| Titel: | Skizzirte Uebersicht des gegenwärtigen Standes und der Leistungen von Böhmens Gewerbs- und Fabriksindustrie in ihren vorzüglichsten Zweigen. Ein Versuch von K. J. Kreutzberg in Prag. | 
| Autor: | Karl Joseph Kreutzberg [GND] | 
| Fundstelle: | Band 60, Jahrgang 1836, Nr. XVIII., S. 62 | 
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                        XVIII.
                        Skizzirte Uebersicht des gegenwaͤrtigen
                           Standes und der Leistungen von Boͤhmens Gewerbs- und Fabriksindustrie in
                           ihren vorzuͤglichsten Zweigen. Ein Versuch von K. J. Kreutzberg in Prag.
                        (Fortsezung von Bd. LIX. H. 6, S.
                           468.)
                        Kreutzberg, uͤber Boͤhmens Gewerbs- und
                           Fabriksindustrie.
                        
                     
                        
                           Eisen. Die Eisenerze sind im ganzen Lande oft in sehr
                              bedeutender Maͤchtigkeit verbreitet; die ergiebigsten Silberbergwerke von
                              Przibram sogar tragen einen Helm von Eisenstein und bekraͤftigen den alten
                              Bergknappenspruch: „Es ist kein Bergwerk so edel so gut, es hat denn einen
                                 eisernen Hut.“ Die 68 Eisenwerke, welche Boͤhmen zaͤhlt
                              und wovon die meisten und groͤßten westlich von Prag im Berauner, Rakonitzer
                              und Pilsner Kreise vorkommen, werden mit wenigstens 86 Hohoͤfen und 340
                              Stab-, Zain- und Wasserhaͤmmern betrieben; uͤber die
                              Anzahl der Blaufeuer, Zerrennheerde, den Bestand von Kupoloͤfen,
                              Cylindergeblaͤsen u.s.w. ist bisher nichts Verlaͤßliches ermittelt
                              worden, und es gehoͤren leztere bei uns leider noch zu der kleineren
                              Minderzahl. Der Puddlingsproceß scheint noch nirgends angewendet zu werden,
                              dafuͤr aber an einigen Orten die – auf den fuͤrstlich Dietrichstein'schen Werken in Ransko und Pelles zuerst
                              eingefuͤhrte – erhizte Geblaͤseluft. Wenn sich der Ausspruch
                              Locke's immer mehr bewahrheitet: „daß der,
                                 welcher den Gebrauch dieses von Vielen mit Geringschaͤzung betrachteten
                                 Metalls zuerst einfuͤhrte, als der Schoͤpfer unserer
                                 Kunstfertigkeit und unseres Wohlstandes zu betrachten ist,“ und wenn
                              es gewiß ist, daß durch das Eisen die Kultur des Menschengeschlechts mehr
                              gefoͤrdert worden ist, als durch irgend etwas Anderes, so ist unverkennbar
                              Boͤhmen hierin von der Natur um so mehr beguͤnstigt, da gerade jene
                              Gegenden die meisten Eisenerze liefern, welche sich zugleich auch eines großen
                              Reichthums an Holz erfreuen, das nach den aufgegebenen Versuchen mit Steinkohlen und
                              Torf bei uns bisher ausschließend zum Huͤttenbetrieb – als Kohle
                              – verwendet wurde. Dieser Beguͤnstigung der Natur entspricht aber noch
                              nicht im Allgemeinen die Intelligenz der Huͤttenmaͤnner; und obwohl
                              mehrere unserer Gewerke Ausgezeichnetes leisten, so befindet sich doch im
                              Allgemeinen unsere Eisenfabrication noch nicht auf jener Hoͤhe, die bei einem
                              mehr rationellen Betriebe erreicht werden koͤnnte, und wozu es wahrlich der
                              beherzigenswerthen Vorbilder in unserem Lande mehrere gibt.
                           Die durch den deutschen Zollverein betraͤchtlich verminderte Ausfuhr unseres
                              Eisens, dessen Produktion sich bedeutend wohlfeiler als jene der Nachbarstaaten
                              gestaltet, hat sich durch den bei dem fortwaͤhrenden Steigen der Industrie
                              taͤglich mehrenden Bedarf ausgeglichen. Die Eisenausbeute betrug im
                              verflossenen Jahre nach dem Ausweis:
                           
                              
                                 220,545
                                 Ctnr.
                                 98 ½
                                 Pf.
                                 Roheisen
                                 zu
                                 565,310
                                 fl.
                                 30
                                 kr. und
                                 
                              
                                   81,476
                                   –
                                 13 ¼
                                  –
                                 Gußeisen
                                  –
                                 340,332
                                  –
                                 15
                                   –Unsere Roheisenproduction verhaͤlt sich demnach
                                          ungefaͤhrzujenerGroßbritannienswie2zu130 –  –Frankreichs –2 –  30 –  –des preuß. Staates –2 –  10.
                                    
                                 
                              
                           
                           Die Eisenproduction scheint jedoch in der That groͤßer zu seyn; man nimmt
                              gewoͤhnlich an, daß sie sonst einen Werth von 1,800,000 fl.
                              repraͤsentirt und uͤber 10,000 Personen beschaͤftigt. Zwei
                              Etablissements zeichnen sich besonders durch die Großartigkeit ihrer Einrichtung und
                              durch die Mannigfaltigkeit und Guͤte ihrer Erzeugnisse aus.
                           Die graͤflich Wrbna'schen Eisenwerke in Horzowitz,
                              von welchen man wohl sagen darf, daß sie fuͤr unser Eisenhuͤttenwesen
                              eine neue Aera begruͤnden halfen, beschaͤftigen bei 4 Hohoͤfen,
                              15 Frischfeuern, 2 Streck-, 4 Zainhaͤmmern, 2 Blechwalzwerken, 1
                              Blechverzinnerei, 1 Loͤffelfabrik, dann mehreren Bohr- und Drehwerken,
                              uͤber 700 Menschen, waͤhrend eine noch bei weitem groͤßere Zahl
                              Nagelschmiede und Blecharbeiter Erzeugnisse dieser Eisenwerke fuͤr ihre
                              eigene Rechnung verschleißen. Diese Werke liefern im jaͤhrlichen Durchschnitt
                              gegen 35,000 Ctnr. rohes und uͤber 25,000 Ctnr. geschmiedetes Eisen. Der bei
                              weitem groͤßere Theil des gewonnenen Stabeisens wird in verzinntes Blech
                              verwandelt. Die Gußwaaren, welche sich auf ungefaͤhr 15,000 Ctnr. belaufen,
                              umfassen die feinsten und niedlichsten Galanteriewaaren, bis zu den groͤßten
                              Gegenstaͤnden fuͤr den Haus- und Fabrikbedarf; in neuerer Zeit
                              wurde auch eine große Quantitaͤt hohler Munition verfertigt. Auf dem
                              Continente war dieses Etablissement das erste, welches die Sandgießerei
                              einfuͤhrte. Außer mehreren Verbesserungen bei den Schmelz- und
                              Frischmethoden dankt Boͤhmen den Horzowitzer Werken auch die Anwendung der
                              Steinkohle beim Eisenwalzen. Mit einem Theile des hier gewonnenen Eisensteins wird
                              auch derber und reiner Zinnober gegraben, der das Floͤz oft in 6 Zoll
                              maͤchtigen Kluͤften durchschneidet.
