| Titel: | Ueber die Eigenschaften des zu einer Flüssigkeit verdichteten kohlensauren Gases und die Verwandlung dieser Gasart in einen festen Körper. | 
| Fundstelle: | Band 58, Jahrgang 1835, Nr. XLIXXLVIII., S. 313 | 
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                        XLIXXLVIII.
                        Ueber die Eigenschaften des zu einer
                           Fluͤssigkeit verdichteten kohlensauren Gases und die Verwandlung dieser Gasart in
                           einen festen Koͤrper.
                        Aus dem Institut, No. 126 und 127.
                        Ueber die Eigenschaften des zu einer Fluͤssigkeit
                           verdichteten kohlensauren Gases.
                        
                     
                        
                           Hr. Thilorier richtete an die
                              franzoͤsische Akademie der Wissenschaften ein Schreiben, worin er sie
                              ersucht, durch eine Commission die Versuche wiederholen zu lassen, welche er schon
                              fruͤher uͤber die Eigenschaften der fluͤssig gemachten
                              Kohlensaͤure anstelltePolytechnisches Journal Bd. LIV. S.
                                       222. und ihr seiner Zeit mittheilte. Er zeigt ihr zugleich an, daß er seine
                              Untersuchungen uͤber diese Fluͤssigkeit, welche nur unter einem
                              starken Druk in luftdicht verschlossenen Gefaͤßen bestehen kann,Die Beschreibung und Abbildung von Thilorier's Pumpe zum Verdichten der Gasarten findet man im
                                    Polytechnischen Journal Bd. XLIV. S.
                                       12.A. d. R. vervollstaͤndigt hat. Folgendes sind in Kuͤrze die Resultate,
                              so wie er sie in seinem Schreiben angibt.
                           1) Ausdehnung. Diese fluͤssig gemachte Gasart ist
                              merkwuͤrdiger Weise eine ausdehnbarere Fluͤssigkeit, als die Gase
                              selbst. Von 0° bis + 30° C. nimmt, ihr Volumen um 20 bis 29 zu, d.h.
                              bei + 30° C. betraͤgt die Zunahme des Volumens beilaͤufig die
                              Haͤlfte von demjenigen, welches diese Fluͤssigkeit bei 0°
                              einnahm. Ihre Ausdehnung ist also vier Mal groͤßer als die der Luft, indem
                              sich leztere von 0 bis + 30° C. nur um 30/267 ausdehnt, waͤhrend die
                              Ausdehnung der Kohlensaͤure, auf dieselbe Scala reducirt, 116/267
                              betraͤgt.
                           2) Verdampfung. Wenn man eine Roͤhre, welche ein
                              bestimmtes Volumen fluͤssig gemachter Kohlensaͤure enthaͤlt,
                              erhizt, so kommt diese Fluͤssigkeit ins Kochen und der leere Raum
                              uͤber der Fluͤssigkeit wird mit einer um so groͤßeren
                              Quantitaͤt Dampf gesaͤttigt, je hoͤher die Temperatur ist. Bei + 30° C.
                              entspricht die Quantitaͤt Fluͤssigkeit von 0°, welche zur
                              Saͤttigung des leeren Raumes erforderlich ist, einem Volumen gleich dem
                              dritten Theil des Raumes, worin die Verdampfung Statt fand. Bei 0°
                              betraͤgt das Volumen der Saͤttigungsfluͤssigkeit nur 1/12 des
                              gesaͤttigten Raumes.
                           3) Druk. Von 0° C. bis + 30° C.
                              erhoͤht sich der Druk des Dampfes, welchen das fluͤssig gemachte Gas
                              liefert, von 36 auf 73 Atmosphaͤren; er nimmt folglich fuͤr jeden
                              Centesimalgrad um eine Atmosphaͤre zu. Das Gewicht oder die Dichtigkeit des
                              Dampfes nimmt aber in einem viel groͤßeren Verhaͤltniß zu als der
                              Druk, und das Mariotte'sche Gesez ist in den
                              Glaͤnzen des Fluͤssigwerdens nicht mehr anwendbar. Wollte man den Druk
                              nach der Dichtigkeit des Dampfes berechnen, so waͤre er bei + 30° C.
                              gleich 130 Atmosphaͤren, waͤhrend das Manometer deren nur 73
                              anzeigt.
                           4) Thermoskopische Wirkungen. Wenn man eine
                              Glasroͤhre, welche ein Volumen Fluͤssigkeit und ein Volumen Gas
                              enthaͤlt, erwaͤrmt, so werden zwei entgegengesezte Wirkungen Statt
                              finden: 1) die Fluͤssigkeit wird durch die Ausdehnung zunehmen; 2) die
                              Fluͤssigkeit wird sich durch die Verdampfung vermindern. Die thermoskopischen
                              Wirkungen werden also sehr verschieden seyn, je nachdem das fluͤssige Volumen
                              groͤßer oder kleiner als das gasfoͤrmige ist: die in der Roͤhre
                              enthaltene Fluͤssigkeit wird sich entweder aus: dehnen oder zusammenziehen
                              oder stationaͤr bleiben.
                           
