| Titel: | Ueber die Prüfung des Chlorkalks; von Hrn. Balland. | 
| Fundstelle: | Band 68, Jahrgang 1838, Nr. LXV., S. 300 | 
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                        LXV.
                        Ueber die Pruͤfung des Chlorkalks; von
                           Hrn. Balland.
                        Aus dem Journal de Pharmacie, Maͤrz 1838, S.
                              105.
                        Balland, uͤber die Pruͤfung des
                           Chlorkalks.
                        
                     
                        
                           Da das Queksilberchloruͤr (Calomel) sich mit noch mehr Chlor verbinden kann
                              und sich dann als Queksilberchlorid (Sublimat) in Wasser aufloͤst, so
                              bietet es ein sehr einfaches Mittel dar, die Menge des in einer Fluͤssigkeit
                              enthaltenen Chlors zu messen, denn dieselbe muß immer der Quantitaͤt des
                              aufgeloͤsten Queksilberchloruͤrs proportional seyn; dieses Verfahren
                              waͤre jedoch nicht bequem, weil es sehr schwer ist, kleine Mengen
                              Queksilberchloruͤr genau zu messen; man thut daher besser, statt dieses
                              Salzes eine sehr verduͤnnte Aufloͤsung von saurem salpetersaurem
                              Queksilberoxydul und einem Ueberschusse von Kochsalz anzuwenden, welche durch
                              gegenseitige Zersezung immer eine dem angewandten salpetersauren Queksilberoxydul
                              entsprechende Menge Queksilberchloruͤr liefern.
                           Nach diesem Principe lassen sich die Chlorkalkproben auf folgende Art anstellen: Man
                              loͤst mit den von Hrn. Gay-Lussac in seiner Abhandlung
                              uͤber die Pruͤfung des Chlorkalks mittelst
                                 Indigo
                              Polyt. Journal Bd. XIV. S. 422. angegebenen Vorsichtsmaßregeln fuͤnf Gramme des zu pruͤfenden
                              Chlorkalks in einem halben Liter Wasser auf und nimmt von dieser Aufloͤsung
                              mittelst einer Saugroͤhre, welche fuͤnf Mal so viel als die des alten
                              Chlorometers faßt; diese Aufloͤsung gießt man in ein Standglas, nebst einigen
                              Granen Kochsalz, wovon ein Ueberschuß nicht nachtheilig ist; dann fuͤllt man
                              das Meßkannchen (burette) des alten Chlorometers mit
                              einer gehoͤrig verduͤnnten Aufloͤsung von saurem salpetersaurem
                              Queksilberoxydul und gießt leztere Fluͤssigkeit in das Gemisch von Chlorkalk
                              und Kochsalz, bis es sich truͤbt und beim Umschuͤtteln nicht mehr klar
                              wird; der Grad, an welchem die Fluͤssigkeit nun in dem Meßkaͤnnchen
                              steht, ist der des angewandten Chlorkalks.
                           Dieses Verfahren ist dem alten vorzuziehen, 1) weil das salpetersaure Queksilber,
                              wenn es hinreichend verduͤnnt und nicht zu sauer ist, sich kaum
                              veraͤndert; 2) weil der Saͤttigungspunkt sich viel genauer zeigt, als
                              mit Indigo, und 3) endlich, weil die Proben uͤbereinstimmend bleiben, man mag
                              die Probefluͤssigkeit schnell oder langsam zugießen, weßhalb man auch bei
                              einer Probe nicht mehrere Versuche anzustellen braucht.
                           Ich habe schon am 7. Dec. 1829 eine Abhandlung uͤber diese Chlorkalkprobe der
                              Akademie der Wissenschaften uͤberschikt; seitdem wurde ich durch andere
                              Beschaͤftigungen von diesem Gegenstande abgezogen, und erst kuͤrzlich
                              las ich im LX. Bde. der Annales de Chimie et de Physique
                              Polyt. Journal Bd. LX. S. 128. eine neue Abhandlung des Hrn. Gay-Lussac uͤber die
                              Chlorometrie. Er fuͤhrt darin an, daß ich zuerst das salpetersaure Queksilber
                              als chlorometrisches Mittel benuzt habe, fuͤgt aber bei, daß mein Verfahren
                              sehr ungenaue Resultate liefern muß, weil ich vorschrieb, die
                              Chlorkalkaufloͤsung in ein offenes Standglas zu bringen und dann so lange
                              Queksilberaufloͤsung hinzuzugießen, bis der Niederschlag beim
                              Umschuͤtteln nicht mehr verschwindet; die freie Saͤure des
                              Queksilbersalzes entbinde hiebei sehr viel Chlor, welches also verloren gehe. Hr.