                           Die, wenn auch spaͤter, aber nicht minder großartig und mit seltenem
                              Kostenaufwande zu dem gegenwaͤrtigen Betrieb umgestalteten fuͤrstlich
                              Fuͤrstenberg'schen Eisenwerke auf der Herrschaft Purglitz, sind mit 3 Hohoͤfen (wovon
                              zwei 40 Fuß hoch), 15 Stabhaͤmmern, 1 Dreh- und Schleifwerk, 1
                              Zeug- und 1 Zainhammer ausgestattet, und beschaͤftigen uͤber
                              500 Gruben- und Huͤttenarbeiter, worunter gegen 50 unmittelbare
                              Hohoͤfenarbeiter, uͤber 60 Gießer und 140 sogenannte Hammerschmiede;
                              uͤber 400 Pferde sind mit Materialzufuhr beschaͤftigt, obwohl von
                              einem Theile der Bergwerke das Erz auf Eisenbahnen sowohl in den Streken als durch
                              den Stollen gefoͤrdert und auf die Halden abgestuͤrzt wird. Unter
                              einem eigenen Huͤtten-Directionspersonale von 10 Beamten werden hier
                              im jaͤhrlichen Durchschnitt uͤber 122,000 Kubikfuß Erze –
                              linsenfoͤrmig koͤrniger und zum Theil dichter rother Thoneisenstein
                              – mit ungefaͤhr 10,000 Kubikfuß ebenfalls hier gewonnener Kalkerze als
                              Flußmittel, und 1,700,000 Kubikfuß Kohlen (die aus mehr denn 40,000 Klftr. Laubholz,
                              meistens aus eigenen Waldungen bezogen, gewonnen werden) zu 43,000 Ctnr. Roheisen
                              verarbeitet. Aus diesem werden producirt uͤber 8000 Ctnr. Gußwaaren
                              groͤßerer Gattung, naͤmlich alle Theile der Dampf-,
                              Spinn- und anderen Maschinen, Cylinder, Gitter, Grabmonumente, Oefen –
                              von diesen allein 15 verschiedene Sorten – u. dgl., dann gegen 300 Ctnr.
                              feinere Gußwaaren; ferner an 28,000 Ctnr. Schmiedeisen – wovon die
                              Haͤlfte Radeisen – so, daß das Gesammtquantum der Eisenfabricate 36,000 Ctnr.
                              uͤbersteigt, wovon besonders der Maschinenguß in großen Partien nach Italien
                              und Ungarn abgesezt wird. Die innere Einrichtung dieser mit einer Zeug- und
                              Hammerwaarenfabrik verbundenen Werke kann musterhaft genannt werden. Wir
                              erwaͤhnen hier nur zweier Dampfmaschinen von 16 Pferdekraft fuͤr
                              eintretenden Wassermangel; der 3 Gußstaͤtten bei dem Neujoachimsthaler Werke
                              mit den Puz- und Lakirkammern; der zwei doppelblaͤsigen
                              Kastengeblaͤse mit Condensatoren und Regulatoren; der hier anstatt den sonst
                              gebraͤuchlichen Aufwerfhaͤmmern angebrachten Schwanzhaͤmmer mit
                              sehr einfachen gußeißernen Geruͤsten und Wellen, des großen Drehwerks in
                              Neuhuͤtten mit mehreren Dreh- und Bohrbaͤnken, wovon eine mit
                              einer Bohrstraße von 18' zur Behandlung von Cylindern
                              von 4' Durchmesser u.s.w. Alle eisernen Maschinerien und
                              Vorrichtungen fuͤr den Betrieb, wovon mehrere den englischen zur Seite
                              gestellt werden duͤrfen, wurden auf den Werken selbst angefertigt.
                           Wenn wir uͤbrigens im Besize einer hinlaͤnglichen Anzahl von
                              tuͤchtigen Mechanikern und Maschinenbauern, deren Mangel noch haͤufig
                              zur Einfuhr auslaͤndischer Maschinen zwingt, waͤren, so
                              befaͤnden sich unsere Eisenwerke gewiß in der Lage, den thaͤtigsten
                              Antheil an dem Erbluͤhen unserer anderen Industriezweige zu nehmen; denn es
                              werden in Boͤhmen sonst noch Maschinengußstuͤcke groͤßerer und
                              vorzuͤglicher Art geliefert: auf den fuͤrstlich Metternich'schen Werken in Plaß, den graͤflich Kollowrat'schen in Mayerhoͤfen, den fuͤrstlich Rohan'schen in Jesseney, und den fuͤrstlich
                              Dietrichstein'schen in Ransko. Eine vorzuͤgliche Qualitaͤt Schmiedeeisen liefern
                              die mit einem großen Walzwerk ausgestatteten Werke des Grafen Buquoy in Kalich und jene des Grafen Berchem-Haimhausen in Prommenhof; erstere so wie
                              die fuͤrstlich Windischgratz'schen auf der
                              Herrschaft Tachau, treiben auch eine bedeutende
                              Blechfabrication, welcher Industriezweig außer den genannten noch 6 andere
                              Etablissements mir ungefaͤhr 300 Arbeitern im Ganzen beschaͤftigt.
                           Loͤffel von verzinntem Eisenblech werden
                              fabrikmaͤßig auf dem Horzowitzer Eisenwerke in bedeutender Menge, und
                              außerdem in 14 anderen Werkstaͤtten des Elbogner Kreises erzeugt, in
                              Graslitz, Platten u.s.w. Unter allen Provinzen der Monarchie liefert Boͤhmen
                              die meisten Loͤffel.