                              „Diese Anomalien, schreibt Hr. Thilorier, benuzte ich, um die Zahlen zu berichtigen, welche mir
                                 meine fruͤheren Versuche uͤber die Ausdehnung und Verdampfung
                                 lieferten. Nach diesen Zahlen erhaͤlt man den Gleichgewichtspunkt,
                                 uͤber welchen sich die Fluͤssigkeit beim Erwaͤrmen ausdehnt
                                 und vermindert, wenn das Verhaͤltniß des leeren Raumes zum vollen von der
                                 Art ist, daß bei Null Grad das Volumen der Fluͤssigkeit 13/30 der ganzen
                                 Roͤhre einnimmt. Nimmt die Fluͤssigkeit bei 0° den dritten
                                 Theil ein, so erhaͤlt man ein retrogrades
                                    Thermometer, worin die Fluͤssigkeit beim Erkaͤlten zu:
                                 und beim Erwaͤrmen abnimmt. Wenn diese Fluͤssigkeit bei 0°
                                 zwei Drittel der Roͤhre einnimmt, so erhaͤlt man ein Normalthermometer, worin die Fluͤssigkeit nach
                                 den Gesezen der Ausdehnung zu- und abnimmt. Der Gang dieses Thermometers
                                 ist aber auf + 30° C. beschraͤnkt, denn bei dieser Temperatur ist
                                 die Roͤhre durch die Fluͤssigkeit ganz angefuͤllt. Ein
                                 solches Thermometer waͤre in den Faͤllen, wo man eine Temperatur
                                 unter 30° C. zu bestimmen hat, den gewoͤhnlichen vorzuziehen; denn
                                 man hat gefunden, daß die Thermometer eine geraume Zeit nach ihrer Verfertigung
                                 eine Veraͤnderung erleiden, indem die das Queksilber enthaltende Kugel
                                 sich zusammenzieht, wodurch sich der Nullpunkt allmaͤhlich
                                 erhoͤht.
                              
                           5) Specifisches Gewicht. Das fluͤssig gemachte Gas,
                              dessen specifisches Gewicht bei 0° gleich 0,83 ist, das Wasser als Einheit
                              angenommen, durchlaͤuft von – 0° bis + 30° die Scala der
                              Dichtigkeiten von 0,90 bis 0,16.
                           6) Wirkung der fluͤssig gemachten Kohlensaͤure
                                 auf verschiedene Koͤrper. Die fluͤssig gemachte
                              Kohlensaͤure ist, so lange sie fluͤssig bleibt, in Wasser vollkommen
                              unaufloͤslich und vermischt sich nicht mit demselben; dasselbe gilt
                              fuͤr die fetten Oehle. In Alkohol, Aether, Steinoͤhl,
                              Terpenthinoͤhl und Schwefelkohlenstoff loͤst sie sich hingegen in
                              allen Verhaͤltnissen auf. In der Kaͤlte wird sie durch Kalium mit
                              Aufbrausen zersezt. Auf die Metalle der sechs lezten Classen uͤbt sie keine
                              Wirkung aus. Das Blei, Zinn, Eisen, Kupfer etc. greift sie nicht merklich an.
                           7) Die fluͤssig gemachte Kohlensaͤure bringt eine betraͤchtliche
                              Kaͤlte hervor, wenn sie ploͤzlich von dem fluͤssigen in den
                              gasfoͤrmigen Zustand uͤbergeht. Richtet man einen Strom
                              fluͤssig gemachter Kohlensaͤure auf die Kugel eines
                              Weingeistthermometers, so faͤllt es schnell bis auf – 90°.
                           
