| Titel: | Skizzirte Uebersicht des gegenwärtigen Standes und der Leistungen von Böhmens Gewerbs- und Fabriksindustrie in ihren vorzüglichsten Zweigen. Ein Versuch von K. J. Kreutzberg in Prag. | 
| Fundstelle: | Band 59, Jahrgang 1836, Nr. LXV., S. 370 | 
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                        LXV.
                        Skizzirte Uebersicht des gegenwaͤrtigen
                           Standes und der Leistungen von Boͤhmens Gewerbs- und Fabriksindustrie in
                           ihren vorzuͤglichsten Zweigen. Ein Versuch von K. J. Kreutzberg in Prag.
                        Kreutzberg, uͤber Boͤhmens Gewerbs- und
                           Fabriksindustrie.
                        
                     
                        
                           Dem Vereine zur Befoͤrderung des Gewerbfleißes in Boͤhmen gleich bei
                              seiner Begruͤndung als Geschaͤftsfuͤhrer zugewiesen, und bei
                              den demselben vorangegangenen Einleitungen und Industrieausstellungen verwendet,
                              hatte der Verfasser vielfache Gelegenheit, die Industrie seines Vaterlandes
                              naͤher kennen zu lernen. Je deutlicher aber bei seiner Stellung und der in
                              deren Folge sich ergebenen vielfachen Beruͤhrungen mit der groͤßeren
                              Zahl der Gewerbs- und Fabriksbesizer sich ihm das Bild der
                              vaterlaͤndischen Industrie gestaltete, desto mehr erwuchs ihm die
                              Ueberzeugung der Notwendigkeit und Nuͤzlichkeit einer solchen Uebersicht auch
                              fuͤr Andere. Vor Allem mußte bei dem Gewerbsvereine, wenn er ersprießlich auf die Vervollkommnung der Industrie
                              einwirken sollte, eine genaue Kenntniß des Zustandes derselben vorausgesezt werden,
                              von dem Wesen ihrer Vorzuͤge und Maͤngel, ihrem Verhaͤltnisse
                              zu der einheimischen Urproduction, Bevoͤlkerung, und jener anderer
                              Laͤnder; von dem Zusammenhange, Umfange und der Stufe des Betriebs einzelner
                              Zweige sowohl als des Ganzen u.s.w. Ohne diese Kenntniß mußte der beste Wille der
                              Gesellschaft unmaͤchtig bleiben, und konnte selbst eine nachtheilige
                              Einwirkung besorgen lassen; ohne sie konnten weder den Behoͤrden jemals
                              begruͤndete Antraͤge gemacht, noch ihnen zugemuthet werden darauf
                              einzugehen, noch eine entsprechende Mitwirkung der Mitglieder in Anspruch genommen
                              werden. In dieser Ueberzeugung, welche gehoͤrig motivirt auch von damaligen
                              Leitern des Instituts getheilt wurde, entwarf er den Plan einer ihm zur Bearbeitung
                              uͤbertragenen, allgemeinen, umfassenden Gewerbestatistik fuͤr
                              Boͤhmen, wie dieser in der zweiten Lieferung S. 38 der von ihm bis vor Kurzem
                              redigirten Mittheilungen fuͤr Gewerbe und Handel entwikelt ist. Je
                              hoͤher das Ziel, war, das er sich nach diesem Plane gestekt hatte, um so
                              groͤßer mußten auch die Schwierigkeiten der Ausfuͤhrung werden,
                              besonders da die vollstaͤndigen brauchbaren Materialien aus mancherlei
                              Ursachen eben so schwer zu erlangen, als bei dem Mangel der noͤthigen Muße
                              und eines Gehuͤlfen zu verarbeiten waren; indessen ließ Liebe zum Stoff,
                              freudiger Muth und ernste Beharrlichkeit ihm die Bekaͤmpfung der Hindernisse
                              um so mehr hoffen, als nach ergangener oͤffentlicher Aufforderung durch die
                              kraͤftige Anregung Sr. Excellenz des Hrn. Oberstburgrafen Grafen von Chotek, nicht nur die Localbehoͤrden mit dankenswerthem Eifer eine
                              fast erschoͤpfende Suite von Materialien lieferten, sondern auch eine große
                              Anzahl wichtiger Privatnotizen dem Vereine sowohl als Schreiber dieses
                              persoͤnlich mitgetheilt wurden, die eben so sehr dem patriotischen Eifer und
                              der aufgeklaͤrten Sinnesweise unserer Fabrikanten zur Ehre gereichen, als
                              mich verpflichten, hier oͤffentlich den Dank fuͤr die erhaltenen
                              Mittheilungen, und ein durch diese haͤufig erwiesenes Vertrauen
                              auszusprechen, das auch dem edelsten Ehrgeize ein genuͤgender Lohn seyn
                              muͤßte.Der Hr. Verfasser hat seit Kurzem die Geschaͤftsfuͤhrung der
                                    genannten Generaldirection aufgegeben und bei den mit derselben
                                    abgebrochenen Beruͤhrungen ihr auch die anderweitige Bearbeitung der
                                    versprochenen Gewerbestatistik Boͤhmens uͤberlassen. Um dem
                                    oͤffentlich gegebenen Versprechen von seiner Seite nachzukommen, hat
                                    er vorliegende Zusammenstellung mitgetheilt, die sich unter anderen
                                    Verhaͤltnissen noch weit umfassender gestaltet haben
                                    muͤßte.A. d. R.
                              
                           Mehrfache Aufforderungen veranlaßten mich, aus den bereits von mir
                              vollfuͤhrten Vorarbeiten eine kurze Zusammenstellung zu liefern, wobei ich
                              mich jedoch, meiner gegenwaͤrtigen Berufsgeschaͤfte wegen, nur auf
                              allgemeine Ueberblike, die geeignet sind, eine genaue Idee von dem Zustande unserer
                              Industrie zu geben, und auf Schaͤzungen beschraͤnken konnte, denen bei
                              jeder bedeutenderen Branche uͤber die Leistungen eines der groͤßeren
                              Etablissements Nachweisungen beigefuͤgt wurden, die mir in Folge eines in der
                              Prager Zeitung gestellten persoͤnlichen Ansuchens mit einer Offenheit
                              mitgetheilt wurden, die sich oft sogar auf buͤcherliche Abschluͤsse
                              erstreken. – So viel zur Wuͤrdigung der Quellen, welche fuͤr
                              diese Arbeit benuzt wurden, und wobei den Zahlenbestimmungen – die, wenn
                              uͤberhaupt schon nicht immer mit Verlaͤßlichkeit, bei uns nun gar
                              nicht auf die amtlichen Zollregister basirt werden koͤnnen, weil ein großer
                              Theil der aus diesen hervorgehenden Ein- und Ausfuhr nicht bloß
                              Boͤhmen, sondern auch die im Zollverbande der Monarchie begriffenen anderen
                              Provinzen mit betrifft – die groͤßtmoͤglichste Sorgfalt
                              gewidmet wurde, und da wo sie im approximativen runden Betrage angegeben erscheinen,
                              auf Berechnungen beruhen, welche die Zustimmung oder Berichtigung von sachkundigen
                              Maͤnnern vom Fache erhielten, denen diese Arbeit nach den verschiedenen
                              Hauptbranchen zur Durchsicht uͤbergeben wurde, und daher von dem genauen Quantum sich wenig entfernen werden; alle
                              positiven Zahlen sind auf Ausweise basirt, deren Verlaͤßlichkeit
                              verbuͤrgt ist. Wo gegen leztere begruͤndete Zweifel obwalten, sind
                              selbe beruͤhrt worden.
                           Die Anzahl der Etablissements wurde dem Provinzialschematismus entnommen, dagegen bei
                              den kleineren Gewerben die Schaͤzung wegen Mangel verlaͤßlicher
                              Anhaltspunkte haͤufig unterlassen, da mancherlei Besorgnisse der Beteiligten
                              sie meist zu Angaben verleiten, die nicht immer mit der Wahrheit im Einklange sind,
                              und man bei Arbeiten dieser Art, sollen sie einen Werth haben, lieber Data vermissen
                              lassen, als sich mit unrichtigen begnuͤgen soll. Eben so sind bei einigen
                              groͤßeren Etablissements, um die von den Besizern befuͤrchtete
                              Benachtheiligung ihres Interesses zu vermeiden, einige Mal die Zahlenbestimmungen
                              uͤber den Umfang ihres Betriebes etc. unterblieben.
                           Der Wunsch im allgemeinen Interesse die Wahrheit zu ermitteln, macht statistische
                              Arbeiten zu den undankbarsten, weil oft nur einige Zeilen, ja haͤufig einige
                              Zahlen das Resultat muͤhevoller Nachfragen, Vergleiche und Verechnungen sind; jeder Sachkundige
                              wird uͤbrigens das Schwierige der vorliegenden Arbeit noch mehr zu
                              wuͤrdigen wissen bei der Erwaͤgung, daß fuͤr die Gestaltung der
                              industriellen Thaͤtigkeit Boͤhmens in neuerer Zeit keine
                              Vorgaͤnger benuzt werden konnten, da außer dem schaͤzbaren Neumann'schen Aufsaze: uͤber Boͤhmens
                              Production, Consumtion und Handel, wo erstere in gewerblicher Beziehung nur im
                              Allgemeinen beruͤhrt werden konnte, einige andere Versuche in diesem Fache zu
                              sehr die Unkunde ihrer Bearbeiter mit dem industriellen Getriebe auf den ersten
                              Anblik schon verrathen, um eine andere Belehrung zu bieten als die: wie man solche
                              Arbeiten nicht behandeln soll.
                           Eine weitere Schwierigkeit der folgenden Skizze lag aber auch in der Tendenz: nicht
                              bloß quantitativ, sondern auch qualitativ die Leistungen unserer Industrie zu
                              veranschaulichen, da das Bedeutende oft nicht bloß in den Zahlen, sondern in der
                              Kraft und Intelligenz liegt, und in dem Vergleiche, wie diese benuzt und
                              geuͤbt werden, gegen die Verhaͤltnisse anderer Laͤnder; zu
                              welchem Behufe haͤufig auf Leztere verwiesen wurde, um unsere Leistungen
                              sowohl vor Ueber- als Geringschaͤzung zu bewahren. Nur derjenige darf
                              auf Glaubwuͤrdigkeit – und ohne diese sind alle derlei Arbeiten
                              durchaus nuzlos – Anspruch machen, dessen Darstellung nicht bloß Lichtpunkte,
                              sondern auch die Schattenseite dem Auge des Beschauers vorfuͤhrt. Aus
                              Forschungen dieser Art wird aber nur dann ein getreues Bild resultiren, wenn sie von
                              einem unbefangenen Sinne geleitet werden, dem jene unpatriotische
                              Geringschaͤzung, die nur dem auslaͤndischen huldigt, eben so ferne
                              bleiben muß, als die, besonders in der deutschen gewerblich-statistischen
                              Literatur neuerer Zeit bemerkbar gewordene Hyperpatriomanie einiger Schriftsteller,
                              deren Midasfeder Alles, was sie beruͤhrt, in glaͤnzendes Gold
                              verwandelt, und die im Pfauenrade der Selbstbeschauung, im Abspiegel der eigenen
                              Anbetung versunken, fuͤr einheimische Mangel und auswaͤrtige
                              Vorzuͤge gleich blind sind, oder nur das fuͤr groß halten, was sie
                              zunaͤchst sehen. Eben so mußte der Mißbrauch individueller Anpreisung
                              vermieden werden, wo das Lob nicht durch die gelegenheitlich der
                              Gewerbsausstellungen erflossenen kompetenten Urtheile, oder durch die
                              oͤffentliche Meinung schon im Voraus sanctionirt war. Jeder praktische
                              Geschaͤftsmann weiß auch aus eigener Erfahrung, wie wenig die literarische
                              Anpreisung technischer Bestrebungen nuzt, die, wenn sie nicht auf, den wirklichen
                              Leistungen entnommene, strenge Wahrhaftigkeit beruhen – und diese weiß die
                              wachsame Rivalitaͤt der gegenseitigen Geschaͤftsgenossen gar wohl zu
                              pruͤfen – den Empfaͤnger des unverdienten Lobes eben so sehr
                              verdaͤchtigen als den Spender desselben zum allumeur
                                 de chalandes herabwuͤrdigen. „Dem Verdienste seine
                                 Kronen“ ist uͤbrigens eine gesellige Verpflichtung, deren
                              Erfuͤllung jedem obliegt. Direkten Tadel gegen Einzelne auszusprechen, durfte
                              aber der Privatmann in der vorliegenden Arbeit, abgesehen auch von allen anderen
                              Beziehungen, schon deßwegen um so weniger wagen, als das financielle Interesse des
                              Betreffenden dadurch gefaͤhrdet werden koͤnnte. Ein anderes ist jedoch
                              die die Erzielung des Bessern fuͤr die Gesammtheit bezwekende Besprechung
                              allgemeiner Mangel; sie ist eine dem Gebote der Wahrheit schuldige Folgeleistung und
                              uͤber jeden Verdacht der Persoͤnlichkeit erhaben.
                           Mit der Verpflichtung eines solchen Verfahrens werthe ich uͤbrigens die ganze
                              Verantwortlichkeit, die mir dasselbe auferlegt; was mir dabei jedoch Zuversicht
                              gewaͤhrte, ist die Vertraulichkeit mit dem Gegenstande, das aufrichtige Verlangen zu nuzen, und
                              die feste Hoffnung auf den unbefangenen Sinn des ehrenwerthen Fabriks- und
                              Gewerbsstandes meines Vaterlandes, der die Redlichkeit meiner Absicht gewiß zu
                              wuͤrdigen wissen wird, wenn auch das Maaß meines guten Willens groͤßer
                              ist als das meiner Kraͤfte.
                           –––––––––
                           Um die industrielle Thaͤtigkeit eines Landes ganz zu wuͤrdigen, ist ein
                              Ueberblik seiner physischen Kraͤfte und Mittel, in der numerischen
                              Groͤße seiner Bevoͤlkerung sowohl als der Ausdehnung und
                              Beschaffenheit des Bodens, den diese bewohnt, unumgaͤnglich nothwendig, so
                              wie andererseits die Vermehrung der Urproduction und des damit beschaͤftigten
                              Theils der Bevoͤlkerung nur durch einen angemessenen Betrieb der technischen
                              Gewerbe moͤglich und von Bestand ist. Nach der Volkszaͤhlung vom Jahre
                              1835 betrug die Civilbevoͤlkerung 4,059,546 Koͤpfe; hievon auf das
                              maͤnnliche Geschlecht 1,929,470, auf das weibliche 2,130,076. Unter dieser
                              Gesammtzahl sind zwar Fremde aus den uͤbrigen Provinzen der Monarchie,
                              naͤmlich 61,531 maͤnnlichen und 49,325 weiblichen Geschlechts, dann
                              2075 Auslaͤnder und 740 Auslaͤnderinnen mitbegriffen; dagegen wurden
                              als abwesend erwiesen 94,672 maͤnnlichen und 33,043 weiblichen Geschlechts.
                              Bestimmten Standes wurden von den Maͤnnlichen angegeben 4203 Geistliche, 2200
                              Adelige, 8856 Beamte etc., 44,541 Buͤrger, Fabrikanten und Gewerbsinhaber,
                              und 135,775 Bauern, welche zusammen 924,137 Wohnparteien mit 361,367 Haͤusern
                              bilden, vertheilt in 287 Staͤdten, 115 Vorstaͤdten, 297 Marktfleken
                              und 12,022 Doͤrfern. Am staͤrksten ist im Verhaͤltnisse zur
                              Area der Leitmeritzer Kreis bevoͤlkert mit durchschnittlich 5099 Menschen auf
                              1 □ Meile, jedoch in ungleicher Vertheilung, so daß in den noͤrdlichen
                              unwirthbaren Gebirgsgegenden dieses Kreises – wo die versagte Gunst der Natur
                              durch die Segnungen einer zahlreichen Industrie ersezt wird – die
                              Bevoͤlkerung einer □ Meile auf 17,000 (!!) Menschen steigt. Der
                              Flaͤchenraum von 956 □ Meilen – mit Abzug von 188 □
                              Meilen an unfruchtbaren Felsen, Suͤmpfen, Baͤchen, Wegen,
                              Wohnplaͤzen u.s.w. – resultirt nach dem versteuerbaren
                              Flaͤcheninhalt und dem einjaͤhrigen Grundertrage, gemaͤß des
                              amtlichen Katastralzergliederungs-Summariums und des rectificatorischen
                              Abschlusses vom Jahre 1835 folgender Maßen:
                           
