| Titel: | Ansichten verschiedener französischer Fabrikanten über den gegenwärtigen Zustand ihres Industriezweiges in Frankreich, und über die Folgen der Aufhebung des Prohibitivsystemes für ihre Fabriken. | 
| Fundstelle: | Band 57, Jahrgang 1835, Nr. XXIX., S. 144 | 
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                        XXIX.
                        Ansichten verschiedener franzoͤsischer
                           Fabrikanten uͤber den gegenwaͤrtigen Zustand ihres Industriezweiges in
                           Frankreich, und uͤber die Folgen der Aufhebung des Prohibitivsystemes fuͤr
                           ihre Fabriken.
                        Im Auszuge aus dem Temps und Moniteur universel.
                        (Fortsezung von Bd. LVII. Heft 1, S.
                           74.)
                        Gegenwaͤrtigen Zustand ihres Industriezweiges in
                           Frankreich.
                        
                     
                        
                           IV. Ueber die Tuch- und
                              Wollenwaaren-Fabrikation.
                           
                              16. Aussagen des Hrn. Ad. David,
                                    Abgeordneten eines Theiles der Kaufleute und Fabrikanten von
                                    Reims.
                              Reims verarbeitet jaͤhrlich die Fließe von 3 Millionen Schafen, d.h. den
                                 9ten Theil der in Frankreich erzeugten Wolle; oder 14 bis 15 Mill. Kilogr. rohe
                                 Wolle zu 2 Fr. 50 Cent. bis 2 Fr. 60 Cent. der Kilogr., oder beinahe 4 Mill.
                                 Kilogr. heiß gewaschene Hollen, die sich auf folgende Weise classificiren:
                              
                                 
                                    2,250,000 Kilogr.
                                    heiß gewaschene Wolle zu 9 Fr., Werth 20,250,000
                                       Fr.,geben Kammwollzeuge fuͤr 
                                    35 Mill. Fr.
                                    
                                 
                                       700,000   –
                                    heiß gewaschene Wolle zu 12 Fr., Werth 8,400,000
                                       Fr.,geben Merinos fuͤr
                                    15     –
                                    
                                 
                                       800,000   –
                                    heiß gewaschene Wolle zu 10 Fr., Werth 8,000,000
                                       Fr.,geben Kammwollgespinnste fuͤr
                                    10     –
                                    
                                 
                                    ––––––––––––––
                                    
                                    –––––––––
                                    
                                 
                                    3,750,000 Kilogr.
                                    heiß gewaschene Wolle im Werthe von 36,650,000
                                       Fr.gehen mithin Fabrikate fuͤr 
                                    60 Mill. Fr.
                                    
                                 
                              
                              Die aus kardaͤtschter Wolle erzeugten Artikel sind: Napolitaͤnen,
                                 Gesundheitsflanelle, Circassiennen, gedrukte Tuͤcher und Casimirs,
                                 Gilets, glatte 5/8 Casimirs und Tuͤcher, Castor-Raz, Wollendeken.
                                 Die Napolitaͤnen sind ein glatter, nicht gewalkter, in Stuͤken
                                 gefaͤrbter und fuͤr Frauenzimmerkleider bestimmter Zeug; man
                                 verfertigt sie erst seit 10 Jahren, und sie haben dermalen einen solchen
                                 Aufschwung und eine solche Vollkommenheit erreicht, daß sie beinahe die
                                 Haͤlfte der aus kardaͤtschter Wolle erzeugten Fabrikate bilden.
                                 Reims erzeugt sie fuͤr ganz Frankreich, und ein großer Theil davon wird
                                 nach der Schweiz, nach Italien, Piemont und Spanien ausgefuͤhrt. Nicht in
                                 diesem Artikel selbst, wohl aber in anderen aͤhnlichen Fabrikaten hat
                                 Reims im Auslande Concurrenz zu fuͤrchten; im Inlande waͤre
                                 hauptsaͤchlich die Concurrenz der englischen glatten und
                                 façonnirten Stoffe aus der langen und seidenartigen Wolle zu
                                 fuͤrchten. Uebrigens ließen sich aus diesen glatten Zeugen auch sehr
                                 leicht gedrukte fabriciren, die dann die Stelle der Calicos vertreten
                                 koͤnnten, und bei ihrer Waͤrme, Dauerhaftigkeit und Wohlfeilheit
                                 ihnen gewiß haͤufig den Rang streitig machen wuͤrden. Es ist dieß
                                 keine leere Idee; denn schon im gegenwaͤrtigen Jahre wurde beinahe der
                                 zwanzigste Theil dieser Fabrikate zu Shawls, Maͤnteln u. dergl. gedrukt,
                                 waͤhrend im vergangenen Jahre (1833) kaum der sechzigste Theil zum Druke
                                 verwendet ward.
                              Die Flanelle sind englischen Ursprunges, und selbst die franzoͤsischen
                                 wurden lange als englische verkauft: noch vor wenigen Jahren gab man z.B. den in
                                 Reims fabricirten, sogenannten Bolivards einen Theergeruch, um glauben zu
                                 machen, sie kaͤmen aus England. Man hat uͤbrigens glatte und
                                 croisirte Flanelle. Die Englaͤnder erzeugen welche von 1 bis zu 6 Fr. die
                                 Elle; die Waare, die sie zu 1 bis 2 1/4 Fr. verkaufen, fabriciren sie aus
                                 Landwolle, und wir koͤnnen weder der Qualitaͤt, noch dem Preise
                                 nach etwas Aehnliches aufweisen, indem die wohlfeilsten Reimser Flanelle 2 1/4
                                 Fr. gelten. Die englischen Flanelle zu 2 3/4 bis 3 1/4 Fr., welche aus einem
                                 Gemenge von Land- und Merinoswolle verfertigt werden, verdienen vor
                                 unserem Fabrikate von gleichem Preise den Vorzug; dafuͤr werden aber die
                                 Flanelle, die uͤber 3 1/4 Fr. gelten, in Reims besser fabricirt, weßwegen
                                 auch deren Ausfuhr nach der Schweiz, nach Italien, Spanien, Nord- und
                                 Suͤdamerika bedeutend ist. Die englischen Flanelle haben vor den
                                 unserigen den Vorzug, daß sie sich nicht filzen, und daß sie im Wasser nicht
                                 eingehen; dem duͤrfte jedoch bald abgeholfen seyn, indem man
                                 gegenwaͤrtig zu Reims die Flanelle mit Dampf behandelt, und sie dann
                                 uͤber einen erhizten Cylinder spannt, statt sie auf Rahmen in die
                                 Laͤnge und Breite zu ziehen. Die Erfahrung hat gezeigt, daß Flanelle, die
                                 auf diese Weise behandelt worden, gewaschen und eingeseift werden
                                 koͤnnen, ohne in der Laͤnge oder Breite zu verlieren; ich bin
                                 daher der Ueberzeugung, daß unsere Flanelle, wenn dieses Verfahren ein Mal
                                 allgemein bekannt seyn wird, bedeutend an Absaz gewinnen werden, indem sie
                                 weicher und markiger sind, als die englischen, denen sie uͤberhaupt nur
                                 im Verhalten im Wasser nachstanden. Die niedrigsten Sorten von Flanellen, die in
                                 England so wohlfeil und bei uns gar nicht erzeugt werden, finden auf unseren
                                 Maͤrkten keinen Absaz, weil der Gebrauch von Flanell noch nicht bis zu
                                 den untersten Classen gedrungen, und die reicheren ein besseres Fabrikat
                                 vorziehen. Ich glaube daher auch, daß man die Einfuhr der englischen Flanelle
                                 gegen einen gehoͤrigen Zoll freigeben koͤnnte, ohne den Fabriken
                                 in Reims dadurch zu schaden; ja ich glaube sogar, daß hiedurch der Verbrauch an
                                 Flanell unter der aͤrmeren Classe erhoͤht, und somit die
                                 Fabrikation selbst beguͤnstigt werden wuͤrde.
