| Titel: | Ueber die Bildung der Schwefelsäure; von Thomas Thomson, Prof. der Chemie in Glasgow. | 
| Fundstelle: | Band 62, Jahrgang 1836, Nr. XX., S. 115 | 
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                        XX.
                        Ueber die Bildung der Schwefelsaͤure; von
                           Thomas Thomson,
                           Prof. der Chemie in Glasgow.
                        Aus den Records of general Science. August 1836, S.
                              93.
                        Thomson, uͤber die Bildung der
                           Schwefelsaͤure.
                        
                     
                        
                           Bekanntlich wird die Schwefelsaͤure in den Fabriken durch Verbrennen von
                              Schwefel bereitet; man leitet die gebildete schweflige Saͤure in große
                              bleierne Kammern, wo sie mit Salpetersaͤure und einer geringen Menge Wasser
                              in Beruͤhrung kommt; die Daͤmpfe der Salpetersaͤure werden
                              naͤmlich gleichzeitig mit der schwefligen Saͤure in die Bleikammer
                              getrieben. Wo nun immer ein Riß oder offener Theil in der Bleikammer in einiger
                              Hoͤhe uͤber dem mit Wasser bedekten Boden vorkommt, sezt sich eine
                              weiße salzartige Substanz ab.
                           Diese salzartige Substanz bildet kleine Schuppen, schmekt sehr sauer und zergeht an
                              der Luft nach und nach zu einer Fluͤssigkeit, welche reine
                              Schwefelsaͤure ist. Wenn man sie in Wasser wirft, findet ein heftiges
                              Aufbrausen Statt, es entwikelt sich viel Salpetergas und es bleibt eine
                              Aufloͤsung von Schwefelsaͤure zuruͤk. Sie wurde schon mehrmals
                              untersucht. Davy betrachtete sie als eine Verbindung von
                              Salpetersaͤure mit schwefliger Saͤure. Dr.
                                 Henry untersuchte sie vor einigen Jahren und schloß aus seinen Versuchen,
                              daß sie eine Verbindung von untersalpetriger und schwefligre Saͤure ist.
                           Durch die Guͤte des Hrn. Tennant erhielt ich
                              mehrmals Gelegenheit, diese Substanz im Zustande großer Reinheit zu untersuchen. In
                              Folge meiner zahlreichen Versuche bin ich uͤber ihre Zusammensezung anderer
                              Ansicht als Dr. Henry. Wie weit diese Versuche meine
                              Meinung rechtfertigen, dieß uͤberlasse ich praktischen Chemikern zu
                              bestimmen. Die Analyse ist nicht ganz genuͤgend, weil man die Menge des
                              vorhandenen Wassers nicht durch das Experiment bestimmen kann.
                           
                           1) Wenn eine Quantitaͤt der salzartigen Substanz in einer Retorte mit Wasser
                              vermischt wird, so erfolgt ein starkes Aufbrausen und Salpetergas entweicht in
                              Stroͤmen. Das Ganze loͤst sich in Wasser auf, mit Ausnahme einer
                              geringen Menge weißer Materie, deren Gewicht bei verschiedenen Proben variirt. Diese
                              weiße Materie ist nach dem Troknen ein geschmakloses, in Wasser
                              unaufloͤsliches Pulver. Beim Erhizen faͤngt dasselbe Feuer und brennt
                              mit blauer Flamme, waͤhrend sich etwas Schwefel sublimirt. Was
                              zuruͤkbleibt, ist reines schwefelsaures Blei. Diese Erscheinungen sind
                              fuͤr das schwefligsaure Blei charakteristisch, und
                              es ist daher erwiesen, daß die salzartige Substanz aus den Bleikammern
                              schwefligsaures Blei enthaͤlt. Aus 550 Gran salzartiger Substanz erhielt ich
                              8,43 Gr. schwefligsaures Blei, oder beilaͤufig 1,53 Proc. Bei einem anderen
                              Versuche lieferten 100 Gran der salzartigen Substanz 1,4 Gran schwefligsaures Blei
                              oder etwas unter 1 Proc. Diese Versuche gaben die zwei Extreme; bei allen anderen
                              war die erhaltene Menge zwischen diesen Quantitaͤten.
                           2) 58 Gran der salzartigen Substanz wurden in einer kleinen Retorte erhizt. Die feste
                              Substanz zerfloß zum Theil, und es erschienen Daͤmpfe von salpetriger
                              Saͤure. Bei verstaͤrkter Hize erfolgte ein Aufbrausen und es ging
                              rasch Gas uͤber. Dasselbe war gelb wie salpetersaure Daͤmpfe und
                              wirkte auch wie dieses Gas auf Queksilber, so daß ich es nicht aufsammeln konnte.
                              Nach beendigtem Aufbrausen hinterblieb in der Retorte eine farblose
                              Fluͤssigkeit mit einem kleinen Saz von schwefligsaurem Blei. Diese farblose
                              Fluͤssigkeit entwikelte aber beim Vermischen mit Wasser unter heftigem
                              Aufbrausen salpetrigsaure Daͤmpfe; es war also dieselbe Mischung oder
                              Verbindung zuruͤkgeblieben, welche die urspruͤngliche salzartige
                              Substanz enthielt.
                           3) Wenn man die salzartige Substanz mit kohlensaurem Ammoniak zerreibt, verbindet sie
                              sich damit, ohne irgend eine bemerkbare Zersezung.
                           4) Ich zerrieb sie nun mit einer Quantitaͤt gepulverten, doppeltkohlensauren
                              Kalis, die nach vorlaͤufigen Versuchen zur Saͤttigung der freien
                              Saͤuren gerade hinreichend gewesen seyn sollte. Hiebei entbanden sich
                              Daͤmpfe von Salpetersaͤure, bis das Ganze vollkommen troken wurde. Ich
                              sezte das Zerreiben fort, bis das Gemenge zu einem weißen Teig erweichte, den ich
                              dann einige Stunden an der Luft stehen ließ. Dieser Ruͤkstand zeigte sich bei
                              der Untersuchung als ein Gemenge von schwefelsaurem und kohlensaurem, mit sehr wenig
                              salpetersaurem Kali; die Salpetersaͤure war waͤhrend des Zerreibens
                              fast ganz verjagt worden.
                           
