| Titel: | Ueber die Seidenraupenzucht und deren Erträgnisse. Von Hrn. Henri Bourdon. | 
| Fundstelle: | Band 61, Jahrgang 1836, Nr. X., S. 41 | 
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                        X.
                        Ueber die Seidenraupenzucht und deren
                           Ertraͤgnisse. Von Hrn. Henri
                              Bourdon.Diese Abhandlung bildet einen trefflichen Anhang zu dem vorhergehenden und dem
                                 bereits fruͤher mitgetheilten Aufsaze d'Arcet's. Wir empfehlen dieselbe um so mehr, als man bei uns noch zu
                                 wenig durch numerische Daten nachgewiesen hat, welche financiellen Vortheile die
                                 Seidenzucht gewaͤhrt; und als die gegenwaͤrtig gelieferten
                                 Berechnungen aus Erfahrungen abgeleitet wurden, welche man in der Naͤhe
                                 von Paris, also in einer Gegend, die in Hinsicht auf Klima nicht gar zu sehr von
                                 unseren Ortsverhaͤltnissen abweicht, sammelte. Immer mehr ergibt sich
                                 hieraus, wie wuͤnschenswerth es ist, daß die Seidenzucht kraͤftige
                                 Wurzeln bei uns fasse, und daß die Bemuͤhungen einiger Vereine sowohl als
                                 einzelner Privaten allgemeine Theilnahme, Unterstuͤzung und Dank finden
                                 moͤchten. Es ist sogar nicht unwahrscheinlich, daß die Seidenzucht bei
                                 uns schneller auf eine hohe Stufe von Vollkommenheit gelangen koͤnnte,
                                 als in Frankreich; indem es bekanntlich leichter ist den Widerwillen gegen neue
                                 Dinge zu besiegen, als das Festhaͤngen am alten Schlendrian auszumerzen.
                                 Wenn man bei uns anfangen will, die Seidenzucht nach den d'Arcet'schen Grundsaͤzen zu betreiben, so wird man es gewiß
                                 schneller weiter bringen, als im suͤdlichen Frankreich, wo die
                                 Seidenzuͤchter von so zahlreichen schaͤdlichen Vorurtheilen
                                 befangen sind. A. d. R.
                           
                        Aus dem Bulletin de la Société
                                 d'encouragement. Maͤrz 1836, S. 95.
                        Bourdon, uͤber die die Seidenraupenzucht und deren
                           Ertraͤgnisse.
                        
                     
                        
                           Unter gegenwaͤrtigen Zeitverhaͤltnissen, wo man in Frankreich
                              einerseits der Zahlung eines jaͤhrlichen Tributes von 40 Mill. Fr. an das
                              Ausland muͤde, und andererseits durch den Kostenaufwand erschrekt ist, womit
                              England die Seidenfabrication in einigen seiner Colonien zu gruͤnden und zu
                              heben trachtet, glaube ich dem mir bezeugten Verlangen und auch meiner inneren
                              Ueberzeugung nachgeben zu muͤssen, um durch meine Beobachtungen, meine
                              Forschungen, meine mit Praktikern gepflogenen Besprechungen und durch positive
                              Berechnungen zu beweisen, daß mit dem Gelingen dieses Industriezweiges ein
                              wesentlicher Gewinn verbunden ist, und daß, wenn dieser Gewinn selbst in den
                              Haͤnden Unwissender schon bedeutend ist, die Seidenraupenzucht nothwendig
                              fuͤr das Land und die Menschen, die sich damit befassen, eine wahre Quelle
                              von Reichthuͤmern werden muß. Da jedoch die Daten, welche saͤmmtlich
                              in Erwaͤgung zu ziehen sind, aus verschiedenen Elementen von wandelbarer Art
                              bestehen, so glaube ich zuerst die hauptsaͤchlichsten jener Umstaͤnde,
                              welche bisher noch keine auf feste Basen begruͤndete und unwiderlegbare
                              Berechnungen zuließen, erlaͤutern zu muͤssen.
                           Die die Erzeugung des Rohstoffes oder der Rohseide umfassende Industrie kann in drei
                              sehr verschiedene Zweige abgetheilt werden; naͤmlich: 1) in die Kultur des
                              Maulbeerbaumes; 2) in die Seidenraupenzucht; und 3) in das Abhaspeln der gewonnenen
                              Cocons. Alle diese Zweige lassen sich entweder einzeln oder gemeinschaftlich
                              betreiben; wer sie
                              saͤmmtlich umfaßt, muß natuͤrlich am meisten gewinnen, doch kommt
                              jedem derselben sein eigener Gewinn zu, der berechnet werden muß.
                           
                        
                           1. Von der Kultur des
                                 Maulbeerbaumes.
                           Der Maulbeerbaum kann in Heken oder Spalieren, in Wiesenform, hochstaͤmmig
                              oder zwergartig gezogen werden. Hienach ergeben sich wesentliche Verschiedenheiten,
                              die durch folgende Umstaͤnde bedingt sind: durch Eingriffe in die
                              uͤbrigen Kulturzweige; durch die Kosten der Zubereitung des Erdreiches und
                              des Ankaufes der Baͤume; durch das Warten bis zur ersten Ernte; durch den
                              Ertrag an Blaͤttern von jedem Baume, oder besser von einer bestimmten
                              Bodenstreke, indem die zwischen den Baͤumen gelassenen Raͤume je nach
                              der Kulturmethode verschieden sind; durch die noͤthige Qualitaͤt und
                              folglich durch den Preis des Bodens, durch die Wirkung der
                              Fruͤhlingsfroͤste, und endlich durch die Dauer der Baͤume. Dieß
                              genuͤgt um zu zeigen, daß die Pflanzer, abgesehen von den von ihnen und den
                              Localverhaͤltnissen abhaͤngigen Ursachen, zu sehr verschiedenen
                              Berechnungen gelangen koͤnnen, je nachdem sie diese oder jene Kulturmethode
                              einschlagen.
                           
