| Titel: | Ueber die Anwendung der pneumatischen Maschinen an Bergwerken und zu anderen Zweken. Von Hrn. Jakob Perkins, Civilingenieur. | 
| Fundstelle: | Band 66, Jahrgang 1837, Nr. XXX., S. 161 | 
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                        XXX.
                        Ueber die Anwendung der pneumatischen Maschinen
                           an Bergwerken und zu anderen Zweken. Von Hrn. Jakob Perkins, Civilingenieur.
                        Aus dem Franklin Journal im Mechanics' Magazine, No.
                              635.
                        Perkins, uͤber Anwendung der pneumatischen Maschinen an
                           Bergwerken und zu anderen Zweken.
                        
                     
                        
                           Die Eigenschaften der pneumatischen Maschine wurden, obwohl man sich ihrer
                              laͤngere Zeit uͤber mehr oder minder haͤufig bediente, in hohem
                              Grade mißkannt und unberuͤksichtigt gelassen. Man kann sich ihrer allerdings
                              nicht wohl als ersten Bewegers bedienen; allein zum Behufe der Vertheilung der Kraft
                              laͤßt sie sich mit großem Vortheile verwenden. Vor einigen Jahren nahm Hr.
                              Hague ein Patent auf deren Benuzung beim Ausbeuten
                              von Steinkohlengruben etc., und die hiebei erzielten Resultate waren wirklich so
                              außerordentlich, daß man sie beinahe gesehen haben mußte, um sie glaublich zu
                              finden. An einer dieser Gruben, an denen Maschinen das vollbringen, was sonst von
                              Pferden bewerkstelligt wird, ist die fernste pneumatische Maschine 7 engl. Meilen
                              von der Muͤndung des Schachtes, an welchem die Dampfmaschine arbeitet,
                              entfernt, und diese kann eben so schnell und auf eben so wirksame Weise in
                              Thaͤtigkeit gesezt werden, wie irgend eine von den Zwischenmaschinen, obschon
                              einige von diesen nur eine geringe Streke von der Dampfmaschine entfernt sind. Zu
                              den außerordentlichsten Erscheinungen hiebei gehoͤrt, daß die Luft ungeachtet
                              der sieben Meilen weiten Entfernung von den Luftpumpen an beiden Enden der
                              Hauptroͤhre gleichzeitig ausgesogen wird; daß eine vollkommene Ventilirung
                              hieraus erwaͤchst, und daß die von den Saugpumpen gelieferte schlechte Luft
                              zum Betriebe der pneumatischen Maschine verwendet wird.
                           Als ich vor Kurzem einem der von Hague angestellten
                              Versuche beiwohnte, ward ich von dem, was die pneumatische Maschine leistete, so
                              uͤberrascht, daß ich mich veranlaßt fand, deren Wirkungsweise genauer zu
                              studiren. Ich erinnerte mich hiebei der Thatsache, daß durch ploͤzliche
                              Compression der Luft, durch welche deren Atome einander naͤher gebracht
                              werden, der Widerstand in Folge der Repulsivkraft der hiebei entwikelten
                              Waͤrme bedeutend erhoͤht wird: so zwar, daß ein Druk von viel mehr als
                              zwei Atmosphaͤren erforderlich ist, um die Luft auf die Haͤlfte ihres
                              urspruͤnglichen Volums zu bringen; und daß, nachdem die Luft Zeit gehabt hat
                              diese ihre uͤberschuͤssige Waͤrme abzugeben, sie dann nur wehr die
                              Haͤlfte ihres urspruͤnglichen Volums einnehmen wird. Ich fragte mich
                              demnach, ob, wenn durch Compression der Luft und durch Freiwerden der in ihr
                              enthalten gewesenen Waͤrme so viele Kraft verloren geht, der Widerstand nicht
                              durch Ausdehnung der Luft bis auf einen solchen Grad, daß sie Zeit gehabt
                              haͤtte wieder dieselbe Temperatur, die sie vor ihrer Compression hatte, zu
                              erlangen, beseitigt werden wuͤrde. Wenn nun durch die ploͤzliche
                              Erschoͤpfung der Waͤrme, welche aus der Ausdehnung der Luft
                              erwaͤchst, der Widerstand auf der Auslaßseite des Kolbens vermindert wird, so
                              ergibt sich ein ganz natuͤrlicher Grund fuͤr den Gewinn an Kraft, der
                              an der pneumatischen Maschine vor der Dampfmaschine, durch die sie in Bewegung
                              gesezt wird, Statt findet. Denn man versichert wirklich, daß die vor den Gruben
                              errichteten pneumatischen Maschinen viel mehr leisten, als die an den Schachten
                              aufgestellten Dampfmaschinen.
