| Titel: | Versuche über die Zukerarten und Melassen; von A. Bouchardat. | 
| Fundstelle: | Band 59, Jahrgang 1836, Nr. XXXII., S. 197 | 
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                        XXXII.
                        Versuche uͤber die Zukerarten und
                           Melassen; von A.
                              Bouchardat.
                        Aus dem Journal de Pharmacie. December 1835, S.
                              627.
                        Bouchardat, Versuche uͤber die Zukerarten und
                           Melassen.
                        
                     
                        
                           Ueber die Wirkung der Saͤuren auf den Zuker.
                           Alle Koͤrper, die sich unter dem Einfluß von Ferment in Kohlensaͤure
                              und Alkohol umaͤndern, muͤssen zur Gattung Zuker gerechnet werden,
                              welche demnach drei Arten umfaßt: 1) den Rohrzuker; 2) den Traubenzuker; 3) den
                              Schwammzuker. Der Ahorn-, Runkelruͤben- und Rohrzuker bilden
                              nur eine einzige und dieselbe Art; von dem Traubenzuker
                              gibt es hingegen mehrere Varietaͤten.
                           Ich beabsichtige im Folgenden nur von der Wirkung der Saͤuren und Alkalien auf
                              die Zukerarten, ferner von der Wirkung der Zukerarten auf einander zu sprechen, weil
                              diese Reactionen bei den technischen Verfahrungsarten in den Manufacturen
                              Anwendungen darbieten.
                           
                           Die Wirkung der Saͤuren auf die Zukerarten ist gewiß eine der
                              interessantesten. Mehrere Chemiker haben bereits Versuche daruͤber
                              angestellt; unter die umfassendsten Arbeiten uͤber diesen Gegenstand
                              gehoͤrt Boullay's Abhandlung uͤber das
                              UlminPolytechn. Journal Bd. XXXVII. S.
                                       23., und die neueste Abhandlung Malaguti's.Polytechn. Journal Bd. LIX. S.
                                       62.
                              
                           Aus folgenden Versuchen wird man ersehen, in welchen Punkten ich mir lezterem
                              Chemiker uͤbereinstimme und in welchen ich von ihm abweiche; wenn er seine
                              Versuche auf die verschiedenen Varietaͤten des Traubenzukers ausgedehnt
                              haͤtte, so wuͤrden unsere Schlußfolgerungen weit mehr
                              uͤbereinstimmen.
                           29 Gramm Rohrzuker wurden in 50 Gramm Wasser aufgeloͤst, die mit 5 Gramm
                              kaͤuflicher Schwefelsaͤure geschaͤrft waren und im Wasserbade
                              zum Sieden erhizt; in dasselbe Bad stellte man zugleich ein aͤhnliches
                              Gemisch, worin der Rohrzuker durch Staͤrkmehlzuker ersezt war. Einige Minuten
                              anhaltendes Kochen reichte hin, um den Niederschlag von Humussaͤure in der
                              Flasche, welche den Rohrzuker enthielt, zu beseitigen, und die Fluͤssigkeit,
                              welche den Staͤrkmehlzuker aufgeloͤst enthielt, war dann erst schwach
                              gefaͤrbt; nach einstuͤndigem Kochen hatte sich aber in beiden Flaschen
                              der Niederschlag gleichmaͤßig gebildet. Bei diesem Versuche war eine viel zu
                              große Menge Saͤure angewendet worden. Ich nahm nun mehrere Flaschen, wovon
                              jede 50 Gr. Wasser und 1 Gr. kaͤufliche Schwefelsaͤure enthielt und
                              loͤste darin auf: 1) 10 Gr. Rohrzuker; 2) 10 Gr. reinen und krystallisirten
                              Traubenzuker, den ich durch Behandlung des Rohrzukers mit Schwefelsaͤure
                              erhalten hatte; 3) 10 Gr. krystallisirten Traubenzuker, aus getrokneten Trauben
                              bereitet; 4) 10 Gr. krystallisirten Traubenzuker, durch Behandlung von
                              Staͤrkmehl mit Schwefelsaͤure dargestellt. Nach einige Minuten
                              dauerndem Kochen fing in der ersten Flasche Humussaͤure sich abzusezen an;
                              diese Erscheinung stellte sich bald darauf auch in der zweiten ein; es verstrich
                              aber eine geraume Zeit, ehe man in der dritten etwas bemerken konnte, und erst nach
                              sechsstuͤndigem Kochen sezten sich in der vierten Flasche einige leichte
                              Floken ab. Dieser Versuch wurde auf mehrerlei Art abgeaͤndert; wenn man die
                              Menge der Saͤure etwas vermehrt oder noch vermindert, und immer gleichzeitig
                              in demselben Wasserbad operirt, so bildet sich die Humussaͤure unwandelbar in
                              folgender Ordnung: zuerst im Rohrzuker; dann im Traubenzuker, welchen man durch
                              Behandlung von Rohrzuker mit Schwefelsaͤure erhaͤlt, hierauf im
                              eigentlichen Traubenzuker, und viel spaͤter endlich zulezt im
                              Staͤrkmehlzuker. Man ersieht hieraus, daß wenn die zersezende Wirkung der
                              Schwefelsaͤure auf den Rohrzuker zeitig aufgehalten wird, sie nachher viel
                              langsamere Fortschritte macht, als wenn sie auf eine continuirliche Weise
                              thaͤtig ist.
