| Titel: | Ueber einige der neueren, an den Dampfkesseln anwendbaren Sicherheitsmittel. | 
| Fundstelle: | Band 66, Jahrgang 1837, Nr. LXXI., S. 324 | 
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                        LXXI.
                        Ueber einige der neueren, an den Dampfkesseln
                           anwendbaren Sicherheitsmittel.
                        Aus dem Echo du monde savant und dem Mémorial
                                 encyclopédique.
                        Ueber neuere Sicherheitsmittel an den Dampfkesseln.
                        
                     
                        
                           Hr. Baron Séguier entwikelte vor der Akademie der
                              Wissenschaften in Paris seine Ansichten uͤber die Sicherheitsmittel, welche
                              sich zur Verhuͤtung der Explosionen der Dampfmaschinen in Anwendung bringen
                              lassen. Er erinnerte hiebei zuvoͤrderst an die Thatsache, daß sich wirklich
                              Wasserstoffgas meinem Dampfkessel entwikeln koͤnne, indem Hr. Marqué im Faubourg St. Antoine das bei dem
                              Sicherheitsventile seiner Maschine entweichende Gas entzuͤndete und sich
                              dadurch uͤberzeugte, daß der Geruch, den er an dem Gase bemerkt zu haben
                              glaubte, keine Taͤuschung war. Es ist dermalen nicht ausgemacht, ob dieser
                              Wasserstoff durch die Zersezung des Wassers an den uͤberhizten
                              Kesselwaͤnden, oder nicht vielmehr durch Zersezung der Fette, die man in das
                              Wasser zu bringen pflegt, entwikelt wird; wahrscheinlich ist es aber, daß dieses
                              Gas, wenn es ploͤzlich in groͤßerer Menge erzeugt wurde, zur
                              Entstehung von Explosionen beitragen konnte. Immer bleibt aber die ploͤzliche
                              Ruͤkkehr der Fluͤssigkeit auf die uͤberhizten Kesselwandungen,
                              welche nach dem Zerspringen der im Kessel angesezten Krusten und noch
                              haͤufiger nach einem vorausgegangenen Sinken des Wasserstandes Statt findet,
                              die hauptsaͤchlichste, wo nicht einzige Ursache der Explosionen. Die durch
                              uͤbermaͤßige, aber allmaͤhlich steigende Spannung bedingten
                              Explosionen lassen sich durch Verbesserung der Apparate verhuͤten, obwohl es
                              hergestellt ist, daß sich die Ventile im Augenblike der Explosion nicht selten in
                              gutem Zustande befanden; leider kann aber von den Explosionen, die durch
                              ploͤzliche Ruͤkkehr des Wassers auf eine uͤberhizte
                              Oberflaͤche entstehen, nicht dasselbe gesagt werden. Auf den Dampfbooten ereignete sich das
                              Ungluͤk bekanntlich oͤfter, wenn sich das Fahrzeug, indem es vom Lande
                              abstieß, auf die entgegengesezte, Seite neigte. Die durch mangelhafte Speisung der
                              Kessel bedingte Veraͤnderung im Wasserstande laͤßt sich allerdings
                              durch Vervollkommnung der hiezu verwendeten Drukpumpen verhuͤten. Allein,
                              wenn sich auch durch Ausstattung des Saugrohres der Pumpe mit einem Gitter das
                              Eindringen fremdartiger, im Wasser enthaltener Substanzen in die Pumpe verhindern
                              laͤßt, so weiß man ja, daß ein Stuͤkchen Kitt, welches von dem Wasser
                              losgerissen und zwischen die Ventile gefuͤhrt wird, das Spiel dieser Pumpen
                              hemmen kann, oder daß, wenn die Liederung des Kolbens in schlechtem Zustande ist,
                              das Wasser hindurchdringt, anstatt das gehoͤrige Ventil emporzuheben. Noch
                              haͤufiger kehrt die Luft durch die Liederung zuruͤk, wodurch das
                              Vacuum aufs gehoben ist, und wo dann ebenfalls die Speisung unterbrochen ist.
