| Titel: | Der Wollenhandel in England. | 
| Fundstelle: | Band 57, Jahrgang 1835, Nr. XLV., S. 223 | 
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                        XLV.
                        Der Wollenhandel in England.
                        Aus dem Tagebuche eines deutschen Reisenden.
                        Ueber den Wollenhandel in England.
                        
                     
                        
                           Die Wolle bildet das Material fuͤr den zweitwichtigsten Zweig der
                              Stuhlwaarenmanufacturen in England, welcher, wenn er auch den dermaligen
                              staunenswuͤrdigen Umfang der Baumwollenmanufacturen kaum zu einem Drittheile
                              erreicht, doch immer kolossal genug bleibt, um die Aufmerksamkeit aller Wolle
                              producirenden Laͤnder Europa's auf sich zu ziehen und seit einer Reihe von
                              Jahren, besonders aber in der neuesten Zeit in stetem Aufschwunge begriffen ist. Als
                              Belege des Gesagten moͤge hier nur im Vorbeigehen bemerkt werden, daß die
                              declarirten Ausfuhrwerthe an Wollenwaaren (also außer dem Bedarfs der innern
                              Consumtion, welche bei dem einer Prohibition nahe stehenden Einfuhrzolle von 20
                              Proc. auf auslaͤndische Wollenwaaren ebenfalls von der innern Fabrikation
                              ausschließend gedekt wird) im Jahre 1832 6,278,000 Pfd. Sterl., im Jahre 1833
                              6,788,000 Pfd. Sterl. und im Jahre 1834 7,891,000 Pfd. Sterl., mit Einschluß der
                              Wollengarne, betragen haben.
                           Es ist allgemein bekannt, daß die eigene Wollenproduction des vereinigten
                              Koͤnigreiches den Beduͤrfnissen dieser ungeheuren Fabrikation weder in
                              Ansehung der Menge, noch der
                                 Beschaffenheit genuͤgt. Was die leztere betrifft, so hat auch in
                              England die Anwendung aller jener Mittel nicht gefehlt, wodurch die Schafzucht in
                              andern Laͤndern so große Fortschritte erlangte. Insbesondere wurde die
                              spanische Race schon vor 50 Jahren daselbst eingefuͤhrt und die Sorgfalt, mit
                              welcher dort alle landwirthschaftlichen Unternehmungen betrieben und z.B. die
                              trefflichsten Pferde- und Rindviehracen gezogen werden, laͤßt von
                              selbst erwarten, daß auch der Wollenveredlung, welche noch uͤbrigens auf
                              einen der wichtigsten Industriezweige des Landes direct influirt, gleiche
                              Aufmerksamkeit gewidmet worden sey. Dessen ungeachtet war der bisherige Erfolg nicht
                              ganz guͤnstig, und selbst die Kriegsjahre, welche die Zufuhr
                              auslaͤndischer Wollen erschwerten, vermochten keine namhafte Verbesserung
                              hervorzubringen. Die ausfuͤhrliche, hieruͤber im Jahre 1828 von einer
                              Parlamentscommittee gepflogene Untersuchung, deren Bericht einen starken Folioband
                              ausmacht, stellte außer einigen untergeordneten und nicht allgemein anerkannten
                              Ursachen, als Mangel an paffender Weide, Feuchtigkeit des Klima's u.s.w. den
                              entscheidenden Grund dieser Erscheinung dahin fest, daß die Hauptnuzung der
                              englischen Schafzucht nicht sowohl auf die Feinheit der Wolle, als auf die Menge und
                              zugleich auch auf das Fleisch und die Maͤstung gerichtet sey; die Veredlung
                              des Fließes aber mit der Koͤrperentwiklung und dem Fleischertraͤgnisse
                              gewisser Maßen in umgekehrtem Verhaͤltnisse zu stehen scheine. Das englische
                              Nationalschaf ist kolossal im Vergleiche des spanischen; sein Fließ besizt ein
                              Durchschnittsgewicht von 4 – 5 Pfund (welches haͤufig auch 6–7
                              Pfund erreicht), sein Fleisch ist von ganz anderer, weit vorzuͤglicherer
                              Beschaffenheit, als jenes anderer Schafracen des Continents, es wird meistens dem
                              besten Ochsenfleische vorgezogen und bildet eines der Hauptnahrungsmittel. (Auf dem
