| Titel: | Auszug aus dem Berichte des Hrn. Vallot über die Senffabrikation, welche Hr. Raybaud in Paris, rue St. Denis, No. 125, betreibt. | 
| Fundstelle: | Band 59, Jahrgang 1836, Nr. X., S. 70 | 
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                        Auszug aus dem Berichte des Hrn. Vallot uͤber die
                           Senffabrikation, welche Hr. Raybaud in Paris, rue St.
                              Denis, No. 125, betreibt.
                        Aus dem Bulletin de la Société
                                 d'encouragement. Mai 1835, S. 251.
                        Vallot's Bericht uͤber die Senffabrikation.
                        
                     
                        
                           Die Epoche, von der sich die Senffabrikation herschreibt, ist nicht leicht zu
                              ermitteln; wohl aber ist bekannt, daß Dijon, die Hauptstadt Burgunds, schon in alten
                              Zeiten wegen seines trefflichen Senfes beruͤhmt war; und daß ihm die
                              Guͤte seiner Reben, seines Essiges und seines Mostes diesen Ruf bis in neuere
                              Zeiten erhielt. Nach einer alten Sage, welche in vielen Chroniken als Anekdote
                              vorkommt, haͤtte Philipp der Kuͤhne von Burgund der Stadt Dijon, die
                              ihm so kraͤftigen Beistand leistete, nebst mehreren Privilegien auch jenes
                              verliehen sein Wappen und sein Kriegsgeschrei: Moult me
                                 tarde fuͤhren zu duͤrfen. Man ließ dieß an das Hauptthor
                              Dijons schreiben: allein ungeschikter Weise kam das mittlere Wort unter die beiden
                              uͤbrigen zu stehen, so daß man Moult tarde zu
                              lesen bekam, was zu vielen Wizeleien Anlaß gab, da Dijon bereits zu jenen Zeiten
                              wegen seines Senfes (franzoͤsisch moutarde)
                              beruͤhmt war.
                           Im Jahre 1394 rechnete eine eigene Zunft, die sogenannten Sauciers, welche
                              verschiedene Saucen bereiteten, auch die Fabrikation der Senfe und Essige zu ihren
                              Attributen, und im Jahre 1514 eignete sich diese Zunft den Namen Vinaigriers-Moutardiers an. Wenn nun gleich aus
                              diesen und mehreren anderen Documenten genuͤgend hervorgeht, daß die
                              Senffabrikation in sehr alte Zeiten zuruͤk reicht, so scheint es dennoch, daß
                              jene Verfahrungsweisen, nach denen man dem Senfe einen eben so mannigfaltigen, als
                              angenehmen Geschmak zu
                              geben im Stande ist, von neuerem Ursprunge sind. Doch nun zu den Producten des Hrn.
                              Raybaud.
                           Der hohe Grad von Feinheit, den die aromatisirten Senfe des Hrn. Raybaud besizen, brachte einige Mitglieder der Commission
                              auf die Idee, daß dieser Fabrikant statt des Senfsamens, dessen Theilchen man in den
                              gewoͤhnlichen Senfarten vollkommen deutlich zu unterscheiden im Stande ist,
                              vielleicht eine andere Substanz angewendet haben duͤrfte. Die Commission
                              uͤberzeugte sich jedoch in der Fabrik selbst, daß dem nicht so ist, sondern
                              daß Hr. Raybaud nicht nur gleichfalls Senfsamen anwende,
                              sondern diesen sogar eben so behandle, wie dieß in den uͤbrigen Fabriken zu
                              geschehen pflegt. Die wichtige und bemerkenswerthe Verbesserung, die derselbe in der
                              Senffabrikation anbrachte, bezwekt lediglich die Beseitigung jeder Spur der
                              Faserstoffe der aromatischen Pflanzen, die man in den anderen Senfsorten ungeachtet
                              aller Muͤhe, die sich die Fabrikanten gaben, dennoch immer bemerkt. Diese
                              Verbesserung ist das Resultat einer sehr interessanten Arbeit uͤber die
                              Destillation der Pflanzen, womit sich Hr. Raybaud seit
                              langer Zeit beschaͤftigte, und bei der er nach mehrfachen Versuchen auf die
                              Idee kam, anstatt des Essiges einen weißen, an Weingeist armen, aber angenehm
                              schmekenden Wein anzuwenden, und den hienach bereiteten Senf nicht mit den
                              vegetabilischen Substanzen selbst, wie dieß bisher geschah, sondern mit den aus
                              ihnen gewonnenen wesentlichen Oehlen zu aromatisiren. Die Concentration dieser
                              Oehle, das kleine Volumen, welches sie einnehmen, die Leichtigkeit, womit sie sich
                              zu jeder Jahreszeit anwenden lassen, und der Umstand, daß diese Substanzen nicht
                              mehr zerrieben zu werden brauchen, haben die Arbeit bei der Senffabrikation so sehr
                              vermindert, daß Hr. Raybaud seine vortrefflichen Senfe
                              fuͤr einen weit niedrigeren Preis zu liefern im Stande ist: und zwar um so
                              mehr, als die Guͤte dieser Fabrikate deren Absaz so außerordentlich vermehrt
                              hat.
                           Die Anwendung der wesentlichen Oehle anstatt der Pflanzen, deren Geschmak sie
                              repraͤsentiren sollen, bewirkt uͤberdieß auch noch, daß die auf solche
                              Weise aromatisirten Senfe durchaus nicht jene Schaͤrfe besizen, die den
                              Senfen, zu denen die rohen Pflanzenstoffe verwendet wurden, eigen ist. Diese Arten
                              von Senf sind ferner auch noch sicherer und leichter aufzubewahren, indem die
                              hauptsaͤchlichsten Ursachen der Gaͤhrung an denselben wegfallen. Wir
                              fanden, daß Senftiegel, aus denen im Laufe von zwei Monaten taͤglich Senf
                              genommen wurde, nach Ablauf dieser Zeit denselben Geschmak besaßen, wie am Anfange
                              ihrer Eroͤffnung. Dasselbe beobachteten wir auch an Tiegeln, die lange an
                              offener Luft gestanden.
                           
