| Titel: | Ueber den Zinngehalt des schwefelsauren Eisenoxyduls und den nachtheiligen Einfluß desselben bei der Aufsuchung des Arseniks in gerichtlichen Fällen. Von M. Sarzeau in Rennes. | 
| Fundstelle: | Band 68, Jahrgang 1838, Nr. LXIV., S. 297 | 
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                        LXIV.
                        Ueber den Zinngehalt des schwefelsauren
                           Eisenoxyduls und den nachtheiligen Einfluß desselben bei der Aufsuchung des Arseniks in
                           gerichtlichen Faͤllen. Von M. Sarzeau in Rennes.
                        Aus dem Journal de Pharmacie. Decbr.
                              1837.
                        Sarzeau, uͤber den Zinngehalt des schwefelsauren
                           Eisenoxyduls.
                        
                     
                        
                           Die Gegenwart einer kleinen Menge von Zinn im schwefelsauren Eisenoxydul ist in
                              chemischer Beziehung von keinem großem Interesse. Aber die Umstaͤnde, unter
                              denen ich dasselbe auffand, scheinen mir demselben eine ziemliche Wichtigkeit in der
                              gerichtlichen Medicin gegeben zu haben. Ich mache diese kurze Abhandlung bekannt, um
                              eine von den Ursachen, welche bei der gerichtlichen Untersuchung so oft Zweifel und
                              Verwirrung herbeifuͤhren, zu beseitigen.
                           Gegen das Ende des Monats Junius wurde ich bei einer Arsenikvergiftung zugezogen; der
                              Kranke war mit Eisenoxydhydrat behandelt worden. Die Menge der zu untersuchenden
                              Substanzen, welche der Kranke durch Erbrechen von sich gegeben hatte, war nur
                              gering; man bemerkte darunter Brod und geronnene Milch. Nachdem ich diese Substanzen
                              in einem glaͤsernen Moͤrser zerrieben hatte, um einen ganz feinen Brei
                              zu erhalten, zerruͤhrte ich sie in destillirtem Wasser und ließ darauf einen
                              Strom von Chlor so lange einwirken, bis sie farblos und voͤllig damit
                              gesaͤttigt waren. Nun wurde die Fluͤssigkeit einige Stunden lang in
                              einer Flasche mit eingeriebenem Stoͤpsel stehen gelassen, von Zeit zu Zeit
                              geschuͤttelt und dann filtrirt. Die abfiltrirte Fluͤssigkeit wurde zum
                              Kochen gebracht, um das uͤberschuͤssige Chlor zu entfernen; sie war
                              sauer; mit schwefelsaurem Kupferoxyd-Ammoniak behandelt, gab die
                              Fluͤssigkeit einen Niederschlag, der troz alles Waschens immer einen
                              merklichen Stich ins Gruͤne behielt. Ließ man einen Strom von
                              Schwefelwasserstoff darauf einwirken, so faͤrbte sich die Fluͤssigkeit
                              in kurzer Zeit gelb und es erfolgte ein Niederschlag von schoͤn gelber Farbe.
                              Dieser Niederschlag loͤste sich in Ammoniak auf, und er ließ sich aus der
                              ammoniakalischen Fluͤssigkeit durch Saͤuren niederschlagen. Alle diese
                              Reactionen bezwekten, das Daseyn des Arseniks zu beweisen; ich ließ die
                              Schwefelverbindung bei der Temperatur des kochenden Wassers troknen, und stellte
                              damit folgende Versuche an:
                           1. Es wurde ein Theil in einem Achatmoͤrser mit frisch zubereitetem Aezkalke
                              zerrieben. Das Gemenge wurde in eine kleine verschlossene Roͤhre gebracht und
                              Anfangs vorsichtig erwaͤrmt; dann wurde die Temperatur allmaͤhlich
                              erhoͤht, bis die Roͤhre erweichte und ihre Form aͤnderte. Es
                              sublimirte nichts und die inwendigen Seiten der Roͤhre blieben ganz rein.
                           2. Es wurde ein anderer Theil dieser Schwefelverbindung allein in eine andere
                              Roͤhre gebracht und erwaͤrmt; es zeigte sich ein gelbes Sublimat, und
                              in dem unteren Theile der Roͤhre bemerkte ich eine schwarze halbgeschmolzene
                              Masse. Ich zerschlug die Roͤhre und liste das Sublimat davon ab; es
                              verbrannte und verbreitete dabei einen starken Geruch nach schwefliger
                              Saͤure; mit Ammoniak behandelt blieb es unveraͤndert; dieß war
                              Schwefel.
                           3. Die schwarze halbgeschmolzene Masse aus dem vorigen Versuche wurde pulverisirt,
                              mit kohlensaurem Natron gemischt und auf Kohle vor dem Loͤthrohre bis zur
                              gaͤnzlichen Einsaugung des Alkali's erhizt. Indem ich nun den durch den
                              Versuch entstandenen Fleken untersuchte, fand ich weiße metallische
                              Kuͤgelchen; diese wurden ausgebrochen, zerrieben und in einem
                              Achatmoͤrser abgeschlaͤmmt; es blieben dabei metallische
                              Blaͤttchen von lebhafter, weißer Silberfarbe zuruͤk, die als Zinn
                              erkannt wurden.
                           Diese Versuche beweisen noch ein Mal, wie unumgaͤnglich nothwendig es in der
                              gerichtlichen Medicin ist, bei Untersuchungen das Gift immer metallisch
                              abzuscheiden, um alle seine Eigenschaften zu bestimmen und um sich gruͤndlich
                              von dessen Anwesenheit zu uͤberzeugen. Und wirklich, wenn man sich hier mit
                              der erhaltenen Reaction durch schwefelsaures Kupferoxyd-Ammoniak und durch
                              die Eigenschaften der Schwefelverbindung voͤllig begnuͤgt
                              haͤtte, so waͤre der Schluß der gewesen, daß die ausgekrochenen Stoffe
                              Arsenik enthielten. Zwar sind die Farben des Schwefelzinns und Schwefelarseniks und
                              ihre Loͤslichkeit in Ammoniak nicht genau dieselben; jedoch findet sich eine
                              große Aehnlichkeit zwischen ihnen, und wenn man mit kleinen Mengen arbeitet, so ist
                              es schwer, die Verschiedenheit zu bemerken.
                           