                        
                           2. Von der
                                 Seidenraupenzucht.
                           In dieser Hinsicht kommen die Anschaffungskosten der Gebaͤude und der
                              Geraͤthe, die Kosten der Beheizung, jene des Pfluͤkens der
                              Blaͤtter, das Gewicht der verfuͤtterten Blaͤtter, der
                              Arbeitslohn der im Inneren der Anstalt beschaͤftigten Individuen, das Gewicht
                              der per Unze Samen oder Eier erzielten Cocons, die
                              Qualitaͤt der Cocons, und die an ihnen befindliche Quantitaͤt Seide in
                              Anschlag. Beinahe alle diese Elemente variiren nach der Verschiedenheit der
                              Localitaͤten und gewisser von den einzelnen Seidenzuͤchtern
                              unabhaͤngiger Umstaͤnde; sie bieten aber uͤberdieß auch noch
                              Verschiedenheiten nach der in den Seidenzuͤchtereien verwendeten Sorgfalt,
                              nach der groͤßeren oder geringeren Leichtigkeit, womit die
                              Maulbeerblaͤtter gepfluͤkt werden koͤnnen; nach der
                              Quantitaͤt Nahrungsstoff und Seide, die sie liefern, je nachdem sie wild oder
                              veredelt sind; und nach der in den Anstalten unterhaltenen Temperatur, welche auf
                              die Dauer der Zucht so wie auf die Qualitaͤt und Feinheit der Cocons großen
                              Einfluß uͤbt.
                           
                        
                           3. Von dem Abhaspeln der
                                 Cocons.
                           Was das Abhaspeln betrifft, so gibt es, abgesehen davon, daß die Kosten der
                              Anschaffung der Apparate, der Heizung und des Arbeitslohnes in verschiedenen
                              Gegenden verschieden sind, noch mancherlei Umstaͤnde, die eine strenge Abschaͤzung des
                              Ertrages von einem bestimmten Gewichte abgehaspelter Cocons verhindern. Denn es
                              kommt hier, die Geschiklichkeit und Sorgfalt der Spinnerin gar nicht zu
                              erwaͤhnen, die Natur der Cocons in Betracht, nach welcher sie mehr oder
                              weniger Seide geben, beim Abhaspeln mehr oder weniger heißes Wasser erfordern, mehr
                              oder weniger Brennmaterial verbrauchen, mehr oder weniger Abfaͤlle geben,
                              mehr oder minder schnell und regelmaͤßig gesponnen werden koͤnnen, und
                              nach welcher sie mit Einem Worte eine mehr oder minder gangbare Waare liefern.
                           Aus allem diesem scheint mir hervorzugehen, daß es hier unmoͤglich ist genaue
                              Gestehungsberechnungen, aus denen Jeder die von ihm erzielten Resultate entnehmen
                              kann, herzustellen; allein man kann dennoch die verschiedenen, von den
                              Seidenzuͤchtern gelieferten Documente einzeln studiren, hiebei auf die
                              obwaltenden Umstaͤnde so viel als moͤglich Ruͤksicht nehmen,
                              sich innerhalb der Graͤnzen des hoͤchsten Kostenaufwandes und des
                              niedrigsten Ertrages halten, die Wahrscheinlichkeit zufaͤlliger Verluste im
                              Auge behalten, und aus allen diesen Elementen ihrer verschiedenen Natur ungeachtet
                              ein homogenes, aus den mittleren Durchschnitten gezogenes Ganzes ziehen, um
                              Jedermann klar zu zeigen, wie groß der Ertrag der Seidenzucht selbst unter den
                              unguͤnstigsten Verhaͤltnissen ist, wenn sie mit Sachkenntniß betrieben
                              und den Localverhaͤltnissen angepaßt wird. Hierauf gestuͤzt gehe ich
                              nun zu folgenden Berechnungen uͤber.
                           1. Kultur des Maulbeerbaumes. Die Kosten der Anpflanzung
                              und Unterhaltung der Baͤume, die Menge, welche davon auf eine Hectare gehen,
                              die Zahl der Jahre, welche bis zur ersten Blaͤtterernte verfließen: alles
                              dieß ist je nach der eingeschlagenen Pflanzungsmethode sehr verschieden. Allein wenn
                              einerseits die Kosten sich hoͤher belaufen, so kommt man andererseits
                              schneller zu einem Ertrage; und wenn die Zahl der Baͤume bei der einen
                              Methode geringer ist, so liefert dafuͤr jeder der Baͤume nach Ablauf
                              einer bestimmten Zeit eine groͤßere Menge Blaͤtter, so daß hieraus
                              fuͤglich eine vollkommene oder theilweise Compensirung erfolgt. An diese
                              Ausgleichung oder Compensirung will ich mich hier auch halten, um nicht in
                              unendliche Distinctionen eingehen zu muͤssen, und um dennoch gehoͤrige
                              approximative mittlere Durchschnitte zu erhalten.
                           Nimmt man hienach ein mittelmaͤßig guͤnstiges Jahr, so berechnen sich
                              die Kosten und der Rohertrag einer HectareDie Hectare enthaͤlt 94,830 Quadratfuß, macht also ungefaͤhr
                                    zwei Morgen aus. A. d. R. folgender Maßen.
                           
                           
                              
                                 Zins des Bodens
                                   60 Fr.
                                 
                              
                                 Unterhaltungskosten (Umwenden des
                                    Bodens, Beschneiden, Auspuzen, Duͤngen und Nachpflanzen der
                                    Baͤume)
                                 200  –
                                 
                              
                                 Interessen der Pflanzungs-,
                                    Bodenzins- und Unterhaltungskosten, nach Abzug der
                                    Rohproducte, welche durch fruͤhere Ernten erzielt worden
                                    sind
                                 100  –
                                 
                              
                                 Unvorhergesehene Ausgaben
                                   40  –
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 Summa der jaͤhrlichen Kosten mit
                                    Einschluß der Interessen
                                 400 Fr.In den
                                          Cevennen berechnen sich die jaͤhrlichen Kulturkosten, die
                                          Interessen nicht mitgerechnet, auf 1 Fr., hoͤchstens 1 Fr. 30
                                          Cent, fuͤr 50 Kilogr. Blaͤtter. A. d.
                                          O.
                                 
