen. Man sieht hieraus, daß die
                              Methoden de Dombasle's und de
                                 Beaujeu's nicht dem Principe nach, sondern nur in der Ausfuͤhrung
                              von einander abweichen. Lezterer hat allen Fabrikanten die gluͤklichen
                              Resultate angekuͤndigt, die er in den Campagnen von den Jahren 1833 und 1834
                              erhielt; viele begaben sich auch wirklich in seine Fabrik zu Narcé bei
                              Angers, und kehrten im Allgemeinen mit groͤßter Zufriedenheit von da
                              zuruͤk. Hr. Demesmay unter anderen, der selbst die
                              goldene Medaille fuͤr seine in der Ruͤbenzuker-Fabrikation
                              gemachten Verbesserungen erworben, gestand oͤffentlich den Vorzug des neuen
                              Verfahrens vor dem seinigen zu, und nahm dasselbe in feiner Fabrik an. Mehrere
                              andere folgten seinem Beispiele, und obschon nichts dem Gelingen im Wege zu stehen
                              schien, so kann sich doch meines Wissens noch keiner der Anhaͤnger der neuen
                              Methode, von Hrn. Demesmay angefangen, uͤber die
                              in seiner Fabrik vorgenommenen Veraͤnderungen Gluͤk wuͤnschen.
                              Die Klagen uͤber das neue Verfahren waren vielmehr allgemein, und dasselbe
                              schien beinahe fuͤr immer verworfen, als man endlich gegen das Ende der
                              lezten Campagne Mittel fand den Maͤngeln abzuhelfen, die sich im Laufe
                              derselben gezeigt hatten. Ein junger Fabrikant und Chemiker, Hr. Legavriand von Banjency, scheint der erste gewesen zu seyn, der die
                              Ursache der anfaͤnglichen schlechten Resultate auffand. Sie schienen
                              naͤmlich im Allgemeinen durch die zu große Saͤure bedingt, welche der
                              Runkelruͤbensaft waͤhrend der Macerationen erlangte, und dieser half
                              er durch Anwendung einer ungeheuren Menge Kalkes ab. Man versuchte dieses Verfahren
                              zuerst zu Choisy-le-Roi in der Fabrik der HH. de
                                 Malet und Comp., und zwar mit so gutem Erfolge, daß man dasselbe
                              beizubehalten beschloß; spaͤter scheint auch Herr Demesmay zu gleichen Resultaten gelangt zu seyn. Man beschraͤnkte
                              sich uͤbrigens zu Choisy nicht darauf, dem Safte bei seiner Behandlung einen
                              großen Ueberschuß von Kalk zuzusezen, sondern man suchte der Veraͤnderung des
                              Saftes von vorne herein vorzubauen, indem man die ersten Macerationen uͤber
                              eine sehr duͤnne Lage Kalkmilch filtriren ließ. Man befand sich bei dieser
                              Modification vollkommen wohl, denn sie scheint dem Marke, welches dessen ungeachtet
                              von den Thieren sehr gern gefressen wird, keinen Nachtheil zu bringen. Die
                              Beibehaltung dieses Verfahrens in der Runkelruͤbenzuker-Fabrikation
                              ist von groͤßter Wichtigkeit, indem dabei die Reiber, Pressen, Saͤke,
                              Weidengeflechte, die eine fortwaͤhrende Quelle der Veraͤnderung des
                              Saftes sind, gaͤnzlich entbehrlich werden, indem eben so auch der Arbeitslohn
                              außerordentlich vermindert wird, und kein anderer Nachtheil daraus erwaͤchst,
                              als der, daß ungefaͤhr um 1/12 oder um 1/15 mehr Wasser verdampft werden
                              muß.
                           Hr. de Beaujeu ist uͤbrigens nicht der einzige, der
                              Hrn. de Dombasle's Verfahren fabrikmaͤßig zu
                              betreiben suchte. Die HH. Martin und Champonois suchten dieß naͤmlich auf eine andere
                              Weise zu bewerkstelligen, indem sie sich einer Art von Noria bedienten, in deren
                              durchgaͤngige Eimer oder Behaͤlter sie die Ruͤbenschnitte
                              brachten. Diese Noria bewegt sich in einer Art von umgekehrtem und mit Wasser
                              gefuͤllten Heber, und das Wasser erneuert sich fortwaͤhrend, indem es
                              einen der Bahn der Runkelruͤben entgegengesezten Lauf befolgt, und dabei mit
                              den Ruͤbenschnitten, die mehr oder weniger erschoͤpft austreten, in
                              Beruͤhrung kommt. Das Wasser saͤttigt sich hiebei in dem Maße, als es
                              laͤnger mit den unausgesaugten Ruͤbenschnitten in Beruͤhrung
                              bleibt, immer mehr und mehr mit Saft, und tritt endlich so gesaͤttigt, als es
                              dieß bei diesem Verfahren werden kann, aus. Man erhaͤlt zwar nach diesem
                              Verfahren keinen eben so reichen Saft, wie nach dem Verfahren des Hrn. de Beaujeu, allein die Arbeit geschieht hier weit
                              rascher, und man war daher im Allgemeinen damit zufriedener, als mit ersterem, so
                              daß mehrere Fabrikanten im naͤchsten Jahre auf diese Weise zu arbeiten gedenken. Uebrigens ist
                              die Vermehrung des Wassers, welches verdampft werden muß, ein großer Fehler, den man
                              dieser Methode besonders in einem Lande machen kann, wo das Brennmaterial theuer
                              ist. Ehe man sich demnach daruͤber ausspricht, welche dieser beiden Methoden
                              den Vorzug verdiene, duͤrfte es gerathen seyn die Resultate der
                              naͤchsten Campagne abzuwarten. Sollten sich die guten Resultate, die man in
                              den lezten 14 Tagen der lezten Campagne mit dem Apparate des Hrn. de Beaujeu erzielte, bewaͤhren, so duͤrfte
                              meiner Ansicht nach dieser den Vorzug verdienen, indem derselbe in Hinsicht auf die
                              Arbeit, die er erfordert, einfacher ist, und reicheren Saft liefert, zu dessen
                              Eindikung weniger Brennmaterial erforderlich ist.
