| Titel: | Ueber eine elektro-chemische Behandlung der Silber-, Kupfer- und Bleierze. Auszug aus einer Rede, die von Hrn. Becquerel am 2. Mai 1838 im Institut in Paris gehalten wurde. | 
| Fundstelle: | Band 69, Jahrgang 1838, Nr. LIV., S. 266 | 
| Download: | XML | 
                     
                        LIV.
                        Ueber eine elektro-chemische Behandlung
                           der Silber-, Kupfer- und Bleierze. Auszug aus einer Rede, die von Hrn.
                           Becquerel am 2. Mai
                           1838 im Institut in Paris gehalten wurde.
                        Aus der France industrielle 1838, No.
                              11.
                        Becquerel, uͤber elektro-chemische Behandlung der
                           Silber-, Kupfer- und Bleierze.
                        
                     
                        
                           Man war an vielen Orten, an denen es Gold- und Silbererze, aber kein
                              Brennmaterial, in hinreichender Menge gibt, gezwungen, nach einem Mittel zu suchen,
                              wodurch diese Metalle auf andere Weise, als durch Anwendung von Waͤrme
                              auszubringen waͤren. Mexico und Peru, die so reich an edlen Metallen sind,
                              daß ersteres vom Jahre 1492 bis auf die heutigen Tage gegen 13 und lezteres gegen 5
                              Milliarden Fr. lieferten, waren in diesem Falle, und daselbst kam man denn auch
                              durch die Verwandtschaft des Queksilbers zum Golde und zum Silber auf die
                              Amalgamirmethode.
                           Man zaͤhlt in Mexico allein gegen 3000 Orte, wo der Bergbau betrieben wurde
                              oder noch betrieben wird, wo derselbe aber dermalen darnieder liegt, theils wegen
                              des hohen Preises des Queksilbers, theils wegen der Tiefe, bis auf welche man
                              bereits gelangte, theils wegen des Mangels an Brennstoff, der keine Dampfmaschinen
                              aufzustellen gestattet. Nimmt man hiezu noch, wie schwierig es ist, bei Seekriegen
                              das Queksilber aus Europa nach Amerika hinuͤber zu schaffen, so ergibt sich,
                              wie nothwendig es ist, an die Stelle der Amalgamirmethode ein minder kostspieliges,
                              mehr im Bereiche der Unternehmer liegendes Verfahren ausfindig zu machen.
                           In den ersten Jahren der Entdekung der reichen Gruben von Pasco dachte man nur an die
                              Ausbeutung der reichsten Erze; aͤrmere fuͤr die Amalgamirung nicht
                              geeignete warf man auf die Halden, oder man verwendete sie zu Bausteinen. So baute
                              man z.B. einen Theil der Stadt Mecaipampa aus Steinen, die man dermalen mit Vortheil
                              auf Silber und Gold ausbeuten koͤnnte. Selbst in Potosi, welches allein seit
                              1545 gegen 6 Milliarden Fr. lieferte, waͤhrend sich der dermalige Ertrag auf
                              jaͤhrlich 6 bis 8 Millionen beschraͤnkt, ist man, wenn es an
                              Gewinnungsmitteln fehlt, oft auf die Ausbeutung aͤlterer Halden
                              zuruͤkgekommen.
                           Der mittlere Gehalt der mexicanischen und peruanischen Erze betraͤgt dermalen
                              nur 1 bis 2 Tausendtheile; d.h. 1000 Kilogr. Erz enthalten 1 bis 2 Kilogr. Silber.
                              In aͤlteren Zeiten gaben die Erze Hunderttheile, wie denn z.B. der obere
                              Theil der Gaͤnge von Sombrereta Erze mit 5, 10 und selbst 25 Proc.
                              Silbergehalt lieferte. Je tiefer die Bauten dringen, um so aͤrmer werden die
                              Erze, und um so nothwendiger wird es also, das Ausschmelzen und die Amalgamirung
                              durch ein wohlfeileres Verfahren zu ersezen.
                           Amerika's Bergwerke liefern dermalen jaͤhrlich an Gold ungefaͤhr 60 und
                              an Silber 170 Millionen Fr.; jene Europa's dagegen werfen an ersterem nur 4 bis 5,
                              an lezterem nur 12 bis 13 Millionen Fr. ab. Frankreich gewinnt aus einem
                              silberhaltigen Bleierze nur gegen 500,000 Fr., und zwar auf dem einzigen Werke von
                              Huelgoat, wo Hr. Juncker seit wenigen Jahren die
                              amerikanische Amalgamirmethode einfuͤhrte.
