| Titel: | Ueber eine auf mathematische Principien gegründete Kettenbrüke. Auszug aus einem Vortrage des Hrn. James Dredge, gehalten vor der British-Association in Newcastle-upon-Tyne. | 
| Fundstelle: | Band 71, Jahrgang 1839, Nr. V., S. 22 | 
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                        V.
                        Ueber eine auf mathematische Principien
                           gegruͤndete Kettenbruͤke. Auszug aus einem Vortrage des Hrn. James Dredge, gehalten vor
                           der British-Association in
                           Newcastle-upon-Tyne.
                        Aus dem Mechanics' Magazine, No. 794.
                        Dredge, uͤber eine neue Kettenbruͤke.
                        
                     
                        
                           Ich erlaube mir die Aufmerksamkeit der Versammlung auf eine nach mathematischen
                              Principien gebaute Haͤngebruͤke und auf einige Versuche zu lenken, aus
                              denen die Vorzuͤge der neuen Bruͤke vor der gewoͤhnlichen
                              Haͤngebruͤke hervorgehen sollen.Hr. Dredge besizt ein Patent auf die von ihm
                                    angegebenen Ketten fuͤr Haͤngebruͤken; dieses Patent
                                    findet man im polyt. Journal Bd. LXVI. S.
                                       409. A. d. R.
                              
                           An jeder Bruͤke kommen zwei Kraͤfte in Betracht, von denen die eine
                              senkrecht, die andere waagerecht wirkt.
                           1. Bei der von mir in Vorschlag gebrachten Methode wird die senkrechte Kraft von dem
                              Bogen getragen, und zwar von der Mitte der Bruͤke angefangen gegen die
                              Widerlager hin allmaͤhlich abnehmend.
                           2. Die horizontale Kraft hingegen faͤllt auf die Fahrstraße, welche hier eine
                              starre Linie oder Bahn ist.
                           3. Die Fahrstraße ist durch eine Reibe nach der Diagonale aufgehaͤngter
                              Stangen mit den Ketten verbunden, so daß sich das ganze Gewicht des Baues in der
                              kuͤrzesten Richtung auf die respectiven Basen oder Besten concentrirt.
                           4. Die Ketten nehmen von jeder Basis aus progressiv ab, und in demselben
                              Verhaͤltnisse und in derselben Richtung nimmt auch die Schwere ab, so daß der
                              Mittelpunkt der Bruͤke von allem senkrechten Druke befreit ist.
                           5. Da die Ketten an ihren Enden nur schwach in Anspruch genommen sind, so sind bloß
                              unbedeutende Verankerungen derselben erforderlich.
                           Nach der gewoͤhnlichen Baumethode dagegen gilt Folgendes:
                           1. Sowohl die senkrechte als die waagerechte Kraft faͤllt auf den Bogen, und
                              dessen Mittelpunkt wird daher der Stuͤzpunkt anstatt der Anfangspunkt der
                              Schwere.
                           2. Die Fahrstraße ist, da sie keiner horizontalen Kraft ausgesezt ist, einer
                              bedeutenden Schwankung oder seitlichen Bewegung ausgesezt.
                           3. Da die Fahrstraße durch senkrecht aufgehaͤngte Stangen mit den Ketten
                              verbunden ist, so concentrirt sich die Haͤlfte der Schwere des Baues auf
                              deren Mittelpunkt, so daß nach umgekehrter Richtung oder nach dem Sinus versus ein Druk Statt findet.
                           4. Die Ketten laufen durch und durch groͤßten Theils parallel, und die
                              Haͤlfte der ganzen Schwere des Baues ist directer senkrechter Druk auf die
                              Mitte der Bruͤke.
                           5. Die Ketten sind an den Enden mit ihrer ganzen horizontalen Kraft belastet, so daß
                              also die Verankerungen sehr stark seyn muͤssen.
                           Die Vorzuͤge, welche der nach meinem Systeme gebauten Kettenbruͤke
                              zukommen, sind Stabilitaͤt, Wohlfeilhelt, Leichtigkeit, Staͤrke und
                              Einfachheit. Diese Vorzuͤge werden dadurch erzielt, daß die Last durch eine
                              zusammengesezte Reihe von Schraͤgflaͤchen an jede der respectiven
                              Basen uͤbergeht. Die horizontale Kraft ist von den Ketten auf die Fahrstraße
                              uͤbergetragen, wodurch die Neutralitaͤt der lezteren in eine Kraft
                              umgewandelt wird. Durch Subtraction dieser Kraft von den Ketten wird eine
                              groͤßere Kraft zugleich mit einer bedeutenden Reduction des Materiales
                              erzielt.
                           Die Beweise hiefuͤr liefern folgende Versuche, welche ich mit Modellen von 4
                              Fuß 6 Zoll Spannung und 6 Zoll Deflection bei gleichem Materiale anstellte.
                           