                              Die Circassiennen waren vor 9 Jahren eines der wichtigsten Fabrikate von Reims;
                                 seither hat aber deren Verbrauch bedeutend abgenommen, weil die Preise in den
                                 Jahren 1826 und 28 wegen des damaligen Sinkens der Wollenpreise und der
                                 Ueberfuͤllung der Magazine außerordentlich gesunken waren, und weil man
                                 sich spaͤter um so weniger zu Preisen, die um 30 bis 40 Proc.
                                 hoͤher gestiegen waren, entschließen konnte, als die Mode bereits
                                 voruͤber war. Uebrigens erzeugt das Ausland keine Circassiennen, die mit
                                 den unseren Concurrenz halten koͤnnten; nur die fremden Lastings und
                                 leichten Tuͤcher thun ihnen Eintrag.
                              Gedrukte Gilets, Tuͤcher und Casimirs sind seit einigen Jahren in Schwung,
                                 und deren Fabrikation ist noch fortwaͤhrend im Zunehmen: ein großer Theil
                                 davon geht nach Belgien, Piemont und hauptsaͤchlich Italien, wo man ihnen
                                 wegen der Farben und der geschmakvollen Dessins den Vorzug gibt.
                              Die glatten Tuͤcher und 5/8 Casimire, die Castor-Razen, die
                                 façonnirten Gilets und Deken waren mit dem schwarzen Flanelle und Borats,
                                 welche beide nach Spanien gingen, vor 18 Jahren die vorzuͤglichsten
                                 Fabrikate von Reims; jezt kennt man sie aber beinahe nur mehr dem Namen nach.
                                 Die Casimire wurden durch die Tuͤcher von Elbeuf und den
                                 suͤdlichen Provinzen verdraͤngt; die Ausfuhr von Borat und breitem
                                 Flanelle nach Spanien hat aufgehoͤrt; und fuͤr die
                                 façonnirten Gilets beduͤrfte man englischer Gespinnste, die der
                                 franzoͤsische Fabrikant nicht einschmuggeln will. Wurde man die Einfuhr
                                 dieser Gespinnste gegen einen maͤßigen Zoll freigeben, so wuͤrde
                                 auch dieser Industriezweig, in welchem Reims nur mehr 3 oder 4 Fabrikanten
                                 zaͤhlt, bald wieder aufbluͤhen.
                              Die Fabrikation von Wollendeken hat sich beinahe um 5/7 vermindert, indem es ihr
                                 an den groben Wollen, die die Champagne ehemals lieferte, fehlte, und weil der
                                 hohe Zoll von 33 Proc. deren Einfuhr von Außen hinderte. Dazu kommt aber noch
                                 die Errichtung von derlei Fabriken im Suͤden Frankreichs und Paris, von
                                 denen erstere in Hinsicht auf den Rohstoff, und leztere in Hinsicht auf den
                                 Absaz besser gelegen sind. Wuͤrde der Zoll auf die fremden Wollen
                                 aufgehoben, so wuͤrde auch dieser Industriezweig bald wieder
                                 emporbluͤhen.
                              Aus allem diesem ergibt sich, daß die Fabriken von Reims in jenen Artikeln, die
                                 sie aus kardaͤtschter Wolle erzeugen, nur in Hinsicht auf die
                                 gewoͤhnlichen Flanelle von Seite des Auslandes eine Concurrenz zu
                                 fuͤrchten haben; und daß gerade die wichtigsten Fabrikate nur von kurzer
                                 Zeit her ihren Ursprung datiren. Ich muß hiezu noch bemerken, daß die
                                 Fortschritte der Fabrikation, sowohl was die Guͤte, als was die
                                 Wohlfeilheit betrifft, ununterbrochen waren; denn bei gleichen Wollenpreisen
                                 stehen jezt die Waarenpreise im Vergleiche mit jenen im Jahre 1826 und 27 um 25
                                 Proc. niedriger, als damals. Es ist dieß dem andauernden Eifer der Fabrikanten,
                                 den Verbesserungen der Spinnereien, die nirgend anderswo aus gleicher Wolle eben
                                 so feine und glatte Faͤden spinnen, dem niedrigen Arbeitslohne und der
                                 Gewandtheit der Arbeiter zuzuschreiben.
