| Titel: | Ueber den Bau eines tragbaren Bootes zum Landen und Einschiffen von Pferden an den Seeküsten und durch Brandungen. Von Hrn. Cow, Beamten an den großbritannischen Schiffswerften in Woolwich. | 
| Fundstelle: | Band 57, Jahrgang 1835, Nr. LXIX., S. 337 | 
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                        LXIX.
                        Ueber den Bau eines tragbaren Bootes zum Landen
                           und Einschiffen von Pferden an den Seekuͤsten und durch Brandungen. Von Hrn. Cow, Beamten an den großbritannischen Schiffswerften in
                           Woolwich.
                        Aus dem Mechanics'
                                 Magazine, No. 622.Das Mechanics' Magazine entnahm diesen, wie uns
                                 scheint, in mannigfacher Hinsicht interessanten Artikel aus einem von Hrn. Cow verfaßten Werke uͤber den Schiffbau, um
                                 dadurch zu beweisen, daß die Erfindung der in unseren lezten Heften besprochenen
                                 tragbaren Boote aus Kautschuk nicht den Amerikanern, sondern den
                                 Englaͤndern zugeschrieben werden muß. Nach Allem, was wir jedoch bisher
                                 uͤber diesen Gegenstand erfuhren, scheinen uns die beiden Boote so sehr
                                 von einander abzuweichen, daß sie fuͤglich als zwei verschiedene
                                 Erfindungen betrachtet werden koͤnnen. A. d. R.
                           
                        Cow, tragbares Boot zum Landen und Einschiffen von Pferden
                           etc.
                        
                     
                        
                           Die unendlichen Schwierigkeiten, mit denen das Landen und Einschiffen von Pferden,
                              sie moͤgen zum Cavallerie- oder Artilleriedienste bestimmt seyn,
                              verbunden ist, und die besonders an jenen Kuͤsten, wo eine starke Brandung
                              Statt findet, fuͤhlbar sind, veranlaßten mich, uͤber diesen Gegenstand
                              nachzudenken. Ich erkundigte mich demnach bei allen Offizieren und alten Seeleuten,
                              mit denen ich in Verkehr bin, nach den Methoden, auf welche sie die Landung und
                              Einschiffung bewerkstelligen; so wie ich denn auch in der Modellsammlung des
                              Arsenales alle hierauf bezuͤglichen Vorrichtungen untersuchte. Ich fand in
                              lezterer allerdings mehrere Modelle von Apparaten, die dazu bestimmt sind, Pferde in
                              Schiffe, die sich an einer Werfte befinden, hinein und wieder heraus zu heben;
                              allein keines, womit Pferde an Seekuͤsten gelandet werden koͤnnten.
                              Alles, was ich hieruͤber erfahren konnte, beschraͤnkte sich darauf,
                              daß man die Thiere entweder in Boote mit flachem Boden bringt, oder daß man zwei
                              lange Boote zusammenbindet, eine Platform darauflegt, und dann am Rande herum an
                              Pfaͤhlen ein Seil zieht, damit die Thiere nicht uͤber Bord springen
                              koͤnnen. Es erhellt offenbar, daß wenn sich die Brandung auf irgend eine
                              bedeutende Entfernung vom Ufer erstrekt, diese beiden Methoden nicht anwendbar sind,
                              so daß in solchen
                              Faͤllen nichts Anderes uͤbrig bleibt, als die Transportschiffe so nahe
                              als moͤglich an das Ufer zu bringen, dort die Pferde aus dem Schiffe zu
                              heben, und dann mit ihnen ans Land zu schwimmen: ein Verfahren, welches
                              natuͤrlich haͤufig mit dem Untergange der Thiere verbunden ist. Allein
                              gesezt auch, es waͤre vollkommen thunlich, die Pferde an's Land zu schwimmen,
                              so ließe sich diese Methode doch noch keineswegs auf das Einschiffen der Thiere
                              anwenden; denn 1) waͤre es sehr schwer die Pferde durch die Brandung zu
                              treiben; und wenn dieß auch moͤglich waͤre, so waͤre es 2) noch
                              schwerer, sie anzuschlingen, um sie an Bord zu heben. Man sagte mir, daß bei dem
                              Ruͤkzuge aus Corunna im Jahre 1809 viele werthvolle Thiere umgebracht werden
                              mußten, weil man nicht im Stande war, sie an die im Hafen liegenden Transportschiffe
                              zu schaffen. Uebrigens darf nicht vergessen werden, daß die Boote mit flachem Boden
                              sowohl an Bord der Kriegs-, als an Bord der Transportschiffe eine große
                              Unannehmlichkeit sind, indem sie einen großen Raum auf dem Verdeke einnehmen, indem
                              sie schwer aus- und einzuheben sind; und indem sie, wenn man sie an dem
                              Hinterdeke aufbewahren will, wegen der Hoͤhe, auf der sie angebracht werden
                              muͤssen, sehr viele Hindernisse machen.