                              
                                 
                                      Modell mit  parallelen
                                       Ketten.
                                   Modell
                                       mit Ketten      der neuen
                                       Art.
                                 
                                 
                                 
                              
                                  1. Versuch,Bristol 2.
                                    Jan.     1838.
                                 Es brach zusammen untereiner Belastung
                                    mit 6 SaͤkenRoßbohnen.
                                 Es trug, ohne zu brechen, 6
                                    SaͤkeRoßbohnen, 7 Saͤke Malz, 2 Cntr.Gußeisen und 11
                                    Personen.
                                 
                                 
                                 
                              
                                 
                                 
                                 Cntr. Qrt. Pfd.
                                 
                                 Cntr. Qrt. Pfd.
                                 
                                 
                                 
                              
                                  2. Versuch,Bristol 6.
                                    Jan.     1838.
                                 Es trug
                                   13    
                                    3     25
                                 Es trug
                                   34    
                                    1     25
                                 
                                 
                                 
                              
                                  3. Versuch,Bristol 13.
                                    Jan.     1838.
                                    –
                                   13    
                                    –     –
                                    –
                                   33    
                                    –     –
                                 
                                    
                                    
                                 Bei Erhoͤh. d. Gew. tratjedesmal der Bruch
                                    ein.
                                 
                              
                                  4. Versuch,Bristol 15.
                                    Jan.     1838.
                                    –
                                   23    
                                    –     –
                                    –
                                   61    
                                    –     17
                                 
                                 
                                 
                              
                           
                           Folgendes ist eine Berechnung fuͤr die Bruͤke uͤber den Avon bei
                              Clifton.
                           Die Distanz zwischen den Aufhaͤngepunkten betraͤgt 700 Fuß; die
                              Deflection der Ketten 1/10 der Sehne; das Gewicht der Ketten und Diagonalen 60
                              Tonnen; das Gewicht der Fahrstraße 130 Tonnen; der Querdurchschnitt der Ketten an
                              der Basis zusammen 132 Quadratzoll.
                           Hr. O'Nally, der Ingenieur der Kettenbruͤke von
                              Freyburg, fand, daß bestes Eisen, wenn es zu Draht gezogen worden, 52 Tonnen per Quadratzoll zu tragen im Stande ist; Telford gab an, daß ein fuͤnfzoͤlliger Stab
                              27 Tonnen per Quadratzoll zu tragen vermag. Man kann
                              daher wohl annehmen, daß ein zoͤlliger Stab 30 Tonnen traͤgt, wonach
                              ich, nachdem ich mich durch Versuche davon uͤberzeugt, auch meine
                              Berechnungen anstellte.
                           Der Querdurchschnitt der Ketten an der Basis, 132 Quadratzoll gibt multiplicirt mit
                              der auf den Zoll treffenden Kraft, als aͤußerste Kraft 3960 Tonnen.
                           
                              
                                 
                                 Tonnen. 
                                 Tonnen.
                                 
                              
                                 Das Gewicht der Ketten u. Diagonalen
                                    ist
                                   60 × 1,5Da die Deflection den zehnten Theil der
                                          Sehne betraͤgt, und der Schwerpunkt der mathematischen Ketten
                                          auf den dritten Theil ihrer Laͤnge von jeder Basis her
                                          faͤllt, so muß das Gewicht mit 1,5 multiplicirt werden.
                                          Eigentlich waͤre 1,66 der wirkliche Factor, allein die Curve
                                          gibt etwas mehr nach. A. d. O.
                                 =     90
                                 
                              
                                 Das Gewicht der Platform etc.
                                 130 × 2Da die Schwerpunkte der Fahrstraße zwischen den
                                          aͤußersten Enden und der Mitte der Bruͤke auf den
                                          halben Weg fallen, so muͤßte das Gewicht dem alten Systeme
                                          gemaͤß mit 2,5 multiplicirt werden. Da aber das Gewicht von
                                          einem Kreissegmente getragen wird, und ein bedeutender Theil
                                          getragen wird, ohne daß die Ketten dadurch beeintraͤchtigt
                                          werden, so multiplicire ich das ganze Gewicht mit 2, was vollauf
                                          hinreicht. A. d. O.
                                 =   260
                                 