                           Ich habe mich uͤberzeugt, daß alle Saͤuren, die ich versuchte, auf die
                              Zukerarten gleichmaͤßig wirken und sich bloß in der Staͤrke der
                              Einwirkung von einander unterscheiden.
                           Wenn wir aber auch die endliche Wirkung der Saͤuren auf die Zukerarten
                              ziemlich gut kennen, so ist dieß doch keineswegs mit der intermediaͤren
                              Wirkung der Fall, naͤmlich derjenigen, die vor der Bildung von
                              Humussaͤure Statt findet.
                           Ich kochte in drei Theilen Wasser aufgeloͤsten Rohrzuker mit 1/300
                              Salpetersaͤure, Schwefelsaͤure und Salzsaͤure, und hielt die
                              Wirkung an, sobald sich die geringste Faͤrbung in jeder der drei Flaschen zu
                              zeigen anfing; die Saͤure wurde nun mit Kalkwasser gesaͤttigt und ich
                              erhielt als Product der freiwilligen Verdampfung einen weißen unkrystallisirbaren
                              Syrup von sehr suͤßem und gar nicht bitterem Geschmak. Selbst nach
                              laͤngerer Zeit konnte keine Spur von Krystallisation bemerkt werden.
                           Ich verminderte nun immer mehr die Dosis der Saͤuren und es gelang mir mit
                              bloß 1/1000 Salpetersaͤure ebenfalls einen unkrystallisirbaren Zuker zu
                              erhalten.
                           Alle fixen Saͤuren, die ich versuchte, die Phosphorsaͤure,
                              Aepfelsaͤure, Weinsteinsaͤure, Kleesaͤure,
                              Citronensaͤure etc. bringen dieselbe Wirkung hervor.
                           Wenn man die Zukeraufloͤsung sehr lange kocht, so erleidet sie dieselbe
                              Veraͤnderung wie durch Einwirkung der Saͤuren; um aber einen
                              vollkommen unkrystallisirbaren Syrup zu erhalten, muß man sie mehr als sechszig
                              Stunden lang sieden lassen, waͤhrend mit den Saͤuren einige Minuten
                              meistens hinreichen.
                           Es ist also erwiesen, daß die Saͤuren den Rohrzuker, ehe sie ihn in
                              Traubenzuker umaͤndern, vorher in einen unkrystallisirbaren Zuker verwandeln,
                              der suͤßer schmekt als der Rohrzuker.
                           Ich fuͤhrte zwei gleiche Theile Rohrzuker, wovon der eine in
                              unkrystallisirbaren Zuker verwandelt worden war, der andere aber nicht, in die
                              geistige Gaͤhrung uͤber und erhielt in beiden Faͤllen gleich
                              viel kohlensaures Gas.