                           Die Nagelerzeugung betreiben, außer den einzelnen
                              Meistern, im Großen 5 Anstalten, wovon die Fabrik von Seidenkoͤhl und Schlick in Saaz im Fache
                              der gepreßten Naͤgel gesuchte Erzeugnisse liefert; leztere besizt eine
                              Maschinerie, die mit hydraulischen Vorrichtungen die Naͤgelkoͤpfe und
                              Stifte sehr gleichfoͤrmig preßt. Mehrere 100 Nagelschmiede auf Hammerwerken und eigenen Heerden liefern auch
                              fuͤr das Ausland bedeutende Quantitaͤten ihrer Producte, meist von dem
                              rothbruͤchigen Nagelzaineisen. Sehr betraͤchtlich sind auch die
                              Arbeiten der Zwekenschmiede und Stiftemacher. Die Weißnagelschmiederei liefert
                              besonders gute Erzeugnisse auf der Herrschaft Gratzen. Naͤchst England
                              erzeugt vielleicht Boͤhmen dieses Product zu den billigsten Preisen.
                           Amboße, Schraubstoͤke u.s.w. werden außer auf
                              mehreren Eisenwerken noch erzeugt in Boͤhmischlaippa in der Anstalt des Herrn
                              J. Reischel, so wie auch Tuchscheeren. Von diesen lezteren erzeugt auch die Hammerschmiede des
                              Herrn Jos. Milucker in Laimgrub bei Winterbarg
                              jaͤhrlich gegen
                              400 Stuͤk a 15 fl., welche bereits in unseren
                              Tuchfabriken beifaͤllige Aufnahme finden.
                           Die Sensenschmiederei nebst der Erzeugung von Sicheln und Strohmessern wird
                              in 10 Huͤttenwerken von beilaͤufig 120 Arbeitern betrieben. Diese
                              Erzeugnisse – welche im Allgemeinen den steyerischen nachstehen –
                              duͤrften nicht viel uͤber 40,000 fl. betragen. Von Bedeutung sind die
                              Moser'schen Sensenfabriken zu St. Theresia-
                              und Johanneshammer auf der Herrschaft Gratzen. Sechzig Personen sind hier mit der
                              Verarbeitung von 3000 Ctnr. sogenanntem Mock- und feinstem steyerischem Stahl
                              beschaͤftigt, und erzeugen an 60,000 Stuͤk Sensen aller Sorten nach
                              dem Bedarf der verschiedensten Laͤnder; ferner 50,000
                              Haͤkerling- oder Strohschneidemesser, die meist ausgefuͤhrt
                              werden, mit Ausnahme der bloß in Boͤhmen gebraͤuchlichen großen,
                              sogenannten Rachelsensen, welche bei etwas uͤber 2 Pf. Gewicht 4' 2'' Laͤnge haben,
                              und zwar einiger Geschiklichkeit in der Fuͤhrung beduͤrfen, durch
                              einen geuͤbten Arbeiter mit nicht großer Anstrengung aber ein
                              groͤßeres Tagwerk liefern als 3 Arbeiter mit kleinen Sensen, oder 6 mit
                              Sicheln. Die Moser'schen Erzeugnisse sind wegen ihrer
                              vorzuͤglichen, den steyerischen gleich geachteten Qualitaͤt sehr
                              geschaͤzt.
                           Die Drahtfabrication wird vorzuͤglich im Elbogner
                              und Saazer Kreise in 18 Drahtmuͤhlen von ungefaͤhr 600 Drahtziehern
                              betrieben, die jaͤhrlich uͤber 3000 Cntr. Eisendraht im Werthe von
                              100,000 fl. liefern sollen. Außerdem noch auf dem fuͤrstlich Nohan'schen Eisenwerke in Jesseney, welches nach
                              franzoͤsischer Art eingerichtet ist, schoͤne und sehr lange, glatte
                              und runde Draͤhte von der feinsten Sorte bis zur Staͤrke von 4 1/2''', und auch bei dieser Dimension ohne Zangenbisse, von
                              vorzuͤglicher Rundung und Glaͤtte liefert. Die Abfaͤlle des
                              Drahtzuges, in Stummeln jeder Staͤrke bestehend, werden von den
                              Ketten- und Ringelschmieden, die des Drahtzaineisens von den Nagelschmieden
                              der Umgegend verwendet. Ein wesentliches Verdienst hat sich dieses Werk auch um die
                              Einfuͤhrung der Feilenfabrication erworben, die
                              hier Producte von sehr schoͤnem Hieb und guter Haͤrte liefert, sowohl
                              ganz- als halbrunde, drei- und vierkantige, dann flache, Vor-,
                              Bastard- und Schlichtfeilen von 2''–16'', Rudel- und Armfeilen verschiedener Sorten,
                              Doppelbaͤnder, endlich ordinaͤre Bundfeilen, so wie alle Sorten
                              Raspeln. Noch scheinen aber diese in Boͤhmen neuen Erzeugnisse den Ruf, und
                              daher dieses Etablissement nicht jenen Umfang erreicht zu haben, der so
                              wuͤnschenswerth ist.
                           Die Stahl-, Zeug-
                              und Schneidewaarenfabrication sieht noch einer
                              groͤßeren Ausdehnung entgegen, leistet aber hie und da bereits
                              Vorzuͤgliches, jedoch in schwieriger Concurrenz mit den Wiener und
                              steyerischen Erzeugnissen, was wohl die hie und da im Lande vertheilte geringe Zahl
                              von Arbeitern erklaͤren mag. Prag beschaͤftigt hierin 18
                              Werkstaͤtten, wenigstens zwei Mal so viel Karlsbad, dessen niedliche
                              Stahlarbeiten auch in der sogenannten brillantirten Arbeit und in den blau
                              angelaufenen Artikeln weltbekannt sind und sich bei geringeren Gestehungskosten
                              eines groͤßeren Absazes erfreuen wuͤrden; als erstes Bedingniß
                              erscheint uns hiezu die Errichtung einer Schleif- und Polirmuͤhle,
                              woran es leider fast allen unseren Stahlarbeitern auf dem Lande fehlt, die sich noch
                              immer mit dem gemeinen concentrisch laufenden, von Menschenhaͤnden
                              ungleichfoͤrmig bewegten Schleifsteine von geringem Durchmesser behelfen.
