| Titel: | Ueber die Knallpulver-Fabriken. Von Hrn. A. Chevallier, Mitglied der Académie royale de Médecine, des Sanitätscollegiums etc. in Paris. | 
| Fundstelle: | Band 61, Jahrgang 1836, Nr. XXXIX., S. 192 | 
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                        XXXIX.
                        Ueber die Knallpulver-Fabriken. Von Hrn.
                           A. Chevallier, Mitglied
                           der Académie royale de Médecine, des
                           Sanitaͤtscollegiums etc. in Paris.
                        Im Auszuge aus dem Journal des connaissances usuelles.
                              Maͤrz u. Mai 1836.
                        Chevallier, uͤber Knallpulver-Fabriken.
                        
                     
                        
                           Wenn auch die Fabriken im Allgemeinen eine der reichsten Quellen der
                              Nationalwohlfahrt eines Landes sind, so sind doch manche derselben nicht bloß
                              fuͤr die Fabrikanten und ihre Arbeiter, sondern auch fuͤr die ganze
                              Nachbarschaft mit mehr oder minder großen Unannehmlichkeiten verbunden. Zu diesen
                              lezteren gehoͤren hauptsaͤchlich die Gefahr von Explosionen oder
                              Feuersbruͤnsten, der Steinkohlen- oder Torfrauch, das Entweichen von
                              sauren Daͤmpfen oder uͤblen Geruͤchen, das Stehen von
                              ungesunden Fluͤssigkeiten, und das Einathmen von Stoffen, die der Gesundheit
                              nachteilig sind.Man koͤnnte unter die Unannehmlichkeiten, welche die Fabriken mit sich
                                    bringen, fuͤglich auch noch die oft eingebildeten und
                                    uͤbertriebenen Besorgnisse gewisser Leute, die leider nur zu oft aus
                                    Privatinteressen verbreitet werden, rechnen. Diese falschen Besorgnisse,
                                    welche die Sanitaͤtscommission fortwaͤhrend, aber leider oft
                                    ohne Erfolg zu bekaͤmpfen bemuͤht ist, sind nicht selten
                                    Ursache, daß die Erlaubniß zur Gruͤndung von Fabriken zum allgemeinen
                                    Schaden nicht ertheilt wird. A. d. O. Zum Schuze der Nachbarschaft und um Abhuͤlfe zu schaffen, sind die
                              Fabriken in Frankreich gesezlich in drei große Abtheilungen gebracht. Die erste
                              derselben umfaßt die gefaͤhrlichsten Fabricationszweige, welche aus diesem
                              Grunde nur von Wohngebaͤuden entfernt betrieben werden duͤrfen.
                              Uebrigens ist die Errichtung aller Fabriken, die in eine der drei Classen
                              gehoͤren, nur nach bestimmten Verordnungen und unter gewissen Bedingungen
                              gestattet.
                           Diese Verordnungen bezweken nur die Sicherung der Nachbarschaft gegen Gefahren und
                              Unbequemlichkeiten; keineswegs ist jedoch dabei auch die Erhaltung der Gesundheit
                              und des Lebens der Arbeiter, die doch so haͤufig bloßgestellt ist,
                              beruͤksichtiget. Ich habe mir es zur besonderen Aufgabe gemacht, die
                              Krankheiten der sogenannten ungesunden Gewerbe und deren Ursachen zu studiren, um
                              danach Mittel zur Verhuͤtung derselben vorschlagen zu koͤnnen. Mit den
                              Buchdrukern, Bleiweiß-Fabrikanten und Messerschmieden bin ich bereits
                              hieruͤber einig; gegenwaͤrtig beschaͤftige ich mich mit den
                              Fabrikanten des Howard'schen Knallqueksilbers, deren Arbeiter sich seit
                              einiger Zeit sehr vermehrt haben, und die nicht nur haͤufig dem Einathmen des
                              salpeterigsauren Gases, sondern auch den Gefahren der Explosionen in hohem Grade
                              ausgesezt sind.