                              
                           Der Ertrag, den eine Hectare Landes an Blaͤttern abwirft, laͤßt sich
                              wenigstens auf 12,500 Kilogr. annehmen; und zieht man hievon 1/5 oder 2500 Kilogr.
                              fuͤr den Verlust durch Froͤste, fuͤr den Ausfall, der durch
                              erschoͤpfte Baͤume bedingt ist, etc. ab, so bleiben netto 10,000
                              Kilogr. Blaͤtter, welche nach obiger Berechnung auf 400 Fr. zu stehen kommen,
                              wonach fuͤr 2 Fr. 50 Kilogr. Blaͤtter erzeugt werden. Der
                              Maulbeerbaum-Besizer, der nicht zugleich Seidenzuͤchter ist, verkauft
                              seine Blaͤtter gewoͤhnlich zu 3 1/2 – 5 Fr. die 50 Kilogr.Nur ausnahmsweise, und wenn Noth herrscht, steigt der Preis der
                                    Blaͤtter zuweilen auf 10 bis 15 Fr. A. d. O. Bringt man hienach den Nettoertrag an Blaͤttern, den eine Hectare
                              liefert, in Anschlag, so berechnet sich hieraus leicht der Gewinn bei der
                              Maulbeerbaumzucht.
                           Bemerkungen. Eine mit gepfropften
                              Zwergmaulbeerbaͤumen bepflanzte Hectare kann deren 1000 Stuͤk fassen.
                              Der Ankauf und die Pflanzungskosten kommen mit Einschluß des Rigolens in der
                              Naͤhe von Paris auf 8–900 Fr. Die wilden Maulbeerbaͤume
                              koͤnnen viel dichter gepflanzt werden, so daß ihrer gegen 6000 auf die
                              Hectare gehen. Hochstaͤmmige Baͤume hingegen gehen je nach der
                              Guͤte des Bodens 150 bis 200 auf die Hectare.
                           2. Seidenraupenzucht. Es laͤßt sich hier keine
                              Schaͤzung der Producte erlangen, wenn man absolut nach der Unze Samen, den
                              man ausfallen ließ, rechnet; denn die Ausgaben und die Einnahmen werden nothwendig
                              je nach der Sorgfalt, die man auf die Raupen verwendet, und je nach der
                              Quantitaͤt und Qualitaͤt der aus jeder Unze gewonnenen Cocons
                              verschieden seyn. In den meisten suͤdlichen Seidenzuͤchtereien gewinnt
                              man nur 25 bis 28 Kilogr. Cocons per Unze SamenDiese Seidenzuͤchtereien gelten fuͤr ziemlich gut gehalten;
                                    denn es gibt welche, in denen man aus der Unze Samen nur 8, 10 und 15
                                    Kilogr. Cocons erzieht. A. d. O.; in einigen bis an 50. In Piemont erzielt man in den sogenannten
                              Dandolieren gegen 55 Kilogr., waͤhrend Hr. Camille Beauvais bei seiner großen Achtsamkeit und mit Huͤlfe des d'Arcet'schen Ventilirapparates den Ertrag bis auf 68,50
                              Kilogr. Cocons per Unze Samens brachte. Ja es ist sogar
                              wahrscheinlich, daß man es noch bis auf 75 Kilogr. bringt. Es versteht sich
                              uͤbrigens von selbst, daß von diesen verschiedenen Resultaten vorausgesezt
                              ist, daß sie, wenn auch nicht einer und derselben Art von Samen, so doch Cocons
                              entsprechen, welche unter gleichen Spinnverhaͤltnissen beinahe eine gleiche
                              Rohseide geben.
                           Ich will jedoch, um mich innerhalb engerer Graͤnzen zu halten, annehmen, daß
                              eine Unze Samen bei einer mit 10 Unzen unternommenen Raupenzucht 50, und bei einer
                              mit 100 Unzen unternommenen Zucht nur 45 Kilogr. Cocons gebe.Ich mache hiebei eine Concession, welche mir einige erfahrene
                                    Seidenzuͤchter wahrscheinlich zum Vorwurfe machen duͤrften. A.
                                    d. O. Wenn sich bei dieser Annahme wirkliche Vortheile ergeben, und wenn diese
                              Vortheile selbst bedeutender sind, als sie sich da herauswerfen, wo man nur 25 bis
                              30 Kilogr. Cocons aus einer Unze Samen erzieht, so wird man dann leicht ermessen
                              koͤnnen, welche Vortheile aus der Vervollkommnung der Seidenraupenzucht
                              erwachsen muͤssen.
                           Dieß vorausgesezt, will ich nun mit Ruͤksicht auf die Gesammtzahl der
                              Flechtwerke, welche die Raupen allmaͤhlich einnehmen, und mit
                              Ruͤksicht auf das Blaͤtterquantum, welches sie zu verschiedenen Zeiten
                              ihres Alters verzehren, beilaͤufig zu bestimmen suchen: nicht wie viele
                              Individuen bei jedem Alter der Raupen zur Bedienung noͤthig sind, da deren
                              Anzahl mit jedem Tage wechselt, sondern die Gesammtzahl der Arbeitstage, welche in
                              jedem einzelnen Alter sowohl fuͤr den inneren Dienst der
                              Seidenzuͤchterei, als zum Pfluͤken und zum Transporte der
                              Blaͤtter noͤthig sind. Die erste Tabelle, die ich hieruͤber
                              anfuͤge, ist fuͤr eine Zucht von 10 Unzen Samen berechnet.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 61, S. 45
                              Arbeitstage von Maͤnnern;
                                 Weibern; Kindern; 1stes Alter; 2tes Alter; 3tes Alter; 4tes Alter; 5tes Alter;
                                 6tes Alter Einsammlung der Cocons; Summe der Arbeitstage; Kosten; Summe des
                                 Arbeitslohnes
                              
                           Die Tagloͤhne sind hiebei zu 2, zu 1 1/4 und zu 1 Fr. angesezt. Fuͤr
                              eine Seidenzucht mit 100 Unzen Samen berechnet sich diese Tabelle dagegen folgender
                              Maßen.
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 61, S. 46
                              Arbeitstage von Maͤnnern;
                                 Weibern; Kindern; 1stes Alter; 2tes Alter; 3tes Alter; 4tes Alter; 5tes Alter;
                                 6tes Alter Einsammlung der Cocons; Summe der Arbeitstage; Kosten; Summe des
                                 Arbeitslohnes
                              