                           5) 160 Gran der trokenen salzartigen Substanz wurden in einer Retorte mit Wasser
                              vermischt und das ausgetriebene Stikstoffoxydgas gesammelt; es betrug bei 60°
                              F. und 30 Zoll Barometerstand 59,35 Kubikzoll.
                           Nachdem die Fluͤssigkeit in der Retorte von dem schwefligsauren Blei befreit
                              worden war, bestand sie aus einer Aufloͤsung von Schwefelsaͤure in
                              Wasser, ohne irgend eine Spur von Salpetersaͤure oder schwefliger
                              Saͤure. Diese Schwefelsaͤure, zum Theil als schwefelsaures Natron und
                              zum Theil als schwefelsaurer Baryt erhalten, betrug 132,24 Gran = 105,79 Gran
                              schwefliger Saͤure.
                           Das erhaltene Salpetergas wiegt 19,17 Gran, und entspricht also 34,5 Gran
                              Salpetersaͤure.
                           Die erhaltenen Bestandtheile waren:
                           
                              
                                 Schweflige Saͤure
                                 105,79
                                 
                              
                                 Salpetersaͤure
                                   34,50
                                 
                              
                                 Schwefligsaures Blei
                                     1,40
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 141,69
                                 
                              
                                 Verlust
                                   18,31
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 160.
                                 
                              
                           Dieser Verlust muß Wasser seyn. Die Bestandtheile sind dann sehr nahe:
                           
                              
                                 1 Atom Salpetersaͤure
                                   6,75
                                 
                              
                                 5 Atome schweflige Saͤure
                                 20,00
                                 
                              
                                 5 Atome Wasser
                                   3,375
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 30,125
                                 
                              
                           Daß die in der Substanz vorkommende Saͤure Salpeter- und nicht untersalpetrige
                              Saͤure ist, schließe ich aus ihrem Verhalten bei der Destillation und daraus,
                              daß mit der schwefligen Saͤure wirklich Salpetersaͤure in die
                              Bleikammern geleitet wird, welche durch keinen der vorhandenen Stoffe in
                              untersalpetrige Saͤure verwandelt werden kann.
                           Die Analyse beweist nicht, daß aller Schwefel als schweflige Saͤure vorhanden
                              war. Ich vermuthe aus den gefundenen Verhaͤltnissen, daß 2/5 desselben
                              Schwefelsaͤure und 3/5 schweflige Saͤure waren. Bei dieser Annahme
                              sieht man leicht ein, wie das Atom Salpetersaͤure, indem es 3 Atome
                              Sauerstoff abgibt, die 3 Atome schweflige Saͤure in Schwefelsaͤure
                              umaͤndert, waͤhrend die so zersezte Salpetersaͤure als
                              Stikstoffoxydgas entweicht.
                           Die vorhergehende Analyse wurde mit wenig abweichendem Resultate wiederholt. Nach der
                              Annahme, daß die salzartige Substanz 2/5 Schwefelsaͤure und 3/5 schweflige
                              Saͤure enthaͤlt, muß die untersuchte Quantitaͤt folgender Maßen
                              zusammengesezt gewesen seyn.
                           
                           
                              
                                 Schweflige Saͤure
                                   63,87
                                 
                              
                                 Schwefelsaͤure
                                   52,90
                                 
                              
                                 Salpetersaͤure
                                   34,50
                                 
                              
                                 Schwefligsaures Blei
                                     1,40
                                 
                              
                                 Wasser
                                     7,33
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 160,00
                                 
                              
                           Dieß naͤhert sich sehr:
                           
                              
                                 3 Atomen schwefliger Saͤure
                                 12
                                 
                              
                                 2 Atomen Schwefelsaͤure
                                 10
                                 
                              
                                 1 Atom Salpetersaͤure
                                   6,75
                                 
                              
                                 1 Atom Wasser
                                   1,125
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 
                                 29,875
                                 
                              
                           Wahrscheinlich war das Wasser mit der Schwefelsaͤure verbunden.