                           Da das Geschichtliche der Knallpulver-Fabrikation nur wenig bekannt ist, so
                              will ich Einiges hieruͤber vorausschiken. Wir verdanken die Entdekung des
                              Knallqueksilbers, welche in das Jahr 1799 zu fallen scheint. Hrn. Howard. Seine Bereitung ward im 38sten Bande der Annales de Chimie einem Briefe Crell's an Bouillon-Lagrange folgender
                              Maßen angegeben. „Man loͤst 100 Gr. Queksilber in 1 1/2 Unzen
                                 Salpetersaͤure auf, und sezt der Aufloͤsung nach dem Erkalten eine
                                 Unze Alkohol zu. Dann sezt man die Fluͤssigkeit einer gelinden
                                 Waͤrme aus, wobei man das durch das Vermengen entstehende Aufbrausen
                                 abwartet. Den allmaͤhlich gebildeten Niederschlag scheidet man endlich
                                 durch das Filter ab, um ihn dann mit destillirtem Wasser abzuwaschen und bei
                                 einer Temperatur, welche jene des siedenden Wassers nur um wenig
                                 uͤbersteigt, zu troknen.“
                              
                           Howard erhielt aus 100 Theilen Queksilber 120 bis 132
                              Theile Knallqueksilber, welches nicht immer gleiche Farbe hatte, sondern vom Weißen
                              bis zum Schwarzen wechselte. Er suchte es, nachdem er ermittelt, daß es durch
                              Waͤrme, Percussion, Feuersteinfunken und elektrische Funken zum Detoniren
                              gebracht werden kann, als Schießpulver zu benuzen; fand jedoch hiebei, daß die
                              Explosion so rasch erfolgte, daß die Laͤufe plazten, ehe die Geschosse
                              hinausgeschleudert werden konnten.
                           Spaͤter erst ward das Knallqueksilber als Zuͤndkraut benuzt, und zu
                              diesem Behufe mit Wachs, mit alkoholischer Benzoëtinctur, mit Salpeter, mit
                              Schwefel, oder mit lezteren beiden zugleich vermengt. In Frankreich datirt sich
                              diese Zuͤndkraut-Fabrikation erst vom Jahre 1816 her. Der erste
                              Fabrikant Julien Leroy kam durch Explosion der Masse, die
                              er bereitete, ums Leben; dasselbe Schiksal hatte der Sohn seines Nachfolgers und
                              Schwagers Daguère-Leroy. Bis zum Jahre 1826
                              gingen noch zwei Personen zu Grunde, worunter ein Apotheker in Versailles. In diesem
                              Jahre kaufte Hr. Gevelot das Material der Fabrik Leroy's, und errichtete dann eine ausgedehntere Fabrik in
                              Moulinaux, wo mehrere Ungluͤksfaͤlle Statt fanden, von denen jedoch
                              keiner toͤdtlich ablief. Spaͤter errichtete Gevelot noch eine andere Fabrik, in der leider bei zwei Explosionen
                              mehrere Personen den Tod fanden. Vom Jahre 1819 an, von wo die kupfernen
                              Zuͤndkapseln in Aufnahme kamen, erstanden noch mehrere Fabriken, welche, so
                              viel mir bekannt ist, zu 9 Explosionen, von denen die Mehrzahl toͤdtlich
                              ablief, Anlaß gaben.
                           Alle diese Ereignisse erzeugten natuͤrlich große Furcht vor diesen Fabriken; und aus diesem Grunde
                              sind denn auch in saͤmmtlichen zu ihrer Gruͤndung ertheilten Licenzen
                              folgende Bedingungen gestellt: 1) die Fabrik darf sich an keinem bewohnten Orte
                              befinden; 2) kein Arbeiter darf unter 18 Jahre alt seyn; 3) die Fabrik
                              gehoͤrt zu den gefaͤhrlichen Fabriken erster Classe und unterliegt
                              daher der hierauf bezuͤglichen Verordnung, gemaͤß welcher die Arbeiten
                              nur von Wohnungen entfernt vorgenommen werden duͤrfen; gemaͤß welcher
                              beim Verkaufe von detonirenden Substanzen der Name und Wohnort des Kaͤufers
                              eingetragen werden muß; gemaͤß welcher die Zuͤndkrautverkaͤufer
                              diese Substanzen an einem sicheren Orte unter Verschluß halten muͤssen; und
                              gemaͤß welcher die Polizei die Fabriken zu besuchen hat, um sich zu
                              uͤberzeugen, ob deren Local so eingerichtet ist, daß allen Gefahren so viel
                              als moͤglich vorgebeugt ist.