                              Die Merinosfabrikation nahm in Reims ihren Ursprung, und machte innerhalb 25
                                 Jahren solche Fortschritte, daß man gegenwaͤrtig fuͤr 8 Fr. zahlt,
                                 was man fruͤher fuͤr 50 zahlte. Spaͤter entstanden
                                 aͤhnliche Fabriken in der Picardie, von denen sich dasselbe sagen laͤßt. Die
                                 franzoͤsischen Merinos haben wegen des besseren Kaͤmmens und
                                 Spinnens der Wolle, der besseren Weberei, der besseren Farbe und des besseren
                                 Appretes vor allen auslaͤndischen den Vorzug; die feineren Sorten
                                 erfahren nirgendwo eine Concurrenz, und des hohen Zolles von 25 Proc. ungeachtet
                                 gehen jaͤhrlich fuͤr 1 – 2 Mill. Fr. nach England. In den
                                 ordinaͤren Sorten hingegen haben die Sachsen auf vielen Maͤrkten
                                 einen Vorsprung von 8 bis 10 Proc. vor uns voraus. In Sachsen kauft,
                                 kaͤmmt und spinnt der Spinner die Wolle; der Fabrikant kauft und verwebt
                                 die Gespinnste, faͤrbt und appretirt die Gewebe, und versendet sie dann
                                 nach dem In- und Auslande. In Reims hingegen gibt es
                                 Wollenhaͤndler, Fabrikanten, welche bloß kaͤmmen, bloß spinnen,
                                 bloß weben, faͤrben und appretiren, und Kaufleute. Diese Organisation
                                 erklaͤrt die Vollkommenheit unserer, und die Wohlfeilheit der
                                 saͤchsischen Fabrikate. In Sachsen ist die Merinosfabrikation erst 15
                                 Jahre alt; die ersten Unternehmer waren die HH. Weiß
                                 und Kramer, die das englische Spinnsystem
                                 einschlugen, welches sich jedoch fuͤr die Merinosfabrikation ganz und gar
                                 nicht eignet. Seit Frankreich die fremden Wollen mit einem Zoll von 33 Proc.
                                 belegte, hat aber die Wollenwaaren-Fabrikation daselbst große
                                 Fortschritte gemacht, so wie auch in einem Theile von Bayern und
                                 Wuͤrtemberg. Man hat in jenen Gegenden gute Wollen, franzoͤsische
                                 Maschinen von Rethel und Paris, franzoͤsische Werkfuͤhrer und
                                 wohlfeile Arbeiter. Die Kaͤmmer, Spinner und Weber sind jedoch nicht so
                                 gewandt, als die unserigen, so daß man in Sachsen Wollen, die man in Frankreich
                                 zu 80 spinnen wuͤrde, nur zu 50 spinnt. Kurz die Sachsen sind uns bei den
                                 niedrigeren Sorten um 8 bis 10 Proc. voraus, waͤhrend sie uns in jenen
                                 Sorten, die 7 Fr. und daruͤber gelten, weit nachstehen. – Was
                                 England betrifft, so hat die Merinosfabrikation daselbst einen Aufschwung
                                 bekommen; es besteht nur eine einzige Fabrik, und diese kann bei einem Zoll von
                                 25 Proc. kaum mit uns Concurrenz halten. Der Grund hievon liegt darin, weil sich
                                 ihr Spinnsystem fuͤr die langen und nicht fuͤr die Merinoswollen
                                 eignet; weil der Arbeitslohn daselbst viel theurer ist; weil das Kaͤmmen
                                 und Spinnen folglich viel theurer kommt; und endlich weil ihre Arbeiter hierin
                                 noch nicht so gewandt sind, wie die unserigen. Uebrigens haben die
                                 Englaͤnder neuhollaͤndische Wolle, die unseren besten Wollen
                                 gleichkommt, und deren wir uns gleichfalls bedienen koͤnnten, wenn die
                                 Zoͤlle, die darauf lasten, aufgehoben wuͤrden. Ich weiß zwar, daß
                                 ein Reimser Fabrikant, der kuͤrzlich nach England ging, fuͤrchtet,
                                 die Englaͤnder moͤchten uns in Folge der Erfindung einer
                                 verbesserten Maschine zum Kaͤmmen der Wolle bald uͤbertreffen; ich
                                 weiß jedoch, daß diese fuͤr die langen Wollen bestimmte Maschine in ihrem
                                 gegenwaͤrtigen Zustande nicht auf die Merinoswollen angewendet werden
                                 kann, und daß sie selbst bei den langen englischen Wollen so wenig Vortheil
                                 gewaͤhrt, daß sich noch keine der großen Fabriken von Bradford entschloß
                                 sich ihrer zu bedienen. Uebrigens hat Hr. Griolet
                                 auch diese Maschine nach Frankreich verpflanzt; er beschaͤftigt sich
                                 gegenwaͤrtig mit solchen Modificationen derselben, die unsere Wollen
                                 erfordern, fuͤrchtet aber hiebei auf große Schwierigkeiten zu stoßen.
                                 – Kurz Reims fuͤrchtet in den feineren Merinossorten gar keine
                                 fremde Concurrenz, und begnuͤgt sich bei den ordinaͤren Sorten mit
                                 einem maͤßigen Schuzzolle. Die englischen Merinos aus langer Wolle habe
                                 ich hier uͤbergangen, weil sie mit unseren Fabrikaten nichts gemein
                                 haben, und nur mit den EscortsEscots von Amiens zu vergleichen sind.
                              
                              Ich habe nun nur noch von unserer Erzeugung von gekaͤmmter Wolle, die sich
                                 abgesehen von dem, was zu Merinos verarbeitet wird, jaͤhrlich auf 10
                                 Mill. Fr. belaͤuft, zu sprechen. Auch in dieser Beziehung ist Reims noch
                                 der einzige Centralpunkt in Frankreich, indem man an anderen Orten nur einzelne
                                 Niederlassungen dieser Art findet. Dieser Industriezweig gewinnt
                                 jaͤhrlich groͤßere Ausdehnung, weil die Kammwollen nun nicht mehr
                                 lediglich zu schweren und warmen Zeugen, wie die Merinos sind, sondern auch zu
                                 den duͤnnsten und leichtesten Zeugen, den sogenannten Bareges,
                                 Wollenmousselinen etc., verwendet werden. Sollten daher auch die Merinos nach
                                 und nach aus der Mode kommen, so wuͤrde die gekaͤmmte Wolle
                                 dennoch zu einer großen Menge anderer Zeuge verarbeitet werden
                                 koͤnnen.