                           Area.
                           
                              
                                 Ordentliche akerbare Felder
                                 3,604,153 Joch
                                   506 2/6
                                 IK.
                                 
                              
                                 Teiche mit Aekern verglichen
                                      66,975
                                      –
                                   272
                                 –
                                 
                              
                                 Trischfelder
                                    219,451
                                      –
                                   850 4/6
                                 –
                                 
                              
                                 Wirkliche Wiesen
                                    797,667
                                      –
                                   334
                                 –
                                 
                              
                                 Gaͤrten mit Wiesen verglichen
                                      85,370
                                      –
                                 1221 2/6
                                 –
                                 
                              
                                 Teiche
                                    –      –            –
                                      65,553
                                      –
                                 1336 4/16
                                 –
                                 
                              
                                 Hutweiden
                                      –            –
                                    611,585
                                      –
                                 1111 4/6
                                 –
                                 
                              
                                 Weingaͤrten (nur in einigen
                                    Gegenden)
                                         4470
                                      –
                                 1374 2/6
                                 –
                                 
                              
                                 Waldungen
                                 2,315,926   –
                                 1263
                                 –
                                 
                              
                           Hievon Ertraͤgniß.
                           
                              
                                 Weizen
                                 1,854,325 8/16,
                                 Korn
                                 9,659,019 11/16,
                                 Gerste
                                 4,099,415 4/16
                                 Mezen.
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 Hafer
                                 7,880,990 14/16
                                   –
                                 
                              
                                  –
                                     8420 11/16,
                                 –
                                     144,227 13/16,
                                 Gerste
                                       45,704
                                    9/16
                                   –
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 Hafer
                                     153,826 5/16
                                   –
                                 
                              
                                 Korn
                                 251,578 4/16,
                                 Gerste
                                          1316
                                    7/16,
                                 –
                                     188,504 15/16
                                   –
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 Heu 29,097,
                                 Grummet 28
                                 Cntr.
                                 
                              
                                 Heu
                                 4,404,207 12/100,
                                 und
                                 Grummet
                                 1,649,376 29/100 Cntr.
                                 
                              
                                  –
                                    635,705 75/100
                                  –
                                    –
                                    278,290 31/100
                                     –
                                 
                              
                                  –
                                    276,024 84/100
                                  –
                                    –
                                      98,601
                                    85/100  –
                                 
                              
                                  –
                                    644,076 15/100
                                  –
                                    –
                                      48,722
                                    62/100  –
                                 
                              
                           Im Durchschnitte kann das Minimum von Koͤrnern als
                              Bruttoertrag mit 31 Millionen Mezen angenommen werden; uͤber das
                              Ertraͤgniß des Kartoffelbaues in seinem großen Umfange fehlen alle
                              Anhaltspunkte einer verlaͤßlichen Schaͤzung. Fuͤr den in einem
                              industriereichen Lande so wichtigen Anbau der Farbpflanzen ist neuerer Zeit leider
                              nichts geschehen; moͤchte doch der Eifer hiefuͤr erwekt und wenigstens
                              zu Versuchen gefuͤhrt werden, die in der Landwirtschaft schon oft
                              maͤchtige Folgen hervorriefen! – Der Flachsbau erfordert noch immer
                              uͤber 20 000 Cntr. Leinsamen zur Aussaat. Von dem bedeutenden Kleebau betrug
                              nur die Ausfuhr der lezten Jahre an 21,000 Cntr. im Durchschnitt. Der Hopfenbau hat
                              durch seine Verbreitung auch in anderen Laͤndern viel von seiner ehemaligen
                              Wichtigkeit verloren; indessen hat die vorzuͤgliche Qualitaͤt dieses
                              boͤhmischen Productes demselben doch noch eine jaͤhrliche Ausfuhr von
                              circa 12,000 Cntr. uͤber den einheimischen Bedarf erhalten. Eben so gestattet
                              der sorgsame Betrieb der Obstcultur ein Jahr in das andere gerechnet ein
                              Ausfuhrquantum von wenigstens 60,000 Cntr., und hievon mehr als 1/3 getroknete
                              Sorten.
                           Nach der lezten durch die k. k. patriotisch-oͤkonomische Gesellschaft
                              veranlaßten Zahlung ergibt sich folgender Viehstand: Pferde, und zwar alte 135 319
                              Fohlen 23,964 Stuͤk. Rindvieh: Zuchtstiere 10,331, junge Stiere 15,935.
                              Kuͤhe 1,017,656, wovon 774,199 Melkkuͤhe. Ochsen, naͤmlich
                              Mast- 7117, Zug- 261,199, und junge Ochsen 92,135. Schafe: alte
                              1,410,474, Laͤmmer 401,079. Von diesen Schafen befindet sich der bei weitem
                              groͤßere Theil in den Haͤnden der Obrigkeiten, wo mehr auf
                              Wollenveredlung gesehen wird. Das Verhaͤltnis des obrigkeitlichen
                              Schafstandes zum unterthaͤnigen ist = 1000 : 774. Die Summe des Schafviehes
                              von 1,811,553 kann uͤbrigens bei der durch die mancherlei physische Ungunst
                              der lezten Jahre erfolgten Lichtung dieser Heerden nicht als Normalstand gelten, der
                              zu wenigstens 2 Millionen Schafen angenommen werden muß.
                           Diese agronomischen Verhaͤltnisse moͤgen fuͤr den vorliegenden
                              Zwek genuͤgen. Es muß zur ganz vollstaͤndigen Wuͤrdigung
                              unserer industriellen Thaͤtigkeit jedoch noch bemerkt werden, daß bei der
                              allgemeinen Zahlenbestimmung der Durchschnitt der lezten 3 Jahre angenommen wurde,
                              wobei jedoch in doppelter Hinsicht meist ein etwas geringerer Umfang sich
                              herausstellen duͤrfte. Denn erstens war die physische Gestaltung der 2
                              leztverflossenen Jahre mit ihrem durch große Trokenheit herbeigefuͤhrten
                              Wassermangel in einem Lande, dessen Maschinenbetrieb meist auf angemessener
                              Wasserkraft beruht, ein großes Hinderniß in der Fabriksthaͤtigkeit, welches
                              man dann erst ganz uͤbersieht, wenn man erwaͤgt, daß nach den
                              begruͤndeten Schaͤzungen dortiger Geschaͤftsmaͤnner in
                              dem gewerbsthaͤtigen Reichenberg allein waͤhrend dieser 2 Jahre der
                              niedrige Wasserstand einen Ausfall an verminderter Erzeugung von wenigstens 3
                              Millionen Gulden herbeifuͤhrte. Zweitens aber weiß man, daß Beobachtungen
                              uͤber Industrie beim Normalzustande ganz andere Resultate liefern, als bei
                              einer Krisis, und eine solche trat fuͤr viele unserer Industriezweige mit dem
                              deutschen Zollvereine ein. Die Industrie eines gewerblichen Landes muß immer
                              empfindlich beruͤhrt werden, wenn seine Nachbarn sie mit Prohibitionen
                              umgeben, oder – und dieses ist bei dem deutschen Zollvereine meist der Fall
                              – fuͤr auslaͤndische Erzeugnisse einen Impost stipuliren, der
                              von jenen nur dem Namen nach verschieden ist. Indessen zeigt es sich jezt schon und
                              duͤrfte sich in der Folge noch mehr herausstellen, daß mehrere unserer
                              Producte den Consumenten der Vereinsstaaten nur vertheuert, aber nicht entbehrlich
                              gemacht werden konnten, und unsere meisten zur Stimmgebung berechtigten
                              Industriellen haben sich bereits in der Meinung vereinigt, daß die durch den
                              Zollverein erlittene Beeintraͤchtigung fuͤr die bereits zu einem
                              großen Ganzen schon vorlaͤngst verbundenen Provinzen des
                              oͤsterreichischen Kaiserstaates nicht so groß sey, als jene waͤre, die
                              bei unserem Anschlusse fuͤr die meisten Gewerbszweige erfolgt
                              waͤre.
                           Und so treten wir denn hin vor dem Bilde einer Volksthaͤtigkeit, dessen
                              Farbenwechsel auf so kleinem Raume wohl schwerlich sich uns in dieser
                              Mannigfaltigkeit anderswo darbieten duͤrfte. Wenn es Zwek der Industrie ist,
                              dem Lande eine geordnete buͤrgerliche Thaͤtigkeit zu gewinnen, das
                              physische und moralische Gedeihen der Arbeitenden zu foͤrdern und mit dieser
                              jene nur dem Schooße der Arbeit entspringende maͤßige Behaglichkeit so
                              zahlreich als moͤglich zu verbreiten, die durch Ruhe und Zufriedenheit sich
                              kund gibt, gleich dem Gange einer wohlgeordneten Maschine, welche nur bei Reibungen
                              hoͤrbar wird, dann duͤrften wir diesen Zwek bei uns erreicht finden;
                              das Wie kann uns gleichviel seyn, mag es nun durch
                              Betrachtungen der fruͤheren oder neueren staatswirthschaftlichen Maximen
                              herbeigefuͤhrt und erklaͤrt werden. Ohne jenen grellen Gegensaz von
                              arm und reich, wie ihn die Industrie einiger Laͤnder darbietet, mit enormen
                              Capitalien in wenigen Haͤnden, die uͤber daß Schiksal einer Menge
                              gaͤnzlich Armer gebieten, werden wir im Gegentheil neben umfangreicheren
                              Unternehmungen eine große Anzahl von maͤßig dotirten, aber sehr vertheilten
                              Gewerben finden, welche die von den Zeitverhaͤltnissen gebotene Umgestaltung
                              in dem freien Fabriksbetrieb bereits gluͤklich uͤberstanden haben.
                              Aber auch Erzeugnisse jener Art, die aus dem stillschaffenden Familienkreise
                              hervorgehen, bei denen keine wesentliche Theilung der Arbeit Statt findet, und wo
                              der Einzelne ohne viele Haͤnde oder diese ersezende Maschinen, noch sich
                              selbst genuͤgt, werden wir haͤufig in Verbindung mit dem Betrieb einer
                              kleinen Landwirtschaft finden. Wir werden uͤbrigens auch die oft gemachte
                              Erfahrung bestaͤtigt sehen, daß die Fortschritte in der Chemie, Physik und
                              Mechanik weniger den gezuͤnfteten und kleineren Gewerben als der
                              Fabriksindustrie zu Statten kamen, und diese hiedurch eben so sehr an Umfang und
                              Selbststaͤndigkeit wuchs, als die bei ersteren Beteiligten hieran verloren;
                              es waͤre aber gespenstersehender Philanthrophism, die lange Fortdauer dieser
                              Wirkung zu fuͤrchten. Dieses Fortschreiten im Wissen wird, abgesehen von dem
                              Zunehmen in der geistigen Bildung, auch materiell die Gesammtheit zu einem heilsamen
                              Ziele fuͤhren. Die Verbesserung und zahlreichere Anfertigung vieler
                              mechanischen und chemischen Huͤlfsmittel gestattet jezt schon deren
                              Anschaffung dem weniger Reichen; ein Verhaͤltniß, das um so haͤufiger
                              eintreten wird, je allgemeiner die gewerblichen Einsichten sich im Gebiete der
                              Naturwissenschaften bereichern werden! –
                           ––––––––––
                           Bei dem Mangel einer allen Anforderungen entsprechenden, genau begraͤnzenden
                              systematischen Eintheilung der Gewerbe, duͤrfte die auch schon fruͤher
                              bei Bearbeitung der Gewerbsausstellungs-Berichte gewaͤhlte –
                              wenn auch weder streng wissenschaftliche noch genau technologische –
                              Sonderung in Erzeugnisse aus dem Mineral-, Thier- und Pflanzenreiche
                              mit Anschließung der gemischten Producte die leichteste Uebersicht gewaͤhren.
                              Wir beginnen daher mit Besprechung der
                           