                           Der vielen Ungluͤksfaͤlle, welche Statt fanden, und der damit
                              verbundenen Gefahren ungeachtet, hoͤrte die Fabrikation nicht auf; man
                              schenkte ihr groͤßere Sorgfalt, und Dank dieser und einiger von dem
                              Berathungscomité fuͤr Kuͤnste und Gewerbe vorgeschlagener
                              Vorsichtsmaßregeln bietet sie auch wirklich weniger Gefahren. Sie wurde so zu einem
                              Industriezweige, der im Departement la Seine
                              concentrirt, bereits direct 5 bis 600 Individuen beschaͤftigt, abgesehen von
                              den zahlreichen Haͤnden, die er indirect durch Beschaͤftigung von
                              Mechanikern, Drahtziehern, Drehern, Gelbgießern etc. in Bewegung sezt. Nach den bei
                              unserem ersten Fabrikanten, Hrn. Gevelot, und den ihn
                              zunaͤchst stehenden HH. Goupillat und Delion
                              Diese Fabrik beschaͤftigte, als ich sie das lezte Mal besuchte, 64
                                    Arbeiter; davon waren 55 mit der Zubereitung des Kupfers und 6 mit dem
                                    Fuͤllen der Kapseln beschaͤftigt; 3 waren an den Maschinen
                                    verwendet, und diesen half noch ein Lehrling und ein Schmied. Die Fabrik
                                    zahlt alle 14 Tage 2400 bis 3000 Fr. Arbeitslohn, und fuͤhrt der
                                    Gemeinde, in welcher sie besteht, jaͤhrlich 48 bis 60,000 Fr. zu.
                                    – Goupillat arbeitet mit einem
                                    Pferdegoͤpel, Gevelot mit einer
                                    Dampfmaschine. A. d. O. eingezogenen Erkundigungen gewinnt die Zuͤndkraut-Fabrication
                              taͤglich mehr an Ausdehnung; so wurden im Jahre 1835 gegen 800 Mill.
                              Zuͤndkapseln erzeugt, von denen 3 bis 400 Millionen ins Ausland gingen. Man
                              brauchte dazu 80,000 Kilogr. Kupferblech von verschiedenen Fabriken; 200 Pipen
                              Alkohol von 36° (jede Pipe zu 600 bis 650 Liter), welche zusammen eine
                              Auflage von 100,000 Fr. zahlen; 160 bis 170,000 Kilogr. Salpetersaͤure zu
                              36°; 15 bis 16,000 Kilogr. Queksilber; 7 bis 8000 Kilogr. Salpeter; 2000
                              Kilogr. Schwefelsaͤure zum Reinigen des Kupfers, und 1500 Kilogr.
                              Gußstahl.Die Zuͤndkapsel-Fabrication hat bei uns auch die
                                    Gewehr-Fabrication sehr gehoben. A. d. O.
                              
                           
                           In Deutschland besteht meines Wissens nur eine einzige Zuͤndkrautfabrik, und
                              zwar in Prag, wo dieselbe von drei Franzosen, worunter Dr.
                              Bellot, ehemaliger Associé des Hauses Tardy und Blanchet, errichtet
                              wurde. Diese Fabrik liefert jaͤhrlich 40 bis 45 Millionen
                              Zuͤndkapseln, die jedoch anders zubereitet werden als die unserigen. Unsere
                              werden aus Knallqueksilber und Salpeter zusammengesezt; die Prager hingegen, welche
                              die Flinten mehr schonen sollen, aus Knallqueksilber, Salpeter und Schwefel.
                           Das Knallqueksilber wird auf folgende Weise bereitet. Man bringt in einen großen
                              Ballon aus weißem Glase 1 Pfund 8 Unzen Queksilber und 18 Pfund
                              Salpetersaͤure von 36°, welche so rein als moͤglich seyn muß.
                              Ist die Aufloͤsung mit Beihuͤlfe einer gelinden Waͤrme erfolgt,
                              so sezt man nach und nach auf mehrere Male 8 bis 10 Liter Alkohol zu.Manchmal muß man die Fluͤssigkeit, um die Wirkung einzuleiten, gelinde
                                    erwaͤrmen, wobei man jedoch mit dem Heizen aufzuhoͤren hat,
                                    sobald die Wirkung beginnt. A. d. O. Waͤhrend dieser Zusaz geschieht, entwikelt sich eine ungeheure Menge
                              Untersalpetersaͤure mit Aetherdaͤmpfen vermengt, welche Daͤmpfe
                              sich nicht nur in dem Fabrikslocale, sondern in der ganzen Umgebung verbreiten. Die
                              Arbeiter werden hiedurch sehr belaͤstigt, sie bekommen einen heftigen Husten,
                              durch den es bisweilen bis zum Erbrechen kommt, so daß die Arbeiter bis zu
                              gaͤnzlicher Beendigung der Arbeit nichts genießen koͤnnen. Hat der
                              Alkohol seine Wirkung vollbracht, so laͤßt man die Masse stehen, und gibt das
                              Knallpulver in Schalen, in welchen man es von der Mutterlauge abscheidet, um es dann
                              auf kleinen zeugenen Filtrirsaͤken, welche man in glaͤserne
                              Filtrirtrichter bringt, abtropfen zu lassen. Man kann dasselbe auch mit etwas
                              destillirtem Wasser auswaschen. Nach den Angaben verschiedener Fabrikanten
                              erhaͤlt man, wenn die Ingredienzien in obigem Verhaͤltnisse angewendet
                              worden sind, 1 Pfd. 10 bis 12, ja bis 14 Unzen Knallqueksilber.Hr. Bellot in Prag nimmt auf 1 Pfd. Queksilber 12
                                    Pfd. Salpetersaͤure und 8 Liter Alkohol. Er sagt, daß die
                                    Qualitaͤt der Salpetersaͤure großen Einfluß auf das Fabrikat
                                    habe, was unsere Fabrikanten auch schon lange erkannt hatten. A. d. O.