                              Außer den nicht sehr zahlreichen Artikeln der Stahlwaarenfabriken von Mallik und Tobisch in Kloͤsterle, wovon
                              die leztere fleißig gearbeitete sehr billige Stahlperlen auch fuͤrs Ausland
                              liefert, besizen wir bloß ein einziges Etablissement, wo dieser
                              Geschaͤftszweig im groͤßeren Umfange getrieben wird, an der
                              Stahl-Nuͤrnbergerwaarenfabrik von J. Roͤsler in Nixdorf. Durch staͤte Beachtung und
                              Einfuͤhrung der Fortschritte und Verbesserungen des Auslandes hat die
                              Nixdorfer Fabrik einen Grad von Vervollkommnung erlangt, mit welchem sie unter sonst
                              guͤnstigen anderweitigen Verhaͤltnissen, von der Concurrenz selbst
                              Englands nur wenig zu fuͤrchten haͤtte. Die drei großen
                              Hauptgebaͤude dieses Etablissements vereinigen mehrere Schmiede-,
                              Guß- und Fallwerke, und verschieden construirte Durchschneidmaschinen. Von
                              den 2 großen Wasserraͤdern der Schleifmuͤhle treibt das eine 25
                              Schleifstaͤnde, 1 Zirkelsaͤge, 1 Zirkelfeile, 6 Drehzeuge fuͤr
                              Fingerhuͤte und 4 Staͤnde fuͤr verschiedene Zweke; das andere
                              aber einen Schleifstein von großem Durchmesser fuͤr Saͤgen, 1 Hammer
                              und 1 Schlaglothstampfe. Nebst mehreren hier aufgestellten Apparaten fuͤr die
                              umfangreiche Erzeugung der Fingerhuͤte und der gepreßten Hornschalen
                              fuͤr Rasirmesser, beschaͤftigt dieses Etablissement noch 30
                              Werkstaͤtten in Nixdorf, und in der Umgegend 3 Schleifmuͤhlen, 11
                              Werkstaͤtten nebst mehreren Messerschmieden, in Allem uͤber 250
                              Menschen, wovon 200 zu dem eigentlichen unmittelbaren Fabrikspersonale
                              gezaͤhlt werden. Außer dem Gußstahl, welchen die Fabrik aus England bezieht,
                              wird der andere Metallbedarf an Eisen, Stahl, Blech, Messing, Tombak u.s.w. durch
                              Erzeugnisse der Monarchie gedekt. Mit diesem und den roh eingefuͤhrten
                              bedeutenden Quantitaͤten von Perlmutter, Ebenholz, Elfenbein,
                              Buͤffelhorn etc. erzeugt die Fabrik mehrere Hundert verschiedene Artikel, so
                              z.B. Rasiermesser jaͤhrlich 4000 Duzend, Feder- und Taschenmesser 1500
                              Duzend; Schnuͤrleibfedern, blau lasirt, 2600 Duzend; Fingerhuͤte und
                              Naͤhringe 2500 Gros; ferner in bedeutenden Quantitaͤten, Scheeren,
                              Schnallen, Rasieretuis, verschiedene chirurgische Instrumente, Tischler- und
                              Drechslerwerkzeuge, dann mehrere sogenannte kurze Nuͤrnberger Waarenartikel.
                              Einen von der Fabrik begruͤndeten abgesonderten Industriezweig bilden die
                              hier gefertigten Beschlaͤge zu Pfeifenkoͤpfen, welche aus Messing und
                              Tombak von den ordinaͤren bis zu den feineren Sorten vergoldet und versilbert
                              verfertigt werden. Die Pfeifenkoͤpfe werden aus den Porzellanfabriken in
                              Schlaggenwald und Pirkenhammer, nebst einer großen Anzahl von Thon- und
                              hoͤlzernen Pfeifenkoͤpfen fuͤr eigene Rechnung bezogen und mit
                              ungefaͤhr 35,000 jaͤhrlich hier gefertigten Beschlaͤgen
                              versehen. Schon vor 16 Jahren wurde der Besizer dieses Etablissements vom Staate
                              fuͤr seine Verdienste durch Verleihung des Adelstandes mit dem
                              Praͤdicate: „von Ehrenstahl“ ausgezeichnet.
                           Die Production der verschiedenen Werkzeuge fuͤr die in Holz, Thon, Stein,
                              Metall u.s.w. arbeitenden Gewerbsleute laͤßt bei uns noch Vieles zu
                              wuͤnschen uͤbrig. Noch haben wir keine Anstalt, die der Erzeugung so
                              vieler Sorten von Hobeleisen, Stemmzeugen, Saͤgen, Ziehklingen,
                              Schniz-, Bohr-, Dreh- und Bildhauereisen etc. mit ihren
                              zahlreichen Unterabtheilungen nach den verschiedenen Constructionen und Dimensionen,
                              sich ausschließend gewidmet haͤtte, da diese
                              Artikel, wie z.B. selbst in der Nixdorfer Fabrik, meist nur neben einer bei weitem groͤßeren Menge anderer Stahl- und
                              Eisenproducte fabricirt und daher im Allgemeinen weder in genuͤgender
                              Qualitaͤt noch Quantitaͤt, noch in gleichen Preisen mit jenen des
                              hierin sehr fort geschrittenen Auslandes geliefert werden koͤnnen. Außer in Nixdorf werden
                              auch von Herrn Joachim in Schlan und hie und da von
                              einigen einzelnen Arbeitern mehrere der erwaͤhnten Werkzeuge billig und in
                              vorzuͤglicher Qualitaͤt geliefert; diese vereinzelten Leistungen sind
                              jedoch kein genuͤgender Ersaz fuͤr das tiefgefuͤhlte
                              Beduͤrfniß einer ausschließend im Fache der
                              Werkzeuge arbeitenden Anstalt, die wenn sie diesem, keines Wechsels der Mode
                              unterworfenen und eines staͤten Bedarfs gewissen, fuͤr die meisten
                              uͤbrigen Gewerbe so wichtigen Geschaͤftszweige die noͤthige
                              Sorgfalt und Intelligenz widmete, bei der Wohlfeilheit unseres Brennmaterials und
                              der Arbeitsloͤhne, im einheimischen Besize mehrerer Eisengattungen, die einer
                              vorzuͤglichen Haͤrtung faͤhig sind, und beguͤnstigt
                              durch das bestehende Einfuhrverbot solcher Werkzeuge, gewiß eines in jeder Hinsicht
                              lohnenden Absazes sich zu erfreuen haben wuͤrde. Gute Werkzeuge fuͤr
                              verschiedene mechanische Zweke liefert uͤbrigens auch die Zirkelschmiedezunft in Reichenberg, wo Herr Friedrich Weikelt im Besize einer sinnreich construirten
                              Maschinerie zum Rundfeilen runder Gegenstaͤnde von 1–1/8 Zoll
                              Durchmesser ist, welche besonders bei Anfertigung von Maschinenspindeln sehr gute
                              Dienste leistet. Gute chirurgische Instrumente liefert
                              naͤchst Prag, Karlsbad und Nixdorf, auch Hainspach.