                           Ich habe nun an der von mir vorgeschlagenen elektro-chemischen Behandlung der
                              ErzeVergl. Polyt. Journal Bd. LX. S.
                                       76.mehrere große Modificationen angebracht, in Folge deren dieselbe im Großen
                              leicht ausfuͤhrbar wird.
                           Die Erze, in denen das Silber bald in gediegenem Zustande, bald an Chlor, Schwefel,
                              Arsenik, Antimon, Kupfer, Eisen etc. gebunden oder mit verschiedenem Gesteine
                              vermengt ist, haben wie zum Behufe der Amalgamirung einer Zubereitung zu
                              unterliegen, welche je
                              nach ihrer Beschaffenheit und nach den zu Gebot stehenden chemischen Producten eine
                              verschiedene ist. Nach dieser Vorbereitung laͤßt man durch die
                              gehoͤrig angeordnete und befeuchtete Mineralmasse einen elektrischen Strom
                              gehen, der sich des Silbers bemaͤchtigt und dasselbe je nach der
                              Staͤrke der zersezenden Kraft in Gestalt eines Pulvers, in Form kleiner
                              Krystalle oder auch in Gestalt von Blaͤttchen auf nicht oxydirbare
                              Koͤrper uͤbertraͤgt, waͤhrend die sauren Bestandtheile
                              oder jene, die sich als solche verhalten, sich nach entgegengesezter Richtung an
                              einen eigenen Ort begeben, an dem sie zur allgemeinen Wirkung mithelfen. Um diesen
                              elektrischen Strom zu erzeugen, braucht man weder complicirte, noch kostspielige
                              Apparate in Bewegung zu sezen, sondern es genuͤgen einige Eisenplatten an
                              einen Ort gebracht, wo sie einer raschen chemischen Veraͤnderung unterliegen.
                              Die Elektricitaͤt, welche sich waͤhrend einer Minute aus einer
                              einzigen Platte von einigen Quadratmetern Oberflaͤche entwikelt,
                              wuͤrde z.B. hinreichen, unsere ganze Versammlung zu erschlagen, wenn es
                              moͤglich waͤre, sie zusammenzuhalten. Dieß ist aber noch nicht Alles:
                              man verdoppelt, verdreifacht und vervierfacht die zersezende Kraft dieser
                              Elektricitaͤt, wenn man saͤmmtliche, in Wirksamkeit befindliche Theile
                              so coordonnirt, daß sie die Volta'sche Saͤule
                              nachahmen.
                           Welche Kraft hat die Natur in unsere Haͤnde gegeben, und wie kurze Zeit ist es
                              erst, daß wir deren ganze Wichtigkeit zu schaͤzen wissen!? Die bei den
                              chemischen Einwirkungen entwikelte Elektricitaͤt ging ihrer Unermeßlichkeit
                              ungeachtet gewoͤhnlich verloren. Es kam darauf an, sich ihrer zu
                              bemaͤchtigen, sie zu benuzen, und ihr eine Rolle anzuweisen, die nicht minder
                              bedeutend seyn kann als jene der Waͤrme. Dieß ward erreicht, indem man den
                              Beistand der Wissenschaft zu Huͤlfe rief. Um die dem Bedarfe der Metallurgie
                              entsprechende Quantitaͤt Waͤrme zu erzielen, ist eine große Menge
                              Brennmaterial, wie man sie nicht uͤberall trifft, erforderlich; um hingegen
                              die Elektricitaͤt zu erzeugen, welche zur Zersezung von Metallverbindungen im
                              Großen und zur Erzielung der sonst durch die Waͤrme hervorgebrachten
                              Wirkungen noͤthig ist, bedarf man nur einiger Stuͤke altes Eisen,
                              welche man uͤberall, wo auch nur Spuren von Civilisation bestehen, finden
                              wird. In Ermangelung von altem Eisen koͤnnten die Indianer auch das
                              meteorische Eisen, welches sich in Amerika haͤufig findet, benuzen.
                           Wenn die Elektricitaͤt auf mineralische Praͤparate einwirkt, so kann
                              man sie, indem man ihr gewisse Hindernisse darbietet, zwingen, sich des Silbers,
                              welches sie auszieht, zu bemaͤchtigen, und die uͤbrigen, mit dem
                              Silber verbundenen Metalle zuruͤkzulassen. Auf diese Weise gelang es, das Silber vom
                              Kupfer zu scheiden: eine Operation, welche sonst langwierig, kostspielig und mit
                              einem bedeutenden Aufwande an Brennmaterial verbunden ist.