                              Gay-Lussac empfiehlt dann das Standglas durch eine
                              verschließbare Glasflasche zu ersezen, wodurch dieser Uebelstand vermieden wird, so
                              daß man mit dem salpetersauren Queksilber uͤbereinstimmende Resultate
                              erhaͤlt, in welcher Ordnung man auch die Vermischung vornimmt.
                           Die Fehler, welche Hr. Gay-Lussac bei meinem Verfahren
                              gefunden hat, ruͤhren jedoch mehr von der Bereitung als von der Anwendung des
                              salpetersauren Queksilbers her; ich habe in meiner Abhandlung, um nicht zu
                              weitlaͤufig zu werden, die Bereitungsart dieses Salzes nicht angegeben und
                              will daher jezt die Luͤke ausfuͤllen. Ich gieße in eine
                              Porzellanschale Salpetersaͤure und einen Ueberschuß von Queksilber; wenn die
                              Reaction beendigt und das entstandene Salz großen Theils krystallisirt ist, bringe
                              ich es mit destillirtem Wasser in eine Flasche und seze so lange Saͤure zu,
                              bis sich das entstandene basische Salz aufgeloͤst hat und die
                              Queksilberloͤsung uͤberdieß so viel freie Saͤure hat, daß, wenn
                              man eine kleine Menge davon in die Quantitaͤt Chlorkalkloͤsung gießt,
                              welche das Meßkaͤnnchen faßt, kein Niederschlag mehr entsteht, der nicht
                              augenbliklich wieder verschwaͤnde; alsdann bestimme ich das Chlorvolum,
                              welchem ein bestimmtes Maaß der Queksilberloͤsung entspricht, gerade so wie
                              es Hr. Gay-Lussac thut. Auf diese Art erhalte ich eine
                              Queksilberloͤsung, die nicht mehr freie Saͤure, als noͤthig
                              ist, enthaͤlt, welche sich uͤberdieß weniger veraͤndert und in
                              viel kuͤrzerer Zeit bereiten laͤßt.
                           Wenn man zu den Chlorkalkproben eine auf diese Art bereitete Queksilberloͤsung
                              verwendet, bemerkt man allerdings, daß sich Chlor entbindet; dieß geschieht aber in
                              so geringer Menge, daß dadurch kein merklicher Irrthum in der Praxis
                              herbeigefuͤhrt werden kann, obgleich man die Gasentbindung durch den Geruch
                              erkennen kann (oder indem man uͤber das Gefaͤß einen mit Ammoniak
                              befeuchteten Glasstab haͤlt).
                           Ich habe eine Menge vergleichender Versuche mit derselben Chorkalk- und
                              Queksilberloͤsung angestellt, aber nie einen auffallenden Unterschied
                              gefunden, ich mochte den Versuch in einer geschlossenen Flasche oder in einem
                              offenen Standglase anstellen und das Queksilbersalz in kleinen Portionen in die
                              Chlorkalkloͤsung, oder leztere schnell mit dem Salze in die
                              Queksilberloͤsung gießen.