                           Naͤh-, Strik- und Steknadeln. Die lezteren liefert
                              meistens Prag (welches 18 Meister zaͤhlt) und Karlsbad, das auch so wie
                              Schlaggenwald und die weitere Umgegend von ersteren bedeutend viel und in guter
                              Qualitaͤt producirt. Vorzuͤgliches leistet hierin der Chrudimer Kreis
                              und namentlich Landskroͤn. So liefern z.B. die
                              dortigen Werkstaͤtten der HH. Lindenberg und Seidel Fabricate, die den englischen fast
                              gleichgeschaͤzt werden. Jener erzeugt bei einem Verbrauche von
                              ungefaͤhr 50 Cntr. Eisendraht mit 25 Arbeitern und einer durch Wasserkraft
                              getriebenen Schleife, an Naͤhnadeln 5,300,000, Striknadeln 500,000
                              Stuͤk u.s.w.; dieser 2 Millionen Naͤh- und Steknadeln, 400,000
                              Strik- und Haarnadeln.
                           Weberkaͤmme und Kardaͤtschen. Erstere werden in Schoͤnlinde und Reichenberg
                              in ziemlich großer Anzahl gefertigt; in lezterer Stadt werden von den HH. W. Seidel und A. Herkner
                              Kraͤmpeln fuͤr Schaf- und Baumwolle geliefert, die jenen von
                              Lille nicht nachstehen. Hr. Herkner beschaͤftigt
                              gegen 200 Personen, meist Kinder, und besizt mehrere Stech- und
                              Hakelmaschinen nebst einer Lederschneidmaschine nach niederlaͤndischer Art;
                              er erzeugt mit einem jaͤhrlichen Verbrauche von ungefaͤhr 350
                              Kuͤhhaͤuten und 20 Cntr. Eisendraht, gegen 3000 Blaͤtter und
                              20,000 Fußbaͤnder, mit zum Theil ganz feinen Belegen. Die
                              niederlaͤndischen Kardaͤtschen, welche unter der Benennung Maschinenbelege haͤufig eingefuͤhrt werden,
                              erschweren uͤbrigens diesen einheimischen Erzeugnissen die Concurrenz, da der
                              Zollsaz auf erstere per Centner nicht hoͤher ist,
                              als auf den franzoͤsischen Draht, der seines gleicheren Zuges wegen mehr als
                              der einheimische zur Kraͤmpelerzeugung verwendet wird.
                           Schwierig ist es den Umfang der Schlosserei anzugeben, die
                              außer von mehreren Hunderten auf dem Lande zerstreuten Meistern noch sehr
                              haͤufig in vielen der verschiedenen groͤßeren Fabriken betrieben wird,
                              von denen die meisten eigene Schlossereien besizen. Prag zaͤhlt 42
                              Schlossermeister, von denen mehrere sowohl in Galanterie-Schlosserarbeiten,
                              als im Fache der kunstreich gesperrten und verzierten Kassetruhen
                              Vorzuͤgliches leisten; besonders geschaͤzt sind die Arbeiten aus der großen
                              Schlosserwaarenfabrik des Hrn. Frz. Frenzl, die außer
                              mehreren sehr genauen und soliden Maschinen fuͤr den technischen sowohl als
                              landwirthschaftlichen Bedarf, unter Anderem auch besonders gute Bruͤkenwagen
                              fuͤr die verschiedensten Lasten in großer Anzahl liefert, welche so wie jene
                              des Herrn G. Preisger in Schoͤnlinde einen
                              Gegenstand der Ausfuhr bilden. Ein großer Theil boͤhmischer Schlosserwaaren
                              concurrirt uͤbrigens mit den sehr billigen und guten Wiener Erzeugnissen
                              dieser Art, bei dem Absaze in Polen, Italien und der Tuͤrkei.
                           Die Waffenfabrication beschaͤftigt (abgesehen von
                              dem Armeebedarf, der in den Aerarialanstalten erzeugt wird) 12 Etablissements,
                              worunter jedoch mehrere Waffenhaͤmmer, die auch Brettsaͤgen,
                              Schraubstoͤke, Ambose, Sicheln, Schaufeln, Tuchscheeren u.s.w. erzeugen. Die
                              eigentliche Fabrication der Gewehrlaͤufe wird in Preßnitz und ausgedehnter in
                              Weipart betrieben. Gegen 60 Buͤchsen- und Schaͤftenmacher,
                              wovon 1/5 in Prag, verarbeiten einen großen Theil jener Erzeugnisse zu
                              Schießgewehren von verschiedenen Formen, meist ausgezeichnet durch innere
                              Guͤte und geschmakvolles Aeußere, wodurch die Arbeiten auch der Karlsbader
                              Zunft schon fruͤher eine große Beliebtheit erlangt hatten. Seit einigen
                              Jahren bilden unsere Schießgewehre, Pistolen u.s.w. auch einen bedeutenden
                              Ausfuhrartikel. Hr. Lebeda in Prag (dessen Stuzen,
                              Doppelgewehre, Pistolen, Jagdrequisiten u.s.w. ihrer vortrefflichen Construction,
                              Soliditaͤt und sehr eleganten aͤußeren Ausstattung wegen, den
                              gelungensten Leistungen Frankreichs und Englands sich gleichstellen) erzeugt
                              jaͤhrlich nahe an 1000 Stuͤk Gewehre im Werthe von mehr als 50,000 fl.
                              Von ruͤhmlichem Wetteifer zur fortwaͤhrenden Vervollkommnung dieses
                              Industriezweiges zeugen auch die Leistungen der HH. Nowak
                              in Prag, Rutte in Boͤhmisch-Leippa und Nowotny in Leitmeritz, die sich ebenfalls eines
                              ausgedehnten und zahlreichen Absazes erfreuen, da diese Fabrikanten den vielen
                              Verbesserungen, welche in neuerer Zeit in diesem Industriezweige gemacht wurden,
                              nicht nur nicht fremd bleiben, sondern ihn zum Theil auch durch eigene Erfindungen
                              bereicherten.
                           
                        
                           Bergbau. Chemische Producte.