                        
                           Erzeugnisse des Erd- und Mineralreichs.Alle Geldzahlen sind in Conventionsmuͤnze nach dem 20 fl. Fuße,
                                    sonstige Quantitaͤten nach dem Wiener
                                    (niederoͤsterreichischen) Maaße und Gewichte angegeben.
                           
                              a) Ziegel. Der Umstand, daß bei uns das Ziegelbrennen
                                 ein von allem Zwange freies Gewerbe ist, wozu jedem gegen Beobachtung der
                                 oͤffentlichen Sicherheitsruͤksichten die Befugniß ertheilt wird,
                                 hat diese Beschaͤftigung in allen Gegenden des Landes verbreitet, wo
                                 Bedarf und das fast allenthalben vorhandene rohe Brennmaterial ein
                                 Ertraͤgniß moͤglich machen. Boͤhmen zaͤhlt
                                 uͤber 400 Ziegelhuͤtten, von denen aber die meisten ein Eigenthum
                                 obrigkeitlicher Grundbesizer oder der Communen sind. Die gesezlichen
                                 Bauvorschriften haben neuerer Zeit den Bedarf dieses Productes sehr vermehrt;
                                 dessen ungeachtet haben die Erfindungen und Verbesserungen sowohl im
                                 Brennverfahren, als in den mechanischen Vorrichtungen zur Mengung des Thons und
                                 Erzeugung der Rohziegel, das altherkoͤmmliche Verfahren im Allgemeinen
                                 nur wenig verdraͤngt, und wir koͤnnten bei einem umsichtigeren
                                 Betriebe in vielen Gegenden wohlfeilere und bessere Ziegel erzeugen. Indessen
                                 verdanken wir dem Hrn. K. Huffsky in Hohenstein eine
                                 bereits hie und da mit dem vorteilhaftesten Erfolge benuzte Verbesserung dieses
                                 Industriezweiges; die nach dessen Verfahren bearbeiteten Dach- und
                                 Mauerziegel, dann gemusterten Fußplatten werden durch besondere Zubereitung und Mischung des
                                 Ziegelguts dichter und fester, dann durch Anwendung von Preßmaschinen und einer
                                 eigenen Troknungsmethode viel ebener, reinkantiger und in jeder Beziehung von
                                 besserer Formung dargestellt. Eben so gewaͤhrt dessen geregeltes
                                 Brennverfahren bei vermindertem Lehm- und Feuerungsbedarf bedeutende
                                 oͤkonomische Vortheile. Bei einigen Eisenwerken werden die noch weichen
                                 Eisenschlaken in große Ziegelformen gelassen, und nach dem Erkalten zu
                                 Uferversicherungen und sonstigen Wasserbauten, die keinem sehr großen Druke
                                 ausgesezt sind, verwendet. An einigen Orten wird das Brennen der Ziegel mit
                                 jenem des Kalks in einem und demselben Ofen verbunden. Die Methode des Hrn. Witek in Prag, mit Beimengung der
                                 Steinkohlenloͤsche und Vermischung derselben mit dem Thone, poroͤse Ziegel zu erzeugen, scheint nicht
                                 jenen Eingang gefunden zu haben, den sie so sehr verdient.
                              Eben so verdiente in vielen Beziehungen die Erzeugung thoͤnerner Wasserleitungsroͤhren eine groͤßere
                                 Ausbreitung. Außer hie und da neben anderen Thongeschirren, werden selbe
                                 gegenwaͤrtig in einem eigenen Etablissement des Hrn. J. Glaser in Karlsbad in vorzuͤglicher
                                 Guͤte cylinderartig gepreßt, aus einer sehr dichten Masse erzeugt, die
                                 beim Brennen in Schmelzung uͤbergeht, und hiedurch eine Haͤrte und
                                 Festigkeit derselben erlangt, wodurch sie dem Druke des Wassers eben so wie, in
                                 gehoͤriger Tiefe gelegt, dem aͤußeren Druke in Straßen und
                                 Fahrwegen widerstehen. Die an dem einen Ende buͤchsenartig geformten
                                 Stuͤke werden in einander gestelt und anstatt der bisher uͤblich
                                 gewesenen Verkittung, durch fluͤssigen Schwefel wasserdicht
                                 zusammengefuͤgt.
                              Steingeschirr. Diese Art Toͤpferwaare, deren
                                 feuerfester Thon im Ofen zu einer steinartigen Masse sintert, und mit einem
                                 glasartigen Ueberzuge versehen ist, wurde in Boͤhmen erst durch den
                                 Mineralwerksbesizer Hrn. J. D. Stark zu Ende des
                                 vorigen Jahrhunderts eingefuͤhrt und fuͤr den Bedarf der Kolben,
                                 Vorlagen und Flaschen bei der Vitrioloͤhlerzeugung, aus dem in der
                                 Naͤhe von Eger vorhandenen sogenannten Wildsteiner Thon gefertigt. Bald
                                 entstanden jedoch in der nordwestlichen Landesgegend mehrere Etablissements,
                                 welche sich ausschließend mit der Erzeugung verschiedener Geschirre dieser Art
                                 fuͤr den technischen und Hausbedarf beschaͤftigen, und hievon
                                 bedeutende Quantitaͤten, vorzuͤglich auch zur Versendung der
                                 Mineralwaͤsser, liefern. Auch in Koͤnigssaal werden derlei
                                 Untersaͤze zur Aufnahme des aus den Formen sich abscheidenden
                                 Runkelruͤbensyrups geliefert. Das Gesammtquantum dieser aͤußerst
                                 billigen Erzeugnisse betraͤgt an 300,000 fl., wovon mehr als die
                                 Haͤlfte auf Arbeitsloͤhne entfaͤllt.
                              Toͤpferei. Ueber 1500 Menschen
                                 beschaͤftigt dieser Industriezweig, fuͤr welchen uns die Natur das
                                 Material in den mannigfaltigsten und brauchbarsten Thonarten reichlich spendet.
                                 Leider erwartet Boͤhmen aber noch seinen Feilner, der mit der Wuͤnschelruthe des Genie's diese
                                 Schaͤze unseren Toͤpfern finden und benuzen lehrt. Dank sey es den
                                 gesezlichen Vorschriften und der Wachsamkeit unserer Behoͤrden, die uns
                                 vor schaͤdlichen Glasuren schuͤzen; im Uebrigen ist der
                                 groͤßere Theil des Verbrauchs der Kochgeschirre auf Producte
                                 beschraͤnkt, die fast Alles zu wuͤnschen uͤbrig lassen, dem
                                 gemeinen Manne jedoch genuͤgen. Dem Bedarf fuͤr die Wohlhabendem
                                 vermoͤgen einzelne Ausnahmen, wie z.B. die in jeder Beziehung
                                 vorzuͤglichen nach Bunzlauer Art erzeugten Geschirre des Hrn. J. Bayerl in Prag, nicht zu genuͤgen, und so wird
                                 denn die Mehrzahl des Besseren von Außen bezogen, damit aber ein Artikel
                                 vertheuert, den wir bei dem Ueberflusse an Materialien aller Art, die sich der
                                 einheimischen Industrie darbieten, eben so gut und billiger erhalten
                                 koͤnnten.
                              Troͤstlicher gestaltet sich die Betrachtung dieses Gewerbszweiges sowohl
                                 in den Anforderungen des Technischen als des Geschmaks, bei den
                                 Stubenoͤfen. Prag und einige Kreisstaͤdte zaͤhlen Meister,
                                 welche die in neuerer Zeit so wesentlich verbesserte innere Construction der
                                 Stubenoͤfen lobenswerth mit einem guten Material verbinden, deren
                                 Aeußeres sich dem jezt uͤblichen Architekturstyl mehr anschließt, und den
                                 Zeitpunkt als nahe betrachten laͤßt, wo die Heizapparate nicht mehr bloß
                                 unsere Zimmer erwaͤrmen, sondern auch zieren werden; da die Feilner'schen Vasen, Statuen, Kandelaber, Konsolen,
                                 Basreliefs etc. und mehrere andere Toͤpferarbeiten seiner Juͤnger,
                                 die nicht nur viele Gebaͤude Berlins im Innern und Aeußern
                                 schmuͤken, sondern auch ganze vollstaͤndige Prachtbauten aus dem
                                 Toͤpferofen hervorriefen, uns beweisen, welch weites Feld das Gewerbe des
                                 Toͤpfers dem schaffenden Sinne darbietet, der es mir Ueberwindung der
                                 technischen Schwierigkeiten bis zur Kunst zu erheben vermag! –
                              Graphit. Er wird in den suͤdlichen
                                 Landesgegenden gewonnen. Die unter dem Durchschnitte gebliebene Ausbeute des
                                 Jahrs 1834 betrug 16,778 C. 23 Pfd. im Verkaufspreise von 37,936 fl. 7 1/4 kr.
                                 Von der versuchten Anwendung desselben zu Geschirren im Großen hat sich nur das
                                 Etablissement des Hrn. A. Hawlin in Swojanow
                                 erhalten, welches Heizoͤfen, Kochgeschirre, gute Schmelztiegel etc.
                                 liefert. Der bei weitem groͤßere Theil des rohen Materials aber bildet
                                 einen Gegenstand der Ausfuhr, zum Anstrich, Maschinenbedarf und der
                                 Bleistiftfabrikation.
                              