                           Es wurde bei der lezten Tabelle angenommen, daß man die 100 Unzen Samen auf ein Mal
                              ausfallen ließ, obwohl man nie auf diese Weise verfaͤhrt; uͤbrigens
                              hat dieß auch auf die Gesammtzahl der Arbeitstage keinen wesentlichen Einfluß.
                           Was die Dauer der Zucht betrifft, so will ich diese auf keine positive Weise
                              bestimmen, da sie von verschiedenen Umstaͤnden und namentlich von der
                              Temperatur abhaͤngt, welche man in der Anstalt unterhaͤlt. Ich bemerke
                              nur, daß die Dauer von 25 bis zu 45 Tagen wechselt, je nachdem die Temperatur von 30
                              bis zu 14° C. (24 bis 12° R.) variirt.Die Temperatur soll waͤhrend eines jeden Alters gleichbleiben; sie ist
                                    aber von einem Alter zum anderen eine verschiedene, weßhalb denn auch jeder
                                    Seidenzuͤchter fuͤr jedes Alter jene Temperatur annimmt, die
                                    er fuͤr die geeignetste haͤlt. Gewoͤhnlich vollbringt
                                    man die Zucht bei einer Temperatur von 17 bis 20° C. (13 bis
                                    16° R.), wo sie dann beilaͤufig 35 Tage dauert. A. d. O. Die Dauer eines jeden einzelnen Alters wechselt selbst wieder auf
                              aͤhnliche Weise; doch laͤßt sich im Allgemeinen sagen, daß das zweite
                              um einen Tag kuͤrzer ist als das erste, welches selbst wieder um einen Tag
                              kuͤrzer ist als das dritte und vierte, die beide von gleicher Dauer sind; daß
                              das fuͤnfte um 4–5 Tage laͤnger dauert als die beiden ihm
                              zunaͤchst vorausgehenden, und daß das sechste Alter, die Zeit des
                              Aufkriechens, hoͤchstens 8 bis 10 Tage zu waͤhren hat.
                           Ich habe bei der Zusammensezung obiger Tabellen den Taglohn am hoͤchsten, so
                              wie er in der Gegend von Paris zur Zeit der Ernte steht, angenommen, und
                              uͤberdieß habe ich angenommen, daß das Pfluͤken der Blaͤtter
                              per Tag bezahlt wird, was in den suͤdlichen
                              Provinzen gewoͤhnlich nicht der Fall ist. Ich schaͤzte die Zahl der
                              zum Pfluͤken verwendeten Arbeitstage nach der Arbeit, welche jedes Individuum
                              zu leisten im Stande ist. Da uͤbrigens die Summe, welche man nach dem Gedinge
                              bezahlt, in jedem Lande mit dem uͤblichen Taglohne im Verhaͤltnisse
                              stehen muß, so wird, auf welche Weise das Pfluͤken auch geschieht, die oben
                              hiefuͤr angesezte Summe ziemlich genau jenem Lande entsprechen, in welchem
                              der Arbeitslohn am hoͤchsten steht: abgesehen jedoch von der Gewandtheit,
                              welche die Arbeiter in der fraglichen Arbeit besizen. Befinden sich die
                              Seidenzuͤchter unter guͤnstigeren Umstaͤnden, so ist es um so besser fuͤr
                              sie; ich fuͤr meinen Theil glaube uͤbrigens, daß wenn ein Ort in
                              manchen Beziehungen Vortheile gewaͤhrt, er in anderen wieder seine Nachtheile
                              mit sich bringt. Ob aber hiedurch eine wirkliche Ausgleichung zu Stande kommt,
                              daruͤber getraue ich mich gegenwaͤrtig noch nicht abzusprechen; auch
                              ist diese Betrachtung gegenwaͤrtig, wo Frankreich noch jaͤhrlich
                              fuͤr 40 Mill. Fr. Seide aus dem Auslande bezieht, und wo also um so weniger
                              eine Concurrenz zu fuͤrchten ist, als der Verbrauch fortwaͤhrend im
                              Zunehmen ist, noch von keiner Wichtigkeit.
                           Wenn nun gleich die in den beiden obigen Tabellen enthaltenen Daten auf keine
                              mathematische und strenge Genauigkeit Anspruch machen koͤnnen, so geben sie
                              doch eine der Wirklichkeit sehr nahe kommende Idee von den durch den Arbeitslohn
                              bedingten Kosten. Man wird sich hienach leicht uͤberzeugen, daß selbst wenn
                              man diese Zahlen verdoppeln wollte, der bei der Seidenzucht sich ergebende Gewinn
                              dadurch doch noch keinen großen Stoß erleiden wuͤrde; und daß demnach die
                              Einwendung, welche man gegen den Betrieb der Seidenzucht in der Gegend von Paris
                              macht, und die sich hauptsaͤchlich auf den hohen Stand des Arbeitslohnes
                              fußt, nichtig ist.
                           Was die Quantitaͤt der verfuͤtterten Blaͤtter betrifft, so finde
                              ich, daß man, wenn die Fuͤtterung oͤkonomisch und verstaͤndig
                              geschieht, zur Erziehung von 10 Unzen Samen durch alle 5 Alter hoͤchstens
                              7500 Kilogr. Blaͤtter braucht, welche, die 50 Kilogr. zu 2 Fr. angeschlagen,
                              dem Seidenzuͤchter, der zugleich Maulbeerbaum-Pflanzer ist, auf 300
                              Fr. zu stehen kommen; und daß zu einer Seidenzucht von 100 Unzen Samen
                              hoͤchstens 75,000 Kilogr., welche 3000 Fr. kosten, erforderlich sind. Stellt
                              man diese beiden Resultate mit den entsprechenden Kosten an Arbeitslohn zusammen,
                              und rechnet man dazu in ersterem Falle noch 250, in lezterem hingegen 3000 Fr.
                              fuͤr Interessen des aufgewendeten Capitals und fuͤr Heizungs-,
                              Beleuchtungs- und Unterhaltungskosten, so ergibt sich als Totalsumme der
                              Ausgaben: 1) fuͤr 500 Kilogr. Cocons ein Betrag von 815 Fr.; und 2)
                              fuͤr 4500 Kilogr. Cocons ein Betrag von 4500 Fr.
                           Das Kilogramm Cocons kommt demnach bei einer Seidenzucht von 10 Unzen auf 1 Fr. 63
                              Cent., und bei einer Seidenzucht von 100 Unzen auf 1 Fr. 66 Cent. zu stehen,
                              waͤhrend es gewoͤhnlich zu 3 Fr. bis zu 3 Fr. 50 Cent. bezahlt
                              wird.
                           Erinnert man sich ferner, welche Blaͤttermasse eine Hectare Maulbeerpflanzung
                              gibt, so wird man finden, daß zur Erziehung von 500 Kilogr. Cocons weniger als eine,
                              und zur Erziehung von 4500 Kilogr. weniger als 10 Hectaren Landes erforderlich
                              sind.
                           