                              Nach allem diesem kann ich daher mit vollem Vertrauen die Ersezung des
                                 Einfuhrverbotes durch einen Schuzzoll verlangen, damit man in Frankreich und
                                 anderwaͤrts sehe, daß Reims weder der Schmuggelei, noch des
                                 Prohibitivsystemes beduͤrfe; ich verlange sie, weil es gut seyn
                                 duͤrfte nach 20 Jahren ein industrielles Inventar unseres Landes
                                 aufzunehmen, damit zu Tage komme, welche Industriezweige sich im Schatten des
                                 Einfuhrverbotes am meisten hoben, welche dem Lande den meisten Nuzen brachten,
                                 und auf welche sich in Zukunft die Capitalien und Kraͤfte des Landes
                                 wenden koͤnnten, anstatt sich in weniger fruchtbaren Unternehmungen zu
                                 vergeuden und zu versplittern. Ich verlange sie hauptsaͤchlich, damit mit
                                 ihr alle die Fesseln, in welche die Industrie geschlagen ist, fallen. Da aber
                                 bei allem dem ein ploͤzliches Eintreten einer Maßregel dieser Art vielen
                                 Anstalten, die waͤhrend des Schuzes des Prohibitivsystemes und im
                                 Vertrauen auf dasselbe erstanden, dennoch toͤdtlich werden
                                 koͤnnte, so muß mit Vorsicht und Schonung zu Werke gegangen werden. Nach
                                 meiner Ansicht sollten nach drei Jahren die auf die Rohstoffe gelegten
                                 Zoͤlle jaͤhrlich um ein Drittheil herabgesezt werden, so daß sie
                                 am Ende nur mehr so viel Graͤnzzoll zahlen, als der Producent im Inlande
                                 fuͤr deren Erzeugung bezahlt. Nach Ablauf dieser drei Jahre sollte das
                                 Verbot, welches auf den Gespinnsten lastet, aufgehoben und durch einen
                                 maͤßigen Zoll ersezt werden; noch ein Jahr spaͤter sollte dann die
                                 Einfuhr der Gewebe gegen Zoͤlle freigegeben werden, die
                                 verhaͤltnißmaͤßig groͤßer waͤren, als die auf die
                                 Gespinnste gelegten. Der bei der Einfuhr der rohen Zeuge bezahlte Zoll sollte
                                 bei der Ausfuhr ruͤkverguͤtet werden, wo dann die fremden Fabriken
                                 bald in Hinsicht auf Faͤrberei und Druk von uns abhaͤngig werden
                                 wuͤrden, indem die franzoͤsischen Chemiker und Dessinateurs
                                 anerkannt die ersten sind, und indem die Moden nicht von London, sondern von
                                 Paris ausgehen. Diese Erklaͤrungen habe ich im Auftrage von 65
                                 Fabrikanten zu machen. Ich weiß zwar, daß bei der Versammlung der Handelskammer
                                 in Reims die Majoritaͤt einer anderen Ansicht war, und fuͤr die
                                 Beibehaltung des Einfuhrverbotes stimmte; allein viele schlossen sich der
                                 Majoritaͤt an, und erklaͤrten noch denselben Abend, daß sie
                                 entgegengesezter Ansicht waͤren, und gegen 40 Personen, die der
                                 Versammlung nicht beiwohnten, schlossen sich der Erklaͤrung, die ich gab,
                                 vollkommen an.
                              Ich erlaube mir in Bezug auf den Einfluß des Zolles auf die fremden Wollen noch
                                 einige Bemerkungen zu machen, die meinen Vorgaͤngern entgangen zu seyn
                                 scheinen. Die Wollenpreise waren zur Zeit der Schur, wo der Landmann sein
                                 Erzeugniß realisirte, nie so hoch, daß fremde Wolle nach Frankreich
                                 eingefuͤhrt werden konnte; sondern die Einfuhr erfolgte alle 2–3 Jahre vom Oktober
                                 bis zum Mai, wenn sich Speculanten der inlaͤndischen Wolle
                                 bemaͤchtigt und ein bedeutendes Steigen ihrer Preist veranlaßt hatten.
                                 Die hohen Preise, die eine Einfuhr gestatteten, dauerten nie lange, und die
                                 Menge der eingefuͤhrten Wollen erzeugte dann ein bedeutendes Fallen der
                                 Preise, so daß es ganz richtig ist, daß der Zoll nichts weniger als der
                                 Landwirthschaft zu Gunsten und Nuzen kam, sondern daß nur ein
                                 bestaͤndiges und enormes Schwanken in den Preisen daraus entstand. Wenn
                                 die Wollenpreise im Inlande so gestiegen waren, daß sie um 33 Proc.
                                 hoͤher standen, als im Auslande; wenn eine zu große Menge fremder Wollen
                                 eingefuͤhrt worden war, so suspendirte der Fabrikant in der Voraussicht
                                 eines außerordentlichen Fallens der Preise, seine Geschaͤfte; es folgte
                                 dann ein Sinken der Preise der Wollenwaaren, und dieses bewirkte ein Sinken der
                                 Preise der Gespinnste und des Arbeitslohnes: so daß oft ein Fabrikat innerhalb 6
                                 Monaten an der Wolle 30, am Spinnen 50, und an Arbeitslohn 30 Proc. weniger
                                 kostete, als fruͤher! Daß ein solcher Zustand der Industrie nicht
                                 guͤnstig ist; daß er vielmehr die verderblichsten Krisen und den Ruin
                                 vieler Fabrikanten herbeifuͤhren muß, erhellt von selbst, abgesehen von
                                 dem graͤnzenlosen Elende, welches fuͤr den von einem zum anderen
                                 Tage lebenden Arbeiter daraus erwaͤchst. Wie kann man sich hiebei noch
                                 daruͤber wundern, daß der franzoͤsische Fabrikant einen
                                 groͤßeren Gewinn nehmen muß, als der Auslaͤnder; und daß die
                                 Production bei uns manchmal ploͤzlich unterbrochen wird? Ohne freie
                                 Einfuhr der Rohstoffe gibt es keine Sicherheit der Arbeit, und ohne diese kein
                                 Wohlbefinden und keine Ordnung im Leben des Arbeiters, keine Ersparniß in der
                                 Production, weil die Capitalien bei den großen Gefahren, die sie laufen, große
                                 Interessen fordern, und endlich auch keinen ausgedehnten Credit, der doch das
                                 Belebende der Industrie ist. Wenn die Fabrikanten von Reims auch uͤber
                                 die Aufhebung des Einfuhrverbotes getheilter Ansicht waren, so waren sie doch
                                 uͤber die Aufhebung der Zoͤlle auf die Rohstoffe alle einstimmig.
                                 Moͤge man daher ein System verlassen, welches nach 8jaͤhriger
                                 Erfahrung der Landwirthschaft nicht von Nuzen war, eine große Menge von
                                 Fabrikanten zu Grunde richtete, das periodisch wiederkehrende Elend der Arbeiter
                                 bewirkte, und nur das Spiel und den Wucher beguͤnstigte.
                              
                           
                              17. Aussagen des Herrn Camu Sohn,
                                    Abgeordneten der Handelskammer von Reims.