                           
                              b) Wedgwood. Terralith. Siderolith. Porzellan. Vor
                                 einigen Jahren erst fing man bei uns an, Wedgwood zu erzeugen; ein großes
                                 Verdienst hat sich, wie bereits erwaͤhnt, Hr. Huffsky in Hohenstein hierum erworben. Unter der Benennung Terralith brachte derselbe Wedgwood und eine diesem
                                 aͤhnliche andere Art unglasirter Thongeschirre in den Verkehr, die in
                                 sehr kurzer Zeit durch ihre schoͤnen, dem klassischen Boden der Antike
                                 entnommenen Formen und en relief Verzierungen
                                 Aufmerksamkeit erregten und Beifall fanden. Außer schwarzen, glanzlosen
                                 Geschirren fuͤr den Theetisch, wurden Vasen von bedeutender
                                 Groͤße, Blumentoͤpfe, Fruchtkoͤrbe, Dessertteller etc.
                                 wegen ihrer verschiedenartig nuancirten mit feinem Firniß uͤberzogenen
                                 Broncirung nicht nur ein in der Monarchie haͤufig verbreiteter
                                 Luxusartikel, sondern auch bedeutender Gegenstand der Ausfuhr. Auf eine
                                 ruͤhmenswerthe Weise wurde dieses Feld durch die HH. Schiller und Gerbing in
                                 Bodenbach naͤchst Tetschen erweitert, die ein, wegen seiner in Farbe und
                                 Festigkeit, und auch im Bruch dem Eisenstein aͤhnliches Geschirr, als Siderolith bezeichneten, und alle ihre anderen
                                 Thonerzeugnisse unter diesem Namen fabriciren. Durch sorgfaͤltige
                                 Schlaͤmmung und Mischung verschiedener Erdarten gelang es ihnen eine
                                 Masse von hoher Plasticitaͤt und bedeutender Dichtheit darzustellen, und
                                 derselben durch sehr geregeltes Brennverfahren eine solche Haͤrte zu
                                 verleihen, daß sie am Stahl Funken gibt. Man mag die schoͤnen antiken
                                 Formen dieser Geschirre, ihre ebenfalls der griechischen und roͤmischen
                                 Mythologie angehoͤrigen Reliefverzierungen betrachten, die sich eben so
                                 durch sinnigheitere Allegorie als durch feine und doch zugleich scharfe und genaue
                                 Praͤgung auszeichnen; man mag ferner sowohl ihre mannigfaltige Bestimmung
                                 zu verschiedenen Gegenstaͤnden des haͤuslichen und
                                 luxurioͤsen Bedarfs, als die diesem angemessene, eingebrannte oder
                                 aufgetragene und aufs feinste gefirnißte Faͤrbung in Gold, Silber,
                                 Bronce, Roth, Gruͤn oder Braun betrachten, immer wird man die
                                 Anforderungen der Soliditaͤt und des Geschmaks in hohem Grade befriedigt,
                                 und es natuͤrlich finden, daß diese Geschirre bei ihrer Billigkeit und
                                 fuͤr lange Dauer berechnete Festigkeit nicht nur bei uns, sondern auch im
                                 Auslande – bis nach Amerika – an mehreren Orten, wo das englische
                                 Wedgwood bedeutenden Absaz fand, diesem vorgezogen werden. Besonders
                                 gluͤklich nachgeahmt sind die Vasen von terra
                                    cotta, und es ist uͤberhaupt ein eifriges Bestreben der
                                 Unternehmer, selbst die Resultate neuerer Ausgrabungen in ihr Etablissement zu
                                 verpflanzen, das durch ihre regsame Intelligenz und keine Kosten scheuenden
                                 Bemuͤhungen einer immer groͤßeren Ausdehnung zugefuͤhrt
                                 wird. Ihr Wunsch, den Schleier des Fabrikgeheimnisses nicht zu luͤften,
                                 gestattet hier keine weitere Beruͤhrung; fuͤr den bedeutenden
                                 Umfang des Betriebs spricht jedoch der Umstand, daß der Bedarf an Arbeitslohn
                                 und Brennmaterial allein jaͤhrlich gegen 20,000 fl. betraͤgt.
                                 Einen bedeutenden Artikel bilden die braunen Tabakspfeifen von Siderolith,
                                 mannigfaltig geformt und durch Basreliefs verziert. Die Fabrik erzeugt davon
                                 mehrere 1000 Stuͤk jaͤhrlich fuͤr die Roͤsler'sche Nuͤrnbergerwaarenfabrik in Nixdorf, welche
                                 selbe mit den dort gepreßten Bronce – und zum Theil vergoldeten
                                 Beschlaͤgen versehen laͤßt. Beachtenswerth ist auch der Umstand,
                                 daß dieser Siderolith mit Vortheil bei Fertigung der Platinlampen gebraucht
                                 wird, indem er den mineralischen Saͤuren widersteht.
                              Steingut und Fayence erzeugen 9 Fabriken; auf mehrere
                                 derselben haben die großen Verbesserungen, welche in der Masse, Form und
                                 Verfertigung dieser Art Thongeschirre im Auslande gemacht wurden, vorteilhaft
                                 eingewirkt. Das Steingut der fuͤrstlich Lobkowitz'schen Fabrik in Teinitz und des Hrn. Nowotny in Altrohlau bei Karlsbad, steht in Guͤte der Masse
                                 – meist Porzellanerde, die hell unter der Glasur hervortritt –
                                 Weiße und Dauer der Glasur, Geschmak der Form, Mahlerei und Vergoldung, so wie
                                 in Billigkeit des Preises den besseren Erzeugnissen des Continents in diesem
                                 Genre wuͤrdig zur Seite, und findet in dem ganzen Umfang der Monarchie
                                 bedeutenden Absaz, da der mit der Civilisation wachsende Wohlstand der
                                 zahlreichen Mittelklasse, die weniger reinlichen und gefaͤlligen
                                 Gefaͤße von Zinn und Toͤpferthon verdraͤngt, und das dem
                                 taͤglichen Gebrauch in Billigkeit und Dauer zusagende Steingut an deren
                                 Stelle gesezt hat.
                              Die Erzeugnisse dieser beiden Fabriken, welche auch den Kupferdruk unter der
                                 Glasur sehr rein darstellen und vor dem deutschen Zollverein in einige
                                 Laͤnder desselben abgesezt wurden, werden sich von einem
                                 jaͤhrlichen Betrage von 50,000 fl. nicht weit entfernen, und daher nahe
                                 den dritten Theil der Gesammtproduction aller 9 Fabriken ausmachen, die zusammen
                                 300 Personen beschaͤftigen moͤgen.
                              Dieses ist uͤbrigens einer von den Industriezweigen, der bei uns dem
                                 Unternehmungsgeist noch ein weites Feld darbietet, und eine ungleich
                                 groͤßere Anzahl Capitale und Haͤnde bewegen koͤnnten. Bei
                                 unserem Ueberflusse von Quarz, Thon und Feldspath, und einem Reichthum an
                                 Brennmaterial, der hie und da auch bereits durch Anwendung der Steinkohlen bei
                                 der Steingutfabrikation noch erhoͤht wird, koͤnnte diese Branche
                                 noch sehr erweitert werden. Naͤchst dem Geiste seines mit Recht
                                 gefeierten genialen Wedgwood dankt es England gewiß
                                 nur dem fuͤr diesen Fabrikszweig gewaͤhlten Distrikte, daß
                                 derselbe nach Parlamentsacten dort 60,000 Menschen beschaͤftigt, bei
                                 einem woͤchentlichen Verbrauche von 160,000
                                 Cntr. Steinkohlen, und der Erzeugung eines jaͤhrlichen Waarenwerths von
                                 2,250,000 Pfd. Sterling, wovon nur ungefaͤhr der vierte Theil
                                 ausgefuͤhrt, das uͤbrige aber fuͤr den großen einheimischen
                                 Verbrauch verwendet wird. Freilich ist aber auch der dortige Arbeiter durch
                                 Theilung der Arbeit und eingeuͤbte Handgriffe jezt im Stande das
                                 Vierfache gegen fruͤher zu leisten, wodurch der Preis der Geschirre bei
                                 gleich gebliebener Guͤte der Masse, Reinheit der Formen und Verzierungen
                                 um 30 Proc. sank.
                              Porzellan. Wie nicht leicht ein anderer
                                 Industriezweig hat diese schoͤnste Frucht der Geschirrfabrikation in
                                 kurzer Zeit bei uns ruͤhmenswerthe Fortschritte gemacht, und wenn auch
                                 nicht gerade sehr große Ausdehnung, doch technisch eine sehr erfreuliche
                                 Gestaltung erlangt. Von den 8 Fabriken, welche sich damit beschaͤftigen,
                                 liegen 6 in der Umgebung von Karlsbad; da dieser Rayon, Boͤhmens
                                 Staffordshire, auch noch zwei 2 Steingutfabriken umfaßt, so laͤßt sich
                                 auf den hohen Preis des Brennmaterials fuͤr diese Fabrikation schließen,
                                 in einer Gegend, wo uͤberdieß ein bedeutender Theil der dem
                                 Montan-Aerar gehoͤrigen Waldungen diesem reservirt ist. Indessen
                                 sind diese Anstalten durch die Naͤhe eines vorzuͤglichen Kaolins
                                 in großen Lagern, so wie des Quarzes und Feldspaths beguͤnstigt, welche
                                 leztere mehrere auslaͤndische Fabriken aus Boͤhmen beziehen. Mit
                                 einem Verbrauche von mehr als 6000 Klafter Holz, und bei einer
                                 Beschaͤftigung von nicht ganz 600 Arbeitern, deren Lohn ungefaͤhr
                                 120,000 fl. betraͤgt, werden an 9000 Cntr. Porzellan in einem runden
                                 Gesammtwerthe von 400,000 fl. jaͤhrlich erzeugt. Seit dem Zollvereine
                                 gehen nur noch ungefaͤhr 15 Proc. der Gesammterzeugnisse nach
                                 Deutschland, der bei weitem groͤßere Theil des Ueberrestes wird in der
                                 Monarchie, vorzuͤglich der Lombardie verbraucht, von wo aus auch ein
                                 Theil nach dem Orient exportirt wird. In Folge der strengen Sortirung und des
                                 wohlfeileren Ausschusses faͤngt nun auch im Lande der Gebrauch des
                                 Porzellans an allgemeiner zu werden. Mit alleiniger Ausnahme des Goldes und
                                 einiger unbedeutenden Farbenbestandtheile, wird Alles fuͤr den
                                 Fabrikationsbedarf im Lande selbst gewonnen, das gegenwaͤrtig auch die
                                 fruͤher vom Auslande bezogenen Farben und Farbenmaterialien billiger
                                 herstellt.
                              Als die vorzuͤglichsten Fabriken dieser Art, sowohl hinsichtlich ihrer
                                 Ausdehnung, als der Vortrefflichkeit ihrer Producte, muͤssen die
                                 Anstalten der HH. Lippert und Haas in Schlaggenwald, Fischer und Reichenbach in Pirkenhammer und Gebruͤder Haidinger in Elbogen angefuͤhrt werden, die
                                 zusammen mehr als 2/3 der obigen Gesammtproduction liefern. Die
                                 ordinaͤrsten Erzeugnisse des taͤglichen Bedarfs sowohl, als die
                                 durch Façon, Mahlerei und Vergoldung fuͤr das verfeinerte Leben
                                 der hoͤheren Staͤnde bestimmten Prachtgefaͤße darstellend,
                                 vereinigen diese 3 Etablissements Alles was Kunst, Wissenschaft und
                                 merkantilische Betriebsamkeit fordern. Es ist in der That fast unmoͤglich
                                 hier eine Rangstufe der Verdienstlichkeit zu bestimmen, da die hervortretenden