                              „Aber die erkaͤltenden Wirkungen, bemerkt der Verfasser,
                                 entsprechen dieser Temperatur-Erniedrigung keineswegs, was sich dadurch
                                 erklaͤrt, daß die Gasarten fast gar leine Waͤrmeleiter sind und
                                 eine sehr geringe Waͤrmecapacitaͤt haben. So ist die
                                 Intensitaͤt oder Spannung der Kaͤlte außerordentlich groß, die
                                 Sphaͤre der Wirksamkeit hingegen beinahe auf den Beruͤhrungspunkt
                                 beschraͤnkt; das Queksilber gefriert nur in sehr geringen
                                 Quantitaͤten, und wenn der Finger dem Strome der Fluͤssigkeit
                                 ausgesezt wird, so fuͤhlt man ein starkes Brennen, aber die Wirkung
                                 beschraͤnkt sich gewisser Maßen auf das Oberhaͤutchen. Wenn man
                                 aber auch mit den Gasarten keine große Kaͤlte hervorbringen kann, so
                                 verhaͤlt es sich doch anders mit den Daͤmpfen, deren
                                 Leitungsfaͤhigkeit und Capacitaͤt fuͤr den
                                 Waͤrmestoff viel groͤßer ist. Ich vermuthete daher, daß wenn eine
                                 permanente Fluͤssigkeit, z.B. Aether, eben so expansibel gemacht werden
                                 koͤnnte, wie die zu einer Fluͤssigkeit comprimirten Gasarten, sich
                                 eine viel groͤßere Kaͤlte hervorbringen ließe, als mit
                                 fluͤssig gemachter Kohlensaͤure. Um dieß zu bezweken, handelte es
                                 sich darum, den Aether explodirbar zu machen, was ich
                                 leicht durch Vermischung desselben mit fluͤssiger Kohlensaͤure
                                 erreichte; in dieser innigen Verbindung der beiden Fluͤssigkeiten, welche
                                 sich in jedem Verhaͤltniß in einander aufloͤsen, hat der Aether
                                 aufgehoͤrt unter dem atmosphaͤrischen Druk eine permanente
                                 Fluͤssigkeit zu seyn; er ist wie ein fluͤssig gemachtes Gas expansibel geworden
                                 und behaͤlt doch seine Eigenschaften als Dampf, d.h. seine
                                 Leitungsfaͤhigkeit und Capacitaͤt fuͤr den
                                 Waͤrmestoff bei. Ein Loͤthrohr, welches mir explodirbarem Aether
                                 gespeist wird, bringt merkwuͤrdige Wirkungen hervor: wenige Secunden
                                 reichen hin, um 50 Gramm (3 1/3 Loth) Queksilber in einer Glasschale gefrieren
                                 zu machen; sezt man den Finger dem Strome eines solchen Kaͤlte-Loͤthrohrs aus, so ist das Gefuͤhl
                                 ganz unertraͤglich und scheint sich uͤber den
                                 Beruͤhrungspunkt mit dem Strome dieser Fluͤssigkeit zu verbreiten.
                                 Ich werde den Aether noch durch Schwefelkohlenstoff ersezen, und zweifle nicht,
                                 daß man dann noch viel groͤßere Wirkungen erhaͤlt.“
                              
                           Es ist Hrn. Thilorier endlich
                              auch gelungen, das kohlensaure Gas zu einem festen
                                 Koͤrper zu verdichten. Er schrieb uͤber diese Entdekung an
                              die franzoͤsische Akademie der Wissenschaften folgenden Brief:
                           
                              „Daß das kohlensaure Gas in festen Zustand uͤbergefuͤhrt
                                 werden kann, ist um so merkwuͤrdiger, weil es eine derjenigen Gasarten
                                 ist, die den groͤßten mechanischen Druk erfordern, um fluͤssig
                                 gemacht zu werden und welche am schnellsten wieder in den luftfoͤrmigen
                                 Zustand uͤbergehen, wenn dieser Druk nachlaͤßt.“
                              