                              Ich zweifle nicht an der Richtigkeit der Daten, die Hr. David lieferte, obschon ich dieselben nicht genau kenne. Die
                                 Handelskammer von Reims, deren Organ ich bin, weicht in ihren Ansichten von der
                                 Minoritaͤt, die Hr. David
                                 repraͤsentirte, nicht sowohl im Wesen, sondern vielmehr nur in Hinsicht
                                 auf Formen und Zeit ab. Auch wir sind weit entfernt, das Prohibitivsystem
                                 fuͤr immer zu unserem Schuze in Anspruch zu nehmen; allein im
                                 gegenwaͤrtigen Augenblike, und so lange die Verhaͤltnisse, unter
                                 denen wir uns jezt bewegen, fortbestehen, koͤnnte die Aufhebung dieses
                                 Systemes nur von nachtheiligen Folgen fuͤr unsere Fabriken seyn. Wenn
                                 eine Reform nothwendig ist, so muß sie von Grund aus begonnen werden;
                                 uͤbrigens sehen wir nicht ein, warum wir so sehr eilen sollen ein System
                                 zu aͤndern, unter welchem saͤmmtliche Industriezweige bisher im
                                 Gedeihen begriffen waren. Ließen wir es auf irgend eine Weise an Aufmunterung
                                 fehlen, und schritten wir nicht rasch genug auf der Bahn der Verbesserungen
                                 vorwaͤrts? Wenn auch viele unserer Fabrikate noch hoͤher im
                                 Preise stehen, so liegt die Ursache davon nicht in einem Mangel an
                                 Thaͤtigkeit und Gewandtheit unserer Fabrikanten, sondern in den hohen
                                 Preisen der Rohstoffe, in der Unvollkommenheit unserer Communicationsmittel, in
                                 der Vertheilung und den hohen Interessen der Capitalien, und in vielen anderen,
                                 bereits von mehreren meiner Vorgaͤnger entwikelten Gruͤnden. Ist
                                 es in dem Augenblik, wo die deutschen Staaten sich gegen England, Belgien und
                                 gegen uns verbinden, indem sie ihre Zoͤlle erhoͤhen, Zeit die
                                 unserigen herabzusezen? Und welchen Vortheil koͤnnen wir Fabrikanten von
                                 lebhafteren Verbindungen mit Laͤndern erwarten, deren natuͤrliche
                                 Austauschmittel in ihren Manufacturproducten bestehen? Wir haben nichts dabei zu
                                 gewinnen, wohl aber bedeutend zu verlieren. Wir koͤnnen wohl die langen
                                 englischen Wollen, die Frankreich nicht erzeugt, die englischen Steinkohlen und
                                 einen Theil der Producte der englischen Colonien brauchen; allein die englischen
                                 Gewebe muͤssen wir zuruͤkweisen, indem bereits unsere eigenen
                                 Fabriken mehr hievon erzeugen, als das Land verbraucht. England ist uns in der
                                 Fabrikation mancher Zeuge voraus, in der Fabrikation anderer steht es uns aber
                                 nach; wenn es dessen ungeachtet die Einfuhr dieser lezteren nicht verbietet, so
                                 geschieht dieß in der Ueberzeugung, die es in Allem, was die Fabrikation
                                 betrifft, von seiner Superioritaͤt hat, und weil es sehr wohl weiß, daß
                                 es am Ende des augenbliklichen Kampfes dennoch immer Sieger bleiben wird. Man
                                 sehe nur, wie es mit dem Seidenhandel erging: waͤhrend wir im Jahr 1827
                                 noch eine große Menge glatter Seidenzeuge nach England ausfuͤhrten,
                                 belaͤuft sich deren Ausfuhr gegenwaͤrtig kaum mehr auf den vierten
                                 Theil; und dieß ruͤhrt nicht von einem verminderten Verbrauche dieser
                                 Zeuge, sondern davon her, daß auch dieser Fabrikationszweig in England seither
                                 einen hoͤheren Aufschwung gewann. Ehe noch drei Jahre vergehen,
                                 duͤrfte sich unsere Ausfuhr nach England hierin lediglich auf
                                 Gegenstaͤnde der Mode und der Phantasie beschraͤnken. Ich
                                 stuͤze mich hiebei auf die Angaben eines der ersten Handelshaͤuser
                                 in Paris; und wenn auch die Mauthregister ein fortwaͤhrendes Steigen der
                                 Ausfuhr von Seidenwaaren nach England angeben, wie denn die Ausfuhr im Jahr 1833
                                 sich auf 17,700,000 Fr. belaufen haben soll, so ist doch zu
                                 beruͤksichtigen, daß die Spediteurs, die hier keine Praͤmie
                                 beziehen und nur ein einfaches Waggeld zu bezahlen haben, kein Interesse dabei
                                 haben, den eigentlichen Werth anzugeben. Im Jahr 1827, wo der Einfuhrzoll in
                                 England 15 Schill. betrug, war die Schmuggelei von Seidenwaaren sehr
                                 vortheilhaft; und um die englischen Mauthen nicht aufmerksam zu machen, gab man
                                 die ausgefuͤhrten Waaren natuͤrlich auch auf den
                                 franzoͤsischen Mauthen nicht an, so daß die Mauth folglich nicht genau
                                 wissen konnte, wie groß die Ausfuhr an Seidenwaaren fruͤher war. Seit dem
                                 Jahr 1829 oder 30 hingegen, wo der Zoll auf 11 Schill. reducirt wurde, hat die
                                 Schmuggelei so abgenommen, daß nun beinahe die ganze Ausfuhr an den
                                 franzoͤsischen Mauthen declarirt wird. Die von Seite Englands
                                 beschlossene Umwandlung des Einfuhrverbotes der franzoͤsischen
                                 Seidenwaaren in einen Schuzzoll erzeugte daselbst anfaͤnglich eine
                                 heftige Krise, in Folge deren viele in diesem Fache arbeitende Haͤuser zu
                                 Grunde gingen, weil diese Fabrikation in England noch nicht genug Grund gefaßt
                                 hatte; seither rafften sich aber die uͤbrig gebliebenen so auf, daß wir
                                 immer mehr und mehr gegen sie zuruͤkweichen muͤssen, und dieß
                                 konnte um so leichter geschehen, als man mit der Aufhebung des Einfuhrverbotes
                                 auch die Zoͤlle, die auf den Rohstoffen lasteten, beseitigte. Ich
                                 ziehe hieraus den Schluß, daß, wenn es sich um Fabrikation handelt, die
                                 Englaͤnder uns unstreitig uͤberlegen sind, und daß wir uns durch
                                 ein falsches Ehrgefuͤhl nicht hindern lassen sollen, zu gestehen, daß,
                                 wenn die Englaͤnder gleiche Dinge mit uns fabriciren, sie uns bald gleich
                                 kommen, und uns sogar uͤbertreffen werden, wenn wir ihnen fruͤher
                                 auch um einige Jahre voraus waren. Dieß wuͤrde unstreitig auch bei der
                                 Merinosfabrikation der Fall seyn, obschon einige wenige Fabrikanten, die mehr
                                 die Gegenwart, als die Zukunft im Auge haben, anderer Meinung sind. Wenn sich
                                 die Englaͤnder bisher noch nicht mit diesem Industriezweige
                                 beschaͤftigten, so ruͤhrt dieß davon her, weil sie bis zur Stunde
                                 noch nicht dazu getrieben wurden, und weil der Verbrauch dieser Fabrikate in
                                 England noch nicht groß ist. Schon jezt fangen sie aber an, alle unsere
                                 Fabrikate dieser Art nachzuahmen, und nicht ohne Erfolg; wir sind
                                 uͤbrigens gegenwaͤrtig allerdings noch so weit voraus, daß wir
                                 selbst bei dem Zolle von 15 Proc., den die franzoͤsischen Merinos in
                                 England zahlen, eine ansehnliche Menge davon dahin versenden. Der Grund unserer
                                 Superioritaͤt in diesem Fache ist den Englaͤndern noch nicht genug
                                 bekannt; allein sie werden ihn kennen lernen, und ihm leicht abzuhelfen wissen.