                           Der unkrystallisirbare Syrup von den vorhergehenden Versuchen wurde mit 1/125
                              Schwefelsaͤure vermischt, vier Stunden lang einer Waͤrme von
                              60° C. (48° R.) ausgesezt, das Gemisch dann mit seinem doppelten
                              Gewicht Wasser verduͤnnt, hierauf mit Kalk gesaͤttigt, und die
                              Fluͤssigkeit, welche einen großen Theil ihres zukerigen Geschmaks verloren hatte,
                              abgedampft; nach einigen Tagen gestand sie zu Zuker; der nicht krystallisirte
                              Antheil wurde mit Alkohol abgesondert, und ich hatte nun eine große Menge gut
                              krystallisirten Traubenzukers.
                           Mit den anderen Saͤuren gelingt der Versuch eben so gut, nur muß man ihre
                              Dosis nach ihrer relativen Staͤrke abaͤndern; erhoͤht man aber
                              die Temperatur uͤber 60° C. (48° R.), so muß man aus den unten
                              angegebenen Gruͤnden sehr aufmerksam seyn.
                           Die Saͤuren verwandeln mit der Zeit auch in der Kaͤlte schon den
                              Rohrzuker in Traubenzuker, was die Pharmaceuten bereits bei ihren sauren Syrupen
                              beobachtet haben und Hr. Boullay auch in seiner
                              Abhandlung uͤber das Ulmin bemerkte.
                           Wenn man dem unkrystallisirbaren Syrup anstatt 1/125 Schwefelsaͤure, davon
                              1/23 zusezt und die Temperatur bis zum Kochen steigert, so erhaͤlt man nach
                              einigen Minuten eine stark braun gefaͤrbte Fluͤssigkeit, welche nach
                              der Saͤttigung kein Anzeichen von Krystallisation mehr gibt; nach dem
                              Abdampfen hat man eine braune Melasse, die bitter und zugleich suͤß schmekt.
                              Die beste Knochenkohle entfaͤrbt dieselbe nur unvollstaͤndig, und der
                              erhaltene Syrup krystallisirt niemals. Die dunkle Faͤrbung ruͤhrt
                              nicht von einer Aufloͤsung von Humussaͤure im Zuker her, denn ich
                              kochte frisch bereitete Humussaͤure mit Zuker und erhielt nur eine
                              braͤunliche Faͤrbung; es ist dieß eine Verwandlung des
                              krystallisirbaren Traubenzukers in einen neuen unkrystallisirbaren Syrup, den man
                              durch Behandlung des Traubenzukers mit Alkalien, wie wir bald sehen werden, viel
                              leichter darstellen kann.
                           
                        
                           Ueber die im Handel vorkommenden Melassen.
                           Ich habe eine große Anzahl kaͤuflicher Melassen vergleichsweise untersucht,
                              und fand, wie sich dieses nicht anders erwarten ließ, nach den sehr verschiedenen
                              Umstaͤnden ihrer Bereitung, auch ihre Natur sehr wandelbar; sie sind
                              gewoͤhnlich ein Gemenge aller Zukerarten, in welche man den Rohrzuker
                              verwandeln kann, und bestehen also: 1) aus unveraͤndertem Rohrzuker, der in
                              den unkrystallisirbaren Syrupen aufgeloͤst ist; 2) aus dem ersten
                              unkrystallisirbaren Syrup, welcher sich durch Einwirkung der Saͤuren in
                              Traubenzuker verwandeln kann; 3) aus dem schwarzen unkrystallisirbaren Syrup,
                              welcher durch Veraͤnderung des Traubenzukers entsteht; 4) muß außerdem oft
                              Traubenzuker darin vorkommen, welcher durch die Einwirkung der freien Saͤuren
                              des Rohr- oder Ruͤbenzukers auf den Rohrzuker entsteht. Durch die
                              Saͤuren werden die reichen Melassen, d.h.
                              diejenigen, welche am meisten von Rohrzuker und der ersten Varietaͤt des
                              unkrystallisirbaren Zukers enthalten, groͤßten Theils in Traubenzuker
                              umgeaͤndert; arme Melassen nennt man im Gegensaz die, welche nur Traubenzuker
                              und die zweite Varietaͤt von unkrystallisirbarem Zuker enthalten.
                           Ich muß noch beifuͤgen, daß einzig und allein durch Einwirkung von Hize der Rohrzuker niemals in Traubenzuker verwandelt
                              wird; er geht anfangs in den ersten unkrystallisirbaren Syrup uͤber, und
                              spaͤter, besonders bei einer Hize uͤber 110° C. (88° R.)