                           
                           Um ein entscheidendes Resultat zu erhalten, stellte ich eine Probe in einem Pokal an,
                              der beilaͤufig 1/4 Liter faßte und mit einem Korkstoͤpsel verschlossen
                              war, in welchem sich zwei Roͤhren befanden, eine gerade, die bis auf den
                              Boden desselben hinabreichte, und eine heberfoͤrmig gekruͤmmte, welche
                              an ihrem Ende eng ausgezogen war. Ich brachte naͤmlich in den Pokal, ehe ich
                              ihn verschloß, den Chlorkalk mit dem zu einer Probe erforderlichen Kochsalz und goß
                              dann durch die gerade Roͤhre salpetersaures Queksilber bis zur
                              vollstaͤndigen Saͤttigung hinein; das ausgezogene Ende der anderen
                              Roͤhre aber ließ ich in ein Gefaͤß tauchen, welches
                              Indigaufloͤsung enthielt, die 2/5 eines Grades entsprach. Ich bließ dann so
                              lange durch die gerade Roͤhre, daß alle im Pokal enthaltene Luft mehrmals
                              erneuert wurde; diese Luft gelangte also durch die ausgezogene Roͤhre in die
                              Indigloͤsung, welche sie in kleinen Blasen durchstrich, wobei aber ihre Farbe
                              nur sehr wenig geschwaͤcht und gar nicht gruͤn wurde. Denselben
                              Versuch wiederholte ich mit gleichem Resultat auf die Art, daß ich durch die gerade
                              Roͤhre Wasser goß, bis der Pokal gefuͤllt war, so daß die Luft durch
                              die Indigaufloͤsung entweichen mußte.
                           Um mit groͤßerer Genauigkeit den Verlust an Chlor zu bestimmen, welcher
                              waͤhrend der Probe Statt finden kann, verlaͤngerte ich die Zeit der
                              Operation, um den Fehler desto groͤßer zu machen; und nachdem ich gefunden
                              hatte, daß man beilaͤufig eine Minute braucht, um die
                              Queksilberloͤsung vorsichtig in die Chlorkalkloͤsung zu gießen,
                              stellte ich noch andere Versuche mit denselben Substanzen an. Nachdem der dritte
                              Theil der Queksilberloͤsung zugegossen war, naͤmlich in dem Augenblik,
                              wo mir kein freies Chlor mehr in der Fluͤssigkeit vorhanden zu seyn schien,
                              sezte ich einmal die Operation zehn Minuten lang aus und fand, daß der Unterschied 1
                              1/2 Grad betrug. Wenn man nun annimmt, daß der Verlust der Zeit proportional ist,
                              was innerhalb so enger Graͤnzen gewiß der Fall ist, und ihn durch eine Minute
                              (welche gewoͤhnlich zum Hinzugießen der Queksilberloͤsung
                              noͤthig ist) dividirt, so erhaͤlt man fuͤr den Verlust bei
                              einer Probe 0,15 Grad oder 0,0015 des zum Versuch angewandten Chlorkalks. Wenn
                              anders bei diesem Resultat eine Ungenauigkeit Statt findet, so besteht sie bloß
                              darin, daß der Verlust um vieles uͤbertrieben ist; denn bei den Proben kann
                              man, so lange noch Chlor in einiger Quantitaͤt vorhanden ist, die
                              Queksilberloͤsung sehr schnell zugießen und der groͤßte Theil der zum
                              Versuche erforderlichen Zeit wird erst gegen das Ende der Operation benuzt, um die
                              Queksilberloͤsung, welche die lezten Chlorantheile absorbiren muß, mit
                              Vorsicht und in kleinen Portionen hineinzugießen; in diesem Augenblik kann jedoch
                              keine merkliche Chlorentbindung mehr Statt finden, weil nur noch Spuren von Chlor vorhanden und mit
                              dem Queksilberchloruͤr in Beruͤhrung sind; dagegen wurde bei obigem
                              Versuch die Operation in dem Augenblik unterbrochen, wo die Chlorentbindung am
                              staͤrksten seyn muß. Der Verlust von 0,0015 ist also, obgleich sehr
                              unbedeutend, doch noch sehr uͤbertrieben.