                           Besizt der Seidenzuͤchter nicht selbst Maulbeerbaum-Pflanzungen, und
                              muß er seinen Blaͤtterbedarf von dem Pflanzer erkaufen, der sie, wie oben
                              gesagt, zu 3 1/2 bis 5 Fr. die 50 Kilogr. verkauft, so wird ihm, wenn wir den
                              Mittelpreis zu 4 Fr. annehmen wollen, das Kilogr. Cocons bei einer Seidenzucht von
                              10 Unzen Samen auf 2 Fr. 22 Cent., und bei einer Seidenzucht von 100 Unzen Samen auf
                              2 Fr. 33 Cent, zu stehen kommen.
                           Wenn ich nun diese Resultate meiner Berechnungen mit dem vergleiche, was ich von
                              mehreren suͤdlichen Seidenzuͤchtern, und namentlich von einem in der
                              Naͤhe von Toulon etablirten erfuhr, so fuͤrchte ich den Gewinn viel zu
                              sehr erniedrigt zu haben. Lezterer Seidenzuͤchter, der zugleich auch Pflanzer
                              ist, versicherte mich naͤmlich, daß der Preis der Grundstuͤke und
                              jener des Arbeitslohnes in seiner Gegend beinahe eben so hoch stehe, wie in der
                              Umgegend von Paris; daß er im Durchschnitte nur 25 Kilogr. Cocons aus der Unze
                              Samens erzieht; daß er, indem er nicht selbst Spinner ist, das Kilogr. Cocons im
                              Durchschnitte zu 3 Fr. 25 Cent, verkaufe; und daß er jaͤhrlich durch seine
                              Seidenzucht einen reinen Ertrag von 600 Fr. einnehme. Dieser Mann will nun eine nach
                              dem d'Arcet'schen Plane gebaute Seidenzuͤchterei
                              errichten, und verspricht sich durch eine wohl verstandene Direction dieser Anstalt
                              seinen Gewinn in Kuͤrze verdoppelt zu sehen.
                           Bemerkungen. Die Dimensionen einer
                              Seidenzuͤchterei wechseln je nach den inneren Einrichtungen derselben; ich
                              stelle daher als Princip nur so viel auf, daß auf einem Flaͤchenraume von
                              beilaͤufig 220 Quadratfuß 50 Kilogr. Cocons erzogen werden muͤssen. Es
                              bleibt dabei jedem Seidenzuͤchter uͤberlassen, die ihm zu Gebot
                              stehende Localitaͤt auf die zur Erzeugung der bestimmten Quantitaͤt
                              Cocons geeignetste und moͤglich wohlfeilste Weise einzurichten. Um eine
                              Seidenzucht mit 100 Unzen Samen zu unternehmen, halte ich es fuͤr geeigneter,
                              drei getrennte Ateliers zu errichten. Der Oekonom, der sein Geld nur in dem Maaße
                              auslegen soll, in welchem es sich verzinsen kann, wird gut thun, wenn er seine
                              Anstalten nach und nach und in dem Maaße erweitert, als er durch die Zunahme des
                              Blaͤtterertrages seiner Maulbeerbaͤume hiezu veranlaßt wird. Es
                              versteht sich uͤbrigens von selbst, daß hiebei die Vorsorge getroffen werden
                              muß, daß jeder aͤltere Bau auch wieder zu einem neueren dienen kann.
                           3. Abhaspeln der Cocons. In dieser Hinsicht lassen sich
                              nur wenige Details geben. Die Quantitaͤt der von einem bestimmten Gewichte
                              Cocons gewonnenen Seide wechselt je nach der Beschaffenheit der Cocons so sehr, daß
                              man zur Gewinnung von einem Kilogr. Seide 8 bis 15 Kilogr. Cocons braucht. Hr. Camille Beauvais erhielt von beilaͤufig 11,20 Kilogr.
                              Cocons ein Kilogr. Seide; ich selbst brauchte hiezu nur 10,80 Kilogr. Cocons.
                              Rechnen wir demnach im Durchschnitte auf 12 Kilogr. Cocons ein Kilogr. SeideWir sezen bei Aufstellung dieses Verhaͤltnisses voraus, daß man
                                    einerseits den durch die doppelten Cocons sich ergebenden Abfall, und
                                    andererseits die Flok- und Floretseide, so wie die uͤbrigen
                                    bei der Spinnerei bleibenden Ruͤckstaͤnde, welche eigens
                                    verkauft werden, in Rechnung bringt. A. d. O., und zieht man von den 500 Kilogr. Cocons, welche eine mit 10 Unzen Samen
                              unternommene Seidenzucht liefert, 5 Kilogr. als zur Erzeugung von neuem Samen
                              noͤthig, ab, so geben die uͤbrig bleibenden 495 Kilogr. Cocons 41
                              Kilogr. 250 Gr. Seide. Rechnet man von den 4500 Kilogr. Cocons, die eine mit 100
                              Unzen Samen vollbrachte Zucht liefert, 50 Kilogr. fuͤr die Fortpflanzung ab,
                              so bleiben 4450 Kilogr. Cocons, die gesponnen 370 Kilogr. 833 Gr. Seide liefern.
                           Zaͤhlt man zu den oben angedeuteten Gestehungskosten der Cocons noch die
                              taͤglichen Kosten der Spinnerei, so wie die Interessen der
                              Anschaffungskosten, so kommen die 41 Kilogr. 250 Gr. Seide auf 1115, die 370 Kilogr.
                              833 Gr. Seide hingegen auf 10,000 Fr. zu stehen. Hienach berechnet sich also bei
                              einer Seidenzucht mit 10 Unzen Samen das Kilogr. Rohseide zu 27 Fr., waͤhrend
                              es sich bei einer mit 100 Unzen Samen betriebenen Zucht zu 26 Fr. 95 C.
                              herauswirft.
                           Den Verkaufspreis des Kilogr. Rohseide will ich hier nicht angeben, weil er
                              mannigfachen Handelsconjecturen unterworfen ist, und weil er uͤberdieß von
                              der Natur und Farbe der Seide und hauptsaͤchlich von der
                              Regelmaͤßigkeit des Abhaspelns abhaͤngt. Jedermann kann die
                              Preiscourante der verschiedenen Jahrgaͤnge einsehen und sie mit den
                              Gestehungspreisen vergleichen. Gegenwaͤrtig steht der mittlere Preis
                              gewoͤhnlicher gut gesponnener Seiden auf 70 bis 80 Fr. das Kilogr. mit einem
                              Scontro von 12 bis 13 Proc. Schoͤne weiße, sehr gut gesponnene Seide hingegen
                              wird viel theurer bezahlt.
                           Wenn man von 5 Kilogr. Cocons ein halbes Kilogr. Seide gewinnen kann, so kostet die
                              Erzeugung von 1 Kilogr. Cocons bei einer Seidenzucht mit 10 Unzen Samen 22 Fr. 53
                              Cent., bei einer Seidenzucht mit 100 Unzen Samen hingegen 22 Fr. 47 Cent. Dabei darf
                              nicht vergessen werden, daß das cultivirte Grundstuͤk in ersterem Falle, wo
                              die erzeugte Seide = 41 Kilogr. 250 Gr. ist, unter einer Hectare betraͤgt;
                              waͤhrend es im zweiten Falle, wo die erzeugte Seide = 370 Kilogr. 833 Gr.
                              ist, unter 10 Hectaren betraͤgt.
                           