                        
                           
                           Ursachen der Gegenwart des Zinns.
                           Es war im voraus anzunehmen, daß dieses Zinn von den Geraͤthschaften, die man
                              bei der Bereitung der Speisen anwendete, herruͤhrte. Aus eingezogenen
                              Erkundigungen ergab sich aber, daß dieß nicht die Ursache seyn koͤnne. Indeß
                              war noch ein Theil des Eisenoxydhydrats uͤbrig, und es wurde mir eine Probe
                              von dem schwefelsauren Salze zugestellt, das zur Darstellung des Hydrats gedient
                              hatte. Dieses Salz hatte die Aufschrift: reines, schwefelsaures Eisenoxydul; es war
                              von einer der besten chemischen Fabriken in Paris geliefert worden.
                           Das Hydrat zerruͤhrte ich in destillirtem Wasser, loͤste es in
                              Chlorwasserstoffsaͤure auf und behandelte die Fluͤssigkeit mit
                              Schwefelwasserstoff. Es bildete sich ein gelblich-brauner Niederschlag, der,
                              gewaschen und getroknet, vor dem Loͤthrohre metallisches Zinn gab.
                           120 Grm. des Salzes gaben dem Gewichte nach 0,285 trokenes Doppeltschwefelzinn, was
                              im Verhaͤltniß des Zinnes zum Gewichte des schwefelsauren Eisens
                              ungefaͤhr 2 Zehntausendtheile betraͤgt.
                           Die Gegenwart des Zinnes in diesem Producte konnte zufaͤllig seyn; da jedoch
                              eine andere Probe, die dieselbe Aufschrift hatte und die von einer anderen
                              chemischen Fabrik bezogen worden war, ebenfalls Schwefelzinn gab, so verschaffte ich
                              mir verschiedene Proben davon, wie sie im Handel vorkommen. Die
                              Niederschlaͤge, die Schwefelwasserstoffgas in ihrer filtrirten
                              Aufloͤsung gab, waren hinsichtlich ihrer Farbe und Zusammensezung von
                              einander verschieden. Enthielt naͤmlich das Salz viel Oxyd, so enthielt der
                              Niederschlag eine große Menge Schwefel; ich sammelte, wusch und troknete ihn und
                              brachte ihn sodann in eine verschlossene Roͤhre, die ich, um den Schwefel zu
                              verfluͤchtigen, erwaͤrmte. Die Schwefelverbindung, welche
                              zuruͤkblieb, behandelte ich mit kohlensaurem Natron vor dem
                              Loͤthrohre, und erhielt sofort metallische Kuͤgelchen. Dieses Metall
                              hatte bisweilen einen lebhaften, weißen, silberartigen Glanz; am haͤufigsten
                              jedoch zeigte es einen roͤthlichen Schein, ja sogar oft die Farbe des
                              Kupfers. Indem ich jedoch dieß leztere auf nassem Wege untersuchte, zeigte sich
                              immer die Gegenwart des Zinns. Es ist also leicht zu begreifen, daß man selbst in
                              diesem lezteren Falle das Zinn vorzuͤglich in dem Hydrat finden muß, da bei
                              dessen Zubereitung das Kupfer aufgeloͤst bleibt.
                           