                              bekannten Viehmarkte Smithfield in London werden jaͤhrlich uͤber eine
                              Million gemaͤstete Hammel verkauft und zwischen vier und fuͤnf
                              Millionen jaͤhrlich in ganz England geschlachtet.)
                           Die englische Schafwolle wird in kurze und lange (sogenannte Kammwolle) eingetheilt.
                              Seit den bedeutenden Verbesserungen der Kammwollenspinnereien, wodurch auch kurze
                              Wollen zu diesen Garnarten (worsted Yarn, von dem
                              kleinen Orte Worstead in der Grafschaft Suffolk, wo
                              dasselbe zuerst erzeugt worden seyn soll; der Hauptfabrikort hiefuͤr ist
                              gegenwaͤrtig Bradford in Yorkshire mit Umgebungen)
                              versponnen werden, hat die lange Wolle etwas an Wichtigkeit und Preis verloren. In
                              den Grafschaften Lincoln, Kent und Leicester findet sich die beste langwollige
                              Schafzucht. Ihre Wollen werden im Handel in 7 bis 9 Sorten getheilt, (prime-second wethers-middle-w.-supper-w. Low
                                 Hogs-Middle-H.-Super-H.-Lender H. down H.
                                 and half bred H.,) welche im Preise unter sich zwischen 1 und 3 Pfd. Sterl.
                              per pack (240 Pfd.) differiren. Die Mittelpreise auf
                              dem Londoner Markte fuͤr Lincolnshirewolle betrugen im Jahre 1833 je nach den
                              angegebenen Sorten von 12–16 Pfd. Sterl. per pack oder 1 Schill. bis 1
                              Schill. 3 Pence per Pfd., und 1834 von 22–24 Pfd.
                              Sterl. per pack oder 1 Schill. 10 Pence bis 2 Schill.
                              per Pfd. Es ist uͤbrigens ein bemerkenswerter
                              Umstand, daß gleichwie die Abnahme der Qualitaͤt der englischen Wolle gegen
                              fruͤhere Jahre schon durch die Mehrzahl der im Jahre 1828 vor der
                              Parlamentscommittee vernommenen Sachverstaͤndigen constatirt worden, dasselbe
                              Ergebniß auch fuͤr die neueste Zeit durch den sichersten Anhaltspunkt in
                              dieser Beziehung, naͤmlich die Zollbehandlung bestaͤtigt wird. Nach
                              dem bezahlten Ausfuhrzoll, wovon sogleich naͤher die Rede seyn wird, betrug
                              naͤmlich der Werth der ausgefuͤhrten inlaͤndischen Wolle in den
                              Jahre 1824–27 einen und uͤber einen Schilling per Pfd., waͤhrend die Ausfuhr der Jahre 1828–31 unter diesem Werthe zuruͤk blieb und den
                              geringeren Ausfuhrzoll bezahlte. Dagegen entrichteten von den eingefuͤhrten
                              fremden Wollen in dem naͤmlichen Zeitraͤume 29/30 Theile den
                              hoͤheren und nur 1/30, den geringeren Ausfuhrzoll. Da nach den englischen
                              Zollgesezen die Zollbehoͤrde das Recht hat, jede zur Behandlung kommende
                              Waare um den declarirten Werth, mit Verguͤtung von 10 Proc. zu behalten, und
                              die Pruͤfungen in der Regel mit Genauigkeit und Sachkenntniß vollzogen
                              werden, so gewaͤhren die Declarationen eine hinreichende Sicherheit zur
                              Werthsbeurtheilung. Die innere Wollenproduction des Koͤnigreichs wurde durch
                              die erwaͤhnte Parlamentscommittee im Jahre 1828 fuͤr England allein
                              auf 263,800 packs lange oder Kammwolle und zu 120,600 packs kurze Wolle
                              ermittelt. Dieß Erzeugsquantum gilt auch fuͤr die Gegenwart, da eine
                              betraͤchtliche Vermehrung der Schafzucht seit jenem Zeitpunkte nicht
                              angenommen wird, als ein durchschnittsmaͤßiges; rechnet man hiezu
                              ungefaͤhr 35,000 packs fuͤr Schottland und
                              27,000 packs fuͤr Irland, so belaͤuft sich
                              das ganze Erzeugsquantum des vereinigten Koͤnigreiches auf 446,400 packs (zu 240 Pfund schweres [Avoir dupois] Gewicht) oder auf ungefaͤhr 1,070,000 Centner in
                              runder Zahl. Außer diesen so eben in der Kuͤrze betrachteten inneren
                              Productionsverhaͤltnissen der Wolle haben die darauf bezuͤglichen