                                 In den Wollen ist es nicht gelegen, denn, wenn auch die Englaͤnder
                                 hauptsaͤchlich nur lange Wollen haben, die sich nicht hiezu eignen, so
                                 koͤnnen sie sich doch leicht und wohlfeiler als wir die besten Wollen
                                 dazu aus Deutschland verschaffen. Ueberdieß liefert Neuholland
                                 gegenwaͤrtig Wollen, die allen Anforderungen entsprechen; die ersten
                                 Einfuhren derselben, die auf das Jahr 1827 fielen, betrugen nur 1000 Ballen,
                                 seither stiegen sie aber so bedeutend, daß sie sich im Jahr 1833 schon auf 25
                                 bis 28,000 Ballen beliefen; noch groͤßeren Sendungen sah man im Jahr 1834
                                 entgegen, und wie weit diese Einfuhr steigen wird, laͤßt sich noch gar
                                 nicht abnehmen. Die neuhollaͤndischen Wollen haben mehr Koͤrper
                                 und zugleich mehr Seidenartiges, als die unserigen; die Abfaͤlle beim
                                 Kaͤmmen sind geringer, und der daraus gesponnene Faden ist gleicher und
                                 fester. Wir kauften kuͤrzlich zu Liverpool 200 Ballen solcher Wolle; sie
                                 kam uns mit der Mauth von 22 Proc., den Transport- und Commissionskosten
                                 doch noch um 5 Sous wohlfeiler als franzoͤsische Wolle von gleicher
                                 Qualitaͤt. – Wir hatten fruͤher in der Merinosfabrikation
                                 in Folge des niedrigeren Arbeitslohnes einen bedeutenden Vortheil vor den
                                 Englaͤndern voraus; denn das Kaͤmmen der Wolle und das Weben der
                                 Stoffe mußte bisher mit der Hand geschehen. Bei der Festigkeit und
                                 Regelmaͤßigkeit ihrer Gespinnste konnten die Englaͤnder aber in
                                 neuerer Zeit statt der Handweberei den mechanischen Webestuhl einfuͤhren,
                                 waͤhrend wir mit der Handweberei fortfahren. In neuester Zeit verwenden
                                 sie auch zum Kaͤmmen der Wollen eine Maschine, die die entsprechendsten
                                 Resultate gibt. Im Jahr 1832 waren zu Leeds und zu Bradford nur drei solcher
                                 Maschinen in Thaͤtigkeit; gegenwaͤrtig zaͤhlt man ihrer
                                 aber bereits 60; denn, obgleich sie anfangs nur zum Kaͤmmen der langen
                                 Wollen benuzt wurden, so verarbeiten sie nunmehr doch auch eben so leicht die
                                 Merinoswollen, wie dieß die Versuche beweisen, die zu Paris mit einer von Hrn.
                                 John Collier eingefuͤhrten und durch ein
                                 Einfuͤhrungspatent gesicherten Maschine angestellt wurden.
                              Im Vorbeigehen erlaube ich mir hier die Bemerkung, daß unser Patentgesez sehr
                                 mangelhaft ist. Derjenige naͤmlich, der eine neue Maschine oder ein neues
                                 Verfahren einfuͤhrt, der oft kein anderes Verdienst hat, als das, daß er die Einfuhr
                                 etwas weniges fruͤher oder schneller bewerkstelligte, und der daher weder
                                 große Opfer an Geldaufwand noch an Zeit zu bringen hatte, raubt der Industrie
                                 oft die schaͤzenswerthesten Mittel oder erhebt von ihr oft Jahre lang
                                 eine unmaͤßige Auflage. Dergleichen Mißbraͤuche koͤnnen
                                 nicht streng genug geruͤgt werden. – Um wieder auf meinen
                                 Gegenstand zuruͤkzukommen erklaͤre ich, daß die Englaͤnder
                                 meiner Ansicht nach bei den verschiedenen Vortheilen, die sie in der Weberei, im
                                 Kaͤmmen und in den Rohstoffen voraus haben, uns in der Merinosfabrikation
                                 nicht nur bald erreichen, sondern sogar uͤbertreffen werden; besonders
                                 wenn sie sich zu einigen Modificacionen in ihrem Verfahren herbeilassen. Ich
                                 kann der Commission in dieser Hinsicht Muster von Wollen, Gespinnsten und Zeugen
                                 der Bruͤder Garneß zu Bradford, welche mit 200
                                 mechanischen Webestuͤhlen arbeiten, zur Unterstuͤzung meiner
                                 Angaben vorlegen. Ich glaubte von der Seidenwaaren- und
                                 Merinosfabrikation sprechen zu muͤssen, weil man sich hierauf
                                 stuͤzte, um zu beweisen, daß, wenn auch einige Fabriken durch die
                                 Aufhebung des Einfuhrverbotes leiden wuͤrden, die anderen nur einen um so
                                 groͤßeren Vortheil dabei finden muͤßten. Man wird hienach gestehen
                                 muͤssen, daß diese Beispiele sehr wenig zu Gunsten derer sprechen, die
                                 sich auf sie berufen.
