| Titel: | Ueber die Patent-Eisenbahnwagen des Hrn. Adams und die von ihm erfundenen Bogenfedern. | 
| Fundstelle: | Band 74, Jahrgang 1839, Nr. IV., S. 26 | 
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                        IV.
                        Ueber die Patent-Eisenbahnwagen des Hrn.
                           Adams und die von ihm
                           erfundenen Bogenfedern.
                        Aus dem Mechanics' Magazine No. 824.
                        Mit Abbildungen auf Tab.
                              I.
                        Ueber Adams's Patent-Eisenbahnwagen und die von ihm
                           erfundenen Bogenfedern.
                        
                     
                        
                           Hr. Adams, der Verfasser eines rühmlich bekannten Werkes
                              über den Wagenbau, ist auch der Erfinder einer eigenen Art von Federn, welche er
                              Bogenfedern (bow-springs) nennt. Die Anwendung
                              dieser Federn zum Aufhängen und Verbinden der Eisenbahnwagen ist der Gegenstand
                              dieses Aufsazes, wobei wir vorläufig nur bemerken wollen, daß Hr. Adams einen nach seinem Systeme zusammengesezten Wagenzug
                              einen gegliederten oder Wirbelwagen (vertebrated train)
                              nennt, indem er seiner Meinung nach sowohl in Hinsicht auf Stärke, als in Hinsicht
                              stuf Biegungsfähigkeit mit der Wirbelsäule eines Thieres Aehnlichkeit hat.
                           Die auf Taf. I ersichtlichen Zeichnungen sind
                              Grundrisse und Aufrisse zweier Wagen, von denen ersterer hauptsächlich die
                              Verbindung der Wagen, lezterer dagegen deren Aufhängungsweise an den Achsen
                              anschaulich macht. In Fig. 18 sind A, A, A die Bogenfedern, welche den Wagen tragen. B, B, B, B sind Hebelglieder, gleichsam die Sehne des
                              Bogens vorstellend, welche auf die Bogenfedern wirken, und welche, wenn die Federn
                              weggenommen würden, zum Aufhängen des Wagens dienen würden. C, C sind senkrechte Gefüge, die beim Durchlaufen von Curven den
                              Wagenzügen eine seitliche Biegung gestatten.
                           
                           In Fig. 19 ist
                              D, D eine aus Eisen oder Holz bestehende Stange,
                              mittelst welcher die Wagen und Federn mit einander verbunden sind. Das eine Ende
                              derselben ist an dem Wagen, das andere dagegen an den Sehnenstüken E, E, E der horizontalen Bogenfedern F, F, F festgemacht. Der Rüken der Bogenfeder besteht
                              aus einem einzelnen Stabe gut angelassenen Stahles. Die Sehne besteht aus zwei
                              gleich langen einzelnen Stahlstäben oder präparirten hanfenen Striken, deren innere
                              Enden an dem Kasten oder Gestelle des Wagens festgemacht sind. Da sich die beiden
                              geraden, die Sehne bildenden Stüke sowohl vor- als rükwärts bewegen, so
                              dienen sie zur Verhütung oder Erschütterung in der Längenrichtung, die Maschine mag
                              ziehen oder treiben, und die Wagen mögen nach einer bestimmten Richtung fortrollen
                              oder plözlich zum Stillstande gebracht werden. Dagegen ist ihnen kein seitliches,
                              von den Wagen unabhängiges Spiel gestattet; und gerade hierin liegt ein großer
                              Vorzug derselben, indem sie hiedurch die seitliche Stätigkeit des ganzen
                              Locomotivgestelles erhöhen und auch dazu beitragen, dasselbe ruhig in der
                              Bewegungslinie zu erhalten.
                           Das Spiel der Federn bedarf kaum einer Erläuterung. Wenn der Wagenzug in Bewegung
                              ist, so wird, wie in Fig. 19 durch punktirte
                              Linien angedeutet ist, der Verbindungspunkt der Sehnenstüke oder der Mittelpunkt der
                              Sehne gegen g getrieben; die beiden Spizen des Bogens
                              hingegen gegen h, h. Die Zugstange wird sich fest gegen
                              den benachbarten Wagen anlegen. Die Stärke der Feder und der Sehnenstüke muß dem
                              Gewichte der Wagen, für die sie bestimmt sind, und der Arbeit, welche die Wagen zu
                              vollbringen haben, angepaßt werden.
                           ––––––––––
                           Als Anhang zu obiger Beschreibung fügen wir aus den Railway
                                 Times dasjenige bei, was über die Anwendung der Adams'schen Federn an einigen Wagen der
                              London-Birmingham-Eisenbahn berichtet wird.
                           
                              „Man hat einen der für den Postdienst bestimmten Wagen der
                                 London-Birmingham-Eisenbahn mit Adams'schen Federn ausgestattet, und am 17. April l. J. diesen Wagen mit
                                 einem Wagenzuge von der Station bei Euston Grove abgehen lassen. Mehrere der an
                                 der Eisenbahn beschäftigten Sachverständigen, die den Wagen vorher untersuchten,
                                 äußerten ihre Meinung dahin, daß die Federn nicht für die Eisenbahnlocomotion
                                 geeignet seyen, und daß der Versuch aus mehr dann Einem Grunde mißlingen müsse.
                                 Man behauptete, daß die Federn zu leicht seyn, daß sie eine viel zu große
                                 Beweglichkeit gestatten würden; daß, da keine seitlichen Führer vorhanden seyen,
                                 durch welche die
                                 Achsen in gehöriger Richtung erhalten würden, der Wagen die Schienen verlassen
                                 müßte; und endlich, daß sie nicht stark genug wären und wahrscheinlich vor der
                                 Ankunft des Zuges in Birmingham brechen würden.
                              