                              
                           Das erzielte Knallpulver wird nach dem Abtropfen und noch feucht mit dem dritten
                              Theile seines Gewichtes Salpeter vermengt. Die Vermengung geschieht auf einer Tafel
                              mit einem hoͤlzernen Reiber oder mit einer Walze, wobei, da die Masse noch
                              feucht ist, die Gefahr nicht groß ist. Hierauf folgt das Koͤrnen, welches
                              schon mannigfache Gefahren darbietet. Da das Gemenge gewoͤhnlich zu feucht
                              ist, als daß man es auf das Sieb bringen koͤnnte, so troknet man es mit dem
                              Staube, der von der trokenen Masse abfaͤllt; und da dieß Geschaͤft
                              gewoͤhnlich in Schalen aus Steingut vorgenommen wird, so kann leicht eine
                              Detonation erfolgen. Zur Vermeidung einer solchen ließe sich dieß auch auf einem
                              Haarsiebe oder auf einem uͤber ein Vierek gespannten Tenakel vollbringen.
                           Das gekoͤrnte Gemenge kommt in die Trokenstube, wo es auf Papier in
                              duͤnnen hoͤlzernen Schachteldekeln auf die um den Trokenofen herum
                              angebrachten Gestelle gesezt wird. Dieses Papier muß, wenn das Gemenge zum Sieben
                              gegeben worden ist, in Wasser oder noch besser in Salzsaͤure geworfen werden.
                              Das Sieben geschieht mittelst eines Haarsiebes, und dadurch wird die Masse in die
                              Koͤrner und in den Staub gesondert. Erstere werden in Flaschen aus gesottenem
                              Leder oder aus lakirtem Pappendekel in einem eigens dazu bestimmten, ganz
                              abgesonderten und unter Schloß und Riegel gehaltenen Magazine aufbewahrt. Will man
                              das Pulver zum Behufe des Verfuͤllens desselben in die kleinen Kapseln in die
                              Werkstaͤtte bringen, so theilt man es vorher in kleine Flaͤschchen aus
                              Pappendekel. In einigen Fabriken sezt man dem Pulver etwas Gummischleim zu, damit es
                              nicht lose werden und aus den Kapseln herausfallen kann.
                           In Deutschland verfaͤhrt man anders, d.h. man sezt dem Knallqueksilber
                              Schwefel und Salpeter zu. Hr. Bellot gab uns bei seiner
                              lezten Anwesenheit in Paris im Oktober 1835 folgende Verhaͤltnisse an. Man
                              nimmt auf 1170 Salpeter 230 Schwefel, und vermengt endlich 450 Theile dieses
                              Gemenges mit 350 Theilen Knallqueksilber. Uebrigens vertroͤdelt man in
                              DeutschlandIch muß hier bemerken, daß ich Beweise in Haͤnden habe, daß man
                                    neuerlich einige unserer Fabrikanten bewegen wollte nach Deutschland zu
                                    uͤbersiedeln. A. d. O. auch noch verschiedene, angeblich in Frankreich gekaufte Knallpulver, von
                              denen manche den von mir angestellten Analysen gemaͤß 40 bis 60 Proc.
                              Salpeter enthalten.
                           Die großen Ungluͤksfaͤlle, die sich bei der Knallpulverfabrication
                              ereigneten, veranlaßten die Staatsverwaltung dem Comité der Kuͤnste
                              und Gewerbe und dem Sanitaͤtscollegium ein Gutachten uͤber die in
                              diesen Fabriken zu befolgenden Vorsichtsmaßregeln abzuverlangen, damit das Leben und
                              die Erhaltung der Fabrikanten und Arbeiter mehr gesichert sey. Die Maßregeln, welche
                              das Comité in einer Eingabe an das Handelsministerium vom Jahre 1834
                              vorschlug, lauteten wie folgt.