                                 eigenthuͤmlichen Vorzuͤge sich gegenseitig ausgleichen. Wenn die
                                 Schlaggenwalder Fabrik hauptsaͤchlich die bildende Kunst
                                 beruͤksichtigend, in Groͤße und reiner Form ihrer in
                                 Historienbildern, Portraͤts, Landschaften, Blumen etc. in dem Effect
                                 und der Nuancirung der reichen haltbaren Farben meisterlich gemahlten, und eben
                                 so reich als dauerhaft decorirten und vergoldeten Vasen und Tassen, so wie in
                                 der strengen Sortirung ihrer durch Weiße und Reinheit in der Masse und Glasur
                                 ausgezeichneten Geschirre hervortritt, so hat jene in Elbogen, in den Mischungen
                                 der Masse, ihrer Plasticitaͤt und Feuerbestaͤndigkeit, so wie in
                                 der Weiße der durch Glanz und Ebenheit vollendeten Glasur, eine Vollkommenheit
                                 erreicht, die den Ruf der Dauerhaftigkeit ihrer auch fuͤr den Gebrauch
                                 der chemischen Laboratorien gesuchten Geschirre begruͤndet,
                                 waͤhrend die Fabrik in Pirkenhammer – abgesehen von ihren
                                 vorzuͤglichen Leistungen im Gebiete der Farbenchemie, dann der
                                 Ornamenten- und Desseinmahlerei – durch Verbesserung der
                                 mechanischen Operationen und der Oekonomie, so wie durch Beachtung der
                                 Consumtionsbeduͤrfnisse, um die wohlfeilere Erzeugung so verdient ist,
                                 daß durch die von ihr impulsirte Preisverminderung auch der nicht gerade reichen
                                 Classe ein haͤufigerer Gebrauch des Porzellans moͤglich wurde, der
                                 schnell zunahm und den Absaz des Gesammtfabrikats maͤchtig erweiterte.
                                 Eben so wetteifern diese 3 Anstalten in dem Bestreben die auswaͤrtigen
                                 Erfindungen und Verbesserungen zu benuzen; so wurde in neuerer Zeit zuerst in
                                 Schlaggenwald die Lithophanie, der Wiederabdruk von Lithographien und die
                                 gravirte Vergoldung, in Pirkenhammer der Metallabdruk unter der Glasur und das
                                 durch Anbringung mehrerer Farben nachgeahmte Spielen der Perlenmutter eben so
                                 gluͤklich eingefuͤhrt, als in Elbogen die niedlichen
                                 Blumen- und andere feine Verzierungen en
                                    relief, die, wenn auch als wiederkehrende Mode einer fruͤheren
                                 Periode, doch in Zeichnung, Form und Ausfuͤhrung dem ausdruksvolleren,
                                 reineren Kunststyl unserer Zeit vindicirt werden muͤssen. Die
                                 leztgenannte Fabrik fuͤhrte bei uns den Geschirrguß in Formen ein, und
                                 hat auch mit gutem Erfolg das Brennen mit Steinkohlen versucht. –
                              Die Leistungen dieser 3 Anstalten mußten natuͤrlich auch auf die Uebrigen
                                 einen vorteilhaften Einfluß aͤußern. Daß unsere besseren Porzellane
                                 – bei Nichtberechnung der Zollsaͤze – mit den ersten
                                 deutschen Fabriken concurriren, spricht um so mehr fuͤr die Intelligenz
                                 der Erzeuger, die keineswegs sich Beguͤnstigungen zu erfreuen hatten, wie
                                 jene, die auf Staatsunkosten betrieben eine Menge von Vortheilen genossen, die
                                 der Privatunternehmer durch rege Thatkraft, Ausdauer, speculativen und
                                 oͤkonomischen Geist zu erreichen suchen muß; die vorzuͤglicheren
                                 Leistungen bei billigerem Preis, nicht aber einzelne das Privatinteresse nie
                                 lohnende Prachtstuͤke von seltener Groͤße und nie bezahltem
                                 Kunstwerth sind es, die den Maaßstab fuͤr die Vergleichung bilden.
                                 – Um jedoch das hie und da zu Gunsten des franzoͤsischen
                                 Porzellans noch herrschende Vorurtheil zu beleuchten, sey es erlaubt, zur
                                 Beachtung unserer Consumenten sowohl als der Producenten die dortige Gestaltung,
                                 wenn auch nur in den – dem Raume dieser Blaͤtter gestatteten
                                 – allgemeinsten Umrissen zu beruͤhren.
                              In der Großartigkeit der Gegenstaͤnde und in Ueberwindung der mit großen
                                 Stuͤken und deren plastischen Verzierung verbundenen Schwierigkeiten
                                 steht, wie dieses die lezte Pariser Industrieausstellung zeigte, die
                                 franzoͤsische Fabrikation noch unuͤbertroffen da, wenn es auch
                                 bekannt ist, daß das Abschleifen und Poliren aufgeblaͤhter und geworfener
                                 Stellen dort haͤufiger als anderswo vorkommt, und daß oft die großen
                                 franzoͤsischen Stuͤke, namentlich Vasen, nicht aus einem ganzen
                                 Stuͤke, sondern zusammengesezt sind. Daß die dortigen Waaren
                                 geschmakvoller als andere befunden werden, wird niemanden befremden, da alle
                                 Welt Frankreich als das Land des Geschmaks anerkennt, den dortigen Winken der
                                 Mode sklavisch huldigt, jezt noch so wie unter Ludwig XIV., wenn auch gerade
                                 jene Periode beweist, daß auch Frankreich ins Geschmaklose verfallen kann. Man
                                 hat die Zierlichkeit und Reinheit der Formen, die Feinheit und Leichtigkeit der
                                 Umrisse, die gewaͤhlte Schattirung und hebende Mischung der Farben, so
                                 wie die effektvoll vertheilte Vergoldung an den franzoͤsischen
                                 Erzeugnissen mit Recht als Muster aufgestellt; nicht selten sind sie aber
                                 materiell eben so mangelhaft als formell vollendet, so daß sie mehr dem
                                 nachahmenden Fabrikanten als dem Consumenten zusagen; unter diesen
                                 glaͤnzenden, aber nicht sehr haltbaren Glasuren und Mahlereien, diesen
                                 schnell verfluͤchtigten Golddecorationen, ist naͤmlich oft eine
                                 unreine, in Mischung und Brand mangelhafte Masse verborgen und es darf daher
                                 nicht auffallen, daß unsere schoͤnen Tassen und andere
                                 Luxusgegenstaͤnde bei gleichem Aeußern mit den franzoͤsischen zu
                                 einem hoͤhern Preise bezahlt werden muͤssen, als jene.
                              Indessen kann immerhin nicht gelaͤugnet werden, daß die
                                 franzoͤsische Fabrikation in der von der unserigen verschiedenen
                                 Gestaltung Vortheile besizt, die wesentlicher sind, als man glauben sollte; die
                                 Porzellanfabrikation bildet naͤmlich in Frankreich zwei abgesonderte
                                 Branchen, wovon die eine bloß mit der Production der weißgebrannten Geschirre,
                                 die andere mit deren Veredlung durch Malerei und Vergoldung sich befaßt. Die
                                 großen Vortheile einer solchen Theilung der Arbeit haben wir praktisch bei
                                 unserer Glasfabrikation vor Augen. Aber auch der Erzeuger der Geschirre hat dort
                                 den Vortheil, daß er nicht selbst, wie bei uns, die Masse von ihrem rohen
                                 Aufsammeln bis zur Formbarkeit in das Bereich seiner Thaͤtigkeit und
                                 Capitalien zu ziehen braucht; Limoges und die Umgegend hat viele
                                 Geschaͤftsleute, die sich bloß mit der Bereitung derselben auf ihren
                                 Massemuͤhlen und Dampfmaschinen befassen, sie den Formern in Paris u.a.
                                 O. zusenden, und so dem Geschirrfabrikanten eben so erleichternd vor- und
                                 in die Haͤnde arbeiten, als dieser dem Mahler und Vergolder. Wie ganz
                                 verschieden sind dagegen die Verhaͤltnisse unserer Fabrikanten, deren
                                 Intelligenz sich auf alle verschiedenen Arbeiten erstreken muß, von den
                                 Rohstoffen aller Art, die sie ohne Zubereitung kaufen und durch alle
                                 Manipulationen fuͤhren, bis zu ihrer Vollendung durch die Kunst, deren
                                 schoͤnste Werke gerade in diesem Zweige von den meisten Schwierigkeiten
                                 begleitet sind, und so selten belohnt werden. Welche Capitalien, Kenntnisse,
                                 Umsicht und Beharrlichkeit erforderte es also bei uns, um es ihnen einiger Maßen
                                 gleichthun zu koͤnnen? Frankreich hat allerdings Fabriken, die monatlich
                                 20,000 (!!) Teller aus dem Ofen bringen, was aber bei den einfachen
                                 Manipulationen nicht schwieriger ist, als die geringer scheinenden Leistungen
                                 des deutschen Fabrikanten, der Alles in Allem seyn muß, und nur dann ein weniger
                                 beschwerliches Loos erwarten darf, wenn neue Unternehmer zu der Einsicht kommen,
                                 daß es leichter und besser sey, nur einen vorbereitenden Theil der Fabrikation
                                 zu betreiben und die Fortsezung andern zu uͤbergeben, als mit nicht immer
                                 genug erkraͤftigter Anstrengung eine Selbststaͤndigkeit erzwingen
                                 zu wollen, die sich nur schwer uͤber die Mittelmaͤßigkeit erhebt.
                                 – So wenig aber eine solche Gestaltung der Verhaͤltnisse von dem
                                 Willen der bereits bestehenden Fabriken abhaͤngt, so sehr zu
                                 wuͤnschen waͤre es, daß die mechanischen Vortheile des englischen
                                 Verfahrens mehr beachtet wuͤrden, und vor Allem in Beziehung auf die Arbeiten der
                                 Drehscheibe, die die Haͤnde und Fuͤße des Arbeiters gleich sehr in
                                 Anspruch nehmend ein doppeltes Maaß physischer Kraft und taktfester Uebung
                                 erfordert, die uͤberdieß nur durch mehrjaͤhrige Gewohnheit
                                 vollkommen geregelt werden kann. Was dagegen ein Arbeiter auf einer durch
                                 Wasser- oder Dampfkraft getriebenen Drehscheibe zu leisten vermag, wo er
                                 nur auf die minder anstrengende gleichmaͤßige Bewegung der Haͤnde
                                 und Arme seine unausgesezte Aufmerksamkeit zu richten braucht, zeigen die
                                 englischen Fayencearbeiter. In einer Arbeitszeit von 10 Stunden werden durch
                                 einen Arbeiter mit 2 Lehrlingen 3600 Teller aus dem Groben geliefert,
                                 waͤhrend welcher Zeit ein anderer Arbeiter mit Einem Lehrling sogar 600
                                 feine Teller abdreht. Rechnen wir auch den dritten Theil dieser
                                 außerordentlichen Leistungen auf die Beschaffenheit der Masse, so bleibt doch
                                 noch immer ein bedeutender Unterschied. Es steht jedoch ganz in unserer Macht
                                 durch verbesserten Maschinenbetrieb und jene scharfe Theilung der Arbeit, wie
                                 sie in England eingefuͤhrt ist, den brittischen Fabrikanten
                                 gleichzukommen.
                              
