| Titel: | Ueber die Ursachen des häufigen Vorkommens von Blei in den chemischen Präparaten der englischen Fabriken; von Gustav Schweitzer. | 
| Fundstelle: | Band 60, Jahrgang 1836, Nr. LXXXVII., S. 453 | 
| Download: | XML | 
                     
                        LXXXVII.
                        Ueber die Ursachen des haͤufigen
                           Vorkommens von Blei in den chemischen Praͤparaten der englischen Fabriken; von
                           Gustav
                              Schweitzer.
                        Aus dem London and Edinburgh philosophical Magazine.
                              April 1836, S.
                                 267.
                        Schweitzer, uͤber Bleigehalt chemischer
                           Praͤparate.
                        
                     
                        
                           Ich habe seit einiger Zeit (in England) eine Menge chemischer Praͤparate
                              untersucht und gefunden, daß viele davon unrein sind und Blei enthalten. Oefters
                              fand ich in 1000 Gran einfachkohlensaurer Bittererde 2,4 Gran einfachkohlensaures
                              Blei. Zweifachkohlensaures Kali enthielt eine aͤhnliche Quantitaͤt;
                              zweifachkohlensaures Natron, einfachkohlensaures Ammoniak etc. waren ebenfalls mit
                              Blei verunreinigt. Es ist klar, daß wenn diese Substanzen Blei enthalten, viele
                              andere Verbindungen, welche mit ihnen dargestellt werden, ebenfalls unrein seyn
                              muͤssen. Diese Unreinheit ist großen Theils die Folge der Bereitungsart
                              dieser Substanzen. Bleierne Gefaͤße werden zu oft zu ihrer Krystallisation
                              und Faͤllung angewandt; aber auch durch das weiße Glas (welches man in
                              England gebraucht) kommt etwas Blei in jene Substanzen. Um die Wirkung der Alkalien,
                              Saͤuren und Salze auf dieses Glas kennen zu lernen, stellte ich folgende
                              Versuche an. Weiße Arzeneiglaͤser wurden theils mit destillirtem, theils mit
                              gewoͤhnlichem Wasser gefuͤllt. In keinem Falle wurde dem Wasser Blei
                              mitgetheilt, selbst nachdem die Glaͤser einige Wochen der
                              gewoͤhnlichen Temperatur ausgesezt waren; wenn aber das destillirte Wasser
                              mit kohlensaurem Gas impraͤgnirt war, reagirte die Fluͤssigkeit schon
                              nach wenigen Tagen deutlich auf Blei, und als man sie kochte, um das Gas
                              auszutreiben, zeigte sie keinen Bleigehalt mehr, ein Beweis, daß sich durch die
                              Wirkung des kohlensauren Gases auf das Glas zweifachkohlensaures Blei gebildet
                              hatte. Essigsaͤure, Salpetersaͤure, Salzsaͤure nehmen auch Blei
                              aus dem weißen Glase auf. Verduͤnnte Schwefelsaure, welche einige Zeit in
                              diesen Glasern aufbewahrt worden war, enthielt kein Blei aufgeloͤst; als man
                              aber die Saͤure abgoß und die Flasche mit Salpetersaͤure
                              ausspuͤlte, entdekte man die Gegenwart von Blei. Neutrale Salze zeigten eine
                              gleiche Wirkung, wenn sie solche Saͤuren enthielten, welche mit Bleioxyd
                              unaufloͤsliche oder sehr schwer aufloͤsliche Verbindungen bilden und
                              erzeugten mehr oder weniger ein Haͤutchen auf dem Glase, welches sich in
                              Salpetersaͤure aufloͤste, gerade so wie phosphorsaures, kleesaures,
                              chromsaures oder schwefelsaures Blei. Chlorblei ist in reinem Wasser nur schwach
                              aufloͤslich und nach meiner Analyse loͤsen 100 Theile destillirten
                              Wassers nur 0,74 Theile Chlorblei auf. Aufloͤsungen von Chloriden
                              loͤsen nach ihrer Staͤrke auch mehr oder weniger Chlorblei auf, aber
                              immer weniger als destillirtes Wasser, denn wenn man eine concentrirte
                              Aufloͤsung von Chlorblei in destillirtem Wasser mit einigen Tropfen
                              Chlorcalcium von 0,2 Gehalt versezt, so scheidet sich der groͤßte Theil des
                              Chlorbleies ab; durch uͤberschuͤssiges Chlorcalcium wird jedoch das
                              Chlorblei wieder aufgenommen. Dieß geschieht auch, wie ich fand, mit den Chloriden
                              von Ammonium, Eisen, Lithium, Magnesium, Kalium, Natrium und Zink, und
                              wahrscheinlich ist es der Fall mit allen Chloriden von einer entsprechenden
                              Concentration. Eine Aufloͤsung eines Chlorids, welche in weißen Glasflaschen
                              aufbewahrt wird, wird also nach ihrer Staͤrke Chlorblei aufnehmen und je mehr
                              Chlorid die Aufloͤsung enthaͤlt, desto weniger Chlorblei wird sie
                              aufloͤsen. Im Kochen nehmen die Chloride eine betraͤchtliche Menge
                              Chlorblei auf, wovon ein Theil beim Erkalten der Fluͤssigkeit wieder
