| Titel: | Versuche über Ausführung und Kosten von Kyan's Methode, durch Queksilbersublimat das Holz gegen Fäulniß zu schüzen. | 
| Fundstelle: | Band 69, Jahrgang 1838, Nr. LXXVII., S. 365 | 
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                        LXXVII.
                        Versuche uͤber Ausfuͤhrung und
                           Kosten von Kyan's
                           Methode, durch Queksilbersublimat das Holz gegen Faͤulniß zu
                           schuͤzen.
                        Ueber Kyan's Methode das Holz gegen Faͤulniß zu
                           schuͤzen.
                        
                     
                        
                           Bei dem Baue der Leipzig-Dresdener Eisenbahn, deren Oberbau theilweise nach
                              dem amerikanischen Systeme aus hoͤlzernen, auf Querschwellen befestigten
                              Langschwellen mit aufgenagelten Eisenschienen hergestellt ist, kam es in Frage, ob
                              es nicht zwekmaͤßig seyn werde, die Langschwellen des Oberbaues nach Kyan's vielbesprochener Methode durch Traͤnken mit
                              einer Aufloͤsung von Queksilbersublimat gegen Faͤulniß zu
                              schuͤzen? Ein Mitglied des Directoriums, Hr. Stadtrath C. Lampe, uͤbernahm es, einige Versuche uͤber
                              diesen Gegenstand, zunaͤchst zur ungefaͤhren Ermittlung der Kosten,
                              anzustellen. In wie weit es gelang, durch Versuche im Kleinen einen Anhaltpunkt in
                              Bezug auf leztern Umstand zu erhalten und welchen unerwarteten Erscheinungen Hr. Lampe bei diesen sorgfaͤltig angestellten
                              Versuchen begegnete, wird sich aus folgendem Auszuge des von Hrn. Lampe uͤber seine Versuche an das Directorium der
                              Leipzig-Dresdener Eisenbahn abgestatteten Berichtes ergeben, dessen
                              Veroͤffentlichung der Hr. Verfasser gestattete.
                           
                              „Der Vorschrift zufolge loͤste ich 1 Pfund aͤzenden
                                 Queksilbersublimat in 6 1/4 Gallonen warmen Wassers auf, wonach sich, da die
                                 Gallone zu 8 Pfund angenommen wurde, das Verhaͤltnis des Sublimats zum
                                 Wasser herausstellte wie
                              
                           1 Pfund zu 50 Pfund.
                           Ich ließ mir hierauf 8 Stuͤk 4 Ellen lange moͤglichst glatt bearbeitete
                              Stuͤke von Langschwellen, wie sie auf der Bahnstreke von hier nach Althen
                              benuzt werden (im Querschnitte 9 Zoll hoch, 6 Zoll breit), fertigen, und zwar 4
                              Stuͤk von moͤglichst astfreiem Eichen-, 4 Stuͤk von
                              reinem Kiefernholze, und brachte dieselben paarweise je 12 Stunden, 24 Stunden und
                              48 Stunden lang waagerecht unter die oberwaͤhnte Solution.
                           Ich sezte die beiden Holzarten dem Eindringen der Feuchtigkeit aus dem Grunde
                              laͤngere und kuͤrzere Zeit aus, um spaͤter auf chemischem Wege
                              untersuchen zu koͤnnen, wie lange sie liegen muͤßten, um bis auf den
                              Kern vom Queksilber durchdrungen zu seyn.
                           
                           Um aber die Kosten der Operation zu ermitteln, schien mir nichts als eine genaue
                              Kenntniß noͤthig zu seyn, wie viel Solution in der ebenberuͤhrten
                              genuͤgenden Zeit vom Eichenholze, wie viel vom Kiefernholze verschlukt
                              werde.
                           Es ergab sich hienach folgendes Resultat:
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 69, S. 366
                              Holzarten; Gewicht vor dem
                                 Einlegen; Zeit des Liegens; Gewicht nach dem Einlegen; Differenz, d.h.
                                 angezogene Solution; weiches hartes; Pfd.; Lth.; Stunden
                              