                              Regierungsmaßregeln, die Regulirungen der Ein- und Ausfuhr, das
                              naͤchste Interesse fuͤr den auswaͤrtigen Verkehr dahin. Es ist
                              begreiflich, daß die Aufmerksamkeit der Leiter der oͤffentlichen
                              Angelegenheiten in England auf diesen wichtigen Zweig der dortigen
                              Manufacturbeduͤrfnisse seit alten Zeiten gerichtet war, zumal der Bezug des
                              Rohmaterials vom Auslande von jeher unentbehrlich schien; Beguͤnstigungen auf
                              der einen, und Erschwerungen, Prohibitionen und Monopole auf der andern Seite
                              folgten sich daher in ununterbrochener Reihe.
                           Zum Verstaͤndniß der Behandlungsweise der Ein- und Ausfuhrzoͤlle
                              auf Wolle und Wollenwaaren in England duͤrfte eine allgemeine Bemerkung
                              uͤber das, seit Jahrhunderten in jenem Lande befolgte System der
                              auswaͤrtigen Handelspolitik den Weg bahnen. Dasselbe laͤßt sich
                              vollstaͤndig in wenigen Worten ausdruͤken: es begreift naͤmlich
                              zweierlei Einwirkungen auf den Verkehr, Ermunterungen oder Erschwerungen, erstens der Einfuhr, zweitens
                              der Ausfuhr. Die Erschwerungen der Einfuhr erstreken sich auf solche
                              auslaͤndische Artikel, welche a) entweder im
                              Lande eben so gut erzeugt werden koͤnnen, oder b)
                              gegen die Einfuhr aus Laͤndern insbesondere, mit denen man in
                              unguͤnstiger Handelsbilanz zu stehen vermeint. Die Ermunterungen der Ausfuhr
                              bestehen 1) in Ruͤkzoͤllen (drawbacks),
                              welche gegeben werden als Ruͤkverguͤtung a) innerer auf gewissen einheimischen Artikeln liegender Steuern, bei der
                              Ausfuhr oder b) der hohen von fremden Artikeln erhobenen
                              Eingangszoͤlle bei der Wiederausfuhr; 2) in Praͤmien (bounties) fuͤr die Ausfuhr gewisser besonders
                              beguͤnstigter Manufacturartikel; 3) endlich in Einfuhrbeguͤnstigungen
                              nach fremden Laͤndern durch Handelsvertraͤge. Indem man einerseits das
                              Manufacturinteresse durch directe Eingangsverbote oder hohe Zoͤlle auf fremde
                              Waaren zu befoͤrdern trachtete, suchte man andererseits die Einfuhr der
                              Rohmaterialien, besonders der fuͤr die Fabriken unentbehrlichen, zu
                              beguͤnstigen, theils durch Praͤmien, theils durch voͤllige
                              Befreiung vom Eingangszoll. Leztere Maxime hat inzwischen in neuerer Zeit dadurch
                              eine Modification erlitten, daß man sich durch die stets wachsenden
                              Regierungsbeduͤrfnisse genoͤthigt sah, auch solche Artikel von
                              Rohmaterialien mit einem niederen Eingangszolle zu belegen, welche fruͤher in
                              Ruͤksicht auf das eigene Fabrikinteresse nie dergleichen bezahlt hatten.
                              Dasselbe ist nun auch bei der Wolleneinfuhr der Fall.
                           Die englischen Wollenmanufacturen waren durch sehr alte Statuten schon vor den
                              Wirkungen fremder Einfuhr geschuͤzt. Ein Statut Eduards III., welches auch in
                              spaͤteren Zeiten oft erneuert wurde, verbot das Einbringen fremder
                              Wollenwaaren bei Strafe der Confiscation und unbestimmter Einkerkerung der
                              Einbringer. Hoͤchst barbarisch waren die Ausfuhrverbote der Wolle.
                              Enthauptung und Abhauen der Glieder, dann Confiscation alles Eigenthums waren die
                              Strafen, welche unter Eduard III. auf deren Uebertretung gesezt waren. Unter
                              Elisabeths Regierung wurde die Ausfuhr lebender Schafe als Verbrechen (felony) erklaͤrt, und das erste Mal mit Verlust
                              der linken Hand und einjaͤhrigem Gefaͤngnisse, das zweite Mal aber mit
                              dem Tode bestraft. Aehnliche Geseze wiederholten sich unter Carl II. Unter Wilhelm
                              III. wurden zwar die Criminalstrafen aufgehoben, aber die Verbote blieben und wurden