                           
                              „Bei dieser Meinungsverschiedenheit sah man mit Spannung auf das Resultat
                                 der ersten Fahrt, bei welcher innen im Wagen der Erfinder der Bogenfedern mit
                                 mehreren Sachverständigen, und außen ein Beamter der Bahngesellschaft und zwei
                                 Wächter der Post saßen. Der Wagen war kaum abgefahren, als man auch schon
                                 allgemein über die größere Leichtigkeit und Anmuth seiner Bewegung einig war, so
                                 daß nur noch Besorgnisse über das Ablaufen der Räder von den Schienen und über
                                 das allenfallsige Brechen der Federn bei einigen der Passagiere obwalteten.
                              
                           
                              „In Watford sezte man in der Mitte des Wagens ein mit Wasser gefülltes
                                 Beken auf den Boden. Dieses Wasser kam, so wie der Wagenzug seine volle
                                 Geschwindigkeit erreichte, in Bewegung, und zwar anfänglich in eine
                                 unregelmäßige, aus welcher jedoch bald eine kreisende wurde. Zulezt wurde das
                                 Wasser durch die Centrifugalkraft, die es erlangte, so lange aus dem Beken
                                 hinausgeschleudert, bis ungefähr die Hälfte desselben ausgegossen war. In Tring,
                                 wo man anhielt, um Passagiere aufzunehmen, machte man Hrn. Adams die größten Lobsprüche über seine Erfindung, welche auf dieser
                                 Fahrt nicht nur ihre Zwekmäßigkeit, sondern auch ihre Festigkeit bewährt
                                 hatte.
                              
                           
                              „Die Rükkehr von Tring nach Birmingham bewerkstelligte die Gesellschaft,
                                 welche den Versuch gemacht hatte, in einem gewöhnlichen Personenwagen erster
                                 Classe, welcher denselben Plaz im Zuge einnahm, wie anfänglich der Wagen des
                                 Hrn. Adams. Man stellte abermals ein mit Wasser
                                 gefülltes Beken auf den Boden, um dessen Verhalten zu beobachten. Das Wasser kam
                                 auch hier wieder, als der Wagenzug seine volle Geschwindigkeit erlangt hatte, in
                                 Unruhe, wobei es anfänglich stoßweise emporsprang; bald aber entwikelte sich
                                 eine vibrirende Bewegung von einer zur anderen Seite, durch welche das Wasser zu
                                 beiden Seiten aus dem Beken hinausgeschleudert wurde. Dieses Resultat sprach
                                 unzweifelhaft für die neuen Federn, und für die größere Stätigkeit der Bewegung,
                                 welche durch sie erzielt wurde. Diese Stätigkeit war in der That so groß, daß
                                 Hr. Adams im Stande war, im Wagen sizend eine
                                 Bleistiftzeichnung anzufertigen.
                              
                           
                              „Bei mehrfacher Wiederholung dieser Versuche durch die Directoren der
                                 London-Birmingham-Eisenbahn scheint sich ergeben zu haben, daß die
                                 Bogenfedern folgende wesentliche Vortheile gewähren.
                              
                           1) Eine bedeutende Verminderung der Reibung.
                           
                           2) Eine Verminderung des Gewichtes, weil die Elasticität der Federn und die
                              Gleichmäßigkeit der Bewegung, die sie bedingen, beinahe an allen Theilen der
                              Eisenbahnwagen, so wie auch an den Locomotiven selbst, eine größere Leichtigkeit
                              gestatten.
                           3) Sicherheit der Stellung der Wagen auf den Schienen. Man hat es bisher für nöthig
                              erachtet, die Achsen durch seitliche Führer in ihrer Stellung zu erhalten. Diese
                              Führer, welche die Achsen hindern, sich den an den Bahnen unvermeidlichen
                              Unebenheiten anzupassen, fallen hier weg.
                           4) Genaue Messungen haben ergeben, daß zwischen den Radachsen mancher Eisenbahnwagen
                              kein vollkommener Parallelismus besteht, und daß diese Wagen also nicht vollkommen
                              richtig auf derselben Bahnlinie laufen können. Die Folgen hievon sind eine größere
                              Reibung, eine größere Abnüzung der Schienen, der Räder und der Wagen, eine größere
                              Schwere, welche den einzelnen Theilen der Wagen gegeben werden muß, damit sie den
                              heftigen Erschütterungen, welche bei großen Geschwindigkeiten schon eine geringe
                              Abweichung von dem Parallelismus der Achsen erzeugen muß, zu widerstehen vermögen.
                              Allen diesen Uebeln ist durch die Bogenfedern gesteuert, indem diese den Rädern die
                              Fähigkeit geben, sich jeder gewöhnlichen Unebenheit der Bahn anzupassen.
                           
                              „Die Erfindung ist so einfach und so praktischer Art, daß deren
                                 Nüzlichkeit und Zwekmäßigkeit in Kürze durch die Erfahrung außer Zweifel gesezt
                                 werden muß. Sollte das Resultat dieser Erfahrungen so günstig ausfallen, als es
                                 unserer Ueberzeugung nach ausfallen muß, so dürfte die Eisenbahnfahrt, was die
                                 Bequemlichkeit und die Gleichmäßigkeit der Bewegung betrifft, bald nichts mehr
                                 zu wünschen übrig lassen.“
                              
                           
                        
                     
                  
               Tafeln