                           1) Die Arbeit soll abgetheilt und in fuͤnf verschiedenen Werkstaͤtten
                              vollbracht werden. In der ersten soll die Aufloͤsung geschehen, welche auch
                              in freier Luft vorgenommen werden kann; in der zweiten soll die Vermengung des
                              Knallqueksilbers mit dem Salpeter geschehen; in der dritten soll die Koͤrnung
                              mit Haarsieben vollbracht werden; die vierte soll zur Aufbewahrung des Knallpulvers
                              dienen; in der fuͤnften endlich soll das Pulver in die Kapseln
                              verfuͤllt werden.
                           2) Man soll einen vertrauten und verstaͤndigen Mann haben, der so selten als
                              moͤglich gewechselt werden soll, und dem es mit dem Fabrikmeister allein
                              gestattet ist, in die Werkstaͤtten zu treten, wo das Pulver gemengt,
                              gekoͤrnt und aufbewahrt wird.
                           3) Der Boden der Werkstaͤtten soll aus Gyps gebaut seyn, weil man gefunden
                              hat, daß das Knallpulver auf dem Gypse nicht verknallt, selbst wenn man mit einem
                              Hammer darauf schlaͤgt,
                           4) Die Waͤnde sollen mit Gyps beworfen werden, und zwar so, daß nichts davon
                              lose werden und auf die Faͤcher, auf denen sich das Knallpulver befindet,
                              herabfallen kann.
                           5) Diese Faͤcher sollen aus Tannenholz oder aus einem anderen weichen weißen
                              Holze verfertigt werden, weil das Pulver auf solchem Holze schwerer verknallt, als
                              auf haͤrterem Holze.
                           6) Die Deken muͤssen gut belattet und plafonnirt seyn; auch darf sich
                              uͤber ihnen kein zweites Stokwerk befinden.
                           7) Man soll in die Fuͤllwerkstaͤtte nie mehr als den achten Theil des
                              fuͤr einen Tag bestimmten Knallgemisches bringen, und dieses Pulver in einer
                              Buͤchse aus weichem Holze oder aus Leder auf einen hoͤlzernen Rost
                              stellen, welcher uͤber einem mit Wasser gefuͤllten und mit Pappendekel
                              bedekten Kuͤbel angebracht ist.
                           8) Die Werkstaͤtten muͤssen oft gefegt, und der Kehricht in einen Bach
                              geworfen, oder noch besser mit Salzsaͤure begossen werden.
                           9) Man soll sich nur hoͤchst einfacher Werkzeuge bedienen, sie oft abtroknen,
                              und sie jedes Mal, so oft man sich ihrer bediente, abwaschen. Das Pulver, welches
                              sich davon abloͤst, soll in einen mit Wasser gefuͤllten Kuͤbel
                              gebracht werden.
                           10) Immer soll in den Werkstaͤtten Wasser und außerhalb diesen Faͤßer
                              mit Wasser vorraͤthig gehalten werden.
                           11) In keiner der Werkstaͤtten soll Feuer geduldet werden, und will man
                              dieselben ja heizen, so hat dieß nur mit Wasserdampf, der an einem gehoͤrig
                              entlegenen Orte erzeugt wird, zu geschehen.
                           Das Sanitaͤtscollegium verlangte in seinem unterm 12. Junius an die Polizei
                              erstatteten Berichte folgende Maßregeln:
                           1) Jede Knallpulver-Fabrik soll von allen Wohnungen und von den Landstraßen
                              entfernt, auch ringsum mit Mauern umgeben seyn.
                           2) Die Werkstaͤtte, worin das Knallpulver fabricirt wird, soll von dem
                              Magazine und von dem Aufbewahrungsorte fuͤr den Weingeist entfernt seyn.
                           
                           3) Die uͤbrigen Werkstaͤtten sollen saͤmmtlich von einander
                              geschieden und aus Holzwerk und Gyps ohne Bausteine aufgefuͤhrt seyn. Der
                              Boden werde mit einer Bleiplatte uͤberzogen, indem das Collegium gefunden
                              hat, daß das Knallpulver auf Blei nicht zur Explosion zu bringen ist. Die
                              Waͤnde muͤssen geglaͤttet und mit Gyps bekleidet werden. Die
                              Fenster, wenn deren vorhanden sind, muͤssen aus Glas, welches mit einer
                              duͤnnen Schichte einer weißen Farbe bestrichen worden ist, bestehen, um die
                              Temperatur niedriger zu erhalten, und um zu verhuͤten, daß durch Fehler im
                              Glase, welche das Glas als Brennglas wirken machen, nicht an einzelnen Orten eine
                              groͤßere Hize entstehen kann. Das Dach muß so fest seyn, daß es den
                              Erschuͤtterungen, welche durch Explosionen der einen oder der anderen der
                              benachbarten Werkstaͤtten entstehen koͤnnten, Widerstand zu leisten im
                              Stande ist, um auf diese Weise noch groͤßerem Ungluͤk vorzubeugen.