                           Die von den meinigen abweichenden Resultate, welche Hr. Gay-Lussac
                              erhielt, lassen sich auf folgende Art erklaͤren: das salpetersaure Queksilber
                              enthaͤlt nach seiner Bereitungsart einen vier bis fuͤnf Mal
                              groͤßeren Saͤureuͤberschuß als das von mir angewandte: diese
                              Saͤure saͤttigt allen Kalk des Chlorkalks schon am Anfang des Versuchs
                              und sezt folglich alles Chlor in Freiheit, ehe noch ein etwas bedeutender Theil
                              davon von dem Queksilberchloruͤr absorbirt wurde; es wird folglich ein
                              groͤßeres Gasvolum in derselben Fluͤssigkeit aufgeloͤst und die
                              Gasentbindung muß uͤberdieß rascher erfolgen. Dazu kommt auch noch eine
                              andere Ursache; ich hatte zum Messen des Chlorkalks eine Saugroͤhe
                              gewaͤhlt, welche fuͤnf Mal so viel faßt als der alte Chlorometer,
                              naͤmlich 50 Grade des Meßkaͤnnchens. Hr. Gay-Lussac
                              verdoppelt diese Capacitaͤt, was also dasselbe ist, als wenn er das
                              Meßkaͤnnchen um die Haͤlfte kleiner machen wuͤrde. Die
                              Queksilberloͤsung enthaͤlt somit bei ihm um die Haͤlfte weniger
                              Wasser und es wird also auch das Volum des Gemisches kleiner, hingegen das Volum des
                              aufgeloͤsten Gases viel groͤßer.
                           Nach den oben angefuͤhrten Versuchen ist also soviel gewiß, daß der Irrthum
                              bei meinem Probirverfahren sich auf weniger als 0,0015 des zur Probe angewandten
                              Chlorkalks reducirt und dieser muß in technischer Hinsicht um so mehr als Null
                              betrachtet werden, weil Hr. Gay-Lussac in der seiner
                              Abhandlung beigegebenen TabelleIm Polytechn. Journal Bd. LX. S.
                                       131 noch viel groͤßere Zahlen vernachlaͤssigt hat. So gibt die
                              Abtheilung 88 des Meßkaͤnnchens nach der Tabelle 114º, nach der
                              Berechnung aber nur 113,66 und die Differenz 0,36 betraͤgt mehr als das
                              Doppelte des bei meinem Verfahren moͤglichen Irrthums. Wenn durch die
                              vernachlaͤssigten Bruͤche der Chlorgehalt jedesmal etwas
                              groͤßer angegeben wuͤrde, so haͤtte dieß keinen merklichen
                              Einfluß auf den relativen Werth des Chlorkalks; die folgende Abtheilung 89 des
                              Meßkaͤnnchens entspricht aber 112 Grad und die Berechnung gibt 112,36, so daß
                              also die Tabelle zwischen den Abtheilungen 88 und 89 eine um 0,72 zu große Differenz
                              angibt, naͤmlich 2º anstatt 1,28. Diese Ungenauigkeit haͤtte
                              sich vermeiden lassen, wenn man die Tabelle bis auf die Decimalen ausgerechnet
                              haͤtte; dann verfiele man aber wieder in den Uebelstand, daß man die
                              verschiedenen Grade des
                              Chlorkalks nur in Bruͤchen erhielte. Die Zahlen, welche die verschiedenen
                              Gehalte (Grade) ausbruͤten, geben auch zwischen sich und den unmittelbar
                              darauf folgenden eine immer groͤßere Differenz, in dem Maaße als sie steigen;
                              so daß, wenn der Chlorkalk uͤber 100º hat (und dieß ist oft der Fall,
                              obgleich Hr. Gay-Lussac in seiner fruͤheren Abhandlung uͤber
                              Chlorometrie das Gegentheil behauptet hatMehrere Fabriken liefern gegenwaͤrtig Chlorkalk, welcher 43 1/2 Proc.
                                    Chlor enthaͤlt und folglich einer Verbindung aus gleichen
                                    Aequivalenten Chlor und Kalkhydrat ziemlich nahe kommt.Emil Dingler., man fuͤr 2 oder 3 Grade des Gehalts auf dem Meßkaͤnnchen nur
                              eine einzige Abtheilung hat, wodurch also die Ungenauigkeit bei dieser Art von
                              Proben verdoppelt und sogar verdreifacht werden muß. Diese Ungenauigkeit nimmt in
                              einer sehr raschen Progression zu, wenn man sich dem Anfang der Tabelle
                              naͤhert, denn eine Differenz von 1 Grad zwischen 10 und 11 des Meßkannchens
                              gibt eine Differenz von 100 im Gehalt; dieser Theil der Tabelle kann also von keinem
                              Nuzen seyn.
