| Titel: | Bericht des Hrn. Labarraque über die lakirten Hüte und Kappenschilde des Hrn. Vincent. | 
| Fundstelle: | Band 57, Jahrgang 1835, Nr. LVII., S. 276 | 
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                        LVII.
                        Bericht des Hrn. Labarraque uͤber die lakirten Huͤte und Kappenschilde des Hrn.
                           Vincent.
                        Aus dem Bulletin de la
                                 Société d'encouragement. April 1835, S. 165.
                        Labarraque's Bericht uͤber die lakirten Huͤte und
                           Kappenschilde.
                        
                     
                        
                           Die Fabrikation von lakirtem Leder ist seit langer Zeit zur Genuͤge bekannt;
                              man war hieran gewoͤhnt, und glaubte, daß auch die lakirten Huͤte und
                              Kappenschilde aus Leder erzeugt wuͤrden. Dem ist aber nicht so; denn seit
                              mehreren Jahren wendet man statt des Leders Filz von verschiedener Qualitaͤt
                              an, aus welchem man mit Huͤlfe mehrerer hoͤchst einfacher Operationen,
                              uͤber welche wir weiter unten einen genauen Ueberblik geben werden, solide,
                              dauerhafte und dennoch sehr wohlfeile Fabrikate erzeugen kann. Hr. Vincent, ein einfacher Arbeiter und beginnender
                              Fabrikant, erklaͤrt sich nicht fuͤr den Erfinder seines
                              Industriezweiges; allein er hat, wie man gleich sehen wird, die Arbeit bei demselben
                              auf eine sehr vorteilhafte Weise vereinfacht.
                           Der Arbeiter nimmt naͤmlich zur Verfertigung eines lakirten Hutes eine
                              Filzkappe, welche aus der groͤbsten Wolle, aus Kuhhaaren oder anderen Haaren
                              von geringem Werthe erzeugt worden ist. Diesen Filz uͤberzieht er, nachdem er
                              gehoͤrig befeuchtet und auf eine Form aus Blech gebracht worden ist, mit
                              einer starken Schichte Mehlkleister, welche gehoͤrig aufgetragen und fixirt
                              wird. Dann bringt er den Filz auf der Form in einen Trokenofen, und wenn der Filz
                              nach vollendetem Troknen die gehoͤrige Consistenz erlangt hat, so
                              traͤgt er eine Schichte Leinoͤhl, welches man vorher schnelltroknend
                              machte, auf, und sezt den Hut neuerdings in den Trokenofen. Diese leztere Operation
                              wird mehrere Mal wiederholt, bis der Arbeiter endlich den Hut von der blechernen
                              Form abnimmt, und ihn dafuͤr auf eine hoͤlzerne sezt, die selbst
                              wieder in eine Drehebank gebracht wird. In dieser reibt der Arbeiter den Hut mit
                              Bimsstein ab, um ihm die gehoͤrige Politur zu geben. Diese Arbeit erfordert
                              Zeit und Aufmerksamkeit, und doch verdient sich der Arbeiter, welcher nach dem
                              Stuͤke und fuͤr einen aͤußerst maͤßigen Lohn arbeitet,
                              bei derselben taͤglich gegen 3 Fr. Der auf diese Weise behandelte Hut bedarf
                              zu seiner gaͤnzlichen Vollendung dann nur mehr eines Firnißuͤberzuges,
                              den Hr. Vincent selbst aufzutragen pflegt. Er nimmt zu
                              diesem Behufe die gemeinsten Huͤte, und traͤgt, nachdem er sie
                              abgebuͤrstet und abgewischt, mit einem Pinsel, den er die Stokfischzunge (langue de morue) nennt, eine an allen Stellen
                              moͤglichst gleichmaͤßige Schichte Firniß auf. Der uͤberfirnißte
                              Hut wird In den Trokenofen gehaͤngt, und ist nach 24 Stunden zum Verkaufe
                              fertig.
                           Die Fabrikation der Kappenschilde ist eben so leicht. Man schneidet den Filz zuerst
                              mit einer Scheere nach einer Patrone, uͤberstreicht denselben an beiden
                              Seiten mit Kleister, troknet ihn im Trokenofen, traͤgt dann ein Paar
                              Schichten schnell troknenden Oehles auf, und preßt ihn, nachdem er noch ein Mal im
                              Trokenofen getroknet worden, in gehoͤrig erhizten Modeln, um ihn hierauf aus
                              der Hand mit Bimsstein
                              zu poliren, und endlich auf gleiche Weise, wie dieß mit den Huͤten geschieht,
                              zu uͤberfirnissen.