                              in die zweite Varietaͤt; es war mir aber nie moͤglich die
                              intermediaͤre Varietaͤt des Traubenzukers abzuscheiden.
                           
                        
                           Ueber die Wirkung der Alkalien auf verschiedene
                              Zukerarten.
                           Die Alkalien wirken unter verschiedenen Umstaͤnden sehr verschieden auf den
                              Zuker; so gibt er bekanntlich bei einer gewissen Temperatur mit Aezkali erhizt
                              Humussaͤure, und bei einer anderen Kleesaͤure; in Beruͤhrung
                              mit wasserfreiem Kalk liefert er, wie unlaͤngst Frémy gezeigt hat, Aceton, Metacon und Kohlensaͤure.
                           Es wurden besonders viele Versuche angestellt, um die Wirkung des Kalks auf den
                              Rohrzuker auszumitteln, und diese bietet auch ein besonderes Interesse dar, weil sie
                              bei allen technischen Operationen, denen man den Zuker unterzieht, in Betracht
                              kommt. Daniel, Besizer einer Zukerraffinerie in London,
                              bemerkte zuerst, daß wenn man eine Aufloͤsung von Kalk in Zuker einige Monate
                              stehen laͤßt, sich wasserhaltiger kohlensaurer Kalk bildet, waͤhrend
                              zugleich die Aufloͤsung ihre Eigenschaft verliert und sich in eine derjenigen
                              des Staͤrkmehls aͤhnliche Gallerte umaͤndert; zu dieser
                              Umwandlung sind neun bis zwoͤlf Monate noͤthig: Daniel's Zuker enthielt offenbar einige fremdartige Substanzen, denn Pelouze hat bewiesen, daß die Kohlensaͤure bei
                              diesem Versuche durch die Luft geliefert wird und daß der Zuker nicht zersezt wird,
                              so lange Kalk in der Fluͤssigkeit vorhanden ist; man weiß uͤberdieß,
                              daß eine chemisch reine Zukeraufloͤsung durch die Zeit nicht
                              veraͤndert wird, wenn sie gegen die Sonne verwahrt ist.
                           Bis jezt hat man nur immer die Wirkung des Kalkwassers auf den Zuker bei der
                              gewoͤhnlichen Temperatur untersucht. Da sie aber in mehreren Perioden der
                              Fabrikation bei Einwirkung von Hize mit einander in Beruͤhrung sind, so
                              veranlaßte mich dieß, die Wirkung des Kalks auf die vorher angefuͤhrten
                              Zukerarten bei erhoͤhter Temperatur auszumitteln: ich brauche aber bloß von
                              dem Verhalten des Kalkwassers zu dem Rohr- und Traubenzuker zu sprechen, da
                              sich die verschiedenen Varietaͤten des leztern alle gleich verhielten.
                           Eine Aufloͤsung von einem Theil Rohrzuker in vier Theilen Wasser, mit Kalk in Ueberschuß
                              versezt, wurde in einer gut verkorkten Flasche vom 15. Jan. v. J. bis zum 19.
                              Maͤrz einer Temperatur von 60° C. (48° R.) ausgesezt, dann die
                              klare Fluͤssigkeit abgegossen, mit Schwefelsaͤure genau
                              gesaͤttigt und filtrirt, worauf sie beim Abdampfen Krystalle von Rohrzuker
                              lieferte. Eine aͤhnliche Aufloͤsung von Rohrzuker, welche denselben
                              15. Jan. mit einem Ueberschuß von Kalk in eine genau verschlossene Flasche gebracht
                              worden war, wurde den 20. Septbr. untersucht; es hatte sich kein wasserhaltiger
                              kohlensaurer Kalk wie bei Daniel's Versuchen darin
                              gebildet, weil die Fluͤssigkeit nicht mit der Luft in Beruͤhrung kam,
                              und die gesaͤttigte Aufloͤsung lieferte beim Abdampfen noch Krystalle
                              von Rohrzuker; das Resultat, welches Daniel erhielt, war
                              also offenbar nicht eine Folge der Einwirkung des Kalks.