                           Daß ein Volk auch im Schooße der reichsten Natur, wenn es deren Schaͤze nicht
                              zu benuzen weiß, verarmt, beweisen die suͤdamerikanischen Staaten auf eine
                              nur zu traurige Weise, und bekraͤftigen factisch die neuere
                              staatswirthschaftliche Theorie, welche das Ausbeuten der edlen Metalle, und die
                              moͤglichste Verhinderung ihrer Ausfuhr allein,
                              nicht mehr als das sonst so bedeutende Gewicht in der Waagschale des
                              Nationalreichthums gelten laͤßt. Der Beweis aber, wie leicht die Abnahme der
                              Ausbeute edler Metalle verschmerzt werden kann, wenn Muth und Intelligenz sich
                              vereinigen, um der Natur fuͤr die eine entzogene Gunst eine andere
                              abzuringen, duͤrste in neuerer Zeit mit Ausnahme Englands, dessen Kohlenlager
                              ihm bekanntlich einen Reichthum gewaͤhren, der die Goldgruben von Peru und
                              Mexico weit hinter sich zuruͤklaͤßt, wohl am schlagendsten mit den
                              Leistungen unseres sogenannten Mineralbergbaues gefuͤhrt werden, der der
                              Nationalwohlfahrt schoͤnere Fruͤchte brachte, als dieses die Ausbeute
                              der edlen Metalle, selbst waͤhrend ihrer groͤßten Bluͤthe, je
                              vermocht haͤtte. Man muß bei einer Schaͤzung dieser Art
                              natuͤrlich nicht bloß den Geldwerth dieser Producte als Handelswaare
                              betrachten, sondern gerade die Menge und daher die Wohlfeilheit, in der sie gewonnen
                              werden, ist es,
                              welche unsere industrielle Thaͤtigkeit in den meisten Zweigen belebte,
                              ertragsfaͤhig machte und hiedurch die Summe des Nationalvermoͤgens in
                              eben dem Maaße steigerte, als sie den Verkehr nach Innen und Außen vermehrte.
                           Unter den brennbaren Mineralien nimmt in dieser Beziehung die Kohlenausbeute den
                              ersten Plaz ein. Das Land wird von 2 Hauptkohlenfloͤzen durchschnitten; das
                              eine in der harten Glanz- oder Pechkohle gehend, beginnt im Umkreise der Stadt Pilsen,
                              zieht sich an den Ufern der dortigen Waͤsser, mit
                              suͤdoͤstlichen Zweigen, das Zebraker und Horzowitzer Kohlengebirge
                              bildend, bis an die Beraun, begleitet diese mit breit auslaufenden Armen gegen
                              Norden und Nordosten, die bei Muͤhlhausen am linken Moldauufer abscheiden;
                              das zweite Floͤz, in der Braunkohle gehend, von
                              groͤßerer Maͤchtigkeit, zieht sich, wahrscheinlich vom Fichtelgebirge
                              aus, in anhaltender Formation anfangs an den beiden Ufern der Eger, spaͤter
                              mit vorherrschender Ausbreitung am linken Ufer gegen die noͤrdlichen
                              Graͤnzgebirge durch den ganzen Saazer Kreis in den Leitmeritzer und hier
                              noͤrdlich bis Toͤplitz verzweigt, taucht es bei Außig unter die
                              Fluthen der Elbe. Nebst diesen finden sich mehrere isolirte, jedoch bedeutende
                              Floͤze in mehreren Gegenden suͤdlich sowohl als noͤrdlich. Die
                              erstgenannten liefern den bei weitem groͤßeren Theil des Brennbedarfs in der
                              Hauswirthschaft und den Gewerben, der Hauptstadt sowohl als mehrerer holzarmen
                              Gegenden, deren Industrie nur hiedurch Bestand und Gedeihen erhaͤlt. Der
                              Kohlenbau wird auf 65 Dominien betrieben, deren jedes durchschnittlich zu wenigstens 2 Gruben angenommen werden kann, die zum Theil
                              in obrigkeitlichem, meist aber im privatgewerkschaftlichem Betrieb sind. Die
                              Ausbeute des vorigen Jahres an Braun- und Steinkohlen, wobei uͤber
                              2000 Arbeiter unmittelbar beschaͤftigt wurden, betrug 2,568,825 Cntr. 49 Pfd.
                              im Verkaufspreise von 269,337 fl. 24 1/2 kr., ohne den einheimischen, oft sehr
                              bedeutenden technischen Verbrauch der Erzeuger, daher die Gesammtausbeute
                              durchschnittlich jaͤhrlich zu 3 Millionen Centner angenommen werden muß. Sie
                              betraͤgt demnach ungefaͤhr das Dreifache des Koͤnigreichs
                              Bayern, 1/11 jener der preußischen Monarchie, 1/8 der des Koͤnigreichs der
                              Niederlande, 1/7 der von Frankreich, aber nur 1/100 jener von England, das bei der
                              riesigen Ausbeute von 15 Millionen Tonnen (a 20 Cntr.)
                              Steinkohlen, ungeachtet der Mitwirkung zahlreicher Dampfmaschinen noch uͤber
                              45,000 Menschen beschaͤftigt, dafuͤr aber freilich dieser reichen
                              Ausbeute seine Ueberlegenheit in den Gewerben und Manufacturen der Art dankt, daß es
                              dadurch zu einem großen Theile der Welt in ein Verhaͤltniß gesezt wurde,
                              welches dem einer fabricirenden Stadt zu ihren consumirenden Umgebungen gleicht.
                              Bemerkt muß uͤbrigens werden, daß nach den von dem Besizer angestellten
                              Versuchen die Kohlen von dem großen Werke des Herrn J. D. Starck in Reichenau vorzuͤglich reine Kohks liefern.
                           Torfmoore kommen in allen Kreisen, oft in einer
                              Ausdehnung von mehreren 1000 Jochen vor; man hat erst in neuerer Zeit angefangen sie
                              theilweise zu benuzen. Sie bilden nach Hrn. Neumann's
                              Schaͤzung ein Aequivalent von wenigstens 50 Millionen Klafter Brennholz!
                           Von Schwefelkiesen sind mehrere maͤchtige Lager
                              vorhanden. Die in er Nahe dieser Kiese vorkommenden maͤchtigen Kohlenlager
                              beguͤnstigen ungemein die Darstellung der aus denselben hervorgehenden
                              Erzeugnisse, und zwar zu einem Preise, der sie nicht nur zu einem bedeutenden
                              Gegenstande der Ausfuhr
                              macht, sondern auch durch ihren Einfluß auf viele andere Industriezweige die
                              guͤnstige Gestaltung derselben bewirkte.