                           Wendet man sich nun an das Ende der Tabelle, so findet man, daß im Gegentheil erst
                              mehrere Abtheilungen des Meßkaͤnnchens 1 Grad Gehalt fuͤr den
                              Chlorkalk ausmachen; und daß Hr. Gay-Lussac seine Tabelle nicht
                              uͤber 40º fortfuͤhrte, geschah wohl hauptsaͤchlich
                              deßwegen, um das Meßkaͤnnchen nicht uͤbermaͤßig lang machen zu
                              muͤssen und nicht (wie er angibt) weil kein schwaͤcherer Chlorkalk im
                              Handel vorkommt; denn man trifft eben so wenig Chlorkalk von 800 bis 1000 Graden an,
                              welche doch in der Tabelle vorkommen.
                           Aus dem Vorhergehenden ersieht man also, daß Gay-Lussac's
                              Tabelle am Anfang keine genauen Resultate gibt (!), und daß wenn man sie unter
                              40º fortsezt, es fast unmoͤglich wird sich ihrer zu bedienen. Dazu
                              kommt noch, daß sie allenthalben unbequem ist, weil der Grad des Chlorkalks in
                              Bruͤchen angegeben ist.Wenn Hr. Balland die
                                    Chlorprocente berechnet haͤtte,
                                    welchen die Grade des Gay-Lussac'schen Chlorometers entsprechen, so
                                    wuͤrde er gefunden haben, daß die Grade am Anfang der Tabelle,
                                    naͤmlich diejenigen von 325 bis 1000, nicht nur unnuͤz,
                                    sondern saͤmmtlich imaginaͤr und bloß
                                       das Ergebniß einer aus Versehen bis in das Gebiet der
                                       Unmoͤglichkeit fortgesezten Berechnung sind. 1 Aequivalent
                                    trokenes Kalkhydrat kann hoͤchstens 1 Aequiv. Chlor aufnehmen und ein
                                    solcher Chlorkalk enthaͤlt 48,58 Proc. Chlor, was 153,2 Graden am Gay-Lussac'schen Chlorometer entspricht; fuͤr den Chlorkalk war es
                                    also unnuͤz, die Tabelle uͤber diesen Grad hinaus fortzusezen.
                                    Nehmen wir aber selbst den Fall an, man wuͤrde trokenes Chlorgas zu
                                    einer Fluͤssigkeit comprimiren und mit 10 Grammen derselben anstatt
                                    mit 10 Grammen Chlorkalk die Probe an Gay-Lussac's Chlorometer vornehmen, so muͤßte man einen
                                    Gehalt von 315,4 Graden finden. Ein Koͤrper also, welcher diesen Grad
                                    uͤberschreitet, muͤßte mehr als sein eigenes Gewicht Chlor
                                    enthalten; z.B. eine Substanz, die 800 Grade am Chlorometer zeigen
                                    wuͤrde, 253,6 Proc. Chlor, folglich uͤber zwei Mal so viel,
                                    als sie selbst wiegt.Emil Dingler.
                              
                           Hienach glaube ich, daß meine Chlorprobe mit salpetersaurem Queksilber, wenn dasselbe nach
                              der von mir angegebenen Methode bereitet ist, vor der Gay-Lussac'schen den Vorzug verdient;
                              denn die Genauigkeit ist dabei wenigstens eben so groß und man erspart
                              uͤberdieß alle Berechnungen so wie die Tabelle. Wollte man auch den
                              aͤußerst geringen Chlorverlust waͤhrend der Probe dabei verweiden, so
                              waͤre dieses, wie ich mich uͤberzeugt habe, leicht dadurch
                              moͤglich, daß man dem salpetersauren Queksilber noch weniger
                              Saͤureuͤberschuß laͤßt und die Salpetersaͤure auf die
                              zur Saͤttigung des Kalks gerade erforderliche Quantitaͤt reducirt;
                              dann wuͤrde naͤmlich in der Fluͤssigkeit nie mehr Chlor frei
                              werden, als von dem gebildeten Queksilberchloruͤr absorbirt werden kann und
                              es koͤnnte also gar keine Gasentbindung Statt finden. Das saure salpetersaure
                              Queksilberoxydul, welches sich durch Zersezung des neutralen salpetersauren Salzes
                              im Wasser bildet, erfuͤllt diesen Zwek ganz gut. Um sich also eine solche
                              Queksilberloͤsung zu verschaffen, braucht man nur Wasser auf neutrales oder
                              ein wenig saures salpetersaures Queksilber zu gießen und so lange
                              Salpetersaͤure in kleinen Portionen hinzuzuschuͤtten, bis sich fast
                              alles basisch salpetersaure Salz aufgeloͤst hat, worauf man die
                              Fluͤssigkeit einige Augenblike stehen laͤßt und dann decantirt. Man
                              bestimmt hierauf das Chlorvolum, welchem die Fluͤssigkeit entspricht, auf
                              gewoͤhnliche Weise; die Anwendung dieser Fluͤssigkeit erfordert jedoch
                              eine besondere Vorsicht. Die Chlorkalk-Aufloͤsungen enthalten nicht
                              bloß mit Chlor verbundenen Kalk, sondern auch noch mehr oder weniger freien Kalk.