                           Um nun alle diese Schwierigkeiten zu beseitigen, erbaute ich ein Modell, welches ich
                              hier beschreiben will. Meine Absicht war zuerst auf Erfindung eines tragbaren
                              Bootes, welches leicht in Stuͤke zerlegt, in einen kleinen Raum gepakt und
                              leicht von Jedermann wieder zusammengesezt werden koͤnnte, gerichtet. Ich
                              hatte, waͤhrend ich den Bau der Boote fuͤr die Nordpolexpedition von
                              Capitaͤn Franklin und Parry zu leiten hatte, haͤufig Gelegenheit, Hrn. Macintosh's patentwasserdichten Canevaß zu erproben, und
                              kam hiebei auf die Idee, daß ein Canevaß dieser Art. welcher jedoch viel
                              staͤrker und auf eine etwas andere Weise zubereitet seyn muͤßte, mir
                              bei der Verfertigung eines tragbaren Bootes wesentliche Dienste leisten
                              koͤnnte.
                           Die dem Boote zu gebende Form kam hierauf zunaͤchst in Betracht; und hiebei
                              ergab sich, daß diese Form hauptsaͤchlich auf Ueberwaͤltigung einer
                              Brandung berechnet seyn muͤsse; daß die Tiefe der Boote eine solche seyn
                              muͤsse, daß die Pferde nicht herausspringen koͤnnen, und daß deren
                              Laͤnge und Breite nicht groͤßer zu seyn braucht, als zur Aufnahme von
                              vier Pferden auf ein Mal erforderlich ist. Ich schmeichle mir, daß ich in Hinsicht
                              auf die Ueberwaͤltigung der Brandungen in der Wahl der Form meines Bootes
                              gluͤklich gewesen, indem man mir sagte, daß dasselbe den bekannten
                              Massullabooten von Madras aͤhnlich sey.
                           
                           Um das Boot tragbar zu machen, und um dieß auf die moͤglich einfachste Weise
                              zu bewerkstelligen, sind die einzelnen Theile des Gerippes durch eiserne Schrauben
                              und messingene Schraubenmuttern mit einander verbunden. Die Schrauben sind so
                              angefertigt, daß sie mit der Hand umgedreht werden koͤnnen, so daß keine
                              Instrumente hiezu erforderlich sind, und daß Jedermann das Ganze
                              zusammenfuͤgen kann. Um diese Zusammenfuͤgung noch mehr zu
                              erleichtern, sind die einzelnen Viertheile des Bootes mit verschiedenen Farben
                              bestrichen und mit Nummern bezeichnet, so daß es beinahe unmoͤglich ist sich
                              zu irren. Die Schrauben sind saͤmmtlich nach einem und demselben Model
                              geschnitten, damit man bloß auf deren Laͤnge Ruͤksicht zu nehmen
                              braucht. Das Boot selbst hat einen flachen Boden und eine starke Platform, auf der
                              die Pferde stehen, und welche so hoch angebracht sind, daß der Moͤglichkeit
                              eines Unfalles vorgebeugt ist. Zu groͤßerer Sicherheit sind in
                              gehoͤriger Hoͤhe drei Querbalken angebracht. Wenn das Geripp des
                              Bootes zusammengesezt worden ist, so wird ein Ueberzug aus wasserdichtem Canevaß an
                              demselben angebracht.
                           Da das Boot an das Ufer gezogen, und von demselben abgezogen werden muß, so muß jener
                              Theil des Canevasses, der mit dem unebenen Boden oder mit den Steinen in
                              Beruͤhrung kommt, geschuͤzt werden; es wird zu diesem Behufs auf eine
                              Schleife oder auf eine Art von Schlitten gesezt, wodurch es ungefaͤhr einen
                              Fuß hoch uͤber dem Boden, und beim Aufziehen auch aufrecht und staͤtig
                              erhalten wird.
                           Das Boot hat 24 Fuß Laͤnge, 8 Fuß 6 Zoll Breite und 4 Fuß Tiefe; es kann, wenn
                              es in Stuͤke zerlegt ist, mit Ausnahme des Kieles und der Kanonenlagen, in
                              zwei Behaͤlter oder Kisten gepakt werden, von denen jede 10 Fuß lang, 2 Fuß 6
                              Zoll breit, und 2 Fuß tief ist; es faßt nicht nur 4 Pferds, sondern auch das
                              fuͤr dieselben noͤthige Geschirr und die sonst erforderlichen
                              Vorraͤthe.