                           4) Es darf kein Feuer in den Werkstaͤtten gemacht werden; das Rauchen ist zu
                              verbieten und eben so das Arbeiten bei kuͤnstlichem Lichte.
                           5) Die Waͤnde der Trokenstube sind mit Gestellen aus weichem Holze zu
                              bekleiden; auf deren oberstes jedoch kein Knallpulver gebracht werden darf. Auch
                              duͤrfen diese Gestelle nicht hoͤher an den Waͤnden hinauf
                              reichen, als so weit, daß man ohne auf eine Staffelei oder auf einen Stuhl zu
                              steigen, zu ihnen hinauf gelangen kann.
                           6) Metallsiebe sind nicht zu dulden, und jene, deren man sich bedient, sind an ihren
                              unteren Raͤndern mit einem Bleistreifen zu besezen.
                           7) Das gekoͤrnte und getroknete Pulver soll in Flaschen, welche mit Binsen
                              uͤberflochten sind, gefuͤllt und in diesen im Magazine aufbewahrt
                              werden.
                           8) Das Magazin ist ganz abzusondern und mit einem Blizableiter zu versehen. Das
                              einzige zur Aufbewahrung der Flaschen dienende Gestell soll so niedrig seyn, daß man
                              leicht dazu gelangen kann. Der Boden ist mit einer Bleiplatte zu belegen.
                           9) Unter keinem Vorwande darf in dem Magazine selbst ein Umfuͤllen des Pulvers
                              vorgenommen werden.
                           10) Die Buͤchsen, in welche die Arbeiter die Pulverflaͤchchen sezen,
                              sollen aus Leder bestehen und außen mit Wolle oder Roßhaar gefuͤttert
                              seyn.
                           11) Es darf nie mehr Knallpulver in die Verfuͤllwerkstaͤtte gebracht
                              werden, als hoͤchstens der zehnte Theil des taͤglichen Verbrauches.
                              Der Director oder Eigenthuͤmer der Fabrik allein darf den Schluͤssel
                              zu dem Magazine fuͤhren.
                           
                           12) Der Werkfuͤhrer muß solche chemische Kenntnisse besizen, daß er eine
                              moralische Garantie darbietet.
                           13) Es darf keine Fabrik errichtet werden, ohne daß vorher ein genauer Plan
                              saͤmmtlicher innerer Einrichtungen vorgelegt wurde. An dieser Einrichtung
                              darf dann unter keinerlei Vorwand irgend eine Aenderung vorgenommen werden, ohne die
                              Ermaͤchtigung hiezu eingeholt zu haben. Endlich soll kein Arbeiter unter 18
                              Jahren in diesen Fabriken verwendet werden.
                           Diese Maßregeln werden allerdings vielen Gefahren vorbeugen; allein wird man ihnen
                              auch entsprechende Folge leisten? Wir glauben, daß die Regierung sie wenigstens zum
                              Theil zum Geseze erheben, und uͤber deren Handhabung dann wachen soll;
                              waͤhrend sie die uͤbrigen als gute Rathschlaͤge anbieten soll.
                              Die Verantwortlichkeit wuͤrde dann ganz auf die Fabrikanten fallen.
                           Da ich als Mitglied des Sanitaͤtscollegiums mehrere dieser Fabriken zu
                              besuchen hatte, so verfolgte ich deren Gang, und war hiebei namentlich in der Fabrik
                              des Hrn. Gevelot, wo man im Großen arbeitet, von der
                              ungeheuren Masse von Daͤmpfen, die sich bei der Einwirkung der
                              Salpetersaͤure auf den Alkohol entwikelt, uͤberrascht. Ich fand, daß
                              die diesen Daͤmpfen ausgesezten Arbeiter wegen der in dem Dampfe enthaltenen
                              salpeterigen und untersalpeterigen Saͤure, so wie auch wegen des
                              Aetherdampfes sehr zu leiden hatten. Selbst der Werkfuͤhrer, Hr. Delion, gegenwaͤrtig Associé des Hauses Goupillat, beklagte sich daruͤber, obwohl er seit
                              langer Zeit an diese Operation gewohnt ist.Ich habe bemerkt, daß die bei der Knallpulver-Fabrication verwendeten
                                    Arbeiter saͤmmtlich schlechte oder schwarz und grau gefaͤrbte
                                    Zaͤhne besizen. Ob dieß vom Queksilber oder von den Sauren
                                    herruͤhrt, weiß ich nicht; doch findet man bei den Goldscheidern und
                                    anderen mit Saͤuren beschaͤftigten Arbeitern
                                    gewoͤhnlich dieselben Erscheinungen. A. d. O. Ich kam demnach auf die Idee diese Daͤmpfe zu verdichten, und dadurch
                              nicht nur Nuzen von ihnen zu ziehen, sondern auch die Arbeiter von einer großen Qual
                              zu befreien: eine Neuerung, von der ich mir versprach, daß sie bei den Fabrikanten
                              schon aus ersterem Grunde willig Eingang finden duͤrfte. Einige
                              Laboratoriumsversuche, welche ich in dieser Hinsicht anstellte, uͤberzeugten
                              mich bald von der Moͤglichkeit diese Daͤmpfe zu verdichten und aus
                              deren Verdichtung Nuzen zu ziehen. Ich schrieb hieruͤber im Mai 1833 an Hrn.