                           Kupfer- und Eisenvitriol erzeugen 28 Gewerke, von denen mehrere auch
                              Vitrioloͤhl, Alaun und Schwefel darstellen; die bedeutendsten
                              Quantitaͤten von lezterem werden auf den Gewerken des Fuͤrsten Auersperg in Lukawitz und in den umfangreichen
                              Etablissements des Hrn. Joh. David Starck in Altsattel
                              erzeugt. Zu einer Wuͤrdigung der seltenen Verdienste des Leztgenannten um die
                              einheimische ausgebreitetere und ungleich billigere Darstellung der Bergproducte
                              hatte der Verfasser dieses Aufsazes bereits fruͤher Gelegenheit;Bericht der Beurtheilungscommission uͤber die Ausstellung
                                    boͤhmischer Industrieerzeugnisse im Jahre 1831. S. 68. auf diese groͤßere Arbeit verweisend, beschraͤnkt er sich hier
                              nur ungern auf eine summarische Aufzaͤhlung der Leistungen desselben, in
                              sofern daraus der Gesammtumfang dieses wichtigen Industriezweiges ersichtlich wird.
                              Mit 1471 Arbeitern unter der Leitung von 21 Beamten wurden auf den 10 Mineralwerken
                              des Hrn. Joh. Dav. Starck in Altsattel, Ober- und
                              Unterlittmitz, Davidsthal, Hromitz u.s.w. mit 2 Dampfmaschinen, 1 Goͤpel von
                              6 Pferden, 22 Wasser- und 34 Laugenpumpen, 155 Oleumoͤfen, 53
                              bleiernen Sudpfannen, 43 Steinsudkesseln, 7 Poch- und Farbmuͤhlen bei
                              einem Verbrauche von beilaͤufig 180,000 Kolben und Vorlagen und 40,000
                              Flaschen etc. erzeugt:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 60, S. 70
                              Cntr.; Pfd.; Steinkohlen;
                                 Schwefelkiese und Alaunerze; Eisenvitriolstein; Rohschwefel; Eisenvitriol;
                                 Alaun; Kupfervitriol (Cyprischer); Salzburger; Vitrioloͤhl; Caputmortuum;
                                 Schmalte und Streusande durchschnittlich; in den lezten 3 Jahren
                                 1831–1833 zusammen im Jahre 1834
                              
                           Die Production im Jahre 1834 habe ich deßwegen mit der der 3 vorhergehenden Jahre
                              zusammengestellt, um den Einfluß des Zollvereins darauf ersichtlich zu machen. Die
                              Kohlenausbeute des ganzen Jahres, den Brennstoff von 60,000 Klafter Holz
                              repraͤsentirend, wird fast ganz fuͤr den Gebrauch der Werke verwendet;
                              der Wohlfeilheit dieses Brennmaterials gegen das der auswaͤrtigen Anstalten,
                              so wie der Mitverwerthung des Alaunschiefers zur Vitrioloͤhlerzeugung ist die
                              siegende Concurrenz der Starck'schen Erzeugnisse
                              vorzuͤglich zuzuschreiben, von welchen noch im lezten Jahre fuͤr
                              94,522 fl. 46 kr. ins Ausland gingen. Man kann annehmen, daß die Erzeugnisse des
                              Hrn. Starck ungefaͤhr zwei Drittheile der
                              Gesammtproduction an Schwefel, Vitriolen, Oleum etc., welche uͤber 4000
                              Menschen beschaͤftigt, repraͤsentiren.
                           Englische Schwefelsaͤure wird auf dem oben
                              genannten Fuͤrst Auersperg'schen Mineralwerke in
                              13 Bleikammern und einem Abdampfungslaboratorium mit 80 Sandcapellen, dann in der
                              Fabrik des Hrn. Richter in Koͤnigssaal fabricirt. Leztere liefert
                              jaͤhrlich gegen 2000 Cntr., d. i. 2/5 der Gesammtproduction. Herr J. A. Brehm erzeugt auf seiner chemischen und
                              Bergwerksproducten-Anstalt bei Schlan, die Schwefelsaͤure in der
                              Bleikammer unmittelbar aus Schwefelkiesen; ein Verfahren,
                              das unter allen bisher bekannten Methoden unstreitig die meisten Vortheile
                              gewaͤhren, und es moͤglich machen duͤrfte, das bisher nur halb
                              benuzte Urproduct seinem ganzen Gehalte nach zu verwerthen. Hier sowohl als auf den
                              Auersperg'schen Werken wird auch Selen nebst seinen Verbindungen dargestellt.
                           Gyps wird in 13 Etablissements dargestellt, und meist als
                              Duͤngpulver verwendet; unter die bedeutendsten gehoͤrt die
                              fuͤrstlich Fuͤrstenberg'sche Schwarzthaler
                              Gypshuͤtte, welche mit 20 Arbeitern jaͤhrlich uͤber 3000 Cntr.
                              darstellt, mit Verwendung von 5/3 Kalk und 4/3 Steinkohlen. Die gesammte
                              Gypsproduction duͤrfte gegen 16,000 Cntr. betragen.
                           Die Mineralwaͤsser von Marienbad, Franzensbrunn,
                              Bilin, Liebwerda und Puͤllna bilden durch ihre Versendung sowohl als wegen
                              der Fabrikation der hiezu angewendeten Flaschen (deren beilaͤufig 400,000
                              jaͤhrlich erfordert werden) einen bedeutenden Erwerbszweig. Hr. Joseph Hecht in Franzensbrunn hat durch seine sehr
                              sinnreiche Fuͤllungsmethode viel zur besseren Conservirung des versendeten
                              dortigen Wassers beigetragen, da die durch einen einfachen Apparat bewirkte
                              Uebersaͤttigung desselben mit Kohlensaͤure und hiedurch verminderte
                              Zersezbarkeit, es eines weiteren Transportes und laͤngerer Aufbewahrung
                              faͤhig macht. Es wird aber daselbst nicht nur eine bedeutende
                              Quantitaͤt des Biliner Wassers (uͤber 90,000 Kruͤge
                              jaͤhrlich) versendet, sondern auch noch der Abfluß der 3 Quellen auf 15
                              Pfannen verdampft, und das erhaltene kohlensaure Natron zur Faͤllung der von
                              den benachbarten Saidschitzer Quellen hieher gefuͤhrten Bitterwasserlauge
                              verwendet. Diese Magnesia (jene von Manchester an Reinheit und Leichtigkeit
                              uͤbertreffend), so wie das Polychrestsalz bilden gleich dem Karlsbader Salze
                              einen bedeutenden Handelsartikel.