                           Wenn nun Pferde gelandet werden sollen, so wird das Boot auf dem Verdeke
                              zusammengefuͤgt und ausgesezt, wo man dann die Pferde in dasselbe
                              hinunterlaͤßt und auf irgend eine der gewoͤhnlich
                              gebraͤuchlichen Methoden befestigt. Wenn das Boot hierauf so nahe an das Ufer
                              gebracht worden ist, als es die Brandung oder die sonstigen
                              Localverhaͤltnisse zulassen, so schafft man ein Tau, welches fruͤher
                              an der Schleife oder an dem Schlitten befestigt worden ist, an's Ufer, und mit
                              diesem wird das Boot dann von einer entsprechenden Menge der Mannschaft durch die
                              Brandung gezogen. Am Ufer angelangt macht man den Canevaß am vorderen Theile des
                              Bootes los und rollt ihn unter den Bauch des Bootes zuruͤk; hierauf macht man zehn der Schrauben
                              an dem vorderen Theile des Gerippes los, so daß der Vordertheil des Bootes
                              abgenommen werden kann, und daß die Pferde nun ohne Hinderniß aus dem Boote heraus
                              treten koͤnnen. Da ich mein Boot nicht mit Pferden beladen, sondern nur
                              unbeladen emporziehen sah, so kann ich nicht angeben, wie groß die hiezu
                              noͤthige Mannschaft ist; zwischen 40 und 50 Mann duͤrften jedoch
                              hinreichen, und wenn ein Mal die ersten 4 Pferde gelandet sind, so koͤnnen
                              dann diese benuzt werden.
                           Sollen die Pferde hingegen eingeschifft werden, so sezt man das Boot am Ufer
                              zusammen, laͤßt die Thiere hineintreten, und schließt den Bauch, worauf man
                              es durch ein anderes, außer der Brandung liegendes Boot flott machen
                              laͤßt.
                           Ich legte im November 1827 der Admiralitaͤt ein Modell eines solchen Bootes
                              vor; sie druͤkte ihre Zufriedenheit daruͤber aus, und befahl den Bau
                              eines derlei Bootes, um in Portsmouth Versuche damit anzustellen; in wie fern sich
                              daselbst Gelegenheit hiezu ergab, ist mir nicht bekannt geworden. Aus verschiedenen
                              Versuchen, welche ich uͤber die Staͤrke und die wasserdichte
                              Beschaffenheit des zum Ueberzuge dienenden Canevasses anstellte, halte ich mich
                              fuͤr uͤberzeugt, daß derselbe in der Marine, und namentlich an den
                              Kriegsschiffen zu vielen hoͤchst nuͤzlichen Zweken verwendet werden
                              koͤnnte. Es geschah z.B. bei der Schlacht von Navarin, und in vielen anderen
                              Schlachten, daß am Ende derselben die Boote, die man brauchte, um an Bord der Prisen
                              zu gelangen, so durchloͤchert waren, daß sie das Wasser nicht hielten, und
                              daß lange Zeit erforderlich war, um sie brauchbar zu machen. Viele Prisen gingen auf
                              diese Weise sogar verloren, wie dieß im Jahre 1811 bei der Niederlage der
                              franzoͤsischen und italienischen Flotte bei Lissa der Fall war. Wuͤrde
                              jedes Kriegsschiff mit einigen, seinen Booten entsprechenden wasserdichten
                              Canevaßuͤberzuͤgen ausgestattet, so koͤnnten die Boote
                              jederzeit, wie sehr sie auch durchschossen seyn moͤchten, in weniger dann
                              zwei Minuten zu jedwelchem Dienste brauchbar gemacht werden.
                           Ich baute in Auftrag Sr. koͤnigl. Hoheit des Lord Oberadmirals an hiesiger
                              Werfte nach dem Principe des oben beschriebenen Pferdebootes ein kleines Boot von 20
                              Fuß Laͤnge, 5 Fuß 10 Zoll Breite und 2 Fuß 10 Zoll Tiefe; es wog 5 1/2 Cntr.
                              und war in zwei Kisten gepakt, von denen die eine 15 Fuß lang, 14 Zoll breit und 9
                              Zoll tief war, waͤhrend die andere 6 Fuß 1 Zoll Laͤnge, 1 Fuß 10 Zoll
                              Breite und 1 Fuß 4 Zoll Tiefe hatte. Dieses Boot, welches die koͤnigl. Hoheit
                              in ihrer Yacht mit nach Portsmouth und Plymouth nahm, wurde in jedem dieser beiden
                              Haͤfen zusammengesezt; es machte an beiden Orten, mit 30 Mann besezt, einige
                              Probefahrten im Hafen,
                              und zeigte sich dabei weder schwach, noch ließ es auch nur einen Tropfen Wasser
                              eindringen. Es befindet sich gegenwaͤrtig an Bord des Madagascar.
                              Spaͤter wurden zwei aͤhnliche Boote fuͤr die Niederlassung am
                              Schwanenflusse in Neu-Holland erbaut.
                           Endlich muß ich auch noch bemerken, daß dergleichen Boote, wenn sie von
                              gehoͤriger Leichtigkeit und so gebaut wuͤrden, daß sie in einem
                              kleinen Raume untergebracht werden koͤnnen, mit großem Vortheile auch beim
                              Kriegsdienste auf dem festen Lande zum Uebersezen uͤber Fluͤsse benuzt
                              werden duͤrften.