                              Es besteht zwischen dem Einfuhrverbot und dessen Ersezung durch einen Schuzzoll,
                                 wie hoch derselbe auch seyn mag, wenn man hiebei nur auf die Weberei
                                 Ruͤksicht nimmt, ein außerordentlicher Unterschied. Bei der gegen
                                 Zollentrichtung freien Einfuhr eroͤffnet man naͤmlich einen
                                 ausgedehnten und regelmaͤßigen Schmuggelhandel, bei welchem man im Voraus
                                 Operationen veranstalten, und fuͤr bestimmte Maͤrkte in bestimmten
                                 Zeiten Lieferungen bedingen kann. Wird der Schmuggler ertappt, so wird der
                                 Spediteur nicht nur von dem Assecuranten entschaͤdigt; sondern, wenn die
                                 Zeit zu neuen Schmuggeleien gebricht, so geben ihm die Entrepots Mittel an die
                                 Hand seine eingegangenen Verpflichtungen zu erfuͤllen, so daß er im
                                 mißlichsten Falle gezwungen ist, auf der Mauth den Zoll zu entrichten. Viele
                                 Haͤuser, die gegenwaͤrtig theils aus Gewissenhaftigkeit, theils
                                 aus Furcht, keine Lager von englischen Waaren halten wollen, werden dieß thun,
                                 wenn dieser Handel offen zugestanden ist, wenn man ihnen taͤglich Waaren
                                 zum Verkaufe anbieten wird, und wenn sich ihre Collegen damit verproviantirt
                                 haben werden. Die Concurrenz, die sie beim Verkauf erfahren werden, wird sie in
                                 Hinsicht auf die Annahme geschmuggelter Waaren weniger schwierig machen, und
                                 zwar um so mehr, da sie gar keine Gefahr dabei laufen. Sind die Magazine ein Mal
                                 versehen, so wird kein Mittel unversucht bleiben, um den Absaz zu bewirken. Ganz
                                 anders verhaͤlt sich die Sache hingegen mit Beibehaltung des
                                 Einfuhrverbotes; denn da die Waare hier in jedem Augenblike und wo man sie auch
                                 immer treffen mag, weggenommen werden kann, so werden alle regelmaͤßigen
                                 Operationen hiedurch beinahe unmoͤglich. Indem die Verkaufsperioden sehr
                                 leicht versaͤumt werden koͤnnen, und indem man nur mehr mit sehr
                                 kleinen Quantitaͤten speculiren kann, wobei man im Falle des Ausbleibens
                                 der Sendungen seine Abnehmer zu verlieren fuͤrchten muß. – Ich
                                 erwaͤhne hier gar nicht, wie leicht es den Englaͤndern werden
                                 wuͤrde, im Fall der Ueberfuͤllung ihrer Fabriken, – ein
                                 Fall der bei ihnen gar haͤufig eintritt, – unsere Maͤrkte
                                 zu uͤberschwemmen; der Vorkauf waͤre hier ohne Wirksamkeit, und
                                 nur ein vortreffliches Absazmittel. Wenn man auch die Wegnahme im Innern
                                 beibehalten wollte, so wuͤrde sie doch nur illusorisch und ohne Erfolg seyn: denn es
                                 wuͤrde sich nicht wie gegenwaͤrtig um das Auffinden der
                                 geschmuggelten Waare, sondern hauptsaͤchlich darum handeln, unter den
                                 vielen uͤber ganz Frankreich verbreiteten Waaren jene zu erkennen, die
                                 den Zoll nicht bezahlten, die Identitaͤt der Marken mit Aufmerksamkeit zu
                                 erforschen, und die tausend und tausend Listen zu ergruͤnden, deren sich
                                 ein Handel dieser Art zu bedienen pflegt. Ich zweifle daher nicht, daß man, wenn
                                 man die Sache einiger Maßen uͤberlegt haben wird, auch dieses Mittel
                                 unausfuͤhrbar finden duͤrfte. – Alles Eifers unserer Mauth
                                 ungeachtet, ist der Schleichhandel schon gegenwaͤrtig sehr bedeutend;
                                 allein er wuͤrde sich gewiß noch in außerordentlichem
                                 Verhaͤltnisse steigern, wenn sich die Kaufleute demselben mit aller
                                 Sicherheit hingeben koͤnnten. Vielleicht waͤren unsere Geseze
                                 gegen den Schleichhandel wirksamer, wenn sie strenger waͤren. In England
                                 betraͤgt im Fall der Wegnahme die Strafe den dreimaligen Werth des
                                 weggenommenen Gegenstandes; und uͤberdieß sind auch noch die ungeheuren
                                 Proceßkosten zu bezahlen. Man sucht daselbst hauptsaͤchlich den
                                 Unternehmer zu erreichen, und wenn der Schmuggler angibt, in wessen Auftrag er
                                 handelt, so wird er gewiß freigelassen. Außerdem werden die
                                 Schleichhaͤndler in England mit einer gewissen Art von Verachtung
                                 betrachtet, waͤhrend man sie bei uns in Frankreich sehr duldsam
                                 behandelt, und von der Idee ausgeht, es sey eine erlaubte und gute Kriegslist,
                                 den Staat zu betruͤgen.
                              Die wichtigsten Artikel unserer Fabrikate sind gegenwaͤrtig unstreitig die
                                 Napolitaͤnen, wovon wir jaͤhrlich 70,000 Stuͤke zu 40 Ellen
                                 von 4/4 bis 5/4 Breite erzeugen. Die Englaͤnder fabriciren diesen
                                 Artikel, der den Merinos der mittleren Classe bildet, nicht; wohl aber erzeugen
                                 sie aͤhnliche Fabrikate aus langer Wolle, wie z.B. Stoffs, Bombasinen
                                 etc., die zu aͤhnlichem Zweke dienen. Ich bin voͤllig
                                 uͤberzeugt, daß wenn die englischen Fabrikate dieser Art nach Frankreich
                                 eingefuͤhrt werden duͤrften, die unseligen augenbliklich an Absaz
                                 verlieren wuͤrden; denn die Begierde nach dem Neuen und Fremden ist auch
                                 bei uns unvertilgbar.
                              Die Frage, wie viele der Fabrikanten von Reims sich im Verhaͤltnisse zu
                                 deren Gesammtzahl fuͤr die Beibehaltung des Prohibitivsystems
                                 ausgesprochen haben, laͤßt sich nicht wohl ganz genau bestimmen, denn
                                 nicht alle waren bei der zur Discussion des fraglichen Gegenstandes anberaumten
                                 Versammlung zugegen. Von den 78 bis 80, welche gegenwaͤrtig waren,
                                 erklaͤrten sich uͤbrigens nur 18 fuͤr Aufhebung des
                                 Einfuhrverbotes und alle uͤbrigen dagegen. Reims zaͤhlt an
                                 Fabrikanten, Spinnern und Kaufleuten 450 bis 500 Personen. Hr. David machte seine Aussagen in Folge einer von 65
                                 Personen unterschriebenen Vollmacht, worunter sich jedoch nur 25 jener
                                 Fabrikanten befinden, die bei der fraglichen Maßregel am meisten betheiligt
                                 sind, waͤhrend sich die Gesammtzahl der Fabrikanten doch auf 300
                                 belaͤuft.