                           Um von diesem bisher unberuͤksichtigt gebliebenen Geseze Vortheil zu ziehen,
                              muß die pneumatische Maschine eine Modification erleiden, gemaͤß welcher die
                              Luft freien Zutritt bekommt, damit sie mit ihrem ganzen Gewichte auf die Einlaßseite
                              des Kolbens wirken kann. An den dermaligen pneumatischen Maschinen ist die
                              Einlaßroͤhre zu klein, weßhalb denn die Luft nicht mit ihrem ganzen Gewichte
                              wirken und auch nicht ihre volle Wirkung ausuͤben kann. Diese Verbesserung,
                              welche aus der Entdekung des erwaͤhnten Gesezes erwuchs, ist bereits
                              patentirt; und demnaͤchst soll auch ein Patent auf die Anwendung der
                              pneumatischen Maschine zu verschiedenen anderen Zweken genommen werden. So wird z.B.
                              vorgeschlagen, unter der Erde einen ungeheuren Luftbehaͤlter anzulegen, und
                              dieses Kraftmagazin so nahe an den zu betreibenden pneumatischen Maschinen
                              anzubringen, als man es fuͤr geeignet haͤlt. Der Luftbehaͤlter
                              kann durch Wasser, Wind oder Dampf ausgeschoͤpft werden. Bei der Anwendung
                              von Dampf als erste bewegende Kraft duͤrfte der passendste Plaz fuͤr
                              die Dampfmaschine an den Steinkohlengruben selbst seyn; indem daselbst das
                              Brennmaterial sehr wenig kosten wird, und indem man das Kohlenklein, welches bei
                              gehoͤriger Einrichtung der Oefen sehr gut benuzbar ist, ganz umsonst haben
                              kann. Es kommt, wenn die Kraft in großen Manufacturstaͤdten benuzt werden
                              soll, nicht darauf an, in welcher Entfernung von dem Luftbehaͤlter sich der
                              erste Beweger befindet, da die Ausschoͤpfroͤhre selbst einen Theil des
                              Luftbehaͤlters bilden wuͤrde. In seiner Anwendung auf die Eisenbahnen
                              muß dieses Princip wegen der ungeheuren daraus erwachsenden Ersparniß an
                              Abnuͤzung zu den wichtigsten Folgen fuͤhren. Alle Eisenbahnen
                              koͤnnen naͤmlich diesem Systeme gemaͤß mit Huͤlfe kleiner
                              stationaͤrer Dampfmaschinen befahren werden, wenn diese je nach
                              Umstaͤnden in solchen Entfernungen angebracht werden, daß sie endlose Ketten
                              oder Taue in Bewegung sezen koͤnnen. Wenn die Maschinen in Stillstand kommen,
                              so ergibt sich kein Verlust an Kraft, wie dieß an den dermaligen Locomotiven und
                              stationaͤren Dampfmaschinen in Folge des Auslassens des Dampfes der Fall ist;
                              außerdem sind die neuen Maschinen aber auch noch in jedem Augenblike bereit in
                              Wirksamkeit zu treten.
                           In mehreren Gegenden gibt es ungeheure Wasserfaͤlle, deren Kraft ganz verloren
                              geht, waͤhrend sie sich sehr gut dazu benuzen ließen, den in irgend einer
                              Entfernung befindlichen Luftbehaͤlter auszuschoͤpfen. In Virginien
                              beschaͤftigt man sich dermalen mit einem Projecte, wobei es sich um nichts
                              weniger handelt, als um den Betrieb einer 300 engl. Meilen langen Eisenbahn mittelst
                              Wasserkraft, indem neben der ganzen Bahnlaͤnge zufaͤllig eine Reihe
                              von Wasserfaͤllen zu finden ist. In Kuͤrze werden
                              Sachverstaͤndige uͤber diesen Plan, von dem man sehr guͤnstige
                              Ansichten hegt, obwohl viele Canaͤle durchkreuzt werden muͤßten,
                              aburtheilen. Dem sey aber wie ihm wolle, so gibt es uͤberall uncultivirtes
                              Land, wo ein Wald von selbstthaͤtigen Windmuͤhlen angelegt werden
                              koͤnnte, welche die Luft aus großen Luftmagazinen auszuschoͤpfen
                              haͤtten, um auf diese Weise ein ungeheures Kraftdepot anzulegen, von welchem
                              man je nach Umstaͤnden zum Betriebe der pneumatischen Maschinen Nuzen ziehen
                              koͤnnte. Diese Windmuͤhlen waͤren so anzulegen, daß sie stets
                              den Wind fangen, und weder bei Tag noch bei Nacht beaufsichtigt zu werden brauchen;
                              sollten die Luftpumpen in Hinsicht auf ihre Geschwindigkeit auch noch so sehr
                              wechseln, so wuͤrde kein Nachtheil fuͤr sie daraus erwachsen.