                           
                              c) Glasfabrikation. Durch guͤnstige
                                 geognostische Gestaltung, und einen in Fabriklaͤndern seltenen
                                 Waloreichthum, gleichsam von der Natur zu einer großen Werkstaͤtte
                                 fuͤr diesen Industriezweig bestimmt, wurde derselbe in seinen
                                 verschiedenen Verzweigungen von Boͤhmens Bevoͤlkerung mit seltener
                                 Intelligenz schon vorlaͤngst cultivirt. Denkt man aber an das, was
                                 England mit seinen ausgedehnten Etablissements in diesem Zweige leistet,
                                 obgleich es jezt in Glas bedeutend weniger producirt, als vor 40 Jahren; wie
                                 sehr Frankreich durch Wissenschaft, Geschmak und schaffenden Kunstsinn denselben
                                 foͤrderte; in welcher unglaublichen Progression die Glasfabrikation in
                                 Rußland sich technisch und commerciel entwikelte und durch den
                                 alluͤberall großartig schaffenden Sinn seines Cancrin sich taͤglich mehr befestigt; daß die Aufwallungen der
                                 Concurrenz nicht nur unserer Nachbarstaaten, sondern sogar auch Nordamerikas
                                 sich vermehren, welches leztere seine Haͤndearmuth durch
                                 Materialienreichthum ersezend, nun auch Glas nach Europa bringt; bedenkt man wie
                                 viele Maͤrkte hiedurch wirklich uͤberfluͤssig, und wie
                                 viele uns durch den Alles berechnenden Finanzgeist unserer Zeit verschlossen
                                 wurden – dann darf man sich nicht wundern, daß dieser
                                 Geschaͤftszweig viel von seinem ehemaligen Umfange verlor, und einiger
                                 Maßen gedruͤkt wurde. Die Producte von den in allen Landesgegenden,
                                 besonders aber an den Graͤnzen vertheilten 75 Glashuͤtten, wovon
                                 mehrere zu den großartigsten Fabrikanstalten gezaͤhlt werden
                                 duͤrfen, und von 22 Etablissements, die sich bloß mit dem Raffiniren
                                 (d.h. Schleifen, Schneiden, Poliren u.s.w.) von gekauften oder bestellten
                                 Huͤttenproducten befassen, gewaͤhren noch immer uͤber 3500
                                 Familien Verdienst und Nahrung – meist in Gegenden, denen Ceres ihre
                                 milden Gaben nur aͤrmlich spendete – und versorgen nicht nur den
                                 bei weitem groͤßeren Theil der Monarchie fast ausschließend mit diesem
                                 Artikel, sondern versenden auch bedeutende Quantitaͤten davon nach der
                                 Levante, nach Mittel- und Suͤdamerika, dann nach Italien, Spanien,
                                 Deutschland und Frankreich, welche beide, aller Erhoͤhung des Imposts
                                 ungeachtet, die Guͤte und Schoͤnheit unserer Glaswaaren im
                                 Allgemeinen noch lange nicht erreichen, und sie niemals wohlfeiler darstellen
                                 werden, da unsere maͤßige Besteuerung, geringere Arbeitsloͤhne und
                                 Wohlfeilheit des Brennmaterials, und somit auch der Potasche, uns
                                 Vorzuͤge einraͤumen, die durch gute Qualitaͤt,
                                 gefaͤllige Formen und sorgfaͤltiges Raffinement noch unterstuͤzt
                                 werden. Um unsere erleichterte Fabrikation gegen jene Frankreichs zu
                                 erwaͤgen, darf man nur die eigenen Aussagen der dortigen Fabrikanten bei
                                 Gelegenheit der commerciellen EnquêtePolytechnisches Journal Bd. LXVI. S.
                                          406. lesen. So betraͤgt z.B. der Holzpreis von 25 Fr. per Klafter bei uns zwischen 4 bis 10. Die Arbeiter
                                 erhalten dort 40 Sous, bei uns aber hoͤchstens den zehnten Theil. An
                                 Einfuhrzoll zahlt die Potasche 18 und das Blei 6 Franken per 50 Kilogr. u.s.w.
                              Von den erwaͤhnten 75 boͤhmischen Glashuͤtten erzeugen 13
                                 Hohl- und Tafelglas, das sie auch selbst raffiniren; 14 erzeugen bloß rohes Hohl- und 11 bloß Tafelglas,
                                 13 Hohl- und Tafelglas; 12 erzeugen Tafel- und Spiegelglas, und 8
                                 andere bloß Spiegelglas, dessen Verschleifung zum Theil hier, zum Theil auf 6
                                 ausschließend mit Spiegelschleifen
                                 beschaͤftigten Anstalten erfolgt. Mehrere von den genannten
                                 Huͤtten erzeugen auch Perlen, Hialith, Stenglglaͤser, Lustersteine
                                 und Uhrglaͤser neben den genannten Producten, waͤhrend mit jenen
                                 auch einige Huͤtten sich ausschließend befassen. Es ist nicht wohl
                                 moͤglich dem Gewichte nach die Quantitaͤt unserer Glaserzeugnisse
                                 mit einiger Genauigkeit anzugeben; selbst diese wuͤrde aber dem Laien
                                 eine auch nur wahrscheinliche totale Preisbestimmung unmoͤglich machen,
                                 bei dem großen Einflusse, den der Umfang und die Art des Schliffs und Schnittes
                                 etc. auf die kostbaren aber nicht immer schweren Stuͤke aͤußert.
                                 Erwaͤgt man aber den groͤßten Theils durch boͤhmisches
                                 Glas, besonders in den kostbaren Hohlglassorten, gedekten so sehr bedeutenden
                                 Glasbedarf der Monarchie, den Luxus und Wohlstand im steten Zunehmen erhalten,
                                 und der auch in den ordinaͤren Sorten durch die umfangreiche Darstellung
                                 chemischer Producte von Tag zu Tag groͤßer wird; erwaͤgt man
                                 ferner, daß noch immer uͤber 25,000 Cntr. Glas jaͤhrlich ins
                                 Ausland gehen, und daß meist nur die verfeinerten, durch Schliff, Schnitt,
                                 Vergoldung und Faͤrbung im Werthe erhoͤheten Hohlglaswaaren die
                                 Zollfrachten und Spesen einer weiten Versendung zu tragen vermoͤgen; ist
                                 man mit den Leistungen und dem Umfange der groͤßeren sowohl als der
                                 kleineren Etablissements und mit dem commerciellen Verkehr naͤher
                                 bekannt, und haͤlt diesen Anhaltspunkten die Einfuhrlisten einiger
                                 Nachbarstaaten entgegen, dann kann man ohne einen Fehlgriff zu besorgen, das
                                 Minimum des Gesammtwerthes unserer Glasproduction zu jaͤhrlich 6
                                 Millionen Gulden annehmen. Nimmt man sonach mit Mac
                                    Culloch den Capitalumfang der englischen Glasfabrikation zu 2 Millionen
                                 Pfund an – wovon aber mehr als der vierte Theil als Accisabgabe abgezogen
                                 werden muß – und jenen der franzoͤsischen nach Flachats zu 29 Millionen Franken, so betraͤgt
                                 der Werth unserer Glasproduction mehr als den dritten Theil der englischen, und
                                 die Haͤlfte der franzoͤsischen.
                              Die technische Gestaltung ist sehr erfreulich, betrachtet man das was geleistet
                                 wird, obwohl das Wie noch Manches zu wuͤnschen
                                 uͤbrig laͤßt, da hie und da die Empirie zu sehr vorherrscht, und
                                 manche Vereinfachung der Manipulation, Ersparung an nuzlosen zeit und
                                 geldraubenden Versuchen, an Brenn- und Arbeitsmaterial, und mehr
                                 Sicherheit des Erfolgs erzielt werden wuͤrde, wenn man bei der so
                                 uͤberaus wichtigen Auswahl und Mischung der Materialien zu den
                                 Glassaͤzen, bei Anwendung der Entfaͤrbungsmittel, der Behandlung
                                 des Glases im Ofen, dann der Schleif- und Schneidapparate u.s.w., die
                                 Fortschritte der Wissenschaft mehr beachtete und auf die Fabrikation in dem Maaße anwandte, wie
                                 dieß wirklich in mehreren der vorzuͤglichsten Huͤtten geschieht,
                                 deren Meisterschaft in einzelnen Artikeln freilich endlich auch von Andern
                                 erreicht wird, aber auf welchen Umwegen und mit welchen Schwierigkeiten!
                                 – Nichts desto weniger ist Boͤhmen in Ansehung der großen
                                 Mannigfaltigkeit seiner Glaswaaren, ihrer Guͤte und aͤußeren
                                 Ausstattung, im Ganzen noch von keinem Lande uͤbertroffen. Nur in den
                                 feineren schwereren Krystallglaͤsern, in dem milden und fettigen, das sie
                                 dem Auge darbieten – wahrscheinlich eine Folge der dort sehr
                                 vervollkommneten Schmelzmethode – besizt die englische Fabrikation
                                 Vorzuͤge, die aber von den Erzeugnissen der Buquoy'schen und Meyer'schen Fabrik
                                 erreicht werden, und nicht befremden duͤrfen, wenn man bedenkt, daß
                                 England, wegen seiner uͤbermaͤßigen Besteuerung dieses
                                 Fabrikationszweiges – die mehr als 25 Proc. des Werthes betraͤgt,
                                 – nur Krystallglas erzeugt, daher diesem ausschließende Aufmerksamkeit
                                 widmen kann, und es aber auch zu Preisen absezt, die von der Anglomanie dictirt,
                                 den Producten anderer Laͤnder nie bewilligt werden; uͤbrigens ist
                                 England bei dieser Fabrikation durch seinen herrlichen Sand, seine
                                 Bleibergwerke, seine unerschoͤpflichen Steinkohlenbergwerke und seinen so
                                 sehr erleichterten Wasser- und Landtransport ungemein beguͤnstigt.
                                 Haͤufig sind es auch nur die Preise, welche uns die Concurrenz mit den
                                 Englaͤndern erschweren; Eingeweihte kennen den Grund davon: die Producte
                                 erster und zweiter Sortirung naͤmlich werden in England selbst
                                 verbraucht, sehr theuer bezahlt und bringen dem Erzeuger so viel Nuzen, daß die
                                 schlechtere Qualitaͤt in bedeutenden Massen auf fremde Maͤrkte
                                 geworfen, daselbst oft unter dem Erzeugungspreis
                                 verkauft werden kann, waͤhrend man bei uns theuer Stuͤke nur
                                 selten dem wahren Werthe nach bezahlt, und der Fabrikant daher seinen Regreß in
                                 den minder kostbaren Sorten suchen muß. In Frankreich haben bekanntlich die
                                 wenigen Fabriken, welche feinere Glassorten erzeugen, sich zu einem Verbande
                                 gegen das comsumirende Publicum vereinigt; bei uns hingegen hat die
                                 rivalisirende Concurrenz so vieler Fabriken das Streben nach besserer und
                                 billigerer Erzeugung mit ihrem Interesse verbunden, und hiedurch zugleich auch
                                 den Verbrauch erleichtert und vermehrt. Eine große Wohlthat fuͤr diesen
                                 Industriezweig waͤre es uͤbrigens, wenn der Staat unseren
                                 chemischen Fabriken das Salz behufs der Salzsaͤurebereitung zu
                                 wohlfeileren Preisen uͤberlassen koͤnnte, indem dann das als
                                 Nebenproduct gewonnene Glaubersalz den Glasfabriken ein billiges Surrogat der
                                 Potasche liefern wuͤrde. Eins koͤnnen wir jedoch nicht umhin der
                                 reiflichen Beachtung unserer Fabrikanten dringend ausans Herz zu legen; es ist dieses eine vermehrte Anwendung der hie und da
                                 versuchten, aber meist wieder aufgegebenen Steinkohlen, welche in vielen
                                 Landesgegenden so leicht und wohlfeil gewonnen werden. England arbeitet
                                 ausschließend mit diesem Brennmaterial; Frankreich hie und da ebenfalls, wegen
                                 seines hohen Preises aber nur, um das seltener werdende Holz zu sparen. Von
                                 aͤhnlicher Vorsorge duͤrfen uns weder technische Schwierigkeiten,
                                 noch der jezige Holzuͤberstuß einiger Gegenden abhalten, der
                                 uͤberdieß hie und da bereits eine eintraͤglichere Benuzung
                                 erhielt.
                              Wir wollen nun die verschiedenen Glasfabriken durchgehen. Unter denjenigen,
                                 welche Hohlglas poliren und schleifen, haben die
                                 feineren Producte der Meyer'schen Glasfabrik in
                                 Adolph naͤchst Winterberg, so wie jene der graͤflich Buquoy'schen auf der Herrschaft Gratzen, wohlverdient
                                 einen Weltruf erlangt. Beide bleiben hinter dem Wasser des englischen Krystallglases nicht
                                 zuruͤk, und wuͤrden, wenn die Verhaͤltnisse es lohnten,
                                 dasselbe auch in den uͤbrigen Vorzuͤgen erreichen. Durch die
                                 Localitaͤt und einen wahren Lynn- und Maidstonesand
                                 beguͤnstigt, im Besize eines trefflichen Schmelzverfahrens, und in den
                                 technischen Operationen mit umsichtiger Intelligenz geleitet, erzeugt die Fabrik
                                 des Hrn. Meyer Krystallglas von einer
                                 Schoͤnheit, Weiße, Reinheit und Dauerhaftigkeit gegen die Einwirkungen
                                 des Lichtes u.s.w., wie sie wohl selten erreicht wird. Als Muster fuͤr
                                 aͤhnliche Anstalten ist dessen Fabrikgebaͤude mit 14
                                 Schleifmuͤhlen in Leonorensthal sehenswerth. Die bedeutenden Glasfabriken
                                 des gelehrten Grafen Buquoy bestehen aus den 5
                                 Etablissements in Georg- und Josephsthal, Paulina, Bonaventura und
                                 Silberburg mit mehreren Schleif- und Raffineriewerken, werden von
                                 Wasserkraft getrieben und beschaͤftigen beim Glasmachen, Schleifen,
                                 Schneiden und Vergolden, beim Formdrehen, Hafenmachen, Schuͤren u.s.w.
                                 unmittelbar gegen 350 Arbeiter. An
                                 Hauptmaterialien verarbeiten diese Anstalten im Durchschnitte jaͤhrlich
                                 ungefaͤhr 1800 Cntr. Potasche, 6000 Cntr. Kies, 600 Cntr. Kalk u.s.w.,
                                 bei einem Verbrauch von mehr als 4000 Klafter Brennholz. Unter ihre
                                 vorzuͤglichsten Erzeugnisse gehoͤren geschliffene Krystall-
                                 und feine farbige Hohlglaͤser der verschiedensten Gattung und
                                 Groͤße, wovon 22,000 Stuͤk, Vorzuͤglich in Silberberg
                                 erzeugt werden; gruͤnes und ordinaͤres Kreidenglas, 25,000 Schok;
                                 Hyalithgeschirre, meist vergoldet und im chinesischen Genre, schwarz, roth
                                 u.s.w., wovon 5 – 6000 Stuͤk in Georgenthal producirt werden;
                                 ordinaͤre und farbige Tafelglaͤser, 22,000 Schok; Stok- und