                              mit Strenge gehandhabt. Dasselbe war der Fall unter Georg III. durch eine
                              ausfuͤhrliche Parlamentsacte vom Jahre 1788. Dieselbe verbietet die Ausfuhr
                              der lebenden Schafe und der Wolle bei Strafe der Confiscation der Waare und des
                              Fahrzeuges, dann 3 Pfd. Sterl. fuͤr jedes Schaf oder jedes Pfund Wolle und
                              dreimonatlicher Einsperrung; im Wiederholungsfalle aber unter verdoppelten Strafen.
                              Dasselbe Verbot erstrekte sich auch aus die Ausfuhr von Wollengarn, welche bloß auf
                              eine jaͤhrliche Quantitaͤt von 5000 Pfund (spaͤter von 20,000
                              Pfund) fuͤr Canada beschraͤnkt war. Selbst der Verkehr mit roher Wolle
                              und Wollengarn im Inneren war zu besserer Handhabung des Ausfuhrverbotes mit einer
                              Menge der laͤstigsten Beschraͤnkungen verbunden, welche fuͤr
                              ein Land, wo die politischen Rechte mit so großer Eifersucht bewacht werden,
                              wirklich staunenswuͤrdig sind. Aller besseren staatswirthschaftlichen
                              Theorien ungeachtet, welche durch ausgezeichnete Schriftsteller, von Humé und
                              Smith angefangen, so wie durch aufgeklaͤrte Staatsmaͤnner verbreitet
                              wurden, blieben diese den wahren Productions- und Handelsinteressen geradezu
                              entgegenstrebenden Ausfuhrverbote, deren nachtheilige Folgen man schon unter dem
                              Kaiserreiche in Frankreich wahrzunehmen Gelegenheit gehabt hatte, bis zum Jahre 1824
                              unveraͤndert; nur fuͤr die Ausfuhr nach den uͤberseeischen
                              brittischen Besizungen waren schon vor diesem Zeitpunkte Bewilligungen erfolgt.
                              Durch eine Parlamentsacte vom 10. Sept. 1824 (5 Georg IV., Cap. 27) wurde endlich
                              die brittische Wollenausfuhr freigegeben gegen einen Ausfuhrzoll von einem Pence
                              fuͤr das Pfund Wolle von 1 Schill. und aufwaͤrts im Werthe, und von
                              1/2 Pence fuͤr Wolle unter 1 Schill. Werth. (Nach den neuesten
                              Zollbestimmungen betraͤgt der Ausfuhrzoll nur 1 Schill. auf den Centner.) Von
                              diesem Zeitpunkte an bis gegenwaͤrtig stieg die Wollenausfuhr
                              alljaͤhrlich, wie man aus der sogleich folgenden Uebersicht der Ein-
                              und Ausfuhr der lezten 15 Jahre ersehen wird. Die Wolleneinfuhr blieb bis zum Jahre
                              1819 ganz zollfrei. Vom 10. Oktbr. des eben genannten Jahres an bis zum 5. Jan. 1823
                              wurde von jedem Pfund Wolle aus brittischen Besizungen 1 Pence und von fremder Wolle
                              6 Pence per Pfd. bei der Einfuhr erhoben; an
                              lezterwaͤhntem Tage erhoͤhte man den Einfuhrzoll fuͤr Wolle aus
                              brittischen Besizungen auf 3 Pence das Pfd., hob denselben jedoch am 5. Jul. 1825
                              wieder auf und befreite die Wolleneinfuhr aus saͤmmtlichen brittischen
                              uͤberseeischen Besizungen von allem Eingangszolle, jene aus anderen
                              Laͤndern ohne Unterschied aber belegte man mit einem Einfuhrzoll von 1 Pence
                              fuͤr das Pfund Wolle zu 1 Schill. Werth und daruͤber und von 1/2 Pence
                              per Pfund unter 1 Schill. Werth, bei welcher
                              Bestimmung es bis gegenwaͤrtig geblieben ist. Bei der Einfuhr der spanischen
                              Wolle werden außerdem 10 Pfund auf den Centner fuͤr Taraverguͤtung
                              freigelassen. Wollenfabrikate aller Art zahlen bei der Einfuhr 20 Proc. des Werthes.
                              Lebende Schafe sind bezuͤglich auf die Einfuhr in
                              das allgemeine Einfuhrverbot des lebenden Viehes in das
                              vereinigte Koͤnigreich (3 und 4 Wilh. IV., Cap. 52) eingeschlossen; ihre Ausfuhr ist frei. Es werden jaͤhrlich mit
                              Inbegriff Irlands (woselbst Waterford den Hauptmarke
                              fuͤr Schafe bildet) gegen 15,000 Stuͤk Schafe ausgefuͤhrt.
                           