                           Alle die hier erwaͤhnten Operationen gehen in der Stille und mit einer
                              Raschheit, welche Erstaunen erregt, von Statten; denn die Wirkungen zeigen sich
                              alsogleich, so wie die Apparate in Thaͤtigkeit zu treten beginnen. Die ersten
                              Versuche, welche ich anstellte, wurden mit aͤußerst kleinen
                              Quantitaͤten Erz vorgenommen; spaͤter arbeitete ich mit einigen
                              Hundert Kilogrammen, und in neuester Zeit endlich mit vollkommenem Erfolge selbst
                              mit mehreren Tausend Kilogrammen. Die Loͤsung der Aufgabe im Großen
                              erheischte die Beihuͤlfe von aufgeklaͤrten Finanzmaͤnnern, und
                              diese ward mir denn auch von den Eigenthuͤmern der Silberwerke in Huelgoat,
                              welche in Paris Erze und eine Probirwerkstaͤtte zu meiner Verfuͤgung
                              stellten. Dieser Werkstaͤtte ward eine Einrichtung gegeben, gemaͤß
                              welcher jaͤhrlich 200,000 Kilogr. Erz, naͤmlich der fuͤnfte
                              Theil jener Quantitaͤt, die man in einem amerikanischen Amalgamirwerke zu
                              behandeln pflegt, ausgebeutet werden koͤnnen. 2000 Kilogr. wurden sogleich
                              und ohne alle Schwierigkeit dem Processe unterworfen, so daß nunmehr die Ausbeutung
                              des Erzes im Großen als gesichert zu betrachten ist.
                           Die ganze Operation dauert mit Einschluß der vorlaͤufigen Behandlung nicht
                              uͤber 14 Tage, wenn der Silbergehalt nicht uͤber 1 bis 2 Tausendtheile
                              betraͤgt. Die Amalgamirung dagegen waͤhrt in Amerika
                              gewoͤhnlich einen Monat und selbst daruͤber. Das neue Verfahren
                              gewaͤhrt also nicht bloß den Vortheil, daß man das Silber bis auf die lezten
                              Theilchen ohne Queksilber auszuziehen im Stande ist, sondern es bedingt auch einen
                              bedeutenden Gewinn an Zeit.
                           Das neue Verfahren eignet sich ferner auch fuͤr Kupfererze, aus denen das
                              Kupfer in groͤßter Reinheit und ohne Spur von Eisen, wodurch dessen Werth
                              sehr erhoͤht wird, ausgezogen werden kann. Selbst Bleierze lassen sich der
                              elektro-chemischen Behandlung unterwerfen; doch geht deren Zersezung
                              langsamer von Statten, als jene der Silbererze.
                           Es erhellt also, daß die Elektricitaͤt, die sich so zu sagen unbemerkt
                              entwikelt, waͤhrend ein Stuͤk Eisen rostet, die groͤßten
                              chemischen Wirkungen, deren man bei der Behandlung metallischer Erze bedarf,
                              hervorbringen kann. Ich sage die groͤßten Wirkungen, indem sie auch die
                              Eisenerze zersezt, wenn diese gehoͤrig zubereitet worden sind. Das auf diesem
                              Wege gewonnene Eisen bietet sich wegen des Aggregationszustandes seiner Theilchen so
                              dar, daß es wie das reinste Silber aussieht: ja die Aehnlichkeit zwischen dem Silber
                              und diesem Eisen ist so
                              groß, daß man lezteres nur durch seine schnelle Oxydirung erkennt.
                           Die Elektricitaͤt ist, als chemische Kraft und als Triebkraft betrachtet, in
                              weiter Zukunft wahrscheinlich bestimmt, gleich dem Dampfe unsere Huͤlfsmittel
                              außerordentlich zu vermehren und unseren socialen Verhaͤltnissen einen großen
                              Impuls zu geben. Sie herrscht uͤberall in der Natur, auf der Erde wie in den
                              gestirnten Raͤumen; denn sie besteht uͤberall, wo es Materie gibt. Sie
                              dient so zu sagen allen physikalischen Wissenschaften als Einigungspunkt; das
                              Studium ihrer Eigenschaften und Geseze zieht um so mehr an, als man hoffen darf,
                              dadurch eine Kraft, aus deren tieferer Kenntniß wir noch uͤber viele im
                              Dunkeln schwebende Phaͤnomene Aufschluß erwarten duͤrfen, zu erfassen
                              und nuzbar zu machen.