                           Das Zukerwasser loͤst eine so große Menge Kalk auf, daß wenn man die oben
                              beschriebene Aufloͤsung mit Schwefelsaͤure saͤttigt, die
                              Fluͤssigkeit durch die große Menge des gebildeten schwefelsauren Kalks zu
                              einer Masse gesteht. Ich wende in meinem Laboratorium diese Aufloͤsung von
                              Kalk in Zukerwasser jedes Mal an, wenn ich ein aͤzendes Alkali brauche und
                              der Zuker den Resultaten, die ich erhalten will, nicht schadet.
                           Ich sezte auch die verschiedenen Varietaͤten von Traubenzuker, jede besonders
                              in Wasser aufgeloͤst, mit einem Ueberschuß von Kalk in gut verschlossenen
                              Gefaͤßen vom 6. Jan. bis zum 19. Maͤrz einer Temperatur von 60°
                              C. aus; schon in den ersten Tagen faͤrbten sich die Aufloͤsungen stark
                              und nach und nach immer mehr; ich beseitigte nun den Kalkuͤberschuß durch
                              einen Strom von kohlensaurem Gas, dampfte die filtrirte Fluͤssigkeit ab und
                              erhielt dadurch ein braunes Extract, welches nicht mehr suͤß, sondern bitter
                              schmekte, sich in Wasser und Alkohol sehr leicht aufloͤste und nicht mehr in
                              die geistige Gaͤhrung uͤberging. Ich werde spaͤter wieder auf
                              dasselbe zuruͤkkommen, denn wahrscheinlich ist es die Substanz, welche sich
                              vor der Humussaͤure bildet. Sie entsteht, wenn sich der Traubenzuker durch
                              Saͤuren in unkrystallisirbaren Zuker verwandelt; ich habe mich
                              uͤberzeugt, daß eine geringe Menge von dieser Substanz hinreicht, um eine
                              sehr große Menge Traubenzuker und sogar noch unveraͤnderten Rohrzuker
                              unkrystallisirbar zu machen.
                           Berzelius widerspricht der Behauptung, daß der Kalk in
                              der Kaͤlte den Traubenzuker braͤunt. Den 30. Jan. versezte ich 100 Gr.
                              Traubenzuker, in 50 Gr. Wasser aufgeloͤst, mit einem Ueberschuß von Kalk, und
                              ließ das Gemenge bei gewoͤhnlicher Temperatur bis zum 3. April stehen;
                              uͤber dem Kalk stand nach dieser Zeit ein geringer Niederschlag von
                              rosenrother Farbe; die bloß gelbe Fluͤssigkeit wurde durch Neutralisation mit
                              Schwefelsaͤure merklich braun; die filtrirte Fluͤssigkeit zeigte nach
                              dem Abdampfen keine Spur von Krystallisation. Alle Varietaͤten des
                              Traubenzukers gaben aͤhnliche Resultate; mit nicht vollstaͤndig
                              gereinigtem Harnruhrzuker war der Kalkniederschlag sehr schoͤn
                              rosenfarbig.
                           
                        
                           Wirkung der Zukerarten auf einander.
                           Man glaubte den Rohrzuker dadurch verfaͤlschen zu koͤnnen, daß man ihn
                              mit Staͤrkmehlzuker zusammenkrystallisirt; folgende Versuche zeigen aber, daß
                              dieses nicht moͤglich ist.
                           Ich loͤste 20 Gr. Staͤrkmehlzuker (durch Behandlung des
                              Staͤrkmehls mit Schwefelsaͤure erhalten) in 32 Gr. Wasser auf und ließ
                              den Syrup in einer heißen und trokenen Luft freiwillig verdampfen; nach zehn Tagen
                              bemerkte man darin noch keine Spur von Krystallisation, und erst viel spaͤter
                              fand ich in der teigartigen Fluͤssigkeit einige Krystalle, die dem System des
                              Rohrzukers anzugehoͤren schienen.
                           Ich kochte gleiche Theile Syrup von Rohr- und Traubenzuker mit thierischer
                              Kohle und erhielt dadurch einen vollkommen klaren Syrup, der aber weniger
                              suͤß schmekte als vorher; das Gemisch krystallisirte nach zwei Monaten
                              allmaͤhlich und gestand ganz zu einer festen Masse; die Krystalle waren aber
                              dieses Mal nicht mehr Rohr-, sondern Traubenzuker, und der
                              zuruͤkgebliebene unkrystallisirbare Zuker entsprach nicht 1/5 des angewandten
                              Rohrzukers; lezterer hatte sich also in diesem Falle in Traubenzuker
                              umgeaͤndert. Wiederholte Versuche ergaben, daß der unkrystallisirbare Zuker,
                              welcher in diesen beiden Faͤllen zuruͤkblieb, ein Gemenge der beiden
                              Zukerarten war.