                           Hr. Amans Carrier, Praͤfecturrath in Rodez, welcher
                              alle die drei hier erwaͤhnten Industriezweige zugleich betreibt, gibt in
                              einem Berichte, den er in den Annales de l'Agriculture
                                 française uͤber die Seidenzucht, die er im Jahre 1833
                              betrieb, erstattete, an, daß er mit einem Grundstuͤke von hoͤchstens
                              einer halben Hectare 464 Kilogr. Cocons erzeugte, die ihm einen reinen Gewinn von
                              1548 Fr. 95 Cent. abwarfen.
                           Was denjenigen betrifft, der nur Spinner allein ist, und der nur 5000 Kilogr. Cocons
                              verspinnt, wozu er 50 bis 60 Tage lang 18 Haspel unterhalten muß, so kommt ihm, wenn
                              12 Kilogr. Cocons ein Kilogr. Seide geben, das Kilogr. Rohseide auf 46 Fr. 20 Cent,
                              zu stehen, waͤhrend es ihm, wenn 10 Kilogr. Cocons auf ein Kilogr. Seide
                              gehen, nur 38 Fr. 50 Cent. kostet. Dabei sind die Cocons zu 3 Fr. 25 Cent.
                              gerechnet; waͤhrend die Kosten der Spinnerei dieselben bleiben, so wie sie
                              fruͤher angedeutet wurden.
                           Ich habe die Resultate, wie ich sie von verschiedenen Seidenzuͤchtern erhob,
                              zusammengestellt, und glaube hiebei jedenfalls sicher zu seyn, daß man mich keiner
                              Uebertreibung beschuldigen wird. Ich befuͤrchte bloß, daß einige
                              Seidenzuͤchter, denen die Resultate meiner Berechnungen zu Gesicht kommen,
                              behaupten moͤchten, daß sie, ohne sich irgend eine Muͤhe zu geben,
                              einen eben so großen und vielleicht selbst groͤßeren Nettogewinn realisiren,
                              und daß daher kein Vortheil daraus erwaͤchst, wenn man aus einer Unze Samen
                              eine groͤßere Menge Cocons erzieht, indem mit dieser groͤßeren Menge
                              auch der Arbeitslohn, der Verbrauch an Blaͤttern etc. waͤchst. Wollen
                              sich diese Seidenzuͤchter jedoch wirklich belehren, so moͤgen sie die
                              Berechnungen, die zu diesen Resultaten fuͤhrten, pruͤfen; vielleicht
                              werden sie sich dann uͤberzeugen, daß der Blaͤtterertrag einer Hectare
                              Landes sehr niedrig angeschlagen wurde, waͤhrend der Blaͤtterbedarf
                              etwas zu hoch angesezt seyn duͤrfte; daß die Interessen saͤmmtlicher
                              Vorauslagen in Rechnung gebracht wurden; daß zwischen der Zunahme der Arbeit und des
                              Gewichtes der Blaͤtter und der Zunahme des Ertrages an Cocons kein
                              Verhaͤltniß besteht, indem sie eine große Menge von Seidenraupen verlieren,
                              nachdem sie bereits mehrere Centner Futter verzehrt haben. Ueberdieß werden sie dann
                              auch im Stande seyn, den Werth von 50 Kilogr. Cocons und den Preis der zu ihrer
                              Erzeugung aufgewendeten Blaͤtter abzuschaͤzen, gleichwie sie auch
                              darauf bedacht seyn werden, daß die die Sterblichkeit der Raupen in den
                              Seidenzuͤchtereien bedingenden Ursachen nothwendig auch auf die Gesundheit
                              der spinnenden Raupen einwirken muͤssen, so daß, je mehr Raupen man rettet,
                              d.h. je mehr Cocons man aus einer Unze Samen gewinnt, um so schoͤner auch die
                              Cocons seyn werden. Erwaͤgt man alles dieß, so wird man sich
                              uͤberzeugen, daß wenn in den hier vorgelegten Zahlen ja eine Inferioritaͤt
                              zu bemerken ist, dieß keineswegs einer schaͤdlichen Folge der vorgenommenen
                              Verbesserungen, sondern lediglich einer zu hohen Schaͤzung der Kosten zur
                              Last gelegt werden darf. Wer sich daher immer durch unsere Schlußfolgerungen und
                              Berechnungen zur Seidenzucht, als zu etwas seiner Beruͤksichtigung
                              Wuͤrdigem und Vortheilhaftem bringen laͤßt, wird seine Hoffnungen
                              gewiß auf eine sehr angenehme Weise uͤbertroffen finden.
                           Wenn man diese Berechnungen als in der Absicht angestellt betrachtet, um eine Idee
                              von dem ungeheuren jaͤhrlichen Verluste an Seide und von dem Vortheile zu
                              bekommen, der sich fuͤr die Fabrication ergeben muͤßte, wenn statt des
                              gewoͤhnlichen Durchschnittsertrages der von uns angenommene erzielt
                              wuͤrde, so ergibt sich Folgendes.
                           Jede Unze Samen enthaͤlt wenigstens 40,000 Raupen; man gewinnt hieraus in den
                              fuͤr ziemlich gut gehaltenen Seidenzuͤchtereien 25 Kilogr. Cocons.
                              Diese Cocons entsprechen aber, wenn man annimmt, daß 280 Cocons im Durchschnitte 500
                              Gramme wiegen, nur 14,000 Raupen, so daß also wenigstens 26,000 Raupen zu Grunde
                              gegangen seyn mußten. Es ist demnach die Bestimmung dieser kostbaren Insecten, daß
                              abgesehen von jenen durch Unvorsichtigkeit erzeugten Katastrophen, bei denen oft
                              ganze Zuchten unterliegen, wenigstens zwei Drittheile derselben jaͤhrlich zu
                              Grunde gehen, bevor sie noch im Stande waren, ihre Arbeit zu vollbringen! Zur
                              Erzeugung dieser 14,000 Cocons werden ferner 500 Kilogr. Blaͤtter verwendet,
                              waͤhrend bei einem Ertrage von 50 Kilogr. Cocons per Unze Samen mit 750 Kilogr. Blaͤttern eine doppelt so große
                              Anzahl oder 28,000 Cocons erzielt werden koͤnnen; so daß also einerseits die
                              Zahl der erzeugten Cocons verdoppelt wird, waͤhrend das Gewicht der