                           
                              „Die Kohlensaͤure, welche bei gewoͤhnlicher Temperatur und
                                 Druk, gasfoͤrmig und bei 0° unter einem Druk von 36
                                 Atmosphaͤren fluͤssig ist, wird bei einer Temperatur, welche sich
                                 dem hundertsten Centesimalgrad unter dem Schmelzpunkt des Eises naͤhert,
                                 fest und verbleibt an freier Luft einige Minuten in diesem neuen Zustande, ohne
                                 daß es noͤthig waͤre, einen Druk auf sie auszuuͤben. Ihre
                                 Spannung, welche in fluͤssigem Zustande so groß ist, daß ein Gramm von
                                 dieser Substanz eine eben so starke Explosion hervorbringt, wie ein gleiches
                                 Gewicht Pulver, ist in ihrem festen Zustande ganz gebrochen und der neue
                                 Koͤrper verschwindet unmerklich durch eine langsame
                                 Verdampfung.“
                              
                           
                              „Um die feste Kohlensaͤure zu erhalten, leitet man einen Strom
                                 kohlensauren Gases in eine kleine glaͤserne Phiole;Die Temperatur von – 100°, welcher die Phiole ausgesezt
                                       werden muß, laͤßt sich mittelst des oben angegebenen
                                       Kaͤlte-Loͤthrohrs leicht hervorbringen.A. d. R. leztere fuͤllt sich augenbliklich und fast ganz mit einer weißen,
                                 pulverigen, flokigen Substanz, welche sich stark an das Glas anhaͤngt und
                                 die man nur durch Zerbrechen der Flasche herausbringen kann. Ein Stuͤk
                                 von dieser Substanz gleitet rasch uͤber eine glatte Flaͤche, wenn
                                 man es schwach mit dem Finger beruͤhrt, gleichsam als wenn es durch die
                                 gasfoͤrmige Atmosphaͤre, von welcher es unaufhoͤrlich bis
                                 zu seinem gaͤnzlichen Verschwinden umgeben ist, gehoben wuͤrde.
                                 Bringt man einige Decigramme von dieser Substanz in eine kleine Flasche und
                                 verstopft dieselbe luftdicht, so erfuͤllt sich ihr Inneres mit einem
                                 diken Dampfe und der Pfropf wird bald mit Gewalt herausgetrieben. Die
                                 Verdampfung ist vollstaͤndig und es bleibt nur selten etwas Feuchtigkeit
                                 zuruͤk, welche der Wirkung der Luft zugeschrieben werden muß.“
                              
                           
                              „Daß die feste Kohlensaͤure sich so schnell und so reichlich in
                                 Hohlraͤumen erzeugt, in welche weder die Luft, noch der in ihr
                                 aufgeloͤste Wasserdampf eindringen koͤnnen, ist eine so
                                 befremdende Thatsache, daß ich mir von der Natur dieses Products vor dem
                                 Versuche, welcher in Gegenwart der Commission der Akademie angestellt wurde,
                                 selbst keine richtige Vorstellung machte. Ueberdieß zeigt sich der Einfluß der
                                 Erkaͤltung auf die fluͤssig gemachte Kohlensaͤure, deren
                                 Expansivkraft, wie wir nun wissen, gegen den hundertsten Centesimalgrad unter
                                 dem Schmelzpunkt des Eises, vernichtet wird, schon bei einer viel
                                 hoͤheren Temperatur. Diese Expansivkraft, welche bei 0° gleich 36
                                 Atmosphaͤren ist, betraͤgt bei – 20° C. nur noch 26
                                 Atmosphaͤren.
                              
                           
                              „Ich glaube beifuͤgen zu muͤssen, sagt Hr. Thilorier, daß die Temperatur
                                 von – 100°, bei welcher nach meiner Angabe die fluͤssig
                                 gemachte Kohlensaͤure in den festen Zustand uͤbergeht, keineswegs
                                 hypothetisch ist. Bei dem in Gegenwart der Commission angestellten Versuche fiel
                                 das Weingeistthermometer auf – 87°. Rechnet man hiezu noch
                                 6°, um welche sich die Fluͤssigkeit zusammengezogen haͤtte,
                                 wenn man die ganze Thermometersaͤule der erkaͤltenden Wirkung
                                 haͤtte aussezen koͤnnen, so ergibt sich als wirkliche Temperatur
                                 – 93° und dieß ist noch nicht die groͤßte Kaͤlte,
                                 die das mit fluͤssiger Kohlensaͤure gespeiste Loͤthrohr
                                 hervorbringen kannDie franzoͤsische Akademie der Wissenschaften hat die HH.
                                       Arago,
                                       Thenard und
                                       Dulong mit der
                                       Wiederholung von Thilorier's Versuchen beauftragt..