                           Die Ergebnisse des auswaͤrtigen Wollenverkehrs in England seit den
                              leztverflossenen fuͤnfzehn Jahren sind aus nachstehender Uebersicht nach den
                              officiellen Erhebungen und statistischen Darstellungen des Board of trade zu entnehmen:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 57, S. 227
                              Ausfuhr; Einfuhr
                              
                           Hienach betrug die jaͤhrliche Wollenausfuhr, vom Jahre 1825 angefangen, in
                              welchem dieselbe auch nach anderen Gegenden als den brittischen Besizungen gestattet
                              worden, bis zum Ende des verflossenen Jahres durchschnittlich 22,600 Centner. Die
                              jaͤhrliche Wolleneinfuhr aber, welche wie man sieht, bisher in beinahe
                              ununterbrochenem Steigen begriffen war, berechnet sich in
                              fuͤnfzehnjaͤhrigem Durchschnitte auf 265,638 Centner, und in so fern
                              nur der Durchschnitt der lezten fuͤnf Jahre, binnen welchen die
                              Wollenmanufacturen ihren staͤrksten Aufschwung gewonnen haben, betrachtet
                              werden will, auf 340,711 Centner. Die Zolleinahme endlich fuͤr die, seit dem
                              Jahre 1825 als dem Anfange der neuen Zollbelegung eingefuͤhrte Wolle
                              betraͤgt per Pfund des ganzen Einfuhrquantums
                              12/13 Pence, woraus daher zu entnehmen, daß nur ein sehr kleiner Theil der
                              eingefuͤhrten Wolle unter einem Schilling Werth per Pfund declarirt war.
                           Zur Darstellung des Details der brittischen Wolleneinfuhren neuester Zeit benuzen wir
                              einige periodische Anzeigen bedeutender Haͤuser in diesem Artikel,
                              insbesondere die von Gooch und Cousens in London (126 London
                                 wall) fuͤr die lezten drei Jahre hergestellten Tabellen und geben
                              nachstehende Uebersicht, deren Annaͤherung an die vorerwaͤhnten
                              officiellen Erhebungen ein guͤnstiges Zeugniß fuͤr ihre Richtigkeit
                              ablegt.
                           