                              Endlich wird das Vacuum selbst bei der vollkommensten Liederung nicht erhalten
                              werden koͤnnen, wenn die Ventile der Pumpe unter dem hoͤchsten
                              Punkte- auf den der Kolben gelangt, angebracht sind; denn die Pumpe kann sich
                              bei diesem fehlerhaften Baue nicht der mit dem Wasser eingesaugten Luft entledigen.
                              Was die Mittel betrifft, wodurch das Wasser verhindert werden koͤnnte, mit
                              den gluͤhenden Kesselwaͤnden in Beruͤhrung zu kommen, oder
                              welche, wenn sich die Kesselwaͤnde in diesem Zustande befaͤnden, der
                              Explosion vorzubeugen vermoͤchten, so findet Hr. Séguier diese nur in der schnellen Entfernung des Feuers vom Roste.
                              Allein die Gefahr und die Unannehmlichkeit, welche daraus erwachst, wenn das
                              Dampfboot ploͤzlich seiner Triebkraft beraubt wird, ist so groß, daß sich
                              sowohl die Dampfbootinhaber als auch die Eisenbahndirectoren gegen die Hinwendung
                              von schmelzbaren Scheiben, die den Dampf vollkommen entweichen ließen, wenn dessen
                              Temperatur bei einer geringen, von der Explosionsgefahr noch weit entfernten
                              Erhoͤhung seines Drukes um einige Grade stiege, verwahrten. Hr. Séguier tadelt uͤbrigens selbst die
                              Anwendung der schmelzbaren Scheiben, weil sie dem Dampfe einen zu großen Ausgang
                              gestatten, und weil das Wasser in Folge hievon aufschaͤumt und gegen die
                              uͤberhizten Kesselwaͤnde geschleudert wird, wodurch gleichfalls eine
                              Explosion erzeugt werden kann. Hr. Frimont allein wußte
                              bisher nach Séguier's Meinung die schwierige
                              Aufgabe, um die es sich hier handelte, durch einen von ihm erfundenen wahren
                              Schuzapparat zu loͤsen. Dieser Apparat besteht aus einer Roͤhre,
                              welche sich in einen schmelzbaren Pfropf endigt, und an der der groͤßten Hize
                              ausgesezten Stelle des Herdes angebracht ist. Diese Roͤhre, welche einen
                              wahren Probekessel bildet, communicirt mit dem Koͤrper des Hauptkessels durch zwei
                              Roͤhren, von denen die eine in den mit Dampf erfuͤllten Theil des
                              Kessels, die andere hingegen einige Centimeter unter dem Niveau, auf dem das Wasser
                              erhalten werden soll, einmuͤndet. Es eisgibt sich hieraus, daß so lange das
                              Wasser im Kessel uͤber der lezteren Roͤhre steht, die Circulation des
                              Wassers in der Roͤhre den an dem einen ihrer Enden befindlichen schmelzbaren
                              Pfropf nicht in Fluß kommen laͤßt; daß aber, wenn der Wasserstand im Kessel
                              so weit gesunken ist, daß beide Roͤhrenmuͤndungen uͤber das
                              Niveau zu stehen kommen und dem Dampfe zugaͤngig werden, die
                              Fluͤssigkeit nicht laͤnger wehr in den Kessel zuruͤkkehrt, und
                              schnell in Dampf verwandelt wird. So wie dieser Fall eintritt, kommt auch der
                              schmelzbare Pfropf in Fluß, wo dann der Dampf mit Geraͤusch austritt, und
                              andeutet, was vorgeht. Da der Maschinist auf solche Weise aufmerksam gemacht wird,
                              ehe noch das Wasser im Kessel so weit gesunken ist, daß sich die Kesselwaͤnde
                              erhizen koͤnnen, so kann er den gehoͤrigen Wasserstand sogleich wieder
                              herstellen; und zwar entweder mittelst einer Aushuͤlfspumpe oder durch
                              Beseitigung der Ursachen, die das Spiel der gewoͤhnlichen Speisungspumpe
                              beeintraͤchtigten. Zwei Haͤhne, welche an den
                              Communicationsroͤhren des Hauptkessels mit der Proberoͤhre angebracht
                              sind, machen es moͤglich, daß man das Entweichen des Dampfes, nachdem der
                              Maschinist aufmerksam geworden ist, wieder verhindern, und nach Herstellung des
                              Wasserstandes einen neuen schmelzbaren Pfropf einsezen kann.