                              Gevelot, wurde jedoch durch anderweitige
                              Geschaͤfte verhindert der Sache Folge zu geben. Da ich mich spaͤter
                              mit Hrn. Gevelot nicht daruͤber vereinigen konnte,
                              so wendete ich mich an die HH. Delion und Goupillat, welche eben damals eine Fabrik in
                              Bas-Meudon errichteten, und welche auf meinen Rath auch wirklich den von mir
                              ausgedachten Verdichtungsplan in Anwendung brachten. Seither vollbringt nun dieser
                              Apparat die Dienste, zu denen er bestimmt ist, wie sich auch Hr. Gaultier de Claubry bei Gelegenheit des Besuches dieser
                              Fabrik uͤberzeugte.
                           Dieser hoͤchst einfache Apparat besteht: 1) aus einer ballonfoͤrmigen
                              Retorte, welche an ihrer oberen Woͤlbung mit einer trichterfoͤrmigen
                              Tubulirung versehen ist. 2) aus einem Gestelle, in welchem diese Retorte so ruht,
                              daß man sie mittelst einer unter sie gebrachten Weingeistlampe nach Belieben erhizen
                              kann. 3) aus einem Stoͤpsel aus weichem Holze, der zum Verschließen der
                              Tubulirung dient. 4) aus einem cylindrischen Vorstoße aus Steingut von 54 bis 60
                              Zoll Laͤnge, welcher aus 3 Stuͤken von 18 bis 20 Zoll Laͤnge
                              und 8 bis 9 Zoll Durchmesser besteht. Man gibt diesem Vorstoße, der einerseits mit
                              dem Halse der Retorte und andererseits durch eine Glasroͤhre mit der ersten
                              Vorlage in Verbindung steht, eine schwache Neigung, damit die Fluͤssigkeiten,
                              die sich in ihm verdichten, in die erste Vorlage abfließen koͤnnen. Uebrigens
                              koͤnnte man den Vorstoß wohl leicht auch so zulaufen lassen, daß er direct
                              mit der ersten Vorlage in Verbindung gebracht werden koͤnnte. 5) endlich aus
                              drei oder vier Vorlagen, von denen jede mit drei Tubulirungen versehen ist, und
                              welche durch rechtwinkelig gebogene Roͤhren mit einander in Verbindung
                              stehen. Von der lezten Vorlage laͤuft eine gerade oder gekruͤmmte
                              Roͤhre aus, durch welche die aͤtherhaltigen Daͤmpfe, die sich
                              in den mit Wasser umgebenen Vorlagen nicht verdichteten, entweichen koͤnnen.
                              Man kann die Aufloͤsung des Queksilbers im Ballon nach Zusammensezung des
                              ganzen Apparates vornehmen, oder man kann den Ballon nach vollbrachter
                              Aufloͤsung mit dem Vorstoße in Verbindung bringen, indem man seinen Hals
                              durch einen Pfropf aus weichem Holze stekt, und das Ganze mit einem fette Kitte gut
                              verkittet.
                           Der erste in der Fabrik in Bas-Meudon errichtete Apparat dieser Art wurde in
                              einem der Gemaͤcher der Fabrik probirt. Man arbeitete mit 1 Pfd. 8 Unzen
                              Queksilber, 18 Pfd. Salpetersaͤure und 10 Liter Weingeist, wobei man zu den
                              guͤnstigsten Resultaten gelangte. Die Entwiklung von Aetherdampf aus der
                              Roͤhre der lezten Vorlage war so unbedeutend, daß ich mich ohne die geringste
                              Belaͤstigung zu verspuͤren, in dem Gemache, welches nur 20 bis 24 Fuß
                              Laͤnge auf 10 bis 12 Fuß Breite haben mochte, aufhalten konnte.