                           Die Operation der Presse scheint theils wegen ihres Resultates, theils wegen ihrer
                              Einfachheit alle Aufmerksamkeit zu verdienen. Die Waͤrme der Model oder der
                              diken gußeisernen Platten ist gerade so groß, daß die Oehlschichte dadurch in Fluß
                              geraͤth, so daß der Filz und der Kleister damit impraͤgnirt werden;
                              sie darf aber nie so groß seyn, daß das Oehl eine Veraͤnderung dadurch
                              erleidet, indem der Schild sonst zu seinem Zweke unbrauchbar werden wuͤrde.
                              Der Arbeiter muß daher den Grad der erforderlichen Hize genau kennen, und den
                              Schwengel der Presse mit einer der Temperatur der Model entsprechenden
                              Geschwindigkeit bewegen: so daß der Kappenschild bald nur eine Secunde lang, bald
                              aber vier oder sechs Mal laͤnger unter der Presse bleibt. Diese Operation
                              geschieht hier mit merkwuͤrdiger Geschwindigkeit, und diese Geschwindigkeit
                              weicht wesentlich von der Langsamkeit des Pressens des Hornes und der Klauen ab,
                              obschon lezteres bei der Fabrikation der lakirten Kappenschilde als Muster gedient
                              zu haben scheint.
                           Aus dem Gesagten erhellt, daß die Kunst lakirte Huͤte und Kappenschilde zu
                              verfertigen, von anderen Industriezweigen entlehnt wurde; daß Hr. Vincent, der bisher ein einfacher Arbeiter war, die
                              verschiedenen Operationen jedoch so modificirte, daß er nunmehr schnell, gut und
                              wohlfeil arbeitet, und seine Fabrikate um sehr niedrige Preise zu liefern im Stande
                              ist. Als Beweis hiefuͤr dient, daß ein runder Hut aus lakirtem Filze in der
                              Fabrik fuͤr 1 Fr. 60 Cent. und selbst noch wohlfeiler zu haben ist, wenn der
                              Koͤrper in allen seinen Theilen schwaͤcher ist. Von den Kappenschilden
                              gilt das Duzend je nach ihrer Form und Groͤße von 90 Cent. bis zu 2 Fr. Der
                              den Unbilden der Witterung ausgesezte gemeine Mann kann sich daher fuͤr 32
                              Sous eine Kopfbedekung verschaffen, deren Dauer sich auf mehr dann 2 Jahre berechnen
                              laͤßt, wonach ihm die Ausgabe fuͤr diesen Theil seiner Kleidung
                              monatlich nur auf 5 Cent. zu stehen kommt. Er braucht daher nicht mehr, wie bisher
                              der Wohlfeilheit wegen alte abgetragene Filzhuͤte anzukaufen, mit denen er
                              oft gleichzeitig verschiedene Hautkrankheiten erwirkt. Die lakirten Huͤte
                              brauchen, wenn sie staubig und kothig geworden sind, nur mit etwas Wasser
                              abgewaschen, mit einem Tuche abgetroknet und dann mit etwas Oehl abgerieben zu
                              werden, um ihnen wieder ihren urspruͤnglichen Glanz zu geben.
                           Wir bemerken nur noch, daß die Localbehoͤrde die Fabrik des Hrn. Vincent im Interesse des allgemeinen Wohles schließen zu
                              muͤssen glaubte; der Sanitaͤtsrath hat jedoch auf den Recurs des Hrn. Vincent sein Verfahren und seine Fabrikate untersucht,
                              und nicht das geringste Schaͤdliche darin gefunden, so daß nun 8 bis 9
                              arbeitsamen Menschen, die sonst dem Elende Preis gegeben gewesen waͤren,
                              wieder reichliche Beschaͤftigung gegeben ist.
                           Die Commission der oͤkonomischen Kuͤnste schlaͤgt daher der
                              Gesellschaft vor, Hrn. Vincent den Dank der Gesellschaft
                              fuͤr seine Mittheilungen auszudruͤken, und zu untersuchen, ob ihm
                              nicht eine Medaille fuͤr seine Leistungen zuerkannt werden
                              duͤrfte.