                           Ich war uͤberrascht, zu sehen, daß das Holz auf sehr unregelmaͤßige Art
                              die Loͤsung einsaugt, daß es beim ersten Versuche in 12 Stunden mehr als beim
                              zweiten in 24 Stunden, daß das weiche Holz beim dritten Versuche dreimal mehr als
                              beim vierten, das harte dagegen umgekehrt beim vierten dreimal mehr als sonst von
                              der Fluͤssigkeit angezogen hatte.
                           Ich glaubte, es muͤsse irgend ein Versehen Statt gefunden haben, und schritt
                              daher zu einem neuen Versuche.
                           Um das Eindringen der Wassertheilchen im Allgemeinen zu erleichtern, insbesondere
                              aber das Queksilber besser in die der Laͤnge des Holzes nach laufenden
                              Saftroͤhrchen zu bringen und das Niedersezen des geloͤsten Queksilbers
                              zu hindern, ließ ich mir einen hohen wasserdichten Kasten machen, in welchem ich das
                              Holz aufstellte, so daß es vollkommen mit der Fluͤssigkeit bedekt war, ließ
                              die leztere oͤfter umruͤhren, auch am untern Ende fortwaͤhrend
                              mittelst eines Hahnes langsam ablaufen, um sie von Neuem wieder
                              aufzuschuͤtten.
                           Fein gehobelte 4 Ellen lange Langschwellen gaben hierauf folgende Resultate:
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 69, S. 367
                              Holzarten; Gewicht vor dem
                                 Einlegen; Zeit des Liegens; Gewicht nach dem Einlegen; Differenz oder Gewicht
                                 der angezogenen Fluͤssigkeit; weiches hartes; Pfd. Lth.; Stunden.
                              
                           Da ich diese Versuche mit der groͤßten Genauigkeit vorgenommen, so stellte
                              sich mir die Gewißheit klar vor Augen, daß die Eigenthuͤmlichkeit nicht
                              allein der Holzarten, sondern eines jeden Stuͤkes
                              vom groͤßten Einfluß auf das Einsaugen von Fluͤssigkeit, und daß es
                              daher unmoͤglich sey, durch kleine Versuche auch nur einen
                              oberflaͤchlichen Ueberblik uͤber die Kosten des Kyanisirens zu
                              erlangen.
                           Auf feuchtem Boden mag das Holz ein mehr lokeres Gewebe bekommen, ohne daß man dieß
                              bei oberflaͤchlicher Untersuchung desselben zu unterscheiden im Stande
                              waͤre. Auch muß die groͤßere oder geringere Menge der fuͤr
                              Feuchtigkeit undurchdringlichen Harztheilchen im Kiefernholze von Einfluß seyn,
                              endlich wuͤrde jedenfalls bei der Behandlung im Großen bei nur grob
                              abgehobeltem, durch Luft und Sonne aufgerissenem Holze ein noch weit
                              unguͤnstigeres Ergebniß zum Vorschein kommen.
                           Was die Kosten der Operation anbelangt, so ist es bekannt, daß Queksilber ein stets
                              gesuchter, oft seltener Artikel ist, auf dessen Preis selbst bei großen
                              Quantitaͤten nur wenig abzudingen seyn moͤchte. Auf eine Anfrage bei
                              der anerkannt ersten Fabrik von Queksilberpraͤparaten, ob man große
                              Quantitaͤten von vielleicht nicht ganz reinem Sublimat bedeutend billiger
                              kaufen wuͤrde, erhielt ich zur Antwort, daß hoͤchstens ein Nachlaß von
                              1%, gewaͤhrt werden koͤnnte. Die Calculation wuͤrde sich
                              folgender Maßen stellen:
                           
                           
                              
                                 Zu 1000 Gallonen oder 8000 Pfd. Wasser
                                    gehoͤren 160 Pfd. Merc. sublim. à
                                    36 1/2 gr.
                                 =
                                 243 Rthlr.
                                   8 gr.
                                 
                              
                                 ab 1% Verguͤtung
                                 
                                     2
                                      –
                                 10 –
                                 
                              
                                 
                                 
                                 ––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 240 Rthlr.
                                 22 gr.
                                 
                              
                                 Arbeitslohn
                                 
                                     9
                                      –
                                   2 –
                                 
                              
                                 
                                 
                                 ––––––––––––
                                 
                              
                                 8000 Pfd. Solution
                                 
                                 250 Rthlr.
                                  –  –
                                 
                              
                                 
                                 
                                 ––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 Pfd. 1
                                     9 pfg.
                                 