                           Was das mechanische Verfahren selbst betrifft, so wurde bereits oben bemerkt, daß
                              dasselbe von jenem, welches man in den allen Fabriken befolgte, nicht abweicht. Es
                              besteht naͤmlich in zwei Hauptoperationen, und zwar: 1) im Zermalmen des
                              Senfsamens, dem gleich im Voraus so viel Fluͤssigkeit zugesezt wird, als man
                              fuͤr noͤthig haͤlt, um ihm einen groͤßeren oder
                              geringeren Grad von Consistenz zu geben; und 2) im Abreiben des durch die erste
                              Operation erzielten einfachen Senfes, den viele Personen allen uͤbrigen
                              zusammengesezten Sorten vorziehen, mit dem aͤtherischen Oehle, durch welches
                              er sich auszeichnen soll.
                           Als wir die Fabrik des Hrn. Raybaud besichtigten, waren in
                              ihr 19 Arbeiter und 16 Muͤhlgaͤnge von der alten einfachen Art, die
                              keiner weiteren Beschreibung beduͤrfen, beschaͤftigt;
                              gegenwaͤrtig arbeiten 46 Individuen, indem um 12 Muͤhlen mehr in
                              Thaͤtigkeit gesezt wurden. Alle diese Umstaͤnde trugen wesentlich dazu
                              bei, daß Hr. Raybaud gegenwaͤrtig Senfe von guter
                              und ausgezeichneter Qualitaͤt fuͤr wohlfeilen Preis in den Handel
                              bringen kann, und daß hiedurch deren Absaz in Frankreich sowohl, als deren Ausfuhr
                              in das Ausland so zunahm, daß uns dieser Fabrikant einer Auszeichnung von Seite der
                              Gesellschaft wuͤrdig zu seyn scheint.