| Titel: | Ueber die beim Räumen von Brunnen zu befolgenden Vorsichtsmaßregeln. | 
| Fundstelle: | Band 69, Jahrgang 1838, Nr. XIX., S. 72 | 
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                        XIX.
                        Ueber die beim Raͤumen von Brunnen zu
                           befolgenden Vorsichtsmaßregeln.
                        Ueber die Vorsichtsmaßregeln beim Raͤumen von
                           Brunnen.
                        
                     
                        
                           Bei der Sorglosigkeit, mit der man gewoͤhnlich beim Brunnenraͤumen zu
                              Werke zu gehen pflegt, und bei der geringen Sachkenntniß, welche die hiebei
                              unmittelbar Betheiligten einerseits und die mit der Sanitaͤtspolizei
                              Beauftragten andererseits in dieser Hinsicht haͤufig an den Tag legen,
                              erlauben wir uns folgende, von dem Pariser Sanitaͤtscollegium abgefaßte
                              Instruction zur allgemeinen Kenntniß zu bringen.
                           
                        
                           1. Vom Raͤumen und Ausbessern der
                                 Brunnen.
                           Wenn ein Brunnen geraͤumt werden soll, oder wenn irgend Jemand zur Vornahme
                              von Reparaturen in einen solchen hinabsteigen soll, so hat man sich vor Allem von
                              der Beschaffenheit der darin enthaltenen Luft zu uͤberzeugen. Diese Luft kann
                              naͤmlich auf verschiedene Weise verdorben seyn, und dadurch zu schlimmen
                              Folgen Anlaß geben. Man hat, um sich hievon zu uͤberzeugen, ein brennendes
                              Licht bis an die Wasserflaͤche hinabzulassen. Erlischt dieses im Verlaufe von
                              einer Viertelstunde nicht, so zieht man es zuruͤk, ruͤhrt das Wasser
                              mittelst eines Strikes, an dem ein Gewicht angehaͤngt ist, bis zum Boden
                              hinab auf, und versenkt das Licht abermals. Verlischt es auch dann innerhalb 10 bis 15 Minuten nicht,
                              so koͤnnen die Arbeiter an ihr Geschaͤft gehen, nachdem ihnen vorher
                              fuͤr alle Faͤlle ein Strik angethan worden ist. Loͤscht das
                              Licht hingegen aus, so deutet dieß auf die Gegenwart einer Luftart, die weder zur
                              Unterhaltung der Verbrennung, noch zur Respiration geeignet ist, und die entweder
                              aus Stikgas, oder aus kohlensaurem Gase, oder aus Schwefelwasserstoff, oder aus
                              einem Gemische mehrerer dieser Gasarten bestehen kann. Bei der hieruͤber
                              herrschenden Ungewißheit muß man, welches dieser Gase auch vorhanden seyn mag, die
                              Luft im Brunnen erneuern, wozu nichts besser und sicherer ist als die Ventilation.
                              Man verschließt zu diesem Behufe die Muͤndung des Brunnens mir Brettern, Gyps
                              und Thon so viel als moͤglich luftdicht, und bringt in der Mitte oder am
                              Rande ein Loch von beilaͤufig einem Decimeter Breite an. Ueber dieses Loch
                              sezt man einen Ofen, der lediglich aus dem Brunnen Luft erhaͤlt; zugleich
                              bringt man an dem Randsteine einen den Feuersprizen-Schlaͤuchen
                              aͤhnlichen Schlauch an, der bis auf einen Decimeter an die
                              Wasserflaͤche hinabreicht, und der, um ihn geoͤffnet zu erhalten,
                              innen mit einem spiralfoͤrmig laufenden Drahte versehen ist. Wenn in diesem
                              Ofen ein Holzkohlenfeuer aufgezuͤndet worden ist, so stuͤrzt man
                              uͤber ihn einen irdenen oder blechernen Mantel, von dem oben eine
                              Roͤhre auslaͤuft, damit man die Verbrennung bethaͤtigen und
                              also viel Luft verzehren kann. Wenn der Ofen je nach der Tiefe des Brunnens eine bis
                              zwei Stunden gebrannt hat, so muß neuerdings zur Probe ein Licht versenkt werden;
                              und wuͤrde dieses in geringer Entfernung von der Wasserflaͤche
                              abermals verloͤschen, so waͤre dieß ein Beweis, daß sich die schlechte
                              Luft erneuert. In diesem Falle muͤßte man den Brunnen troken legen, dann
                              einige Tage zuwarten, ihn hierauf neuerdings ausschoͤpfen und abermals den
                              Ventilirofen in Thaͤtigkeit sezen. Anstatt dieses Ofens kann man sich
                              uͤbrigens auch einer Puzmuͤhle oder irgend eines anderen Ventilators,
                              dessen Luftzufluß vom Grunde des Brunnens kaͤme, bedienen; wie z.B. des
                              Ventilators des Hrn. Wultig. Auch kann man mit ledernen
                              oder noch besser mit hoͤlzernen Geblasen, deren Windrohr bis auf geringe
                              Entfernung von der Wasserflaͤche hinabstiege, in vielen Faͤllen auf
                              die leichteste Weise dasselbe erzielen. Wuͤrde nach vierstuͤndiger
                              Ventilirung das Licht immer noch verloͤschen, so waͤre der Brunnen
                              ganz aufzugeben. Hat man durch vorlaͤufige Versuche die Natur des
                              schaͤdlichen Gases ermittelt, so kann man folgende Mittel anwenden. Zur
                              Saͤttigung der Kohlensaͤure muͤßte man mit Sprizkoͤpfen
                              einige Eimer Kalkmilch in den Brunnen gießen, und danach das Wasser stark
                              aufruͤhren. Zur Zerstoͤrung des geschwefelten oder gekohlten
                              Wasserstoffgases muͤßte man ein offenes gußeisernes Gefaͤß, worin ein
                              Gemeng aus drei Theilen schwarzem Braunsteinoxyde und acht Theilen Kochsalz
                              enthalten ist, und auf welches auf mehrere Male fuͤnf Theile concentrirte
                              Schwefelsaͤure gegossen worden sind, versenken. Noch leichter und eben so
                              sicher waͤre es, wenn man Wasser in den Brunnen schuͤttete, mit
                              welchem man auf einen Liter desselben eine Unze trokenen Chlorkalk angeruͤhrt
                              hat. In jedem Falle ist es gut, in jeden, nach faulen Eiern riechenden Brunnen,
                              selbst wenn das Licht in demselben nicht verlischt, vor dem Beginne der Arbeit
                              mehrere Eimer chlorhaltigen Wassers zu schuͤtten. Wenn das Gas aus Stikgas
                              besteht, so bleibt kein anderes Mittel als die Ventilirung.
                           