                              Blaͤtter nur um den dritten Theil steigt. Dabei darf uͤberdieß auch
                              nicht vergessen werden, daß die Qualitaͤt der Cocons in einer Anstalt, in
                              welcher eine groͤßere Sterblichkeit herrschte, nothwendig auf niedrigerer
                              Stufe stehen muß.
                           Alle unsere Berechnungen wuͤrden jedoch ungeachtet all der Vortheile, die sie
                              versprechen, nur sehr geringen Werth haben, wenn sie sich bloß auf die Theorie fußen
                              wuͤrden, und wenn wir zu deren Unterstuͤzung nicht die lange
                              fortgesezte Erfahrung aufgeklaͤrter Seidenzuͤchter anfuͤhren
                              koͤnnten. Wir haben nichts behauptet, was sich nicht bewaͤhren
                              laͤßt, wenn man aus dem vorigen Jahrhunderte die einfachen und vortrefflichen
                              Schriften der Abbés Boissier de Sauvages und Rozier, und aus unserem gegenwaͤrtigen
                              Jahrhunderte die Werke Dandolo's und Bonafon's, die der Seidenzucht einen regelmaͤßigen
                              und systematischen Gang gaben, ohne den sie gewiß keine Fortschritte gemacht haben
                              wuͤrde, lesen will. Erstaunt uͤber die geringe Menge der erzielten
                              Cocons im Vergleiche zu der großen Menge Eier, welche man ausfallen ließ; erstaunt
                              uͤber die Krankheiten, welche jaͤhrlich ganze Zuchten austilgten,
                              suchten diese Maͤnner die Grundursachen hievon zu erforschen. Sie kamen
                              hiebei durch ihre eigene Erfahrung zu dem Schlusse, daß alles dieß nur den
                              fehlerhaften Methoden, welche die meisten Seidenzuͤchter in
                              saͤmmtlichen Phasen der Existenz der Seidenraupe befolgen, zuzuschreiben ist;
                              sie erkannten die Gefahren des Ausbruͤtens durch Maceration, so wie auch die
                              durch Unachtsamkeit beim Eierlegen der Schmetterlinge und beim Ueberwintern der Eier
                              erwachsenden Gefahren; sie uͤberzeugten sich von der Unzulaͤnglichkeit
                              und selbst von den nachtheiligen Einfluͤssen der verschiedenen Mittel, welche
                              man in Anwendung brachte, um die Seidenzuͤchtereien gesuͤnder zu
                              machen: wie z.B. des Aufsprizens von Wasser, Wein, Chlorkalk etc., wodurch die
                              Seidenraupen, wie man sagte, aufgewekt werden sollten; des Verbrennens aromatischer
                              Kraͤuter, wodurch die aus dem Raupenkothe sich entwikelnden
                              schaͤdlichen Geruͤche nicht zerstoͤrt, sondern im Gegentheile
                              die Luft nur noch mehr verdorben wurde, indem ihr zur Verbrennung ein Theil ihres
                              Sauerstoffes entzogen wurde. Sie fuͤhlten saͤmmtlich, wie nothwendig
                              es ist, eine Menge der durch die Unwissenheit ausgesonnenen Gebraͤuche aus
                              den Seidenzuͤchtereien zu verbannen, und dafuͤr die Insecten in diesen
                              Anstalten ihrem natuͤrlichen Zustande so nahe als moͤglich zu bringen,
                              ihnen so zu sagen ein kuͤnstliches Klima zu schaffen. Sie studirten, um zu
                              diesem Zweke zu gelangen, die zur Gesundheit der Raupen noͤthigen
                              Bedingungen, und versicherten sich hiebei gar bald, daß, um mit dem moͤglich
                              geringsten Aufwande an Blaͤttern die groͤßte Menge schoͤner
                              Cocons zu erzielen, in den Anstalten eine fortwaͤhrende, gelinde Circulation
                              der Luft, eine gleichmaͤßige Temperatur und ein gleicher Grad von
                              Feuchtigkeit unterhalten werden muͤsse. Von diesen Principien ausgegangen
                              entstanden die sogenannten Dandolieren, in denen sorgfaͤltige und
                              verstaͤndige Seidenzuͤchter ihre Seidenernten auf das Doppelte steigen
                              sahen. Dessen ungeachtet war aber auch noch das System Dandolo's mangelhaft; indem sich die Feuerheerde in den
                              Seidenzuͤchtereien selbst befanden; indem die unmittelbare Einwirkung der aus
                              dem Feuer entwikelten Hize und die durch die Verbrennung entstehenden Daͤmpfe
                              den Raupen nachtheilig waren; und indem man bei schwerer Gewitterluft, wo die Luft
                              schwer circulirt, mit diesen Mitteln nicht ausreichte. Erst als sich Hr. d'Arcet der fraglichen Aufgabe bemaͤchtigte,
                              verschwanden die schaͤdlichen aͤußeren Einfluͤsse
                              gaͤnzlich; denn ihm gelang; es mittelst eines einfachen und wohlfeilen
                              Apparates so viel als
                              moͤglich die oben erwaͤhnten zum Gelingen der Seidenzucht
                              noͤthigen Bedingungen herzustellen.
                           Die Arbeiten der oben erwaͤhnten ausgezeichneten Maͤnner und der
                              geringen Anzahl derjenigen, die sie nachahmten, blieben jedoch leider von geringem
                              Erfolg; denn man dachte zu wenig an Belebung des Eifers dieser Nachahmer, und man
                              that zu wenig fuͤr die Verbreitung einer gehoͤrigen Belehrung unter
                              der ganzen Masse, so daß die Aufklaͤrung immer nur auf einen kleinen Kreis
                              beschraͤnkt bleiben mußte. Daher ist der Schlendrian noch immer Herr und
                              Meister der Seidenzuͤchterei; und daher ist zu fuͤrchten, daß er auch
                              noch uͤber die Leistungen d'Arcet's und einiger
                              großmuͤthiger Seidenzuͤchter lange Zeit seine Herrschaft
                              ausuͤben duͤrfte, wenn sich nicht starke und kraͤftige