                                 Cylinderuhrglaͤser, wovon 65,000 Duzend in Bonaventura fabricirt werden.
                                 Der jaͤhrliche Gesammtwerth dieser Erzeugnisse betraͤgt
                                 uͤber 200,000 fl. Nicht nur die chemischen und mechanischen
                                 Manipulationen sind in diesen Anstalten musterhaft, sondern es wird auch
                                 fuͤr geschmakvolle Formen Sorge getragen; als Belege des hier
                                 vorwaltenden wissenschaftlichen Geistes erwaͤhnen wir nur der Erfindung
                                 des Hyaliths und des Noséuͤberfanges.
                              Der Norden Boͤhmens besizt ebenfalls ein sehr großartiges Etablissement
                                 dieser Art an der in einem Thale des hoͤchsten Riesengebirgs situirten
                                 graͤflich Harrach'schen Fabrik in Neuwald,
                                 Herrschaft Starkenbach, das der schoͤpferische Geist des Fabrikdirigenten
                                 Hrn. Pohl zu einem zweiten
                                 Choisy-le-Roi umgestaltet. Von den groͤßten
                                 Prachtgefaͤßen bis zu den niedlichsten Beduͤrfnissen der Toilette
                                 sind die Neuwalder Erzeugnisse gleich ausgezeichnet durch geschmakvolle Form, so
                                 wie in kuͤnstlichem Schnitt, Schliff und Brillantirung, vollendeter
                                 Faͤrbung, Vergoldung und Verzierung, wozu die daselbst bestehende
                                 Zeichenschule fuͤr Lehrlinge wesentlich mit beitraͤgt. Stets
                                 aufmerksam auf alle Fortschritte des Auslands und eben so gluͤklich im
                                 Nachahmen als Erfinden, hat der Besizer hier die Inkrustirung der Pasten, die
                                 Rubin- und anderfaͤrbige Plattirung, die Fabrikation des
                                 englischen Flint- und Kronglases, so wie des raffinirten bunten
                                 Fensterglases, zuerst eingefuͤhrt. Außerdem werden hier auch
                                 vorzuͤgliche Compositionen erzeugt, welche die Edelsteine aufs
                                 Taͤuschendste nachahmen, so wie Perlen und Lustersteine von gedruktem
                                 Glase. In neuerer Zeit wurde hier auch viel von jener geformten Glassorte
                                 fabricirt, die so vielen Fabrikanten Besorgnisse einfloͤßte. Mit Unrecht
                                 schreibt man den Amerikanern diese Erfindung zu; sie war, freilich sehr roh und
                                 unvollkommen, schon fruͤher auf boͤhmischen Huͤtten in
                                 Anwendung. In Frankreich wurde in Baccarat dieses Verfahren zuerst durch
                                 Anwendung des Pistons vervollkommnet und man bedient sich daselbst auch zum
                                 Blasen der Masse in
                                 Formen eines besonderen BlasebalgsPolytechnisches Journal Bd. XLVI. S.
                                          406.. Eine fernere Vervollkommnung erhielt dieses Verfahren in Amerika durch
                                 Anwendung der Metallmodel mit guillochirtem Grund, und einer Schraube oder eines
                                 Hebels zum Zusammendruͤken der dazwischen befindlichen Glasmasse; man
                                 erzielt dadurch Desseins von einer Feinheit und Zierlichkeit, namentlich in
                                 rautenfoͤrmig verschlungenen Streifen und Umrissen, wie sie durch
                                 Schneiden und Schleifen nicht hervorgebracht werden koͤnnen.
                                 Auswaͤrts haben nun diese Artikel ihrer eben so wohlfeilen als schnellen
                                 Erzeugung wegen eine große Verbreitung unter den Mittelklassen erlangt, die sich
                                 hiedurch fuͤr ein Billiges Glasgeschirre von gefaͤlliger
                                 Façon anschaffen konnten. Die Neuwalder Fabrik, und ihr bereits
                                 nachfolgend einige andere, haben sich in diesen Artikeln mit gutem Erfolg
                                 versucht, wenn sie auch die feineren amerikanischen Producte, besonders in der
                                 Schaͤrfe der Praͤgung noch nicht erreichten. Die wegen dieser
                                 Hohlglasgattung fuͤr die Existenz der Schleifer hie und da gehegte
                                 Besorgniß theilen wir nicht; dieser Artikel wird, wie alle billigeren
                                 Erzeugnisse, nur eine vermehrte Consumtion von Glaswaaren zur Folge haben; er
                                 wird aber die Geschirre der vorgenannten Fabrikanten so wie jene von Hoffmann in Tassitz, Loͤtz und Schmidt in Goldbrunn, Schuͤrer in Blottendorf, Welz in Guttenbrunn, Eisner in
                                 Bergreichenstein u.a.m., welche in Reinheit des Glases, Tiefe und Feinheit des
                                 Schliffs, und Vollendung der Politur Ausgezeichnetes leisten, nie mehr
                                 empfindlich beeintraͤchtigen koͤnnen, da die vermittelst des
                                 Pistons erzielten groͤßeren Stuͤke wegen der schwierigeren
                                 Ausfuͤhrung nicht nur hoͤhere Preise erheischen, sondern auch bei
                                 breiten Vertiefungen und groͤßeren oberen und inneren Flaͤchen
                                 sehr an Ansehen verlieren, und dem geschliffenen und brillantirten Krystallglas
                                 in Glanz und Politur, so wie in der Rundung der Raͤnder immer weit
                                 nachstehen.
                              Wir koͤnnen diese Branche der feinen Hohlglaswaaren nicht verlassen, ohne
                                 des großen Nuzens zu gedenken, welchen mehrere Haͤuser, die sich
                                 ausschließlich mit dem Raffiniren
                                 beschaͤftigen, diesem Industriezweig gewaͤhren. Sie finden sich
                                 vorzuͤglich im Norden des Landes und am zahlreichsten in Hayda; Objecte ihrer Thaͤtigkeit sind
                                 Glasbearbeitung und Glashandel. In der Gegend unter der Benennung Glasverleger bekannt, muͤssen die Unternehmer
                                 nichts desto weniger als Fabrikanten betrachtet werden, wenn auch ihre Leute
                                 nicht gerade in Fabriken beschaͤftigt sind. Die nach ihrer Angabe und
                                 groͤßten Theils unter ihrer Aufsicht in verschiedenen Gegenden
                                 angefertigten Huͤttenproducte werden naͤmlich in ihre Behausung
                                 verfuͤhrt, und nach erfolgter Sortirung von den die Umgegend oft in
                                 stundenweiter Entfernung bewohnenden Arbeitern, in woͤchentlichen
                                 Transporten, als Ruͤkenlasten und im Winter auf Handschlitten abgeholt,
                                 und eben so abgeliefert, gegen Stuͤklohn fuͤr das Schleifen,
                                 Schneiden, Kugeln, Mahlen, Vergolden, woran selbst Kinder beiderlei Geschlechts,
                                 besonders an dem Agatiren und Poliren Theil nehmen. Eben so werden auf eigene
                                 Weise die dießfaͤlligen Handelsverbindungen theils von Einzelnen, theils
                                 von Compagnien ganz selbststaͤndig betrieben; sie haben naͤmlich
                                 eigene Factorien und Niederlagen in den vorzuͤglichsten See- und
                                 Handelsplaͤzen, die von Mitgliedern oder Angehoͤrigen des
                                 heimatlichen Etablissements geleitet werden. Jene verlassen lezteres oft schon
                                 als Knaben, um Sprache, Sitten und Beduͤrfnisse der
                                 vorzuͤglichsten Absazorte kennen zu lernen und dann nach erlangter Reife in
                                 die Heimath zuruͤkzukehren, und mit einem Geschaͤftsanteile
                                 bedacht, von andern, oft fremden armen Knaben abgeloͤst zu werden, welche
                                 durch Talent und Geschaͤftseifer nicht selten auf diese Weise ihr
                                 Gluͤk machen. So z.B. beschaͤftigen allein die dirigirenden
                                 Haͤuser von Hayda in ihren spanischen und uͤberseeischen
                                 Niederlagen uͤber 300 bloß dem Verschleiße obliegende Individuen. Auf
                                 diese Art hat sich ein sehr erleichterter und vermehrter Verkehr nach allen
                                 Weltgegenden gebildet. Unter den Haͤusern dieser Art sind jene von Janke und Goͤrner
                                 in Blottendorf, Riedl in Antonienwald, Knoͤpfe in Buͤrgstein, Hinke, Rautenstrauch, Zinke und Comp., Steigerwald und Kreibich in Hayda, Palme
                                 und Comp. in Parchem, Vogel in Steinschoͤnau
                                 von besonderer Bedeutung, sowohl in Ruͤksicht des hohen Grades der
                                 Veredlung ihrer Producte, als des ausgebreiteten Verkehrs mit denselben. So ist
                                 z.B. das leztgenannte Haus bloß auf Erzeugnisse fuͤr die Levante und den
                                 Orient eingerichtet; Staͤrke und Groͤße, Form, Verzierung und
                                 Vergoldung seiner mannigfaltigen raffinirten Gefaͤße muͤssen genau
                                 fuͤr den Geschmak und die Lebensweise der dortigen Bevoͤlkerung
                                 berechnet seyn, und obgleich es die Concurrenz mit den, durch erleichterten
                                 Transport so sehr beguͤnstigten Englaͤndern und Franzosen bestehen
                                 muß, so hat es doch allein einen reinen Aktivverkehr von 200,000 fl.
                              Mit der Erzeugung von Glas zu astronomischen Instrumenten hat man sich leider bei
                                 uns noch sehr wenig beschaͤftigt; außer einigen Proben von dem vollkommen
                                 gelungenen und zu Objectiven von 12–15'' tauglichen Flintglase der Neuwalder Fabrik ist uns keine hierauf
                                 bezuͤgliche Leistung bekannt, und 2 wenig beschaͤftigte Optiker in
                                 Prag sind Alles, was das Mutterland der Glasschleifern, den großen Leistungen
                                 des benachbarten Bayerns gegenuͤber, bisher aufzuweisen hat.
                              In bunten, agatirten, gemahlten und vergoldeten
                                    Krystall-, Kreiden- und Beinglaͤsern, wovon auch
                                 die Harrach'sche Fabrik mehreres Ausgezeichnete
                                 liefert, sind 28 Etablissements beschaͤftigt, worunter Zahn in Steinschoͤnau, Klimmt in Falkenau und Kittels Erben in
                                 Kreibitz sehr mannigfaltige, vollendete und in den entferntesten Weltgegenden
                                 gesuchte Erzeugnisse liefern. Das bedeutendste Etablissement dieser Art ist die
                                 Fabrik des Hrn. Friedrich Eggermann in Hayda, durch
                                 mehrere eigene Erfindungen vielfach verdient um die Veredlung des Rohglases
                                 fremder Huͤttenwerke. Außer einem bedeutenden Handelsgeschaͤfte
                                 mit gemodeltem Glase zeichnet sich dieses Haus durch seine Fabrikation farbiger
                                 Glaͤser aller Art aus; das vor 25 Jahren von ihm zuerst dargestellte agatirte Hellglas hat im Auslande seine Beliebtheit
                                 fortwaͤhrend behauptet, sowie auch dessen Topasfaͤrbung. Der Nachahmung eines Besazes von Edelsteinen an
                                 den Geschirren folgte die Erfindung des Lithyalins
                                 oder Edelsteinglases, woruͤber einige
                                 naͤhere Nachweisungen nicht ohne Interesse seyn duͤrften. Diese
                                 Glaͤser sind an der inneren Seite anders gefaͤrbt, als an der
                                 aͤußeren, welche leztere wieder verschiedenartig marmorirt ist; sie
                                 werden mit Lagen von verschiedenen Mineralfluͤssen und Metalloxiden
                                 uͤberzogen, und diese durch den Schliff wieder an verschiedenen Punkten
                                 abgezogen, wodurch die Glaͤser dann die Eigenschaft erlangen, im
                                 durchfallenden Lichte eine andere Farbe darzustellen, als im reflectirten. Die
                                 hiedurch entstehende Mannigfaltigkeit der Farben- das Eggermann'sche Musterbuch zaͤhlt bereits
                                 uͤber hundert Farbenvariationen – hat diesem Artikel bedeutende
                                 Abnahme selbst
                                 in England und Frankreich verschafft. In Boͤhmen werden naͤmlich
                                 die feineren Glaͤser im unbedekten Hafen bei Holztheuerung aus harter
                                 Masse erzeugt, in England und Frankreich aber im bedekten Hafen, meistens mit
                                 Steinkohlen, und aus einer viel Bleioxid enthaltenen Masse, welche das
                                 oͤftere Einbrennen der Farben nicht so gut aushaͤlt, was die
                                 Bereitung des Lithyalins sehr erschwert. Von nicht minderem Interesse sind die
                                 neuesten Erzeugnisse dieser Fabrik, welche das feinste Krystallglas in drei
                                 verschiedenen Faͤrbungen darstellen, naͤmlich jener des feinsten
                                 Karneols, des Rauchtopases und des Rubins, wodurch diese Steine
                                 taͤuschend nachgeahmt werden. Wir sahen Stuͤke der leztgenannten
                                 Faͤrbung nicht durch die viel kostspieligere Platirung, sondern durch
                                 Impraͤgnirung des Glases hervorgebracht, deren reines feuriges Spiel in
                                 der That uͤberrascht, und nach der Versicherung des Erfinders widerstehen
                                 sie der Einwirkung der Saͤuren und des Lichtes gleich gut. Derselbe ist
                                 uͤbrigens bemuͤht, noch andere Faͤrbungen dieser Art
                                 hervorzubringen, und damit auch andere Krystallgattungen als die
                                 boͤhmischen zu verzieren.
                              Geschnittenes Glas. Mit der Darstellung dieses
                                 Artikels sind außer mehreren der obgenannten producirenden und raffinirenden
                                 Etablissements noch einige hundert, groͤßten Theils
                                 selbststaͤndige Glasschneider ausschließend beschaͤftigt. Nicht
                                 immer ist leider die Richtigkeit der Zeichnung mit dem gelungenen Schliff in
                                 Uͤbereinstimmung, so daß eine groͤßere Verbreitung des
                                 Zeichenunterrichts fuͤr die Arbeiter, wie er in der Neuwalder Fabrik den Lehrlingen bereits ertheilt wird,
                                 wuͤnschenswerther waͤre. Die Leistungen Vieler zeugen indessen von
                                 hoͤherer Kunstweihe; Hr. Dominik Biemann,
                                 akademischer Glasgraveur in Prag, Hr. F. A. Pelikan
                                 in Ulrichsthal, und die Gebruͤder Hofmann in
                                 Prag und Karlsbad liefern Portraͤts, Thierstuͤke, Landschaften und
                                 andere Compositionen, die dem Vollendetsten in diesem Fache beigezaͤhlt
                                 werden koͤnnen.
                              Glascompositionen, Perlen, gequetschtes und geblasenes
                                    Glas. Es ist Thatsache, daß die Production dieser von circa 10,000
                                 Menschen, freilich sehr haͤufig als Nebenbeschaͤftigung, betrieben
                                 wird, und dem Lande einen reinen aktiven Gewinn von 2,000,000 fl.