                              herauskrystallisirt.
                           Aezende Alkalien wirken sehr stark auf weißes Glas und loͤsen viel Bleioxyd
                              daraus auf. Aezammoniak wirkt sehr schwach auf das Glas; einfachkohlensaures Kali,
                              Natron und Ammoniak loͤsen auch Blei auf, aber betraͤchtlich weniger
                              als die aͤzenden Alkalien. Eine concentrirte Aufloͤsung von
                              einfachkohlensauren Alkalien wird weniger aufnehmen als eine verduͤnnte.
                              Fluͤchtige Oehle wirken nicht auf das Glas. Diese Versuche beweisen, daß die
                              in England gebraͤuchlichen weißen Glasflaschen sich fuͤr chemische und
                              medicinische Zweke nicht eignen. Die Glasfabrikanten sezen ihrer Masse zu viel
                              Bleioxyd zu, um das Glas leichtfluͤssiger zu machen; nach Faraday's Analyse enthaͤlt das gewoͤhnliche
                              Flintglas 33 Proc. Bleioxyd, waͤhrend fuͤr alle chemischen und
                              medicinischen Zweke ein bleifreies Glas angewandt werden sollte.
                           Ich brachte ein Stuͤk Blei, welches auf der Oberflaͤche vollkommen rein
                              und metallischglaͤnzend war, in destillirtes Wasser in einem verschlossenen
                              Gefaͤße; nach einiger Zeit war es mit krystallinischem einfachkohlensaurem
                              Blei uͤberzogen und auch in der Fluͤssigkeit schwammen kleine
                              krystallinische Schuppen. Die Fluͤssigkeit machte geroͤthetes
                              Lakmuspapier wieder blau und die Reagentien zeigten die Gegenwart von Blei in ihr
                              an; als man sie aber sorgfaͤltig durch Papier filtrirte (welches durch
                              schwache Salpetersaͤure von seinen Unreinigkeiten befreit worden war), konnte
                              keine Spur von Blei mehr darin entdekt werden, ein Beweis, daß das kohlensaure Blei in dem Wasser bloß
                              zertheilt und nicht aufgeloͤst war. Wenn man Bleioxyd mit reinem Wasser in
                              einem offenen oder geschlossenen Gefaͤße stehen laͤßt, so loͤst
                              sich nichts davon auf; eine Thatsache, die mit der gewoͤhnlichen Meinung in
                              Widerspruch steht.Gmelin's Handbuch der theoretischen Chemie, Bd.
                                    I. S. 1075. (Man vergl. Yorke's interessante
                                    Abhandlung uͤber die Wirkung des Wassers und der Luft auf Blei im
                                    Polyt. Journale Bd. LIV. S. 20. A.
                                    d. R.) Quellwasser und Mineralwasser zerfressen Blei, indem sie es mit Oxyd
                              uͤberziehen, ohne eine Spur davon aufzuloͤsen; Mineralwasser aber,
                              welche stark mit kohlensaurem Gas impraͤgnirt sind, enthalten ziemliche
                              Spuren von Blei, wenn sie einige Zeit damit in Beruͤhrung waren. Hr. Walker fand in dem Mineralwasser von Bath Blei, welches
                              durch die bleiernen Leitungsroͤhren hineinkommt; sollte das Blei aber nicht
                              bloß mechanisch darin vertheilt seyn? Das Resultat meiner Versuche macht es mir
                              wahrscheinlich.
                           Fluͤchtiges Oehl loͤst Blei leicht auf. Alkohol und Aether wirken, wenn
                              sie rein sind, nicht auf dieses Metall. Wenn eine alkalische Fluͤssigkeit
                              eine Spur Blei enthaͤlt, ist das beste Reagens darauf
                              schwefelwasserstoffsaures Ammoniak, wodurch man 1/500,000 Gran krystallisirten
                              essigsauren Bleies noch entdeken kann; bei dieser Verduͤnnung muß aber das
                              Licht schon auf die Oberflaͤche der Fluͤssigkeit fallen und dieselbe
                              wenigstens einen Zoll im Durchmesser haben, wenn die Reaction merklich seyn soll. In
                              einer neutralen oder nur schwach sauren Fluͤssigkeit kann man das Blei durch
                              Schwefelwasserstoffgas entdeken; es ist aber raͤthlich, einen Zusaz von
                              Salpetersaͤure zu vermeiden, weil bei einem unbedeutenden Ueberschuß
                              derselben geringe Spuren von Blei leicht uͤbersehen werden koͤnnen.
                              Essigsaͤure ist vorzuziehen, weil ein Ueberschuß davon die Empfindlichkeit
                              des Schwefelwasserstoffgases nicht beeintraͤchtigt. Chromsaures Kali zeigt
                              noch Spuren von Blei an, welche durch schwefelsaures Natron nicht mehr entdekt
                              werden koͤnnen. Salpetersaͤure loͤst aber das chromsaure Blei
                              auf und Salzsaͤure verwandelt es in Chlorblei, indem sie zugleich, besonders
                              in der Waͤrme, die Chromsaͤure unter Entbindung von Chlorgas auf Oxyd
                              reducirt. Essigsaͤure loͤst aus dem chromsauren Blei nach van Mons etwas Blei auf, besonders wenn sie einige Tage
                              damit in Beruͤhrung bleibt.