                           Potasche. Die theilweise Anwendung des Glaubersalzes auf
                              unseren Glashuͤtten hat die Production in diesem Artikel nur zum Theil
                              vermindert, da der Verbrauch desselben in unseren Drukereien, Faͤrbereien,
                              Bleichen und chemischen Productenfabriken durch die Ausbreitung dieser
                              Industriezweige, so wie die Ausfuhr (ungefaͤhr 2500 Cntr. jaͤhrlich)
                              gegen sonst bedeutend zugenommen hat. Potaschesiedereien sind fast durchgehends ein
                              Eigenthum der Obrigkeiten, welche selbe durch Paͤchter betreiben lassen.
                              Bedenkt man, daß Boͤhmen 1069 Dominien (obrigkeitliche Bezirke) und 283
                              Staͤdte mit obrigkeitlichen Gerechtsamen zaͤhlt, und werden auch nur
                              2/3 derselben als mit Potaschesiedereien versehen, und jede zu einer
                              durchschnittlich jaͤhrlichen Erzeugung von nur 12 Cntrn. angenommen, so gibt
                              dieses eine Quantitaͤt von fast 11,000 Cntrn.
                           Salpeter wird in Prag und in einigen holzreichen Gegenden
                              erzeugt und vom Militaͤraͤrar fuͤr die Pulverfabrication
                              eingeloͤst, welche in Stiechowitz auf 12 Muͤhlen betrieben wird.
                           Die Fabrication der unter der allgemeinen Bezeichnung chemische
                                 Producte begriffenen Saͤuren, Salze und anderen Praͤparate
                              wird in 18 Etablissements betrieben; am ausgebreitetsten aber und mit seltener
                              wissenschaftlicher und
                              technischer Intelligenz in der unter Leitung des verdienten Chemikers Hrn. J. Popp stehenden Fabrik des Hrn. F. X. Brosche in Prag. In 2 abgesonderten großen
                              Gebaͤuden mit unterirdischen Gewoͤlben, Magazinen, Trokenboͤden
                              befinden sich hier mehrere geraͤumige Laboratorien; es ist die Einrichtung
                              getroffen, daß jedes einzelne nur fuͤr gewisse Erzeugnisse ausschließend
                              verwendet wird, und dieser Umstand ist gewiß von Einfluß auf die
                              ruͤhmenswerthe Reinheit der Brosche'schen
                              Erzeugnisse. Die Fabrik beschaͤftigt nie unter 30–40 Arbeiter; reines
                              Wasser, ein Hauptbeduͤrfniß solcher Anstalten, wird aus der an dem einen
                              Gebaͤude vorbeifließenden Moldau gehoben, in einen großen Reinigungsapparat
                              geleitet, und kann von da durch ein Drukwerk nach allen Richtungen des
                              Gebaͤudes vertheilt werden. Die Erzeugung der Bleichpraͤparate,
                              vorzuͤglich des Chlorkalks, geschieht in 2 großen Kammern mit
                              Bleiwaͤnden und 4 großen bleiernen Gasentwikelungsapparaten, von denen jeder
                              ein Gemisch von 6 Cntrn. Kochsalz, Braunstein und Schwefelsaͤure faßt. Die
                              Darstellung der Queksilberpraͤparate und sonstigen giftigen Salze und
                              Saͤuren geschieht in einer eigenen freistehenden, verschließbaren Kammer, die
                              mit Capellenheizung von Außen, und acht Fenstern, durch welche die Operationen
                              beobachtet werden koͤnnen, versehen ist. Die Fabrik erzeugt in
                              groͤßeren Quantitaͤten besonders Soda, Mangansalze und Zinnsalz,
                              Salz- und Salpetersaͤure; sie liefert aber auch alle anderen
                              Praͤparate, besonders Chlor-, Jod- und Chromverbindungen, dann
                              die verschiedenen Alkaloide, naͤmlich Chinin, Veratrin, Piperin, Morphin etc.
                              Dieses ausgezeichnete Etablissement, welches mit einem Verbrauche von
                              ungefaͤhr 100 Klafter Brennholz und 6000 Cntr. Steinkohlen jaͤhrlich
                              uͤber 8000 Cntr. der verschiedenen genannten Producte erzeugt, dekt jezt
                              nicht nur einen großen Theil des sonst vom Auslande bezogenen Fabrikbedarfs, sondern
                              verkehrt auch mit den uͤbrigen Provinzen der Monarchie und dem Auslande; ein
                              Resultat, das nur der durch den Bezug der zahlreichen Materialien aus erster Hand
                              erzielten Billigkeit der Producte, so wie ihrer ausgezeichneten Reinheit
                              zuzuschreiben ist. – Hr. Richter besizt in
                              Koͤnigssaal außer einer großen, mit seltener Vollkommenheit eingerichteten
                              Zukerraffinerie noch eine chemische Fabrik, wo besonders Holzessig, Bleiweiß,
                              Bleizuker, Soda, Salz-, Schwefel- und Salpetersaͤure, Seife
                              fuͤr den Haus- sowohl als Fabrikbedarf, Zukersaͤure, Chlorkalk,
                              Kreosot dargestellt werden. Die mannigfaltigen chemischen Erzeugnisse des bereits
                              erwaͤhnten Hrn. J. A. Brem, so wie die des Hrn. D.
                              Hirsch in Prag (lezterer liefert
                              hauptsaͤchlich die Salz-, Salpetersaͤure und
                              Koͤnigswasser, dann die verschiedenen Zinn-, Blei-,
                              Eisen-, Kupfer-, Wismuth- und Zinksalze, verschiedene in den
                              Kattundrukereien angewandte Praͤparate, dann chemisch reine Reagentien),
                              deßgleichen die von HH. L. A. Roose und Comp. in
                              der Prager Vorstadt Karolinenthal, (welcher vorzuͤglich eifenblausaures Kali
                              mit Benuzung der thierischen Abfaͤlle der Hauptstadt bereitet) genießen eines
                              guten Rufes. Salzsaͤure erzeugen uͤberdieß
                              bereits mehrere Glashuͤtten bei Darstellung des Glaubersalzes; aber wenn
                              auch, wie leicht begreiflich, billiger als in den chemischen Fabriken, doch nicht
                              immer von gehoͤriger Reinheit; ein Fehler, der leider auch bei anderen
                              Producten mehrerer unserer chemischen Fabriken zu ruͤgen ist.
                           
                              (Fortsezung folgt.)