                              
                                 Die Oberflaͤche von 17,400 Fuß faßt
                                    fuͤr einePerson 2 Fuß gerechnet, 8700 Personen, unddas
                                    Gewicht dieser betraͤgt, eine Person zu140 Pfd. angenommen, 543
                                    Tonnen
                                 543 × 2
                                 = 1086
                                 
                              
                                  
                                 –––––––––––––––––––
                                 
                              
                                 
                                 Totalsumme
                                     1436
                                 
                              
                                 Mithin berechnet sich die
                                    uͤberschuͤssige Kraft der Bruͤke auf
                                     2524
                                 
                              
                                 
                                 ––––––
                                 
                              
                                 denn dieß gibt obige 
                                     3960
                                 
                              
                           Die Ketten wuͤrden aus zoͤlligen Eisenstaͤben von 12 Fuß
                              Laͤnge mit Querbolzen bestehen; die Platform aus zweizoͤlligen Dielen
                              mit Querbalken, wozu im Ganzen 6000 Kubikfuß Bauholz erforderlich waͤren.
                           
                           
                              
                                 
                                 Pfd. St.
                                 
                              
                                 Die 90 Tonnen Ketten und Diagonalen zu 25
                                    Pfd. St. dieTonne geben
                                 2250
                                 
                              
                                 Die 20 Tonnen Pallisaden und
                                    uͤbriges Eisenwerk, zu20 Pfd. St. die Tonne,
                                   400
                                 
                              
                                 Die 600 Kubikfuß Bauholz
                                   900
                                 
                              
                                 Die Kosten der Fixirung berechnen sich
                                    auf
                                 2450
                                 
                              
                                  
                                 ––––
                                 
                              
                                 Totalanschlag
                                 6000
                                 
                              
                           Die Ketten der bekannten Menaibruͤke haben 260 Quadratzoll Querdurchschnitt,
                              1710 Fuß Laͤnge und 1900 Tonnen Gewicht. Nach dem mathematischen Principe
                              haͤtten 30 Quadratzoll Querdurchschnitt und 1200 Fuß Laͤnge
                              hingereicht, und das Gewicht der Ketten wuͤrde nur 70 Tonnen betragen haben!
                              Die Ketten fuͤr die Cliftonbruͤke sollten gegen 477 Quadratzoll
                              Querdurchschnitt bekommen; nach meinem Vorschlage wuͤrde sich diese Zahl auf
                              37 reduciren, und dennoch wuͤrde die Bruͤke dreimal mehr zu tragen
                              vermoͤgen.
                           Die nach meinem Systeme gebaute Victoria-Bruͤke in Bath hat 150 Fuß
                              Spannung; die Deflection der Ketten betraͤgt den sechsten Theil der Sehne;
                              der Querdurchschnitt saͤmmtlicher Ketten an der Basis 48 Zoll; deren Gewicht
                              zwischen den Aufhaͤngepunkten nur 5 Tonnen; die Breite der Fahrstraße 18 Fuß.
                              Diese selbst ist aus eichenen Querbalken und aus Laͤngendielen von 2 Zoll
                              Dike gebaut, mit einer Composition aus Steinkohlentheer und Kalk
                              uͤbertuͤncht, mit 50 Tonnen Kies uͤberfuͤhrt und endlich
                              macadamisirt. – Man begann im November 1836 mit dem Legen der Ketten, und
                              obschon die Arbeiter gegen 14 Tage lang wegen schlechter Witterung von der Arbeit
                              abgehalten wurden, und die Tage so kurz waren, so wurde die Bruͤke doch schon
                              im December darauf dem Verkehre eroͤffnet. Die ganze Bruͤke kam auf
                              1760 Pfd. St., worunter 500 Pfd. fuͤr das Mauerwerk begriffen sind. Ihre
                              Gesammtlaͤnge von einer Verankerung zur anderen betraͤgt gegen 330
                              Fuß. Saͤmmtliches Eisenwerk an ihr wiegt mit Einschluß des ganz aus Eisen
                              gearbeiteten Gelaͤnders nur 21 Tonnen!