                                 gewaͤhrt. Der Wohlstand, den die Stadt Turnau durch die ausgebreitete
                                 Darstellung kuͤnstlicher Edelsteine erlangte, die bei gehoͤrigem
                                 Schliff oft des geuͤbten Kennerauges beduͤrfen, um von den
                                 aͤchten unterschieden zu werden, ist bekannt. Der Hauptsiz des
                                 Glaskorallen-, Schmelzperlen- und Lustersteinhandels ist der Markt
                                 Gablonz, von wo aus er sehr haͤufig
                                 direct, in alle Weltgegenden, namentlich nach Amerika und in die Levante
                                 schwunghaft betrieben wird. Die Erzeugungen leiten meist hiesige Unternehmer,
                                 welche die auf den benachbarten Dominien Morchenstern und Kleinskall zerstreuten
                                 Arbeiter mit Mustern und Materialien versehen. Erstere unterscheiden sich in:
                                 Compositionsbrenner, welche die in den verschiedensten Farben und Nuancen
                                 dargestellten Glasmassen schmelzen, dann in Stangen und Roͤhrchen formen;
                                 in Glas- und Compositionsdruker (Quetscher), welche mit metallenen
                                 Formzangen die weiche Masse zu Luster- und Schmuksteinen roh formen;
                                 diese werden dann durch Schliff weiter veredelt, was in eigenen
                                 Schleifmuͤhlen geschieht, wovon eine einzige 6–15 Zeuge (besondere
                                 Werkstaͤtten) enthaͤlt, die von dem Schleifmuͤhlenbesizer
                                 einzelnen Arbeitern gegen einen gewissen Zins zur Benuzung uͤberlassen
                                 werden; in Perlenblaͤser, Schleifer, Vergolder und Anreiher, welche leztere (deren gegen
                                 300 bloß auf dem Dominium Morchenstern, meist Kinder sind) die ganz fertigen
                                 Perlen auf Draht und Faͤden ziehen. Eine eigene Arbeit, welche meist nach
                                 Angabe der Verleger verrichtet wird, ist endlich die der Lusterbauer. –
                                 Die Musterkarten einiger Etablissements zeigen mehrere 100 Sorten dieser
                                 verschiedenen Perlen, Korallen, Kreuzchen, Herzchen, Ohrgehaͤngtropfen,
                                 Lustersteine u.s.w. Die HH. Zenker in Josephsthal,
                                 Riedel in Antoniwald, Blaschka in Liebenau, Pfeiffer, Unger und
                                 Goͤble in Gablonz (lezterer im Geschmak
                                 und Materiale, so wie im Schliff besonders ausgezeichnet), sind die
                                 bedeutendsten Repraͤsentanten dieses interessanten, Boͤhmen
                                 eigenthuͤmlichen Industriezweiges.
                              Glasspinnerei. Die Laune der Mode hat diesen Artikel
                                 in den Hintergrund gestellt. Nebst einigen der uͤbrigen Fabriken liefert
                                 Hr. Eggermann in Hayda hierin sehr kunstreiche
                                 Sachen, so wie auch der Prager Glaskuͤnstler Hr. Jerak; lezterer ist zugleich ein sehr gewandter Glasblaͤser, und producirt als solcher nicht nur verschiedene
                                 niedliche Spielereien, der Natur taͤuschend nachgeahmte Blumen,
                                 Frucht- und Thierstuͤke, sondern auch alle Arten
                                 Araͤo-, Baro- und Thermometer, so wie alle Gattungen von
                                 Gefaͤßen fuͤr chemische und physikalische Arbeiten im Kleinen, als
                                 Kolben, Retorten, Vorlagen, Cylinder, Woulf'sche Apparate u. dergl., endlich
                                 Flaͤschchen fuͤr homoͤopathische Taschenapotheken von
                                 verschiedener Façon und Groͤße; er verfertigt auch sehr
                                 schoͤne taͤuschende Augen fuͤr Wachsfiguren und
                                 ausgestopfte Thiere. Die emaillirten Puppenaugen, deren Production in Frankreich
                                 uͤber 200,000 Franken betraͤgt, scheinen bei uns wegen Mangel an
                                 Nachfrage noch nirgend im Großen erzeugt zu werden. Endlich glauben wir zum
                                 Beschlusse noch einiger holographischen Arbeiten von Hrn. Kotzaurek in Prag erwaͤhnen zu muͤssen; es sind dieses
                                 mosaikartige Glasgemaͤhlde, welche durch aufgestreuten, sehr fein
                                 geriebenen gefaͤrbten Glassand, von sehr schoͤner frischer
                                 Faͤrbung, und oft bis in das kleinste Detail richtiger Zeichnung
                                 dargestellt werden.
                              Spiegel- und Tafelglaͤser. Die Anzahl
                                 der Etablissements, welche sich mit deren Darstellung entweder ausschließend
                                 oder neben anderen Glasfabrikationen beschaͤftigen, wurde bereits oben
                                 erwaͤhnt. Es ist bekannt, daß die boͤhmischen
                                 Spiegelglaͤser den franzoͤsischen nur an Groͤße, keineswegs
                                 aber an Schoͤnheit und Reinheit der Masse oder des Schliffs und der
                                 Politur nachstehen, waͤhrend ihr Preis bedeutend geringer ist; in
                                 Tafelglaͤsern der gewoͤhnlichen Art bleibt unser Fabrikat aber in
                                 keiner Beziehung hinter dem eines anderen Landes zuruͤk. Eben so wurden
                                 in dem Belegen der Spiegel in den groͤßeren Etablissements erfreuliche
                                 Fortschritte gemacht, denen sich die matte Facettirung und die
                                 Kostenverminderung bei dem Gießen der Spiegel anschloß. Zu wuͤnschen
                                 waͤre uͤbrigens, daß wir die Kunst, Spiegel in den
                                 kaufmaͤnnischen Vertrieb zu bringen, eben so gut verstuͤnden, als
                                 jene, sie zu erzeugen, und wer z.B. nur die bedeutende Fabrikation der
                                 Feldspiegel in Fuͤrth und Nuͤrnberg kennt, muß sich wundern, daß
                                 aͤhnliche einfache Productionen bei uns nicht zu erstreben gesucht
                                 werden.
                              Unter den verschiedenen Branchen der Glasfabrikation hat jene der
                                 Spiegelfabrikation am wenigsten die unguͤnstigen merkantilischen
                                 Gestaltungen der neueren Zeit empfunden. Selbst der deutsche Zollverein konnte
                                 nur die Fabrikation der Judenmaaßspiegel beeintraͤchtigen und die den
                                 raffinirten und belegten weißen Zollmaaßspiegeln durch denselben zugestoßene
                                 Beschraͤnkung gleicht sich durch die vermehrte Ausfuhr der rohen Spiegel in die
                                 Vereinsstaaten so ziemlich aus; leztere gewaͤhrt auch noch die Vortheile
                                 einer einfacheren Verpakung, geringeren Risicos beim Transport und schnelleren
                                 Capitalumsazes. Da die Spiegelfabrikation mehr als irgend ein anderer
                                 Industriezweig große Capitalien und ein Maaß von Kenntnissen erfordert, welches
                                 nur das Resultat langjaͤhriger Erfahrungen, sowohl von Seite des
                                 Dirigenten als der gewoͤhnlichen Arbeiter seyn kann, welche leztere
                                 uͤberdieß schwer zu rekrutiren sind, weil ihre Lehrzeit von langer Dauer
                                 ist und in einem Alter beginnen muß, wo der Koͤrper eben so geschmeidig
                                 als das Auge kraͤftig ist, so haben wir nicht leicht eine Stoͤrung
                                 dieser guͤnstigen Verhaͤltnisse zu befuͤrchten. Eine
                                 guͤnstigere Gestaltung waͤre jedoch dem Absaze des
                                 gewoͤhnlichen Tafelglases und den feineren Solinglaͤsern zu
                                 wuͤnschen, worin mehrere Etablissements, wie z.B. jenes des Hrn. J. Haffenbroͤdl in Wognomiestetz, sehr
                                 Vollkommenes leisten, besonders in farbigen Tafelglaͤsern und großen
                                 Solinen bis 58 Zoll Hoͤhe und 37'' Breite, die sich eben so sehr durch
                                 Reinheit als Weiße auszeichnen.
                              Mit Einschluß der Waldarbeiter beschaͤftigt die Erzeugung der
                                 Spiegel- und Tafelglaͤser uͤber 4000 Menschen. Bei dem
                                 zunehmenden Verbrauche der Spiegel im Innern der Monarchie und auf mehreren
                                 Maͤrkten des Orients betrug der Gesammtwerth der raffinirten Erzeugnisse
                                 selbst in den lezten Jahren uͤber 280,000 fl., und jener der feineren
                                 rohen Glaͤser ungefaͤhr 1/2 weniger, so daß mit Einschluß des
                                 Fensterglases diese Branchen den dritten Theil von der Gesammtproduction
                                 Frankreichs betragen duͤrften, welche fuͤr Fenster- und
                                 Spiegelglas zu 5,500,000 Franken angenommen wird.
                              Das bedeutendste Etablissement in diesem Industriezweige ist das von G. C. Abele, welches aus den verschiedenen
                                 Fabrikgebaͤuden in Ober-Neuhurkenthal und Deffernik besteht, wo
                                 unter der Leitung der HH. Ferdinand und Friedrich Abele bloß weiße Zollspiegel und Solintafeln erzeugt werden. Sie
                                 liegen in einer der rauhesten und unwirthbarsten Gegenden des
                                 Boͤhmenwaldes, wo nicht nur alle Materialien, sondern auch die
                                 Lebensmittel fuͤr die zahlreichen Arbeiter 4–5 Stunden weit auf
                                 sehr unguͤnstigen Wegen herbeigeholt werden muͤssen; das
                                 Brennmaterial liefert ein Urwald, dessen 2–2 1/2 griffige Baͤume
                                 haͤufig 16–18 Klafter vollkommenes Scheitholz geben, das jedoch
                                 wegen schwerer Zugaͤnglichkeit nur im Winter von den hohen
                                 Bergruͤken auf Handschlitten herabgebracht und an einen mit vieler
                                 Schwierigkeit erbauten Canal gefoͤrdert werden kann, der es erst mit den
                                 Fruͤhjahrswaͤssern der 1 1/2 Stunde entfernten Fabrik
                                 zufuͤhrt; das Anlagscapital dieser lezteren wurde noch durch den Umstand
                                 erhoͤht, daß fuͤr sie, um den bedeutenden Holzbedarf fuͤr
                                 immer reservirt zu haben, das Gut Deffernik mit einem Stande von 6000 Joch
                                 Waldungen beigekauft werden mußte. Aber nicht nur bei der Erzeugung, sondern
                                 auch bei der Verfuͤhrung ihrer Producte haben die Eigenthuͤmer
                                 gegen den durch Gebirgswege so sehr erschwerten Transport zu ringen, bis sie die
                                 naͤchsten Poststraßen erreichen, wovon die noͤrdliche 8, die
                                 suͤdliche aber 12 Stunden entfernt ist.
                              Die einzelnen Localitaͤten des Etablissements selbst konnten nur in
                                 verschiedenen Entfernungen erbaut werden, und bilden folgende Abtheilungen: 1)
                                 die Glasfabrik mit den Schmelzoͤfen und 6 Strek- und
                                 Kuͤhloͤfen, wo durch die Arbeit mit Walzen Tafeln von gleicher
                                 Staͤrke erzielt werden, die eine groß Erleichterung des Schliffs
                                 gewaͤhrt; außer diesen sind noch 16 Kuͤhloͤfen in einem anderen
                                 Gebaͤude angebracht; 2) eine eigene Potaschenraffinerie und
                                 Brennhuͤtte praͤparirt die Materialien fuͤr die
                                 Schmelzoͤfen, wovon jeder zu 6 Schmelztiegeln nach franzoͤsischer
                                 Art eingerichtet ist; 3) das Formen der lezteren und die uͤbrigen
                                 Thonarbeiten werden in zwei besonderen großen Gebaͤuden
                                 vollfuͤhrt; 4) zwei andere Gebaͤude umfassen 24
                                 Schleifstaͤnder; 5) das Polirgebaͤude enthaͤlt 4
                                 Polirtische, deren Maschinerie durch Wasserkraft in Bewegung gesezt wird; 6) die
                                 Maschinerien zum Facettenschliff fuͤr die groͤßten Glaͤser
                                 – jene bis 960 □'' werden aus freier Hand geschliffen –
                                 befinden sich bei der Belegfabrik, die nebst 3 großen, durch Hebel beweglichen
                                 Marmorplatten 6 Preßtische besizt, wo die frisch belegten Glaͤser durch
                                 andere Marmorplatten eingeschwert werden; 7) fuͤr das Abreiben mit
                                 Schmirgel und Poliren vermittelst Kolkothars bestehen 6 Doucirstuben; 8) in
                                 einer eigenen Tafelhuͤtte werden Solin- und
                                 Halbsolinglaͤser erzeugt. Diese Anstalten beschaͤftigen an
                                 Wald-, Huͤtten- und sonstigen Arbeitern unmittelbar an 1800
                                 Menschen verschiedenen Alters, welche saͤmmtlich freie Wohnung in den der
                                 Fabrik gehoͤrigen Gebaͤuden, und außerdem die Benuzung der
                                 derselben gehoͤrigen Grundstuͤke zum Kartoffel- und
                                 Ruͤbenbau, dann Wiesenfutter fuͤr 2–5 Kuͤhe auf eine
                                 Familie genießen, von welcher die meisten Glieder uͤberdieß noch an
                                 Taglohn 18–56 fl. monatlich beziehen. Der Bedarf der
                                 vorzuͤglichsten rohen Materialien betraͤgt im jaͤhrlichen
                                 Durchschnitt 2000 Cntr. Potasche und Soda, 3000 Cntr. reinen Kalkstein, 2000
                                 Strich Erzsand, der 14 Meilen weit aus der Gegend von Pilsen zugefuͤhrt
                                 wird, 60 Cntr. Queksilber, 80 Cntr. Salpeter, 60 Cntr. Arsenik, und uͤber
                                 6000 Klafter Holz, ohne das fuͤr die Transportkisten erforderliche,
                                 fuͤr welches immer 3 Brettsaͤgen beschaͤftigt sind. Eine
                                 wesentliche Verbesserung verdankt diesem Etablissement das Gußverfahren, welches
                                 hier anstatt der sonst gebraͤuchlichen, ungleich kostspieligeren
                                 Metallplatten, auf einer polirten Eisenplatte mit sehr guͤnstigem Erfolge
                                 ausgefuͤhrt wird, die auf dem vaterlaͤndischen Eisenwerke in
                                 Dobrziz verfertigt, sammt den mobilmachenden Vorrichtungen nicht viel
                                 uͤber 3000 fl. kostete. Die in jeder Hinsicht vollendeten und einen
                                 jaͤhrlichen Gesammtwerth von beilaͤufig 120,000 fl.
                                 repraͤsentirenden Erzeugnisse dieser Fabrik, aus welcher bereits
                                 vollkommen ausgestattete gegossene Spiegel von 92'' Hoͤhe und 42''
                                 Breite, und geblasene von 70'' Hoͤhe und 40'' Breite hervorgingen, sind
                                 zu bekannt, um hier naͤher eroͤrtert zu werden. Die
                                 Rohglaͤser werden an die bayerischen Raffinerien, die veredelten im
                                 ganzen Umfange der Monarchie, und mittelbar in der Levante bis nach Alexandrien
                                 abgesezt.
                              
                                 
                                    (Fortsezung folgt.)