                                 
                              
                           Nehmen wir an, daß die Elle weiches Holz im Durchschnitt anziehen wuͤrde 3
                              Pfd. Solution, so wuͤrde sie zu kyanisiren kosten 2 gr. 3 pf. –
                           Beim harten Holze kaͤme man mit der Haͤlfte, also 1 gr. 1 1/2 pf.
                              fuͤr die laufende Elle durch. –
                           Und so wuͤrde dem zu Folge die deutsche Meile à 16000 Ellen gerechnet zu kyanisiren kosten:
                           
                              
                                 von weichem Holze
                                 (2 Schwellen)
                                 3000 Rthlr.
                                 
                              
                                 von hartem Holze
                                 (desgl.)
                                 1500   –
                                 
                              
                           
                              Diese Summen uͤbersteigen wohl jedenfalls alle fruͤher gehegten
                                 Erwartungen; so hoch sie aber sind, sind sie als ausreichend noch nicht einmal
                                 mit Gewißheit anzunehmen, da ich ungeachtet aller angewandten Sorgfalt
                                 eigentlich nur zu der Ueberzeugung gekommen bin, daß die geringsten
                                 Ungleichheiten im Holze oder dessen innerer Beschaffenheit alle Calculationen zu
                                 Schanden machten, und daß daher die Annahme von 3 Pfd. fuͤr die eine Elle
                                 Verlust vielleicht noch nicht ausreichen duͤrfte.“
                              
                           So weit die Mittheilung des Hrn. C. Lampe. Derselbe hatte
                              die Guͤte, mir Proben der kyanisirten Hoͤlzer zuzustellen, und
                              veranlaßte mich, zu untersuchen, in wie fern dieselben durch das
                              1–4taͤgige Liegen in der Sublimatloͤsung ganz oder theilweise
                              von derselben durchdrungen seyn moͤchten. In der That wuͤrde das
                              Verfahren gewiß wenig versprechen, wenn das Eindringen des Sublimats nicht
                              wenigstens bis zu einiger Tiefe erfolgte.
                           Zur Pruͤfung waͤhlte ich ein sehr einfaches Verfahren. Ich
                              traͤnkte naͤmlich die Querschnitte der mit der Loͤsung
                              behandelten Hoͤlzer mit Schwefelwasserstoffammoniak. Die Stellen, in welche
                              der Sublimat eingedrungen war, faͤrbten sich hiebei mehr oder weniger tief
                              schwarz, waͤhrend die uͤbrige Holzmasse ihre Farbe behielt. Dieses
                              Verfahren legte sofort vor Augen, daß das Queksilbersalz nur in aͤußerst
                              geringer Menge in das Holz eingedrungen war. Die harten Hoͤlzer zeigten nur
                              einen 2–3 Linien breiten schwarzen Rand. Das Innere war ganz
                              unberuͤhrt geblieben, und nur wo das Holz feine Risse hatte,
                              schwaͤrzten sich die Umgebungen von diesen. Die weichen Hoͤlzer
                              zeigten ein etwas besseres Verhalten und der schwarze Rand war breiter, und hie und da
                              erschienen Strahlen, mit der breiteren Basis vom Rande ausgehend und nach dem Kerne
                              des Holzes zu verlaufend. Indessen war auch dieß nur bei einigen Stuͤken der
                              Fall, die meisten hatten bloß einen schwarzen Rand. Hieraus ergibt sich, daß die
                              Loͤsung schon in den aͤußersten Schichten des Holzes ihren
                              Sublimatgehalt an dasselbe abgegeben hatte und bloßes Wasser in das Innere
                              eingedrungen war.
                           Wie unvollstaͤndig diese Mittheilungen in mancher Beziehung auch seyn
                              moͤgen, so zeigen sie wenigstens, daß die Kyan'sche Methode in ihrer Ausfuͤhrung Schwierigkeiten begegnet, von
                              denen in den tausendfaͤltig ohne Pruͤfung wiederholten Vorschriften
                              und Anpreisungen derselben nirgends die Rede ist. Durch oͤftere Wiederholung
                              des Traͤnkens der Hoͤlzer mit der Sublimatloͤsung wuͤrde
                              sich vielleicht eine vollstaͤndige Durchdringung bewirken lassen. Es ist aber
                              klar, daß die Kosten dann jeden Vortheil uͤberwiegen muͤßten. (Erdmann, in seinem Journal fuͤr praktische Chemie,
                              1838, Nr. 12.)