                           Uebersicht der Wolleneinfuhr nach England in den Jahren 1832,
                              1833 und 1834 aus nachbenannten Laͤndern. Englische Centner schweres (Avoirdupois) Gewicht.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 57, S. 228
                              Ort der Einfuhr; Aus Deutschland;
                                 Spanien; Portugal; Neusüdwales und Vandiemensland; Cap der guten Hoffnung;
                                 Süd-Amerika; Italien, Toscana; Rußland; Dänemark; Barbarei und Türkei; Sonstige
                                 Bezüge; London; Liverpool; Hull; Goole; Gloucester; Bristol
                              
                           
                           Was zuerst die Handelsplaͤze fuͤr fremde Wolle in England betrifft, so
                              zeigt sich auf den ersten Blik in vorstehende Tabelle, daß der Hauptmarkt auch
                              fuͤr diesen Artikel (gleichwie fuͤr alle uͤbrigen Hauptartikel
                              des englischen Handels mit Ausnahme der Baumwolle) London ist. Die Zufuhren nach
                              Liverpool und Bristol sind unbedeutend und zufaͤllig, als bloße
                              Ruͤkfrachten. Um so wichtiger fuͤr den englischen Wollenhandel sind
                              die Haͤfen Hull und Goole in Yorkshire, und werden es immer mehr werden. Der
                              westliche Theil der Grafschaft York (westriding) und
                              hierin die Stadt Leeds mir Umgebungen ist der Hauptdistrict fuͤr die
                              englischen Wollenmanufacturen und umfaßt nach der jenem Lande ganz
                              eigenthuͤmlichen Abgraͤnzung der großen Manufacturzweige, welche die
                              Baumwollenmanufacturen nach Manchester und Umgebungen, die Eisen- und
                              Stahlfabriken nach Sheffield, und die uͤbrigen Metallfabriken nach Birmingham
                              verwiesen hat, die Tuchfabrikation fast ausschließend. Was Liverpool bei der
                              Lieferung der Baumwolle fuͤr Manchester, wird fuͤr Leeds in
                              naͤchster Zeit der in großem Aufschwunge begriffene und hoͤchst
                              guͤnstig gelegene Seehafen Hull werden. Gleichwie eine doppelte
                              Canalverbindung und eine Eisenbahn zwischen Liverpool und Manchester, so besteht
                              zwischen Leeds und Hull eine Verbindung durch Canal- und Flußschifffahrt auf
                              den Fluͤssen Aire und Ouse, wozu sich in der neuesten Zeit noch eine
                              vortrefflich angelegte Eisenbahn gesellt, welche bereits zur Haͤlfte (bis
                              Selby) vollendet und im Gange ist. Eben so hat sich der kleine Ort Goole (nur 2300
                              Einwohner zaͤhlend), ein Hafen nahe am Anfange der tiefen Meerenge, welche
                              den Ausfluß des Humber bildet, bereits sehr emporgeschwungen und eines Theiles des
                              deutschen Wollenhandels bemaͤchtigt. Betrachtet man ferner den in der Tabelle
                              bezeichneten Ursprung der in den lezten drei Jahren nach England
                              eingefuͤhrten Wolle, so ergibt sich, daß die Einfuhr spanischer Wolle, welche
                              fruͤherhin im englischen Wollenhandel die erste Rolle spielte, in neuester
                              Zeit auf ungemein geringe Quantitaͤten herabsank, und die deutsche Wolle an
                              deren Stelle trat. Diese Veraͤnderung ist sehr neuen Ursprunges und wird erst
                              seit der Mitte des verflossenen Jahrzehents wahrgenommen, indem waͤhrend der
                              lezten dreißig Jahre ruͤkwaͤrts vom Jahre 1826 an nach den offiziellen
                              Einfuhrlisten der Import spanischer Wolle durchschnittlich nicht unter 50,000 Cntr.
                              jaͤhrlich, in einzelnen Jahren aber fast das doppelte Quantum betragen hatte.
                              Der zunehmende Verfall der spanischen Industrie einer- und die großen
                              Fortschritte der deutschen Schafzucht andererseits, der hoͤchst vorteilhafte
                              Ruf der deutschen Wolle in England, verbunden mit der Handelsbetriebsamkeit einiger
                              norddeutschen Staͤdte, welche besonders durch ihren ausgedehnten
                              Colonialwaarenhandel den englischen Schiffen vorteilhafte Ruͤkfrachten in
                              Wolle gewaͤhren, duͤrsten die Hauptursachen dieser fuͤr die
                              deutschen Agriculturinteressen so vorteilhaften Wendung seyn.
                           In den leztverflossenen fuͤnfzehn Jahren wurden nachstehende
                              Quantitaͤten deutsche Wolle nach England eingebracht:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 57, S. 229
                              Cntr. in engl. schwerem
                                 Gewichte
                              
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 57, S. 230
                              Cntr. in engl. schwerem
                                 Gewichte
                              
                           Besondere Aufmerksamkeit verdienen ferner die in obiger Tabelle angezeigten
                              Wollensendungen aus Neuholland, welche auch fuͤr
                              den deutschen Wollenhandel wegen der drohenden neuen Concurrenz von hoher
                              Wichtigkeit sind. Es ist bekannt, daß auf Vandiemensland und Neusuͤdwallis
                              mit Unterstuͤzung englischer Capitalien große Schafheerden unterhalten
                              werden, deren Wollenertrag bloß fuͤr England bestimmt seyn kann. Das Gedeihen
                              und die großen Fortschritte der Schafzucht in jenen Colonien ist außer Zweifel. Sie
                              ist durch die besten spanischen Racen veredelt und die Wollenmuster von
                              verschiedenen Punkten jener Colonien mehrerer Jahrgaͤnge, welche in den
                              Sammlungen der beruͤhmten Society of arts and
                                 manufactures in London hinterlegt sind, beurkunden die ausgezeichneten
                              Fortschritte in der Wollenveredlung. Auch ist die Wolleneinfuhr von daher in
                              neuester Zeit in stetem Fortschreiten begriffen. Dieselbe begann zuerst mit
                              Quantitaͤten, welche einige tausend Centner uͤbersteigen, im Jahre
                              1826, und stieg seitdem in folgendem Verhaͤltnisse:
                           
                              
                                 Australische
                                 Wolleneinfuhr
                                 1826
                                     11,063 Cntr.
                                 