                           Gegen diese Ansichten machte Hr. Galy-Cazalat,
                              dessen Sicherheitsapparat man im Polyt. Journal Bd. LX. S. 254 beschrieben und abgebildet findet, in einer der
                              naͤchstfolgenden Sizungen der Akademie einige Erinnerungen, wobei er auch die
                              Prioritaͤt der Erfindung des angegebenen Schuzmittels fuͤr sich in
                              Anspruch nahm. Auch er unterscheidet hauptsaͤchlich zweierlei Arten von
                              Explosionen, von denen die einen durch eine langsame und allmaͤhlich
                              zunehmende Kraft, die haͤufigeren hingegen durch eine augenblikliche
                              Entwikelung einer großen Menge Dampf hervorgebracht werden. Bei gehoͤriger
                              Sorgfalt und Wachsamkeit lassen sich die Explosionen ersterer Art durch Anwendung
                              zweier Papin'schen Ventile verhuͤten; anders
                              verhaͤlt sich's aber mit den Explosionen der zweiten Art. Die
                              ploͤzliche Dampfentwikelung, welche leztere bedingt, kann unter folgenden
                              Umstaͤnden Statt finden: 1) bei einem bedeutenden und laͤnger
                              anwaͤhrenden Sinken des Wasserstandes unter die Heizoberflaͤche, und
                              bei einem ploͤzlichen Andringen des Wassers auf die uͤberhizte
                              Oberflaͤche. 2) bei der Ansammlung eines erdigen Bodensazes zwischen dem
                              Wasser und dem uͤberhizten Metalle, auf welches dann die Fluͤssigkeit
                              gelangt; oder bei
                              dem Druke eines breiigen Bodensazes. 3) bei dem Wiederbeginnen des Spieles der
                              Maschine, wenn das Wasser ohne Luft und Gegenstroͤmungen allmaͤhlich
                              wie eine feste Masse erhizt wird, bis sie explodirt, indem es sich durch
                              uͤberschuͤssige Waͤrme oder durch Agitation theilweise in Dampf
                              verwandelt.
                           Was die Moͤglichkeit der Entstehung von Explosionen durch Ansammlung von
                              Wasserstoffgas betrifft, so erinnert Hr. Galy-Cazalat an einen alten Versuch, nach welchem Wasserstoffgas,
                              wenn es in den Dampf eines Kessels der nur wenig Luft enthaͤlt, gebracht
                              wird, nicht explosionsfaͤhig ist. Alle Explosionen ruͤhren demnach
                              seiner Ansicht nach einzig und allein davon her, daß ein Theil der
                              Kesseloberflaͤche eine hoͤhere Temperatur erreicht, als zur
                              Verdampfung des Wassers noͤthig ist, und daß der Dampf hiedurch eine
                              groͤßere Kraft bekommt, als die Kesselwaͤnde aushalten koͤnnen.
                              Das einzige sichere Mittel gegen die Explosionen beruht also darauf, daß die
                              hoͤchste Temperatur der Heizoberflache nie jene Graͤnze
                              uͤberschreite, bei der die Elasticitaͤt des Dampfes geringer ist, als
                              der Widerstand des Kessels. Ein solches Schuzmittel gewahren die von Hrn. Galy-Cazalat erfundenen Apparate, unter denen die
                              beschriebene Roͤhre mit dem schmelzbaren Pfropfe der wichtigste ist. Diese
                              Vorrichtung hat den großen Vorzug, daß sie die Gefahr andeutet und ihr steuert, ohne
                              das Spiel der Maschine zu beeintraͤchtigen.