                              Haͤnde um diesen Industriezweig annehmen; denn die Seidenzucht kann ihrer
                              eigenthuͤmlichen Natur nach nur dann ihre ganze Entwikelung und
                              Vervollkommnung erlangen, wenn sie in einer großen Gesellschaft, in deren
                              Mittelpunkt sich die Arbeiten aufgeklaͤrter und eifriger Maͤnner
                              vereinigen, einen gehoͤrigen Stuͤzpunkt findet.
                           Wenn man die Schriftsteller, welche uͤber die Seidenzucht geschrieben haben,
                              nachliest, so wird man sich uͤberzeugen, welche große Fortschritte dieser
                              Industriezweig erst noch zu machen hat, in welchem Grade er einer Aufmunterung und
                              Unterstuͤzung bedarf, und wie unwirksam selbst diese Aufmunterungen sind, so
                              lange sie partiell und nur die Resultate einzelner bleiben. Man wird finden, von
                              welchem Nuzen es seyn muͤßte, wenn man fuͤr eine Art von Statistik
                              sorgte, worin die jaͤhrlich in verschiedenen Gegenden angestellten Versuche
                              und erzielten Resultate zusammengestellt wuͤrden; man wird einsehen, welche
                              interessante Versuche noch uͤber den im Inneren der Anstalten zu
                              unterhaltenden Temperaturgrad, uͤber die zur Fuͤtterung der Raupen und
                              zur Erzeugung des Seidenstoffes guͤnstigste Art von Maulbeerbaum,
                              uͤber die Auswahl der zur Fortpflanzung bestimmten Cocons und uͤber
                              die hiedurch bedingte Veredlung der Racen, uͤber die Vortheile, die
                              fuͤr die Schoͤnheit der Producte daraus erwachsen duͤrften,
                              wenn man bloß die zuerst gelegten Eier zur Nachzucht verwendete, uͤber die
                              besten Seidenraupenracen, uͤber die Mittel, um beim Spinnen aus einer
                              bestimmten Quantitaͤt Cocons den groͤßten Ertrag an Seide zu erhalten,
                              und uͤber dergleichen mehr anzustellen waͤren. Alle diese Erfahrungen
                              muͤßten uͤbrigens, wenn sie ja einen Werth haben sollten, oft und von
                              mehreren Seidenzuͤchtern zugleich wiederholt werden, weil es eine Menge von
                              Umstaͤnden gibt, deren Einfluß man noch nicht gehoͤrig zu
                              schaͤzen vermag; und weil gerade hier ein Vereinigungspunkt fuͤr
                              saͤmmtliche Arbeiten aufgeklaͤrter und eifriger Maͤnner
                              dringend nothwendig ist.
                           Wenn nun aus Allem hervorgeht, wie vortheilhaft es waͤre, wenn der mittlere
                              und noͤrdliche Theil Frankreichs eben so gut wie der suͤdliche zur
                              Erweiterung und Vervollkommnung der fuͤr uns so wichtigen Seidenfabrication
                              beitragen koͤnnten, so bleiben nur noch die Glaͤnzen zu bestimmen,
                              innerhalb welcher die Seidenzucht mit Wahrscheinlichkeit des Gelingens und des
                              Gewinnes moͤglich ist. In dieser Hinsicht mag es genuͤgen, die
                              Erfahrungen jener ehrenwerthen OekonomenWir erwaͤhnen hier unter anderen nur der HH. Beauvais, welche auf den koͤnigl. Schaͤfereien seit
                                    8 Jahren die Maulbeerbaumzucht versuchten, und die, durch ihre
                                    guͤnstigen Resultate ermuntert, nunmehr schon 10 Hectaren mit
                                    Maulbeerbaͤumen bepflanzt haben. Sie haben durch ihre Sorgfalt und
                                    durch fortwaͤhrende Verbesserungen den Ertrag aus einer Unze Samen
                                    bereits von 34 bis auf 68 Kilogr. Cocons gesteigert. Im Jahre 1835, wo sie
                                    sich des d'Arcet'schen Ventilirapparates
                                    bedienten, erzeugten sie aus 8 Unzen Samen mit 4800 Kilogr. Blaͤtter,
                                    welche sie auf einer 7 bis 8jaͤhrigen, unter einer Hectare fassenden
                                    Maulbeerbaum-Pflanzung sammelten, 550 Kilogr. Cocons, die ihnen mit
                                    Einschluß der Zwillinge 47,50 Kilogr. Rohseide lieferten. Im
                                    suͤdlichen Frankreich rechnen die Spinner bekanntlich 5,50 bis 7,50
                                    Kilogr. Cocons auf 0,50 Kilogr. Seide. A. d. O. zu Rathe zu ziehen, welche ihre methodischen und wohluͤberdachten
                              Anstrengungen den schlecht geleiteten Bemuͤhungen derjenigen entgegensezen,
                              deren unfruchtbare Versuche leider haͤufig als Beweise angerufen werden.
                              Durchgeht man uͤberdieß noch saͤmmtliche numerische Daten,
                              saͤmmtliche fuͤr das Gedeihen der drei Zweige dieser Industrie
                              noͤthige Bedingungen, vergleicht man die Beduͤrfnisse des Pflanzers,
                              des Seidenzuͤchters und des Spinners mit den jeweiligen
                              Localbeduͤrfnissen, so wird man sich uͤberzeugen, daß alle die
                              Demarkationslinien, in welche man die Seidenzucht bisher einschraͤnken zu
                              muͤssen glaubte, verschwinden; und daß die einzige agricole Schranke gegen
                              dieselbe nur mehr darin bestehen koͤnnte, wenn die der Landwirthschaft
                              ergebene Bevoͤlkerung waͤhrend der kurzen, zur Seidenzucht
                              erforderlichen Zeit nicht disponibel waͤre. Die Natur dieser Art von
                              Graͤnze wird jeden mit der Sache Vertrauten uͤber die Gefahren
                              beruhigen, die einige aus der groͤßeren Entwikelung der Seidenzucht
                              fuͤr die uͤbrigen Kulturzweige erwachsen zu sehen
                              befuͤrchteten.