                              
                                       –
                                       –
                                 1827
                                        3158   –
                                 
                              
                                       –
                                       –
                                 1828
                                     15,741   –
                                 
                              
                                       –
                                       –
                                 1829
                                     18,364   –
                                 
                              
                                       –
                                       –
                                 1830
                                     20,007   –
                                 
                              
                                       –
                                       –
                                 1831
                                     25,412   –
                                 
                              
                                       –
                                       –
                                 1832
                                     25,158   –
                                 
                              
                                       –
                                       –
                                 1833
                                     35,875   –
                                 
                              
                                       –
                                       –
                                 1834
                                     39,069   –
                                 
                              
                           Es ist nach dem Urtheile Sachkundiger mit aller Bestimmtheit zu erwarten, daß die
                              Wollenproduction jener Colonien, durch ungemeine oͤrtliche Vorzuͤge
                              beguͤnstigt, in naͤchster Zeit einen hohen Aufschwung nehmen und den
                              gefaͤhrlichsten Concurrenten fuͤr die deutsche Wolle auf den
                              englischen Maͤrkten abgeben werde, wenn gleich die große Entfernung und der
                              Mangel an Versendungen oder Ruͤkfrachten dahin der bisherigen
                              groͤßeren Importation entgegenstand. Daß dieselbe uͤberdieß die
                              Eingangszollbefreiung in England genießt, ist schon oben erwaͤhnt worden. Der
                              Werth der australischen Wolle steht dermalen in England von 1–3 Schill. per Pfund; sie koͤmmt nicht assortirt, wie jene
                              von Deutschland und anderwaͤrts, wohl aber reinigt man sie etwas und wirft
                              die Fließe nach oberflaͤchlicher gleicher Beschaffenheit zusammen. Sie ist
                              durchaus sehr beliebt, und wird als vorzuͤglich geeignet zur Garnspinnerei
                              erachtet, was schon ihr langes haltbares Haar andeutet. Zur Verfertigung von
                              Tuͤchern wurde sie noch zur Zeit selten verwendet, doch wird dieß ohne
                              Zweifel der Fall seyn, wenn sie in groͤßerer Menge eingebracht wird. Man
                              versendet sie in stark zusammengepreßten Ballen von beilaͤufig 200 Pfd. nach Art der
                              amerikanischen Baumwollenballen, allein die Wolle leidet durchaus nicht darunter,
                              wie man fruͤher, aus Veranlassung einiger durch andere Zufaͤlle
                              verdorbener Sendungen, verbreitet hatte. Ihre Bezugsweise geschah bisher meist nur
                              als Retouren fuͤr dahin gesandte Waaren und noch zur Zeit selten fuͤr
                              Rechnung der Producenten; nur die Familie Mac-Arthur, welche große
                              Laͤndereien auf Neuholland besizt, sendet ihre Wolle direct nach England zum
                              Verkaufe. Die uͤbrigen von daher importirten Partien sind von Privaten
                              gekauft, welche dort Landwirthschaft treiben, jedoch nicht von der (seit 1825)
                              bestehenden Australian-agricultural-Society, von deren Wirken bisher
                              noch wenig verlautete. –
                           Folgende sind die mittleren Preise der eingefuͤhrten fremden Wolle auf
                              englischen Maͤrkten, einschluͤssig des bezahlten Eingangszolles in den
                              leztverflossenen fuͤnf Jahren:
                           Das Pfund (Avoirdupois-Gew.)
                           
                              
                                 
                                 1830
                                 1831
                                 1832
                                 1833
                                 1834
                                 
                              
                                 Der geringeren Sorten
                                       der schlesischen
                                       Wolle, auch aus
                                       Oesterreich u.s.w.
                                 4 Sch.
                                 10 P.
                                 1 Sch.
                                 11 P.
                                 2 Sch.
                                 1 P.
                                 2 Sch.
                                 6 P.
                                 2 Sch.
                                 6 P.
                                 
                              
                                 Der Mittelsorten
                                 2  –
                                   4 –
                                 2  –
                                   4 –
                                 2  –
                                 7 –
                                 3   –
                                  –
                                 3   –
                                 6 –
                                 
