| Titel: | Bericht des Hrn. Francoeur über eine neue von Hrn. Cluesmann, Musikinstrumenten-Fabrikanten in Paris, erfundene Methode zum Spannen der Saiten der Fortepianos. | 
| Fundstelle: | Band 60, Jahrgang 1836, Nr. LXV., S. 341 | 
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                        LXV.
                        Bericht des Hrn. Francoeur uͤber eine neue von Hrn.
                           Cluesmann,
                           Musikinstrumenten-Fabrikanten in Paris, erfundene Methode zum Spannen der Saiten
                           der Fortepianos.
                        Aus dem Bulletin de la Société
                                 d'encouragement. November 1835, S. 513.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              VI.
                        Cluesmann's verbesserte Fortepianos.
                        
                     
                        
                           Die Saiten der Fortepianos werden bekanntlich gespannt, indem man sie an dem einen
                              Ende mit einer aus der Saite gebildeten Schlinge an Stiften anhakt, welche in der
                              Naͤhe des Kammes fixirt sind, und indem man sie mit dem anderen Ende
                              allmaͤhlich auf staͤhlerne Zapfen aufwindet, die außerhalb des Steges
                              in Loͤcher des Saitenbrettes eingelassen werden. Das Umdrehen dieser Zapfen
                              geschieht mittelst eines vierekigen Schluͤssels, der an die vierekigen
                              Koͤpfe der Zapfen paßt.
                           Diese allerdings einfache Spannungsmethode hat das Unangenehme, daß selbst die
                              kleinste dem staͤhlernen Zapfen mitgetheilte Bewegung so stark auf den
                              diatonischen Grad des Tones der Saiten wirkt, daß es sehr schwierig wird, die
                              Drehung des Schluͤssels dem verlangten Tonabstande anzupassen: abgesehen
                              davon, daß die Saiten hiebei nicht selten brechen. Man suchte diesem Uebelstande zum
                              Theil wohl dadurch abzuhelfen, daß man dem Schluͤssel die Gestalt einer
                              Kurbel mit langem Arme gab, wo dann allerdings schon bedeutendere Bewegungen
                              erforderlich sind, um eine Wirkung auf die Spannung hervorzubringen; allein da sich
                              der Zapfen um eben so viele Grade um seine Achse bewegt, als der Arm der Kurbel, und
                              da der Arm bei seiner Laͤnge uͤberdieß in der Handhabung
                              laͤstig ist, so kam diese Spannungsmethode nie allgemein in Anwendung.
                           Hr. Cluesmann bezwekt nun durch seine Erfindung eine
                              Spannung, bei welcher die Saiten so allmaͤhlich und in so kleinen Graden
                              angezogen werden, daß sich der verlangte Ton leicht erzielen laͤßt, und daß
                              folglich die Stimmung der Pianos hiedurch sehr erleichtert wird. Da naͤmlich
                              ein Instrument dieser Art, wenn es 6 Octaven zaͤhlt, 216 Saiten hat, so
                              wiederholt sich die zum Stimmen jeder einzelnen Saite noͤthige Zeit 216 Mal,
                              was allerdings von großer Wichtigkeit ist. Rechnet man hiezu noch die Zeit, welche
                              durch das Brechen der Saiten verloren geht, so wird man sich nicht wundern, daß
                              selbst ein guter Stimmer zum Stimmen eines solchen Instrumentes bis an zwei Stunden
                              Zeit braucht. Durch den von Hrn. Cluesmann erfundenen
                              Apparat wird diese lange Zeit nun nicht nur bedeutend abgekuͤrzt, sondern die
                              Musikliebhaber koͤnnen auch zufaͤllig verstimmte Saiten leicht selbst
                              wieder stimmen: was besonders auf dem Lande und uͤberhaupt an solchen Orten,
                              wo man nicht leicht einen guten Stimmer bekommen kann, von Wichtigkeit ist.
                              Uebrigens muß noch bemerkt werden, daß die Anforderungen der sogenannten Temperatur,
                              in Folge deren man die Accorde durch Schwaͤchung der Quinten und
                              Erhoͤhung der Quarten aͤndern muß, die Stimmung der Fortepianos sehr
                              schwierig machen; denn diese Kunst erfordert solches Studium und solche Sorgfalt,
                              daß man es nur mit besonderer Uebung und bei einem sehr feinen Ohre zu einiger
                              Vollkommenheit bringen wird. Das Instrument des Hrn. Cluesmann wird, indem es alles dieß erleichtert, nicht nur den Beifall der
                              Stimmer von Profession erhalten; sondern es werden sich auch alle Musikliebhaber
                              desselben erfreuen, weil sie damit im Stande seyn werden, allen kleineren
                              Verstimmungen, die sich nur uͤber eine geringe Anzahl von Saiten erstreken,
                              selbst abzuhelfen.