                           
                        
                           Anwendung der vorhergehenden Versuche auf die
                              Zukerfabrikation.
                           Fabrikation und Raffination des Rohr- und
                                 Runkelruͤbenzukers. – Wir haben gesehen, daß der Kalk selbst
                              bei der Siedhize der Syrupe keinen zerstoͤrenden Einfluß auf den Rohrzuker
                              ausuͤbt; diese Versuche erklaͤren sehr' gut die gluͤkliche
                              Anwendung, welche man davon taͤglich in den Fabriken macht; ich habe mich
                              auch uͤberzeugt, daß die aufloͤslichen Kalksalze eben so wenig
                              nachtheilig wirken; ganz anders verhaͤlt es sich aber mit den Saͤuren,
                              selbst wenn sie außerordentlich verduͤnnt wurden; sie verwandeln zuerst den
                              krystallisirbaren Zuker in einen weißen unkrystallisirbaren Zuker, dann bei
                              groͤßerer Menge in Traubenzuker, hierauf in eine zweite Zukerart, die in
                              Folge ihrer Verbindung mit einer braunen Substanz unkrystallisirbar zu seyn scheint,
                              und zulezt endlich in Humussaͤure etc. Es gibt auch noch eine dritte Art von
                              unkrystallisirbarem Zuker, welche durch Einwirkung des Rohrzukers auf den
                              Traubenzuker entsteht; sobald ein Zuker aber von einer Varietaͤt in die andere
                              uͤbergegangen ist, kann man ihn unmoͤglich mehr in die erstere
                              uͤberfuͤhren. Bei der Bearbeitung des Rohr- und
                              Runkelruͤbenzukers ist es also von der hoͤchsten Wichtigkeit, die
                              freien Saͤuren schnell zu saͤttigen, damit sie keinen nachtheiligen
                              Einfluß ausuͤben koͤnnen, und die Ruͤben nur so lange, als es
                              durchaus noͤthig ist, aufzubewahren, denn wenn die Lebenskraft in denselben
                              abnimmt, gewinnen die chemischen Kraͤfte die Oberhand und veraͤndern
                              den Zuker, was besonders schnell geschieht, wenn die Ruͤben salpetersaures
                              Kali enthalten; wir haben oben die zerstoͤrende Einwirkung der
                              Salpetersaͤure auf den Zuker kennen gelernt und nach Berthollet's Geseze muß solche in freiem Zustande in jeder
                              Fluͤssigkeit vorkommen, die eine freie Saͤure und salpetersaures Kali
                              enthaͤlt. Obgleich die Ruͤbenzukerfabrikation gegenwaͤrtig sehr
                              große Fortschritte gemacht hat, so erhaͤlt man doch nach den besten
                              Verfahrungsarten nur 6 Proc. Zuker aus den Runkelruͤben, waͤhrend
                              diese 10 Proc. enthalten und aller Wahrscheinlichkeit nach kommt darin
                              urspruͤnglich gar kein unkrystallisirbarer Zuker vor, sondern entsteht erst
                              bei ihrer Behandlung in Folge einer Zersezung des krystallisirbaren.
                           Fabrikation des Staͤrkmehlzukers. – Die
                              Fabrikation des Staͤrkmehlzukers hat in Frankreich bei weitem keine so großen
                              Fortschritte gemacht, wie die Ruͤbenzukerfabrikation. Der Handel lieferte
                              bisher den Braͤuern nur einen schwarzen Syrup von sehr unangenehmem Geschmak;
                              seit den neueren Versuchen von Biot, Payen und Persoz hat sich dieser Industriezweig jedoch verbessert
                              und ausgedehnt, und man muß gestehen, daß die Producte der Fabrik in Neuilly, und
                              besonders die des Hrn. Beudant in vielfacher Hinsicht
                              schon genuͤgend sind.