                              In Hinsicht auf den Zoll von 33 Proc., womit man die fremden Wollen belastete,
                                 glaube ich, daß derselbe unseren Fabriken sehr nachtheilig war; denn er erzeugte
                                 Repressalien; er gab unseren Nebenbuhlern Gelegenheit wohlfeiler zu fabriciren,
                                 als wir, und uns auf manchen fremden Maͤrkten zu verdraͤngen; er
                                 bedingte die Entstehung vieler Fabriken an Orten, die fuͤr die Production
                                 und den Absaz sehr guͤnstig gelegen waren; und er erzeugte
                                 hauptsaͤchlich jene von 1 bis 38 Proc. betragenden Schwankungen in den
                                 Wollenpreisen, die unsere Fabriken in Unruhe brachten und ihnen nur zu haͤufig auch
                                 zum Ruine gereichten. Ohne mich uͤber diesen schon mehrfach besprochenen
                                 Gegenstand weiter zu verbreiten, bemerke ich nur, daß auch der Akerbau von
                                 diesem lediglich in seinem Interesse hervorgerufenen Zolle nicht den Vortheil
                                 gezogen zu haben scheint, den man davon erwartete; denn aus den von den
                                 Handelskammern bekannt gemachten Berichten ergibt sich, daß der mittlere
                                 Durchschnitt der Preise vom Jahre 1813 bis 1823 um 15 Proc. hoͤher ist,
                                 als jener vom Jahr 1823 bis zum Jahr 1833. – Die an diesem Zolle
                                 vorgenommene Herabsezung hingegen halte ich fuͤr sehr gut, obwohl wir
                                 deren Wirkungen noch nicht in ihrem ganzen Umfange zu ermessen im Stande waren;
                                 so viel ist gewiß, daß sie der Landwirthschaft keinen Nachtheil brachte, indem
                                 die Wollenpreise seither nicht gesunken sind. Ich bin daher der Meinung, daß
                                 diese Herabsezung des Einfuhrzolles der rohen Wolle noch weiter getrieben werden
                                 soll, wann der Landmann nicht dadurch beeintraͤchtigt wird. Da eine
                                 abermalige Erniedrigung des Zolles der Fabrikation mehr Sicherheit und
                                 Ausdehnung geben wuͤrde, so muͤßte dadurch nothwendig auch der
                                 Verbrauch an Rohstoff zunehmen, so daß also die Landwirthschaft in diesem Falle
                                 nicht nur nichts zu leiden, sondern vielmehr zu gewinnen haͤtte, indem
                                 der Werth ihrer Erzeugnisse mehr Festigkeit bekaͤme, so daß also auch der
                                 Werth des Grund und Bodens und des Pachtzinses mehr geregelt werden
                                 wuͤrde.
                              Was die Maschinen betrifft, so muß ich bemerken, daß die englischen im
                                 Allgemeinen vollendeter sind, als die unseligen. Ich bediene mich
                                 uͤbrigens hauptsaͤchlich franzoͤsischer Maschinen, weil man
                                 bei unserem hohen Preise des Brennmateriales hauptsaͤchlich nur
                                 Dampfmaschinen von mittlerem Druke, die in England nur wenig
                                 gebraͤuchlich sind, und die unsere Mechaniker mit großer Gewandtheit zu
                                 bauen wissen, anzuwenden im Stande ist. Die Ausfuhr der Spinnmaschinen selbst
                                 ist in England unter schweren Strafen verboten; und daß die Fabrikanten ihre
                                 Regierung bei der Ausfuͤhrung dieser Maßregel kraͤftig
                                 unterstuͤzen, ist hinlaͤnglich bekannt. Die viel gepriesene
                                 Handelsfreiheit verstehen demnach auch die Englaͤnder auf solche Weise,
                                 daß sie fuͤr alle Gegenstaͤnde, in denen sie ihrer Ueberlegenheit
                                 gewiß sind, die freie Concurrenz verlangen, waͤhrend sie in allen Dingen,
                                 die dem Auslande Mittel an die Hand geben koͤnnten, mit ihnen zu
                                 wetteifern, das strengste Verbot aufrecht erhalten wissen wollen.
                              Wir arbeiten mit Steinkohlen von Luͤttich, Mons und Anzin, wovon uns der
                                 Hectoliter auf 5 Fr. 20 Cent. zu stehen kommt, da die Transportkosten nicht
                                 weniger als 4 Fr. betragen. In Leeds, womit man uns in Concurrenz bringen will,
                                 zahlt man die Steinkohlen um das Zehnfache wohlfeiler. Reims ist die einzige
                                 wichtige Manufacturstadt Frankreichs, die weder Canaͤle noch schiffbare
                                 Fluͤsse besizt; alle Regierungen fuͤhlten dieß mit uns seit langer
                                 Zeit; man versprach abzuhelfen; man begann selbst einige Arbeiten, die jedoch
                                 bald wieder aufgegeben wurden.
                              Ich fuͤge schließlich zum Beweise, daß wir nicht beim alten Schlendrian
                                 blieben, nur folgende Vergleichung der Preise bei. Im Jahre 1815, wo die Wolle
                                 eben so hoch im Preise stand, als gegenwaͤrtig, kostete der Flanell 5
                                 Fr., jezt kostet er 3; das rohe Tuch, welches 4 Fr. 75 Cent. galt, gilt jezt 3
                                 Fr.; der gewoͤhnliche Giletzeug galt 7, jezt nur 3 1/2 Fr. Im Jahre 1834,
                                 wo der Wollenpreis um 30 bis 40 Proc. niedriger ist, als im Jahre 1824, gelten
                                 die Napolitanen nur 4 Fr., waͤhrend man sie fruͤher zu 3 Fr.
                                 verkaufte; Circassiennen, die man damals zu 5 Fr. notirte, verkauft man jezt zu 3, und
                                 Merinos, die fruͤher 10 Fr. galten, gelten ihrer jezt nur 7. Dieß bedarf
                                 keines weiteren Commentars.
                              
                                  (Fortsezung folgt.)