                           Anstatt das vordere Ende der Saite mit einer Schlinge an einem Stifte zu befestigen,
                              windet Hr. Cluesmann dieses Ende um eine
                              staͤhlerne Spindel, welche man in Fig. 46 bei a sieht, und welche mit ihrem unteren Ende ziemlich frei
                              in ein vierekiges, in dem Saitenbrette angebrachtes Loch paßt. Dieses Aufwinden wird
                              an dem unteren Theile der Spindel vorgenommen, und zur Erleichterung desselben ist
                              durch die Spindel ein Loch gebohrt, durch welches das Ende der Saite gestekt wird,
                              gleichwie man die Violin-, Guitarre- und andere Saiten durch die
                              Stimmschrauben zu steken pflegt. An dem oberen Ende der Spindel ist eine messingene
                              horizontale Schraube c angebracht, so zwar, daß sie sich
                              mit ihrem Ende gegen die Spindel stemmt. Diese beilaͤufig 5 Centimeter lange
                              Schraube ist bis zur Mitte in eine unbewegliche, an einer Stuͤze von
                              gehoͤriger Hoͤhe fixirte Schraubenmutter eingelassen; ihr Kopf ist
                              vierekig, und wird mit einem gleichfalls vierekigen, an dem Ende eines Griffes
                              befestigten Schluͤssel erfaßt, indem man lezteren horizontal an den
                              Schraubenkopf bringt. Dreht man auf diese Weise die Schraube in ihrer
                              Schraubenmutter, so druͤkt sie mehr oder minder gegen das Ende der
                              staͤhlernen Spindel, deren Neigung gegen das Saitenbrett hiedurch
                              veraͤndert wird. Diese Bewegung theilt sich dann der Saite mit, so zwar, daß
                              man deren Spannung um so kleine Quantitaͤten, als man nur will,
                              abaͤndern kann. Der Fabrikant hat nur darauf zu sehen, daß der Winkel, den
                              die Saite an dem Kamme mit ihrer Unterlage bildet, nicht zu groß ist, damit die
                              Bewegung der Saite dadurch nicht beeintraͤchtigt wird.
                           Das andere Ende der Saiten wird wie gewoͤhnlich um staͤhlerne Zapfen gewunden, die
                              jedoch hier nur zur Hervorbringung der großen Bewegungen dienen. Will man einer
                              Saite naͤmlich den verlangten Ton geben, so dreht man, nachdem sie an dem
                              einen Ende auf die Spindel, und an dem anderen auf den Zapfen gewunden worden ist,
                              mit dem gewoͤhnlichen Schluͤssel den Zapfen so lange um, bis die Saite
                              so stark gespannt ist, daß sie beinahe den verlangten Ton gibt, was man bei geringer
                              Uebung leicht erkennt. Die vollkommene Stimmung geschieht dann mit Huͤlfe des
                              neuen, oben beschriebenen Mechanismus.
                           Die Pianos, welche Hr. Cluesmann fabricirt, unterscheiden
                              sich von den gewoͤhnlichen nur durch diesen Apparat; und da dieser dem Tone
                              des Instrumentes nicht im Geringsten nachtheilig ist, so ergeben sich auch lediglich
                              die Vortheile dieser Einrichtung ohne alle unangenehme Nebenwirkungen. Wir sahen ein
                              von Hrn. Cluesmann verfertigtes Piano, zu dessen Stimmung
                              man uͤber ein Jahr lang keinen Stimmer brauchte, da jedes Mal, so oft sich in
                              Folge der atmosphaͤrischen Einfluͤsse auch nur eine leichte
                              Verstimmung zeigte, der gewuͤnschte Ton sogleich wieder mit Leichtigkeit
                              hergestellt werden konnte. Die neue Vorrichtung gewinnt endlich auch noch dadurch an
                              Werth, daß sie ohne alle Schwierigkeit und fuͤr die maͤßigen Kosten
                              von 35 bis 40 Fr. an jeder Art von Piano angebracht werden kann; wir selbst sahen
                              bei dem Erfinder einen alten Fluͤgel, welcher durch den neuen Mechanismus
                              gleichsam verjuͤngt worden ist, und der nun wieder sehr gute Dienste
                              leistet.
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