                           Die Anwendung der gekeimten Gerste zur Fabrikation von Staͤrkmehlsyrup ist
                              jedoch nicht so vortheilhaft, als man glauben sollte; es ist naͤmlich sehr
                              schwer, immer Malz von gleicher Wirksamkeit zu erhalten; auch wird haͤufiger,
                              als man glaubt, mit Schwefelsaͤure bereiteter Syrup als Dextrinsyrup
                              verkauft. In den Fabriken beruͤksichtigt man bis jezt die Bedingungen, welche
                              zum vollstaͤndigen Gelingen der Syrupbereitung mittelst Schwefelsaͤure
                              noͤthig sind, noch nicht gehoͤrig; ich will sie kurz anfuͤhren:
                              1) muß man moͤglichst wenig Schwefelsaͤure anwenden, aber sie
                              laͤnger einwirken lassen, und sie nicht eher neutralisiren, als bis sich das
                              Staͤrkmehl ganz in Zuker verwandelt hat; dieß ist der Fall, wenn eine Portion
                              der Fluͤssigkeit, mit dem Dreifachen von Alkohol versezt, keinen Niederschlag
                              mehr gibt; 2) muß man die Saͤure saͤttigen, nachdem die Umwandlung des
                              Staͤrkmehls vollstaͤndig ist; denn wir haben gesehen, daß wenn man
                              diese Graͤnze uͤberschreitet, die Saͤure auf den Zuker wirkt; 3) es ist viel
                              besser Dampf anstatt des directen Feuers anzuwenden; 4) die Saͤttigung und
                              Klaͤrung erfordern eine besondere Sorgfalt und gerade hierin fehlen alle
                              Fabrikanten; sezt man beim Saͤttigen der Saͤure zu viel Kalk zu, so
                              wird der Zuker, wie wir gesehen haben, schnell geschwaͤrzt und vollkommen
                              veraͤndertDer Staͤrkmehlzuker ist naͤmlich mit dem sogenannten
                                    Traubenzuker identisch.A. d. R.; es ist daher besser, wenn man der Fluͤssigkeit etwas wenige freie
                              Saͤure laͤßt, als wenn man die Neutralisation uͤberschreitet.
                              Die Wahl der Kohle zum Klaͤren sezt die Fabrikanten in nicht geringe
                              Verlegenheit; einige nehmen Knochenkohle, andere Schieferkohle, wieder andere ein
                              Gemenge dieser beiden, aber mit sehr zweifelhaftem Erfolg; dieß ruͤhrt daher,
                              daß die Kohle geringe Quantitaͤten von Kalk oder Alkali oder Schwefelmetallen
                              enthaͤlt, die nur sehr unbedeutend zu seyn brauchen, um den Syrup
                              waͤhrend des Abdampfens zu faͤrben und seiner Krystallisation zu
                              schaden. Ich habe mich immer mit dem besten Erfolg der Kohle bedient, welche man in
                              den Berlinerblaufabriken beim Schmelzen von Horn und Blut mit Potasche
                              erhaͤlt; sie muß aber mit Salzsaͤure und dann mit Wasser
                              ausgesuͤßt werden. Diese Kohle entfaͤrbt den Staͤrkmehlzuker
                              sehr gut und ist in Paris wohlfeil, weil die zahlreichen
                              Berlinerblau-Fabrikanten keinen anderen Absaz dafuͤr haben, als an die
                              Oekonomen.
                           Mittelst der oben angegebenen Vorsichtsmaßregeln laͤßt sich wohlfeil sehr
                              schoͤner und gut krystallisirter Staͤrkmehlzuker ohne fremdartigen
                              Beigeschmak bereiten, und zwar erhaͤlt man hiebei keinen Abfall von
                              unkrystallisirbarem Zuker; dieser Staͤrkmehlzuker verdient gewiß sowohl zu
                              pharmaceutischen als zu technischen Zweken den unvollkommenen Syrupen vorgezogen zu
                              werden, welche gegenwaͤrtig im Handel vorkommen, die schwer zu transportiren
                              sind, meistens einen sehr unangenehmen Geschmak haben, oft 40 Proc.
                              aufloͤsliches, nicht in Zuker verwandeltes Staͤrkmehl enthalten, und
                              sehr leicht in Gaͤhrung kommen.