                           An diese Apparate von Frimont und Galy-Cazalat reiht sich auch jener an, uͤber den Hr. Bache gleichfalls vor der Pariser Akademie vortrug.
                              Diesem gemaͤß waͤre naͤmlich an der oberen Kesselwand eine
                              Roͤhre anzubringen, die beinahe bis auf den Bodenkessel hinabzureichen und
                              unten geschlossen, oben aber offen zu seyn haͤtte. In diese Roͤhre
                              waͤre ein Metallstab einzusenken, der etwas laͤnger ist als die
                              Roͤhre, und der sich oben in einen Haken endigt, welcher mit einem
                              horizontalen Hebel, an dessen entgegengeseztem Ende ein ziemlich bedeutendes
                              Gegengewicht anzuhangen waͤre, in Verbindung steht. Dieses Gegengewicht
                              wuͤrde den Metallstab nothwendig emporziehen, wenn er an seinem unteren
                              knopfartigen Ende nicht mittelst eines leichtfluͤssigen Loches am Boden der
                              Roͤhre befestigt waͤre. So wie nun das in der Nahe des Kesselbodens
                              befindliche Wasser eine Temperatur erlangt, bei der das Loth in Fluß geraͤth,
                              wird der Metallstab emporgehoben werden, und entweder ein Schlagwerk schlagen
                              lassen, oder dem Dampfe einen Ausweg eroͤffnen, durch den wohl ein
                              pfeifendes, den Heizer aufmerksam machendes Geraͤusch, keineswegs aber eine
                              Unterbrechung der Maschine hervorgebracht wird. Der ganze Apparat muß in einem
                              Gehaͤuse unter Schluß gehalten werden, damit weder der Heizer, noch sonst Jemand auf ihn
                              einwirken kann.
                           Zu den neuesten und den angegebenen verwandten Schuzmitteln gehoͤrt endlich
                              auch jenes, welches Hr. Sorel am 17. Julius l. J. der
                              Akademie der Wissenschaften in Paris vorlegte, und dessen erste Idee der Erfinder
                              angeblich den Aeußerungen des Hrn. v. Séguier
                              verdankt. Der Sorel'sche Apparat ist gleichfalls auf die
                              Verhuͤtung der haͤufigsten Ursache der Explosionen: naͤmlich
                              auf Verhuͤtung eines zu bedeutenden Sinkens des Wasserstandes und einer
                              Ueberhizung der Kesselwaͤnde berechnet. Er besteht aus einer in der oberen
                              Wand des Kessels fixirten Roͤhre, welche oben immer offen, innerhalb des
                              Kessels hingegen in eine andere, viel weitere, am Grunde mit Tuchscheiben besezte
                              Roͤhre eingelassen ist. Leztere Roͤhre wird von einem Schwimmer
                              getragen, und dieser besteht aus einem hohlen, geschlossenen, metallenen
                              Gefaͤße, welches, wenn das Wasser auf gehoͤriger Hoͤhe steht,
                              im Maaße seiner geringeren specifischen Schwere von Unten nach Oben gegen die untere
                              Muͤndung der ersteren Roͤhre druͤkt und dieselbe verschließt.
                              So wie hingegen der Wasserstand bis unter einen gewissen Grad herabsinkt,
                              verlaͤßt der mit ihm herabsinkende Schwimmer die erwaͤhnte
                              Muͤndung, so daß der sich entwikelnde uͤberschuͤssige Dampf
                              entweichen kann. Dieser Apparat versieht also die Stelle eines Ventiles, ohne dabei
                              auch nur im Geringsten von der groͤßeren oder geringeren Sorgfalt und
                              Aufmerksamkeit des Arbeiters abhaͤngig zu seyn. – Wir bemerken hiezu
                              nur noch, daß die Prioritaͤt der Erfindung eines derlei Apparates in einer
                              neueren Sizung der genannten Akademie von Hrn. Chaussenot
                              reclamirt wurde.