                              Gießt man in eine solche Aufloͤsung salpetersaures Queksilber, dessen
                              Saͤureuͤberschuß gerade hinreicht, den gebundenen Kalk zu
                              saͤttigen, so muß offenbar diese Saͤure sogleich von dem freien Kalk
                              neutralisirt werden und der mit Chlor verbundene Kalk also in diesem Zustand
                              bleiben, so daß augenbliklich ein sehr reichlicher Niederschlag entsteht, der sich
                              aus Mangel an freiem Chlor nicht wieder aufloͤsen kann und nach der Menge des
                              in der Fluͤssigkeit enthaltenen Chlors auch seine Natur und sein Aussehen
                              andern wird. Man muß also vor dem Zugießen der Queksilberloͤsung zuerst den
                              freien Kalk saͤttigen; dieß kann nicht auf die Art geschehen, daß man die
                              Queksilberloͤsung mit Saͤure versezt, weil der freie Kalk und das
                              Chlor nicht immer in demselben Verhaͤltniß zu einander stehen. Ich verfahre
                              daher folgender Maßen:
                           Ich bereite eine sehr verduͤnnte Aufloͤsung von Salzsaͤure, die
                              mit Kochsalz gesaͤttigt ist. Nachdem ich nun die Chlorkalkloͤsung in
                              ein Standglas gebracht habe, gieße ich eine geringe Menge der in dem
                              Meßkaͤnnchen enthaltenen Queksilberloͤsung hinein und seze dem Gemisch
                              mittelst einer Pipette oder einer am Ende ausgezogenen Glasroͤhre sogleich von
                              der sauren Aufloͤsung so lange zu, bis der Niederschlag nahe daran ist, zu
                              verschwinden. Ich gieße dann so viel Queksilberloͤsung hinein, als
                              erforderlich ist, damit die Fluͤssigkeit, welche waͤhrend der ganzen
                              Operation eine helle Opalfarbe beibehielt, sich neuerdings zu truͤben
                              anfaͤngt und hierauf gieße ich eine neue Quantitaͤt saurer
                              Aufloͤsung hinzu, um die lezten Chlorantheile frei zu machen und fuͤge
                              so viel Queksilberloͤsung bei, als noͤthig ist, damit der Niederschlag
                              beim Umschuͤtteln nicht mehr verschwindet. Bei dieser Verfahrungsweise
                              entbindet sich nicht die geringste Menge Chlor. Ich habe die Operation mehrmals eine
                              halbe Stunde lang unterbrochen und dabei nur sehr geringe Unterschiede gefunden,
                              bald etwas mehr, bald etwas weniger Chlorgehalt, ein Beweis, daß sie nicht von
                              Chlorentbindung, sondern von anderen Ursachen herruͤhrten.
                           Da eine mit trokenem Chlorkalk bereitete Chlorkalkloͤsung in demselben Volum
                              immer so ziemlich gleich viel freien Kalk enthaͤlt, so koͤnnte man
                              sich auch zu diesem Zwek eine besondere saure Aufloͤsung bereiten und mit
                              einer eigenen Pipette abmessen; auf diese Art ließe sich der freie Kalk ohne vieles
                              Probiren saͤttigen.