                        
                           Einfluß des Zinns bei der Bestimmung kleiner Mengen von
                                 Arsenik.
                           Loͤst man 995 Theile reines Zinn in warmer Salzsaͤure, die mit ein
                              wenig Salpetersaͤure vermischt ist, auf, fuͤgt fuͤnf Theile Arsenik hinzu und
                              laͤßt das Ganze von Neuem kochen, so erhaͤlt man eine
                              Fluͤssigkeit, aus der es auf gewoͤhnlichem Wege nicht moͤglich
                              ist, metallisches Arsenik zu erhalten.
                           Eine Aufloͤsung von 990 Theilen Zinn und 10 Theilen Arsenik gab mit
                              Schwefelwasserstoff einen Niederschlag, aus dem man das metallische Arsenik wieder
                              gewinnen kann.
                           Das Zinn kann also eine kleine Menge des giftigen Metalles versteken.
                           Eisenoxydhydrat wird in sehr großen Gaben verordnet; nimmt man an, daß das angewandte
                              schwefelsaure Eisenoxydul hinreichend war, um 2 Decigramme Zinn in den Magen zu
                              bringen, so ist es nicht wehr moͤglich, ein Milligramm Arsenik zu entdeken,
                              und bisweilen reicht diese Menge, so gering sie auch ist, hin, um sich vollkommen zu
                              uͤberzeugen. Gesezt den Fall, es habe ein Chemiker, der hievon keine Kenntniß
                              besizt, einerseits eine merkliche Spur von Arsenik gefunden, andererseits eine große
                              Menge Zinn, so wird er sich in großer Verlegenheit befinden, und wird nicht
                              behaupten koͤnnen, ob die Vergiftung geradezu durch Arsenik geschehen sey, da
                              er ja weiß, daß das Zinn immer Spuren von Arsenik enthaͤlt; er kann es in
                              Abrede stellen, sein Gewissen ist beruhigt, aber die Gerechtigkeit ist nicht zu
                              einem bestimmten Resultate gekommen. Diese Annahmen werden vielleicht fuͤr
                              uͤbertrieben gehalten werden, weil das Zinn bis jezt nur in geringer Menge
                              gefunden worden ist; aber diese Menge ist veraͤnderlich, und es ist wohl
                              nicht geradezu unmoͤglich, ein schwefelsaures Eisenoxydul zu finden, das Zinn
                              genug enthielte, um dergleichen Ungewißheit herbeizufuͤhren.
                           Alle diese Nachtheile sind von großer Wichtigkeit in der gerichtlichen Medicin; um
                              ihnen abzuhelfen, muͤßte man vor der Darstellung des Hydrats das
                              schwefelsaure Eisenoxydul der Einwirkung eines Schwefelwasserstoffstromes aussezen.
                              Ein anderer wichtiger Umstand macht diese Maaßregel ebenfalls nothwendig; man gibt
                              die Anwesenheit von Arsenik in gewissen Arten der Schwefelsaͤure zu, und es
                              kann geschehen, daß das Hydrat aus einem mit solcher Saͤure dargestellten
                              schwefelsauren Eisenoxyde gewonnen worden waͤre.