                           Es ist Thatsache, daß die Kraft der Luft durch Erhoͤhung ihrer Temperatur
                              rasch steigt; und wenn dem so ist, muß dann nicht auch angenommen werden, daß diese
                              Kraft rasch abnehmen muß, wenn man der Luft ihre Waͤrme entzieht? Innerhalb
                              welchen Graͤnzen findet dieß aber Statt; und kann man annehmen, daß, wenn der
                              Luft aller Waͤrmestoff entzogen wuͤrde, die Luftatome in
                              fluͤssigen Zustand gelangen wuͤrden, so daß ein Vacuum entstehen
                              muͤßte? Da die Atome der Luft bloß durch die Waͤrme allein getrennt
                              erhalten werden, so muß aus der Abwesenheit von Waͤrme ein vollkommener
                              Contact zwischen den einzelnen Atomen und mithin vielleicht die Bildung eines festen
                              Koͤrpers erfolgen. Der Dampf wird, wenn man ihm einen Theil seines
                              Waͤrmestoffes entzieht, fluͤssig, und durch weitere Entziehung fest,
                              wobei ihm immer noch eine unbekannte Quantitaͤt davon bleibt, da man den
                              natuͤrlichen Nullpunkt noch nicht zu bestimmen im Stande war. Die Wirkung der Waͤrme
                              auf Wasser und Luft ist sehr verschieden. Um durch Ausdehnung der Luft den Druk von
                              einer Atmosphaͤre zu erhalten, braucht sich dieselbe nur um ihr doppeltes
                              Volum auszudehnen; um hingegen durch Ausdehnung von Wasser den Druk einer
                              Atmosphaͤre zu erzielen, muß sich dessen Volum beinahe um das 1800 fache
                              vergroͤßern; und um dieß Leztere zu bewirken ist beinahe zwei Mal so viel
                              Waͤrme noͤthig, als zur Ausdehnung der Luft um das Doppelte. Wenn bei
                              der ploͤzlichen Ausdehnung der Luft, welche nothwendig an der Auslaßseite des
                              Kolbens eintritt, bevor die Luft noch Zeit hatte, die durch die Ausdehnung verlorne
                              Waͤrme wieder zu erlangen, von der Entziehung der Waͤrme Nuzen gezogen
                              wird, so muß man zugestehen, daß mehr oder weniger Kraft gewonnen wird.
                           Der Verlust, welcher sowohl bei Locomotivmaschinen, als auch bei stationaͤren
                              Dampfmaschinen an Dampf oder Brennmaterial Statt findet, kann nicht unter 50 Proc.
                              betragen. Der Verlust, welcher daraus erwaͤchst, daß die Maschinen, auch
                              waͤhrend sie still stehen, Kohlen verbrennen, wird noch bedeutend dadurch
                              erhoͤht, daß die Locomotive waͤhrend ihrer Bewegung eine große Menge
                              gluͤhender Funken ausspruͤht. An den Locomotiven geht durch
                              Ausstrahlung und in Folge der Bewegung weit mehr Hize verloren, als an den
                              stationaͤren Dampfmaschinen. Endlich leuchtet ein, welcher Vortheil aus der
                              Beseitigung der schweren Locomotiven erwachsen wuͤrde; indem es
                              hauptsaͤchlich diese sind, die durch ihr großes Gewicht und die daraus
                              folgende Reibung so nachtheilig auf die Schienen einwirken.
                           Die Anwendung der pneumatischen Kraft wird sich ganz vorzuͤglich in
                              huͤgeligen und gebirgigen Gegenden bewaͤhren; denn an jeder schiefen
                              Ebene laͤßt sich die Kraft so reguliren, daß die Geschwindigkeit nicht mehr
                              wegen Mangel an Kraft vermindert zu werden braucht. Der Niagarafall koͤnnte
                              gehoͤrig und nach diesem Systeme benuzt, die ganze umliegende Gegend auf die
                              wohlfeilste Weise mit der zum Betriebe von Fabriken aller Art noͤthigen
                              Triebkraft versehen, waͤhrend er gegenwaͤrtig unbenuzt seine Kraft
                              vergeuden muß!