                              
                           Der Wollenwerth steht dermalen (Maͤrz 1835) so wie er das ganze Jahr 1832
                              hindurch stand, aber um etwas niedriger als in der ersten Haͤlfte des
                              verflossenen Jahres. Die starken Zufuhren des lezten Jahres sind Ursache dieses
                              Fallens, und wenn gleich der Verbrauch so stark ist und staͤrker als je
                              zuvor, so ist doch als wahrscheinlich anzunehmen, daß die Wolle im laufenden Jahre
                              1835 sich nicht bedeutend uͤber ihren dermaligen Stand erheben werde, indem
                              alle Aussicht gegeben ist, daß in diesem Jahre die Wollenproduction in- und
                              außerhalb Europa eine reiche Ernte liefern werde. –
                           Wir schließen diese Bemerkungen mit einigen merkantilischen Notizen uͤber den
                              deutschen Wollenhandel nach England insbesondere. Es ist durchaus nicht anzurathen,
                              ordinaͤre deutsche Wolle nach England zu senden; sie wuͤrde dort
                              gegenwaͤrtig nur 7–8 Pence per Pfund werth
                              seyn und kostet in Deutschland stets mehr. Fellwolle (von todten Schafen) ist
                              abzusezen und ziemlich currant; der Werth ist beilaͤufig 1 Sch. per Pfund. Gemischte deutsche Wollen gehen
                              haͤufig direct nach Leeds, wo sie sortirt werden; zur Sendung nach London
                              aber wuͤrden immerhin die sorgfaͤltig sortirten (ungemischten) Sorten
                              anzurathen seyn. Die unsortirte deutsche Wolle steht dermalen von 1 Sch. 10 P. bis 2
                              Sch. 9 P. per Pfund nach Qualitaͤt im Werthe.
                           Aus England reisen jaͤhrlich im Fruͤhlinge viele Wollenhaͤndler
                              und Wollenfabrikanten nach Deutschland und bringen auf den Wollenmaͤrkten
                              große Quantitaͤten Wolle an sich je nach Bedarf oder Aussicht auf
                              vorteilhafte Verarbeitung oder Wiederabsaz. Ein sehr großer Theil der
                              jaͤhrlichen Versendungen deutscher Wolle nach England geht auf diese Weist
                              dahin. Von den in Deutschland uͤbrigen Vorraͤthen, welche nicht im
                              Lande verbraucht oder an flandrische, franzoͤsische etc. Haͤndler
                              abgesezt werden, gelangen haͤufig betraͤchtliche Sendungen im Herbste
                              nach England, meist nach London in Consignation zum Verkaufe an
                              Commissionaͤre. Der Verkauf macht sich dann zu guten Preisen in den
                              Faͤllen, wenn auf die erst genannte Weise nicht Wolle genug nach England
                              gelangt, oder im Herbste der Begehr nach Tuͤchern groͤßer ist, als man
                              fruͤher erwartet hatte. Findet das Gegentheil Statt, so ist der Absaz schwierig und kann
                              nur zu niedrigeren Preisen geschehen, als jene, um welche der englische
                              Haͤndler im vorhergehenden Sommer in Deutschland gekauft hatte. Leztere
                              Faͤlle sind wohl haͤufiger als erstere, und auch mehr in der Natur der
                              Sache gegruͤndet, denn Jeder kauft meist seinen vollen Bedarf und auch wenn
                              er schoͤne Auswahl findet, etwas mehr fruͤhzeitig und sucht
                              Einkaͤufe im Herbste zu vermeiden, da er die Auswahl, welche sich ihm dann
                              darbietet, nicht vorherzusehen vermag. Der Londner Commissionaͤr nimmt 2
                              Proc. fuͤr seine Commission; 2 Proc. fuͤr Garantie (del credo): denn die Wolle wird auf 9–12 Monate
                              Zeit verkauft; ferner ist 1/2 Proc. Maklercourtage, dann außer dem dem
                              Verkaͤufer zur Last fallenden Eingangszoll 1–2 Proc. fuͤr
                              andere Kosten zu tragen; endlich die Fracht von Hamburg und die Assecuranz; erstere
                              betraͤgt ungefaͤhr 5 bis 6 Sch. per
                              Ballen, leztere 12, bis 1 1/2 Proc. vom Werthe je nach der Jahreszeit.
                           Unter diesen Verhaͤltnissen erscheint es fuͤr den deutschen Producenten
                              vortheilhafter, sein Product im Lande selbst, oder auf den Hauptwollmaͤrkten
                              in Deutschland abzusezen; diese Art des Verkaufs wird sich nach dem
                              Durchschnittsergebnisse mehrerer Jahre als die vorteilhaftere bewaͤhren, und
                              zumal da, wo mehr geringe als mittlere und feine Sorten producirt werden. Allerdings
                              ergaben sich in den leztverflossenen Jahren mehrere Chancen eines vortheilhafteren
                              Wollenabsazes auf dem Londner Markte im Winter als im vorhergegangenen Sommer;
                              allein solche Conjuncturen sind das Ergebniß zufaͤlliger Ereignisse und nie
                              vorherzusehen; inzwischen wirkt jede einiger Maßen bedeutende Veraͤnderung
                              der Wollenpreise in England schnell und unfehlbar nach Deutschland zuruͤk, so
                              daß auch der deutsche Producent von einer unvorhergesehenen Erhoͤhung an Ort
                              und Stelle einigen Nuzen zu ziehen vermag, wenn er sein Product nicht vorher
                              verkauft hat.