                           Ich habe uͤbrigens lezteres Verfahren nur zum Ueberfluß noch
                              angefuͤhrt, denn das erste, so wie ich es im Jahre 1829 mittheilte, scheint
                              mir eine hinreichende Genauigkeit darzubieten.
                           
                        
                           Bemerkungen uͤber diese Abhandlung; von Hrn. E.
                                 Soubeiran.
                           Ich habe die Chlorkalkprobe nach Hrn. Balland's Methode wiederholt; sie ist auch wirklich sehr einfach und
                              elegant; indessen habe ich bei meinen Versuchen folgende Beobachtung gemacht: Ich
                              operirte bei + 5º C.; als der lezte Tropfen Queksilberloͤsung eine
                              Truͤbung hervorbrachte, die beim Umschuͤtteln nicht mehr verschwand,
                              verschloß ich die Flasche mit ihrem Pfropf und ließ sie stehen. Nach zehn Minuten
                              war die Truͤbung verschwunden. Ich sezte dann noch drei Tropfen
                              Probefluͤssigkeit zu; eine Viertelstunde spaͤter war wieder alles
                              aufgeloͤst. Drei neue Tropfen brachten dann einen Niederschlag hervor, der am
                              folgenden Tage noch vorhanden war; die Fluͤssigkeit hatte auf eine sehr
                              merkliche Weise den Geruch der oxydirten Chlorverbindungen beibehalten; die
                              uͤberschuͤssige Saͤure hatte also bei der Zersezung des
                              Chlorkalks nicht nur Chlor in Freiheit gesezt, sondern auch zur Entstehung einer
                              geringen Menge einer oxydirten Chlorverbindung Veranlassung gegeben, welche leztere
                              nicht auf das Queksilberchloruͤr wirkt. Ich habe mich auch uͤberzeugt,
                              daß sich derselbe Geruch am Ende der Probe nach der Gay-Lussac'schen Methode zeigt, obgleich
                              dann die Fluͤssigkeit auf den Indig nicht mehr entfaͤrbend wirkt.
                              Hieraus muß man schließen, daß weder die eine noch die andere Methode Bruchtheile
                              von Graden mit Genauigkeit anzeigt, was uͤbrigens auch ganz und gar
                              unnoͤthig ist.
                           Der Vorwurf, welchen Hr. Balland den Gay-Lussac'schen Tabellen macht, daß sie am Anfang keine
                              genauen Resultate geben, waͤre nur dann gegruͤndet, wenn man zur Probe
                              sehr concentrirte Fluͤssigkeiten anwenden wuͤrde; dieß ist jedoch bei
                              der gewoͤhnlichen Chlorkalkprobe keineswegs der Fall, indem hier jede
                              Abtheilung des Meßkaͤnnchens so ziemlich einen ganzen Grad anzeigt, und
                              dieser Fall laͤßt sich stets auf die Art herstellen, daß man zu concentrirte
                              Chlorkalkloͤsungen vor dem Probiren mir Wasser verduͤnnt.Die Zahlen am Anfang der Tabelle koͤnnen gar nicht in Betracht kommen;
                                    man vergleiche die vorhergehende Anmerkung.E. D.
                              
                           Die Anwendung einer Tabelle ist zwar fuͤr die gewoͤhnliche Praxis etwas
                              unbequem und es waͤre besser, wenn man sie entbehren koͤnnte; dieser
                              Uebelstand wird aber bei Gay-Lussac's Probirmethode durch die
                              zwekmaͤßige Wahl der Probefluͤssigkeit mehr als compensirt.
                              Fuͤr eine Aufloͤsung von salpetersaurem Queksilberoxydul das ihr
                              entsprechende Chlorvolum zu bestimmen, ist eine sehr delicate Operation, die nicht
                              Jedermann anstellen kann, waͤhrend gar keine Geschiklichkeit dazu
                              gehoͤrt, arsenige Saͤure abzuwiegen und aufzuloͤsen: es ist
                              dieß ein unbestreitbarer Vortheil, welcher dem Gay-Lussac'schen Verfahren fast immer
                              den Vorzug sichern wird.