                           Ich habe nun noch von einem dritten Macerationsprocesse zu sprechen, welcher von dem
                              jungen Chemiker und Fabrikanten Herrn Legavriand erfunden
                              worden. Dieses Verfahren beruht nicht auf jenem des Hrn. de
                                 Dombasle, sondern auf einem anderen, womit ich mich selbst schon vor 25
                              Jahren beschaͤftigte, und welches darin bestand, daß ich das zerriebene
                              Ruͤbenmark ohne Anwendung einer Presse dadurch auszusaugen suchte, daß ich
                              das Mark auf ein Filter brachte und kaltes Wasser darauf goß. Ich gestehe gern, daß
                              ich dieses Verfahren, welches mir viel zu langsam von Statten ging, damals nicht
                              weiter verfolgte. Die Erfindung des Hrn. Legavriand
                              besteht in einer Beschleunigung desselben durch pneumatischen Druk; da ihm jedoch
                              die Erfahrung zeigte, daß das Verfahren auch hiebei nur unvollkommen gelang, so kam
                              er auf die Idee dem Marke fruͤher durch Pressen schon 40 bis 50 Proc. seines
                              Saftes zu entziehen, und dann erst die Filtration unter pneumatischem Druke
                              anzuwenden. Er versichert hiebei zu ganz vortrefflichen Resultaten zu gelangen, und
                              er arbeitet ungefaͤhr auf folgende Weise. Ein cylindrischer, ein Filtrum
                              bildender Behaͤlter wird mit seinen vorstehenden Raͤndern in einen
                              geraͤumigen doppelten Boden gesezt, in welchem sich nach Belieben mittelst
                              Dampf ein luftleerer Raum erzeugen laͤßt. Das Mark, dem ungefaͤhr 50
                              Proc. seines Saftes entzogen worden, wird dann in den Behaͤlter gebracht, der
                              das Filtrum bildet, etwas in diesen eingedruͤkt und mit kaltem Wasser
                              uͤbergossen. Das Wasser sikert durch das Mark, saͤttigt sich dabei mit
                              Saft, und laͤßt das ausgesaugte, mit Wasser anstatt mit Saft gefuͤllte
                              Mark zuruͤk. Zur Beschleunigung der Filtration erzeugt Hr. Legavriand in dem doppelten Boden einen luftleeren Raum,
                              wo dann der ganze Druk der Luft auf das auf das Mark gegossene Wasser wirkt. Die
                              Reiben werden zwar hiebei nicht erspart, wohl aber bis auf einen gewissen Punkt die
                              Saͤke und die Weidengeflechte; auch kann man statt der kostspieligen Pressen
                              deren weit einfachere und wohlfeilere anwenden; man braucht ferner das Wasser
                              nicht zu erwaͤrmen, und man erhaͤlt, wenigstens nach den
                              Versicherungen des Hrn. Legavriand einen Saft, der dem
                              natuͤrlichen Ruͤbensafte an Zukergehalt nicht nachsteht.
                              Glaubwuͤrdige Personen versicherten mich, daß sie sich von den
                              schoͤnen Resultaten, die dieses Verfahren gibt, selbst uͤberzeugten;
                              andere hingegen behaupten, daß einige Fabriken, die dasselbe angenommen hatten, es
                              auch schon wieder aufgaben. Die naͤchste Campagne wird auch diese Frage
                              aufklaͤren, und zeigen, welcher der drei hier aufgezaͤhlten Methoden
                              der Vorzug gebuͤhrt. Ich zweifle nicht, daß jedenfalls eine große
                              Verbesserung der Ruͤbenzuker-Fabrikation daraus erwachsen wird, und
                              daß die Fabrikanten in Folge dieser Verbesserung 2 bis 3 Proc. mehr Zuker aus den
                              Runkelruͤben gewinnen werden, als dieß nach den alten Methoden
                              moͤglich war. Man darf daher gewiß in Kuͤrze einer bedeutenden
                              Vermehrung der Ruͤbenzuker-Fabriken uͤber ganz Frankreich
                              entgegensehen.