                        
                           2. Von der den Scheintodten oder
                                 Erstikten zu leistenden Huͤlfe.
                           1. Der Scheintodte ist so schnell als moͤglich an die freie, frische Luft zu
                              schaffen; und eben so schnell ist aͤrztlicher Beistand zu suchen. – 2.
                              Man entkleide ihn moͤglichst schnell, noͤthigenfalls durch
                              Aufschneiden der Kleider, wobei jedoch der Kopf stets hoͤher erhalten werden
                              muß, als der uͤbrige Koͤrper. – 3. Man sezt ihn auf einen
                              Stuhl, haͤlt ihm dabei den Kopf, und wirft ihm kaltes Wasser
                              glaͤserweise in das Gesicht und an den Koͤrper, womit lange
                              fortgefahren werden muß. – 4. Von Zeit zu Zeit versucht man das Athmen zu
                              befoͤrdern, indem man die Brust zu wiederholten Malen von allen Seiten her
                              und den Unterleib von Unten nach Oben zusammendruͤkt. – 5. Bemerkt man
                              Lebenszeichen, so duͤrfte deßhalb mit dem Ansprizen mit kaltem Wasser nicht
                              aufgehoͤrt werden; nur muͤßte es so geschehen, daß das Wasser nicht in
                              den Mund eindringt. – 6. Entstehender Brechreiz muͤßte durch Kizeln
                              der Rachenhoͤhle mit einem Federbarte unterstuͤzt werden. – 7.
                              Kann der Verungluͤkte wieder schlingen, so lasse man ihn etwas Wasser mit
                              Essig trinken. – 8. Nach gelungener Wiederbelebung ist er abgetroknet in ein
                              gewaͤrmtes Bett zu legen, worauf man ihm ein Klystier mit lauem Wasser gibt,
                              dem man eine Nuß groß Seife oder einige Eßloͤffel Essig zugesezt hat. Die
                              Anwendung von Brechmitteln und uͤberhaupt von anderen Mitteln
                              uͤberlasse man dem herbeigerufenen Arzte.