                           Seither wurden in genannter Fabrik mehrere derlei Apparate errichtet, und die
                              Eigenthuͤmer finden sie ihrer officiellen Angabe gemaͤß sehr
                              vortheilhaft. Die Arbeiter, die ihre Arbeiten sonst oͤfter wegen Unwohlseyns aussezen
                              mußten, koͤnnen gegenwaͤrtig ohne alle Belaͤstigung
                              ununterbrochen ihrem Geschaͤfte nachgehen. Hr. Gevelot, der seither gleichfalls den Apparat annahm, aͤußerte in
                              einem Schreiben an Hrn. Gaultier de Claubry vom Januar
                              1836 Folgendes: „Dieses System ist in Hinsicht auf die Erleichterung,
                                 welche es den Arbeitern gewaͤhrt, unstreitig sehr vorzuͤglich: man
                                 ist gegenwaͤrtig durchaus nicht mehr durch die Gase, welche sich sonst
                                 hei windstiller Witterung herabsenkten, sich auf der Erde verdichteten, und
                                 daher einen heftigen Husten erzeugten, belaͤstigt. Ich bemerkte
                                 fruͤher, daß meine Arbeiter oͤfter durchaus nichts bei sich
                                 behalten konnten, und daher gezwungen waren, ihre Mahlzeiten bis zu
                                 gaͤnzlicher Vollendung der Arbeit zu verschieben. Ich ließ sie
                                 haͤufig Milch nehmen, und wendete dieses Mittel auch zur Beschwichtigung
                                 der Reizung, welche diese Daͤmpfe erzeugten, an. Bei dem neuen Verfahren
                                 faͤllt alles dieß weg, da nur mehr sehr wenige Daͤmpfe
                                 entweichen.“
                              
                           Die bei dem alten Verfahren gewonnenen Nebenproducte bestanden nur in Mutterlaugen,
                              welche, wenn man mit 1 Pfd. 8 Unzen Queksilber, 18 Pfd. Salpetersaͤure und 10
                              bis 11 Liter Alkohol arbeitete, gewoͤhnlich nur 13 Pfd. wogen. Sie enthielten
                              mehr oder weniger Queksilber aufgeloͤst, manchmal ein hydrocyansaures Salz,
                              und immer eine gewisse Quantitaͤt Alkohol, die jedoch wandelbar war. 4 Liter
                              der Fluͤssigkeit gaben mit einem Alkali versezt und der Destillation
                              unterworfen, einen Liter Alkohol von 27°, welcher nach rectificirtem
                              Salpeteraͤther roch. Man verwendete ihn zur Firnißfabrication, obschon er
                              auch neuerdings zur Knallpulver-Fabrication haͤtte dienen
                              koͤnnen. Bei einem zweiten Versuche gaben mir nur 5 Liter Mutterlauge einen
                              Liter Alkohol von 26°; doch hatte ich bei beiden Versuchen keine ganz frische
                              Mutterlauge zur Verfuͤgung.
                           Mit dem Verdichtungsapparat erhaͤlt man: 1) Mutterlauge in dem Ballon; 2) eine
                              Alkoholaͤther und eine Queksilbersalz enthaltende Fluͤssigkeit in der
                              ersten Vorlage; 3) einen sauren Aether in den uͤbrigen Vorlagen. Ich hoffe
                              durch weitere Versuche beweisen zu koͤnnen, daß man durch Saͤttigung
                              der Mutterlauge mit Kalk Queksilberoxyd, welches sich leicht reduciren laͤßt,
                              salpetersauren Kalk, der auf Salpeter benuzt werden kann, und Weingeist, der sich
                              zur Firnißbereitung oder neuerdings zur Knallpulver-Fabrication verwenden
                              laͤßt, erzielen kann. Ferner, daß man durch Saͤttigung der in der
                              ersten Vorlage verdichteten Fluͤssigkeiten mit einem Alkali Queksilberoxyd
                              und eine aͤtherhaltige alkoholische Fluͤssigkeit gewinnen kann; und
                              endlich, daß man durch gehoͤrige Behandlung der in den uͤbrigen
                              Vorlagen gewonnenen Fluͤssigkeiten eine Fluͤssigkeit erhaͤlt,
                              die mit Alkohol vermengt
                              neuerdings zur Knallpulver-Fabrikation oder auch zur Aufloͤsung von
                              Harzen und Gummiharzen, so wie zur Firnißbereitung dienen kann. Ich behalte mir
                              jedoch vor, hieruͤber in Zukunft noch mehrere Versuche anzustellen.